The Harder They Fall

ES GROOVT DER WILDE WESTEN

4/10


thehardertheyfall© 2021 Netflix


LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: JEYMES SAMUEL

CAST: JONATHAN MAJORS, IDRIS ELBA, LAKEITH STANFIELD, REGINA KING, ZAZIE BEETZ, DANIELLE DEADWYLER, DELROY LINDO, RJ CYLER U. A. 

LÄNGE: 2 STD 17 MIN


Den Tod seiner Eltern wird der Junge den anderen bösen Jungs sein Leben lang nicht verzeihen. Die Rache wird folgen, und niemand wird seiner Strafe entgehen. Diese Ausgangssituation kommt irgendwie bekannt vor. Was nun fehlt, ist Ennio Morricones hypnotisch-faszinierendes Spiel auf Charles Bronsons Mundharmonika, bevor es brutal wird. Doch nein, die Rede ist nicht von Spiel mir das Lied vom Tod. Viel eher variiert Jeymes Samuel diese Vorlage als einen betont lässigen Videoclip für neu gemixte Versionen diverser Reggae-Nummern, die summa summarum einen Soundtrack oder besser gesagt einen Sampler abliefern, der ganz vorne mit dabei ist und das eigentliche Qualitätsmerkmal dieses Films darstellt, der sonst leider nur in stilsicheren Manierismen untergeht.

Was Samuel von Sergio Leone gelernt hat, das ist so gut wie alles in diesem Film – vorzugsweise die italienische Einstellung. Eine klare Hommage an den Meister des Spaghettiwesterns und der sowieso besten Western überhaupt, wenn es nach mir geht. Wem Samuel noch huldigt, ist natürlich Quentin Tarantino mit seiner Western-Version Django Unchained. Ein bisschen Blaxploitation noch dazu, wieder eine Referenz, und fertig ist ein stylisches Shoutout-Movie, das leider überhaupt keine eigenen Ideen hat.

Als originär gelten immerhin die Charaktere im Film, von denen die meisten tatsächlich existiert haben. Nat Love zum Beispiel war nach dem Sezessionskrieg als freier Mann unter anderem als Cowboy und Rodeoreiter tätig. Stagecoach Mary oder auch Mary Fields galt als erste afroamerikanische Postkutschen-Zustellerin. Rufus Buck hingegen war dann schon eher ein schlimmer Finger. Sie alle hat es gegeben – über den Weg gelaufen sind sie sich womöglich nicht. Zumindest nicht so, wie im Film dargestellt. Die Rachestory ist also rein fiktiv. Und das merkt man, denn die Geschichte schreibt wohl nicht einen Western, der so offensichtlich nach klassischen Formeln aufgebaut ist wie dieser. Samuel, der gemeinsam mit Boaz Yakin das Drehbuch schrieb, war wohl wichtig, den Coolness-Faktor seiner einzelnen Figuren in die Höhe zu schrauben, sich aus dem Westerngenre gierig zu bedienen und ein gerne mal zynisches Outlawdrama ganz einfach mit Schwarzen zu drehen, die auf der staubigen Durchzugsstraße eines Kaffs den Revolver ziehen. Es kommt das große Gähnen bei jenen, die mit Leone, Corbucci und Co aufgewachsen sind. Die Exotik der einzelnen Figuren hält auch nicht länger munter. Vor allem deswegen, weil es erstens viel zu viele nach vorne drängende Individualisten sind, und zweitens sich diese bis auf wenige Ausnahmen (Danielle Deadwyler als Crossdresserin Cuffee zum Beispiel) zu austauschbaren, grob umrissenen Persönlichkeiten hinreißen lassen müssen. Platzhalter für Stereotypen also. Darunter Zazie Beetz, die mit ihrer Rolle überhaupt nichts anfangen kann.

So will The Harder They Fall einfach nur stilistisch gefallen. Findet am Ende gar Momente, die das mögliche Potenzial gerade mal erahnen lassen. Dennoch bleibt das Ganze nur zerfahrenes Patchwork, unterlegt mit einem atemberaubend innovativen Sound. Wär‘s doch nur andersrum gewesen.

The Harder They Fall

Da 5 Bloods

VOM KRIEG, DER NICHT IN RENTE GEHT

6/10

 

da5bloods© 2020 Netflix

 

LAND: USA 2020

REGIE: SPIKE LEE

CAST: DELROY LINDO, CLARKE PETERS, ISIAH WHITLOCK JR., NORM LEWIS, CHADWICK BOSEMAN, JEAN RENO, MÉLANIE THIERRY, PAUL WALTER HAUSER, JASPER PÄÄKKÖNEN U. A. 

 

Da fällt mir doch gleich ein echter Klassiker von Dire Straits ein: Brothers in Arms. Im Vibra-Sound, recht verhalten und in den imaginären Stahlhelm gesungen, erzählt der Song vom Durch- und Zusammenhalten, wenn die Waffen sprechen. Sowas begründet natürlich, sofern man überlebt, niemals endende Freundschaften. Zwangsfreundschaften sozusagen. Innerhalb der schwarzen Bevölkerung ist das gefühlsmäßig etwas anders. Die sind nicht nur im Krieg Brüder – die solidarisieren sich auch so. Vor allem jetzt, wenn Black Lives Matter. Da sind all jene afrikanischen Ursprungs eine ganze große Familie, um gegen den zur us-amerikanischen Tagesordnung gehörenden Rassismus anzurennen. Spike Lee ist da ganz vorne mit dabei. Rassenhass, Gewalt und Politik waren immer sein Thema. Politik ganz besonders. Und all die ganzen zersetzenden Mechanismen einer Gesellschaft, die, egal ob schwarz oder weiß, so leicht in Frieden miteinander leben könnte. Lee sucht aber in seinen Filmen ganz andere Ansätze und verleiht dem Ansinnen auf ethnische Liberalität den Klang von Stereo, lässt seine wild schraffierten Ideen wie aktivistische Transparente nicht nur auf das Kinopublikum los – sondern jetzt auch auf all die User von Netflix, die exklusiv sein neues Werk begutachten können – und sich, sofern sie es gesehen haben, vielleicht an BlacKkKlansman erinnert fühlen.

Diese True Story, fast schon Satire, führt mit Freuden die White Power der USA ad absurdum, lässt Tomaten auf die weißen Gewänder der Kapuzenträger hinabregnen, wenngleich Lees Film trotz seiner ruhelosen Ambitionen weitestgehend handzahm daherkommt. Diese Phlegmatik könnte mit Da 5 Bloods jetzt ein Ende haben – obwohl auch dieser neue, überlange Streifen rund um den Vietnamkrieg und seine Nachwehen relativ viel Zeit benötigt, um wirklich in die Gänge zu kommen. Aber so ist das in den Tropen: einer Akklimatisierungsphase folgt ein Abenteuer Marke Baedeker, wie man es daheim anschließend gern erzählt. Die 4 Bloods – der fünfte im Bunde hatte schon während des Kriegseinsatzes in Fernost das Zeitliche segnen müssen – finden sich nach Jahrzehnten wieder dort ein, wo die „Blutsbrüderschaft“ ihren Anfang nahm: In Saigon, im Süden des Landes. Warum nun sind sie hier, diese vier Rentner? Mitnichten zum Urlauben. Sondern um einen Goldschatz zu heben, der im Hinterland vergraben liegt, mitsamt den Überresten des fünften Blood, den es als Vorwand zu finden gilt, würden doch die vietnamesischen Behörden dieses satte Kapital niemals ausreisen lassen. Vier Knacker sinds also, denen das Leben bereits ganz schon mitgespielt hat. Und die den Krieg nicht überwinden können. Zumindest einer – Delroy Lindo in bemerkenswert intensiver Spiellaune – scheint massiv traumatisiert. Doch wie geplant brechen sie in den Dschungel auf, und je näher sie ihrer gemeinsamen Vergangenheit kommen, umso präsenter wird ein Krieg, der Jahrzehnte vorbei zu sein scheint. Es ist fast wie ein Fluch, der auf denen lastet, die gekämpft haben.

Da 5 Bloods ist trotz einiger Verzettelungen und zäher Konfusion ein kurioses Konstrukt, das auf gewisse Weise nachwirkt. Perfekt ist Lees Film keineswegs. Die erste Stunde lang, wenn nicht länger, sieht man den vier Veteranen beim Quatschen zu, über das Leben und das Damals. Das wirkt fast so wie eine dieser Travel-Soaps, in denen Promis auf Reisen gehen. Irgendwann gibt’s auch noch einen Reiseleiter, der nur die Geschichte des fünften Blood kennt, aber nicht die des vielen Goldes. Lee wechselt das Bildformat wie ein Fotograf sein Objektiv – von 4:3 bis Cinemascope ist alles da. Aus einem Guss ist das nicht. Gewöhnungsbedürftig sind nicht nur die Szenen aus vergangenen Kriegstagen, die wie Super 8-Aufnahmen inszeniert sind, untermalt von pathetischer Orchestermusik wie für einen Chuck Norris-Reißer, und in denen die Bloods, bis auf den einen fünften („Black Panther“ Chadwick Boseman), genauso alt sind wie 5 Jahrzehnte später. Gewöhnungsgbedürftig ist der ganze Film, der manchmal einfach zu viel skandiert, der schockierende Archivaufnahmen aus dem echten Krieg wie Schrapnelle so manche Szene spaltet. Der Power-Point-Files in seinen War-Punch hineinwirft und alles nochmal aufkocht. Lees Senf zu Black Lives Matter wirkt dabei leider wie aufgesetzt, hat auch aus meiner Sicht mit dem Werk nur peripher zu tun. Aber gut, Spike Lee will so viel wie möglich, fällt fast schon in Rage. Dabei kippt das Werk ins Anarchische. Was folgt, ist ein regelrecht bizarres Apokalypse Now-Revival für die R.E.D.-Generation in drastischen Bildern, ein Antikriegsfilm mit nostalgischem Blick zurück ins Desaster, in dessen Folge der Sieg über den Feind auch nichts weiter ist als eine Niederlage der anderen Art.

Da 5 Bloods