The Piano Accident (2025)

DURCH HALS- UND BEINBRUCH ZUM STAR

6/10


© 2025 Diaphana Distribution


ORIGINALTITEL: L’ACCIDENT DE PIANO

LAND / JAHR: FRANKREICH 2025

REGIE / DREHBUCH: QUENTIN DUPIEUX

KAMERA: QUENTIN DUPIEUX

CAST: ADÈLE EXARCHOPOULOS, JÉRÔME COMMANDEUR, SANDRINE KIBERLAIN, KARIM LEKLOU U. A.

LÄNGE: 1 STD 28 MIN


Um Gottes Willen, bitte nicht nachmachen! Obwohl ihr damit vielleicht das große Geld scheffeln könntet, keine Frage. In den Sozialen Medien ist der verrückteste Content gerade noch gut genug, um Likes und Follower zu sammeln und Einfluss auf die Wirtschaftslage diverser Konzerne zu haben, die all diese Influencer so sehr zweckinstrumentalisieren, dass diese zumindest ihre Villa auf den Bahamas kaufen können. Dass diese Parallelwelt im Netz so sehr vor sich hin krankt, dass man ihr längst die letzte Ölung hätte geben müssen, ist uns allen, die hier mit einer gewissen Achtsamkeit darauf blicken, sowieso längst klar. Selbstverstümmelung und Suizid vor laufender Kamera, womöglich zu Tode geprügelt von anderen, die nur deswegen zuschlagen, weil sensationsgeile Follower ihr Erspartes hinterlassen, veranlasst heutzutage niemanden mehr, irgendetwas dagegen zu unternehmen. Nun ja, jeder ist seines Glückes Schmied, erschreckender ist viel mehr, dass dieser Schmied, der sein Glück mit dem Hammer malträtiert, tatsächlich genug Leute findet, die so therapiewürdiges Zeug wie dieses auch pushen. Das war schon bei den alten Römern so, das war schon beim Scheiterhaufen so, als die Hexen brannten, Nicht umsonst wurden Hinrichtungen öffentlich abgehalten, um die Lust an der Show zu bedienen.

Soziopathie in Reinkultur

Das alles sind Dinge, die sich Quentin Dupieux ähnlich überlegt haben muss. Am meisten beschäftigt dürfte ihn die Frage haben, was das für Leute sind, die sich vor laufender Kamera selbst quälen, um groß rauszukommen. Sein Resümee: Massiv gestörte Individuen.

So eine Soziopathin ist Magalie, in hinreißender Exaltiertheit dargeboten von einer komödiantisch versierten Adèle Exarchopoulos mit unsortierter Bubenfrisur und Zahnspange. Ihre Besonderheit nebst ihres unverwechselbaren Aussehens: Magalie verspürt keinen Schmerz. Sie kann sich also antun, was sie will, es juckt sie so wenig, dass diese Abstumpfung ihrer Sensibilität auch dazu führt, das nichts und niemand auf dieser Welt auch nur irgendeinen Wert besitzt, schon gar nicht ein Menschenleben. Und schon gar nicht das eigene. Denn wie kann es denn sonst anders sein, dass Magalie in zehnsekündlichen Videos unter anderem sich selbst in Flammen setzt, von Dächern springt, unter Waschmaschinen zu liegen kommt und sich mit spitzen Gerätschaften impft. Die Community baut sich auf wie ein Tsunami, bald ist Magalie weltberühmt, auch wenn sie alle Nase lang einen Gips trägt. Immer extremer werden die sprichwörtlichen Fallbeispiele, bis die Sache mit dem Klavier dann doch nicht so läuft wie vorhergesehen – und Magalie untertauchen muss. Diesen Schachzug hält eine Journalistin nicht davon ab, als erste mit dem misanthropischen Superstar ein Interview führen zu wollen, schließlich hat sie gute Karten in der Hand, denn sie kennt jedes Detail über die Sache mit dem Klavier. Magalie muss wohl oder übel mitspielen, obwohl sie das alles abgrundtief hasst.

So zynisch ist Social Media

Diese Gehässigkeit in Dupieux brandneuem Film ist zu zynisch, um sie ernstzunehmen, andernfalls wäre eine Figur, wie Exarchopoulos sie spielt, kaum zu ertragen. Wir wissen: Dupieux beherrscht den surrealen, völlig überspitzten Wahnsinn so gut wie kein anderer, denn wem wäre sonst noch in den Sinn gekommen, einen mordenden Autoreifen als den Gummi-Hitcher aus der Taufe zu heben oder Lederjacken den Geist ihres Trägers manipulieren zu lassen (siehe Monsieur Killerstyle). Es sind zum Haareraufen schräge Themen, schwarzhumorig und von derber Brutalität. The Piano Accident macht aber mehr Unwohlsein als bei seinen Vorgängern, weil sich trotz des Absurden die Realität ähnlich anfühlt. Influencer ziehen ihr Ding vor laufender Kamera genauso durch wie Magalie es tut. Hypes und Trends, so destruktiv sie auch sein mögen, finden Anklang bei Menschen, die sich selbst und ihre Umwelt nicht imstande sind, zu spüren.

Die Wahrheit liegt bei Dupieux diesmal sehr nah am Irrsinn, und selten findet man im Arthouse-Kino dermaßen bösartige Figuren wider, die in ihrer sensorischen und empathischen Verkümmerung viel grässlicher sind als jedes Frankenstein-Monster. Ob die Medien sie dazu gemacht haben oder sie selbst schon so war: Während zum Streiten immer zwei gehören, bedingt auch hier das eine das andere.

The Piano Accident (2025)

Die Nacht der lebenden Toten (1968)

METAPHER DER ENTMENSCHLICHUNG

7/10


© 1968 George A. Romero


ORIGINALTITEL: NIGHT OF THE LIVING DEAD

LAND / JAHR: USA 1968

REGIE: GEORGE A. ROMERO

DREHBUCH: GEORGE A. ROMERO, JOHN A. RUSSO

CAST: DUANE JONES, JUDITH O’DEA, KARL HARDMAN, MARILYN EASTMAN, KEITH WAYNE, JUDITH RIDLEY, KYRA SCHON, RUSSEL STREINER U. A.

LÄNGE: 1 STD 36 MIN


Die lebenden Toten sind längst nicht nur mehr das: Sobald der Mensch aufgrund von Viren, Sporen, Strahlen oder sonstigen höheren unnatürlichen wie natürlichen Mächten seine Vernunft verliert und nur noch, von Instinkten getrieben, außer Rand und Band gerät, ist die dominierende Spezies des Planeten ihrem Untergang geweiht. Die Endzeit bricht herein, und die Szenarien, die darauf folgen, sind allesamt ähnlich. Eine Gruppe noch nicht Infizierter rottet sich zusammen, um die Essenz des Menschseins oder das, was das Menschsein eben ausmacht, um alles in der Welt zu schützen. Meist suchen sie gemeinsam einen Zufluchtsort, der in den noch verbliebenen Nachrichtenquellen durchgegeben wird. 28 Days Later, Dawn of the Dead, The Last of Us – Filme und Serien beschreiben Irrfahrten durch ein verwüstetes Land, bevölkert von tumben Kreaturen, die noch vage an unsere Vergangenheit erinnern: Zombies. Dass sie aus den Gräbern kommen, war vielleicht im Musikvideo Thriller so. In Die Nacht der lebenden Toten, dem ersten neuen Zombiefilm des New Hollywood, muss der Mensch immerhin erst sterben, um von einer Rage und einem Appetit ergriffen zu werden, der ihn letztendlich sowieso in den Untergang führen wird. Schon mal zu Ende gedacht? Gibt’s nur noch Zombies auf dieser Welt, werden ohne Frischfleisch folglich alle verhungern.

Dieser Film hier aus dem Jahre 1968 ist bekannt dafür, jene Sonderstellung zu genießen, die beinhaltet, in die Filmsammlung des Museum of Modern Art aufgenommen worden zu sein und als Beitrag zur National Film Registry als erhaltenswertes Kulturgut verstanden zu werden. Schön und gut, diese Ehre teilt Romeros Film auch mit Alien oder 2001: Odyssee im Weltraum. Das muss man nicht extra erwähnen. Oder doch? Zumindest ist George A. Romero mit seinem Film eine Pionierarbeit gelungen, die damals wohl das eine oder andere Tabu hat brechen wollen. Wie zum Beispiel jenes des Kannibalismus. In einer expliziten Szene wird deutlich, wie eine Handvoll Zombies an Knochen nagen, die womöglich menschlicher Natur sind. Ein Schock für damalige Verhältnisse. Heutzutage kostet es dem Walking Dead-geeichten Publikum nicht mal das Zucken mit der Wimper. Der Skandal mag überholt sein – die künstlerische Ausarbeitung ist es vielleicht nicht. Denn Zombie-Filme in Schwarzweiß, die bereits jene Versatzstücke zeigen, die bis heute verwendet werden, sind mir sonst keine bekannt.

Auch der Plot des Films ist bereits zigmal imitiert, neuinterpretiert und verarbeitet worden: Zu Beginn des Films begibt sich ein Geschwisterpaar auf einen Friedhof, um das Grab des Vaters zu besuchen. Und schon passiert es: Beide werden von einem wild gewordenen Mann attackiert, scheinbar geistesgestört, in Wahrheit aber ein Untoter. Davon wissen die beiden aber noch nichts (da sie womöglich noch keinen Zombiefilm gesehen haben). Sie finden Unterschlupf in einem verlassenen Farmhaus, wo sie noch auf andere Überlebende treffen, die sich den Bissen der Marodeure erwehren konnten. Die klaustrophobische, beklemmende Stimmung des Films nimmt zu, als alle hier Anwesenden, längst mit dem Rücken zur Wand stehend, das Haus verbarrikadieren, um auszuharren, bis militärische Hilfe kommt und sie alle evakuiert.

Man kann sich denken, was passiert. Man hat das auch schon oft gesehen. Zum ersten Mal aber bei Die Nacht der lebenden Toten. Mir gefällt die klassische Darstellung des trägen humanoiden Gemüses, das im Gegensatz zum späteren Dawn of the Dead (kongenial neuverfilmt von Zack Snyder) oder Danny Boyles 28 Days Later, nur langsam vor sich hin torkelt und leicht zu bewältigen wäre. Das fördert eine Diskrepanz in so mancher brenzligen Szene, doch George A. Romero kommt der für einen Spannungsfilm wenig förderlichen Verhaltensweise mit der schieren Masse entgegen. Ein nicht enden wollender Strom Untoter belagert die letzte Zuflucht, die Ausnahmesituation schafft auch innere Spannungen in der Gruppe, da jeder eine eigene Vorstellung davon hat, mit der Notlage klarzukommen.

Filmgeschichtlich betrachtet ist Die Nacht der lebenden Toten auf jeden Fall ein Must-See, um zu erfahren, womit alles angefangen hat. Was noch hinzukommt, ist Romeros Tendenz zum Nihilismus. Völlig frei im Gestalten seiner katastrophalen Endzeit, verortet das Werk seine Kernqualität in einem misanthropen Zynismus, der sozialpolitische Verhaltensabnormen als zermürbende Allegorie darstellt. So gesehen sind Genozide wie der Holocaust oder das spätere Schlachten in Ruanda Mitte der Neunziger der reale Ursprung für Apokalypsen wie diese, welche die Entmenschlichung widerspiegeln. Der Zombiefilm als politische Warnung, auch wenn die Ursache für den todbringenden Anarchismus in Romeros Film einer Strahlung zugrundeliegt – die wiederum mit medialer Gehirnwäsche gleichzusetzen wäre.

Die Nacht der lebenden Toten (1968)

Heretic (2024)

WER GLAUBT, STIRBT SELIG

5,5/10


heretic© 2024 Plaion Pictures


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE / DREHBUCH: SCOTT BECK & BRYAN WOODS

CAST: HUGH GRANT, SOPHIE THATCHER, CHLOE EAST, TOPHER GRACE U. A.

LÄNGE: 1 STD 50 MIN


Über Gott und Religion lässt sich lang und breit und scheinbar endlos diskutieren. Noch dazu ist es ein Thema, zu welchem ich mich nicht lange bitten lasse, um meinen Senf dazuzugeben. Ich hoffte schon, dass Anthony Hopkins als Sigmund Freud und Matthew Goode als Narnia-Schöpfer C. S. Lewis das diskussionsentfachende Thema mitsamt seiner Essenz aufs Tapet bringen würden. Der Film Freud – Jenseits des Glaubens war allerdings eine Enttäuschung. Denn gerade dann, wenn es verbal spannend wurde, quälten den Psychoanalytiker seine gesundheitlichen Gebrechen. In die Tiefe ging dieses Wortduell nie. Dafür aber lässt sich in Heretic genau das finden, wofür in Freud eben kein Platz mehr war: Den Diskurs um Gott, Glaube und Religion, ausgetragen von einem desillusionierten und geläuterten Theologen namens Mr. Reed, der im enthusiastischen Präsentationswahn naiven Gläubigen Gott behüte nicht die Leviten liest, diesen aber anhand gewiefter Anschauungsbeispiele so manche Glaubenssätze auszutreiben gedenkt. Während in Morton Rues Die Welle ein ehrgeiziger Lehrer versucht, anhand eines Selbsttests die Entstehung eines faschistoiden Systems zu veranschaulichen, macht ein besserwisserischer Zyniker ganz ähnlich die Probe aufs Exempel, um herauszufinden, wie leicht oder wie schwer es sein mag, aus dem Stand eine Instant-Glaubensgemeinschaft mit Wundern, Prophezeiungen und Leidenswegen zu errichten. Diesen Mr. Reed gibt ein völlig gegen das Image besetzter Hugh Grant, der im Endeffekt alles andere besser kann als den Charmeur in irgendwelchen RomComs zu spielen.

In Guy Ritchies The Gentlemen war er als linker Hund schon großartig, in Heretic legt er in Sachen Süffisanz und Subversion noch eins drauf. Mit Sicherheit aber ist dieser Mr. Reed kein Antagonist im herkömmlichen Sinn. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten: Er ist gar keiner. Obwohl Hugh Grant im Interview mit cinema behauptet hat, in seiner Rolle das höfliche Gehabe gegenüber den beiden jungen Mormoninnen, die da in sein Haus schneien, um ihre Gemeinschaft zu bewerben, nur vorzutäuschen: Die Figur des Mr. Reed ist im Grunde eine, die ihre Überzeugung genauso lebt wie ihr Gegenüber. Höflichkeit und gelebte Diskussionskultur sind daher auch kein Grund, um nicht auch unorthodoxe Pläne zu schmieden. Dieser Anstand ist also ernst gemeint – und klar, Mr. Reed verbiegt die Wahrheit gerne zu seinen Gunsten, wenn es zum Beispiel darum geht, die Haustür nicht mehr öffnen zu können, da sie einem zeitgesteuerten Mechanismus unterliegt. Doch im Grunde verfolgt er eine Agenda, die all jene remissionieren soll, die missionieren wollen.

Das sind also die beiden Schwestern Barnes und Paxton, die während eines herannahenden Schneesturms das traute Heim eines Gelehrten aufsuchen, um diesen zu belehren. Der aber macht das, was alle religiösen Türklopfer dieser Welt womöglich fürchten: Er sucht die Diskussion. Es braucht dann auch nicht viel, um Religion als das zu enttarnen, was sie eigentlich ist. Dass man dafür das Gesellschaftsspiel Monopoly unterstützend heranziehen kann, beweist Heretic in einer seiner besten Szenen. Die erste Hälfte des Films ist es auch, die das Zeug hat, das Genre des intellektuellen Horrorfilms innovativ zu erweitern. Denn manchmal reicht nur die Wucht einer Performance, wie sie Hugh Grant hinlegt, und ein ausformuliertes Skript, dass es wirklich wissen will. Als Kammerspiel wäre Heretic schließlich spannend genug – als reines Wortduell, welches den Horror der Widerlegung eines Gottes bereits in sich trägt. Doch leider wollen Scott Beck und Bryan Woods (u. a. 65 bzw. mitverantwortlich für das Skript zu A Quiet Place) mehr – obwohl das alles schon genug wäre. Sie wollen einen Horror bemühen, der in drastischeren Bildern lediglich nachkaut, was sowieso schon durchexerziert wurde.

Vergessen wir all die schleichende Suspense der ersten Hälfte. Als wäre man in einem Escape Room für die Frommen, konstruieren die beiden Filmemacher ein Psychospiel ohne Überzeugungskraft. Beklemmende Kellerparty und gespenstische Gestalten, dazu die Stimme Grants aus dem Lautsprecher, um die beiden gemarterten jungen Frauen durch ein Exempel zu führen, dass sich so umständlich anfühlt wie eine Liturgie auf Latein. Der Rest passt dann auch nicht mehr zu Mr. Reeds Charakterbild, obwohl Grant versucht, seine Rolle konsequent durchzuspielen. Es gelingt ihm auch, selbst Sophie Thatcher und Chloe East sind motiviert genug, durch die Hölle zu gehen. Die Conclusio am Ende der blutigen Bibelrunde birgt dann aber eine Erkenntnis, die, um sie zu erlangen, den ganzen um die Ecke gedachten Zinnober nicht gebraucht hätte. Das Wort hätte Wirkung genug gehabt.

Heretic (2024)

Veni Vidi Vici (2024)

DER PAPA WIRD’S SCHON RICHTEN

6/10


VeniVidiVici© 2024 Ulrich Seidl Filmproduktion


LAND / JAHR: ÖSTERREICH 2024

REGIE: DANIEL HOESL & JULIA NIEMANN

DREHBUCH: DANIEL HOESL

CAST: LAURENCE RUPP, URSINA LARDI, DOMINIK WARTA, JOHANNA ORSINI, MARTINA SPITZER, MARKUS SCHLEINZER, MANFRED BÖLL, CHRISTOPH RADAKOVITS, BABETT ARENS U. A.

LÄNGE: 1 STD 26 MIN


Der Papa wird‘s scho richten, das g’hört zu seinen Pflichten… Dass die Oberen über dem Gesetz stehen, besang schon Helmut Qualtinger. Dabei ist Reichtum prinzipiell keine Schande. Reichtum allein macht noch niemanden zum Bösen. Reichtum allerdings, frei nach dem geläufigen Zitat „Wer zahlt, schafft an“, ist das wohl beliebteste Machtmittel, um in der Gesellschaft so hochzusteigen, dass alle anderen unten bleiben. Ist man mal im Olymp derer angekommen, die alles haben und noch viel mehr, ist die Versuchung groß, diese gottgleiche Freiheit dafür zu nutzen, gleich die ganze Welt an den hauseigenen Tropf zu hängen. Am süchtigsten wird dabei die Politik, oder jene, die glauben, den Krösus für sich instrumentalisieren zu können. Das wird nicht gelingen, viel eher ist es umgekehrt, und wir sehen, wohin diese Sache mitunter geführt hat. Als Paradebeispiele sind unter anderem Helmut Elsner, Karl-Heinz Grasser oder der von der Slimfit-Entourage hofierte Rene Benko zu nennen, der jetzt, nach all dem Desaster um sein verschachteltes Imperium, immer noch mit genug Mammon dastehen wird, um ein sorgenfreies Leben zu führen. Draufzuzahlen haben immer nur die Kleinen. Oder jene, die viel lieber für Vermögenssteuern plädieren würden als nur irgendetwas mit dieser weltfremden Haute Volée zu tun haben zu wollen. Leute wie Amon Maynard, welchem Laurence Rupp in der Gesellschaftssatire Veni Vidi Vici ein fast kindlich naives, unbekümmertes und jedem Zweifel erhabenes Gesicht gibt, gehen im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen. Dort, in dieser urösterreichischen Welt aus Freunderlwirtschaft, astreiner Korruption und Postenschacher, zählt die Jagd zu den Lieblingsbeschäftigungen des Multimilliardärs. Nur: Einem Tier kann der reiche Bonze niemals etwas zu leide tun. Dann wohl schon eher der eigenen Spezies. Nach diesem wenig humanistischen Motto entspannt sich das verzerrte Benko-Imitat beim Abknallen wildfremder Menschen.

Ein Verbrechen? Natürlich ist es das, und jeder weiß, dass Maynard dahintersteckt. Das Problem dabei: Maynard aus dem Verkehr zu ziehen würde schließlich für Politik und Wirtschaft bedeuten, an Einfluss zu verlieren. Denn Maynard ist viel zu wichtig, um ihn zu belangen. Macht geht über Menschenrechte, Justitia ist wieder mal blind und jene, die versuchen, dieser Gottheit, die in den hallenden Hallen des Olymps residiert, das Handwerk zu legen, sind auch nur schwache Geister im Angesicht der Verführung.

Bitterböse will Veni Vidi Vici sein, der sich selbst in Veni, Vidi und Vici teilt. Man kann davon ausgehen, dass das lateinische Wort Vici am Ende wohl nicht hinterfragt werden wird. Man kann davon ausgehen, dass, wenn die Ulrich Seidl Filmproduktion dahintersteht, wohl kaum Kompromisse eingegangen werden, wenn es heisst, eine kritische Agenda zu verfolgen, die den Hass auf all die manipulativen Reichen schürt, die sich erlauben können, am System herumzudrehen. Sieht man die ganze reiche Familie, die lieber falsche als keine Moral besitzt, die sich in NS-Zeiten auf Kosten der Verfolgten wohl gesundgestoßen hätte und kein Gewissen kennt, wünscht man ihnen das Unglück. Daniel Hoesl und Julia Niemann lassen Laurence Rupps Überfigur eines Hoffmansthal’schen Jedermanns mit dem Dilemma der Unberührbarkeit hadern. Er verübt seine Verbrechen, nicht nur weil es geht, sondern auch, weil er darf. Die Hölle sind auch hier die anderen, die Maynard erst zu dem gemacht haben, der er ist. Veni Vidi Vici zeigt die Schwäche des Menschen am Ende der Nahrungskette. Das alles ist berechtigt, es darzustellen.

Das Problem an diesem Film jedoch ist, dass Hoesl und Niemann die Zügel oft lockerlassen und ihre „Vorzeigefamilie“ auf gewisse Weise bewundern. Politik und die einflussreiche Gesellschaft bleiben in ihren Methoden vage, die Kritik bleibt unbeherzt und fast etwas duckmäuserisch. Mitunter blitzt die Radikalität im Film auch auf, die meiste Zeit aber werden genau jene Figuren, auf die es ankommt, kaum herausgefordert. Ans Eingemachte geht es nie, der Papa wird alles schon richten. Veni Vidi Vici erlangt dabei keine Tiefe, schon gar nicht, wenn es kaum etwas gibt, wodurch das Biotop kippen könnte. Die Energie des Hasses auf die Reichen verpufft, am Ende bleibt die Resignation.

Veni Vidi Vici (2024)