The Electric State (2025)

TECHNO-DYSTOPIE ALS KASPERLTHEATER

5/10


© 2025 Netflix Inc.


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: ANTHONY & JOE RUSSO

DREHBUCH: CHRISTOPHER MARKUS, STEPHEN MCFEELY

CAST: MILLIE BOBBY BROWN, CHRIS PRATT, STANLEY TUCCI, GIANCARLO ESPOSITO, KE HUY QUAN, WOODY NORMAN, MARTIN KLEBBA, WOODY HARRELSON, ANTHONY MACKIE, BRIAN COX, JENNY SLATE U. A.

LÄNGE: 2 STD 8 MIN


Vom melancholisch-dystopischen Roadmovie zum versöhnlichen Robotermärchen: Der Weg von Simon Stalenhågs illustriertem Kultroman The Electric State zum Netflix-Möchtegern-Blockbuster, inszeniert von den Russo-Brüdern, denen die besten Werke des MCU gelungen sind, ist weit und verschlungen, sodass sich nicht mehr erkennen lässt, von wo der Film gestartet sein mag. Beide Werke haben fast nichts mehr gemeinsam, außer vielleicht so manches Bild, vor allem auch die schnabelförmigen VR-Helme, die der Menschheit den endgültigen Rest geben. Eine der wohl teuersten Netflix-Produktionen verschlang sage und schreibe 320 Millionen Dollar. Ordentlich viel Kohle für ein im Grunde seines Wesens wenig innovatives Werk, das eigentlich auch kein Interesse daran zeigt, Stalenhågs Vision einer untergegangenen Welt aufzugreifen. Wie Stalenhåg wohl selbst auf die Verfilmung seines Kunstbuches reagiert haben mag? Eine Stellungnahme hat der Schöpfer dystopisch-metaphysischer Roboterwelten noch nicht abgegeben. Ob im Kaufvertrag zu den Lizenzrechten zu The Electric State wohl eine Klausel vorgesehen ist, die ihm verbietet, sich vielleicht unmutig zu äußern? Vielleicht ist er auch mehr als glücklich darüber, dass die Russos und vorzugsweise die Drehbuchautoren Christopher Markus und Stephen McFeely, die auch das Skript zu Avengers: Infinity War vollbrachten, es geschafft haben, dieses ganze Roboterzeitalter aus der dunstigen Tristesse eines heftigen technologischen Hangovers zu schälen, um ein bisschen Mehr „Friede Freude Eierkuchen“ zu feiern.

In Anbetracht der Skepsis zum tsunamiartigen Fortschritt künstlicher Intelligenz-Tools scheint The Electric State in Filmform einen Weg gefunden zu haben, wieder dort anzuknüpfen, wo schon Steven Spielberg war, und zwar lange, lange Zeit vorher, genau genommen knapp ein Vierteljahrhundert, nämlich 2001. Sein Film A.I.: Künstliche Intelligenz, den Stanley Kubrick zu Lebzeiten noch verfilmen wollte, hat vieles, was The Electric State neu aufwärmt, zum Thema. Hier wie dort lautet die Frage: Wie menschlich sind Roboter? Ab wann ist KI als ein vollwertiges Bewusstsein und somit auch als vollwertige Person zu betrachten. Und wenn sie das ist, träumt sie dann von elektrischen Schafen? Womit wir bei Philipp K. Dick wären und seiner erwachsenen Welt rund um den Blade Runner. Isaac Asimovs Robotergesetze habe ich auch noch nicht erwähnt. Da kommt The Electric State reichlich spät, vor allem wird Russos Film wohl eher zum kauzigen Kasperletheater voller Merchandising-Testimonials, überdimensionalen Katzen und wandelnden Peanuts, mit dabei auch ein Baseball-Roboter und die gelbe Smiley-Grinsekatze Cosmo. Mit dem Winkelzug, die Welt Stalenhågs in den frühen Neunzigern zu verorten, mag die rostige Vintage-Technologie auch in das stilistische Konzept des Films passen. Jedoch nicht in jene des Buches.

Dort ist die Welt eine düstere, verlorene und verlassene. Nebel, wolkenverhangene Himmel, kein Sonnenstrahl dringt durch das gespenstische Grau. Gigantische Wracks kauern im Brachland, das industrielle Licht der Energiespeicher, die den Menschen ihren letzten Eskapismus gönnen, machen das Grauen komplett. Hätte sich Gareth Edwards statt seines durchwachsenen The Creator dieses Projektes angenommen, wäre etwas Bahnbrechendes entstanden. Etwas, das womöglich an Edwards Monsters erinnert, nur eben mit Robotern. Die Russos hingegen verpassen ihrem Werk den Stempel eines generischen Science-Fiction-Abenteuers, in welchem sich das Übel als Person manifestiert.

Stanley Tucci gibt einen von persönlichem Gram getriebenen Verschnitt aus Elon Musk und Jeff Bezos – einen Techno-Oligarchen, der den Menschen die virtuelle Welt schenkt, während sie alle vor die Hunde gehen. Nach einem kurzen Roboterkrieg, den Tuccis Figur gewonnen hat, steckt der wandelnde Schrott in einem Reservat, aus dem es kein Entkommen gibt. Das Mädchen Michelle, das ihrem verstorbenen Bruder nachweint und im Grinse-Roboter Cosmo den Geist ihres Bruders entdeckt, wagt natürlich das Abenteuer, in die Welt hinauszugehen, um des Bruders Körper zu finden, was sie in die verbotene Zone bringt, wo die Russos sich visuell dann auch austoben können. Schön anzusehen ist das Ganze, die idealisierte Story verliert aber so gut wie fast alles, was Stalenhågs Vision ausmacht. The Electric State mag trivial sein, kitschig und vorhersehbar, er hinterlässt aber wider Erwarten idealisierte Zwischentöne, welche die Hoffnung auf eine Koexistenz zwischen KI und Mensch erträumen. Dieses Versöhnliche wabert nach, diesen Mood kann man sich mitnehmen.

TV Media hat The Electric State als katastrophal in jeder Hinsicht beschrieben. Anders als die austauschbaren generischen Agenten-Actionfilme, die sich untereinander nicht mehr unterscheiden lassen, hat dieser Film hier zumindest eigene Bildwelten, wenn schon die Geschichte selbst die Chance auf ein progressives Filmerlebnis verschmäht und sozialphilosphischen Konzepten der Zukunft gnadenlos hinterherhinkt. Viel eher zu empfehlen ist statt The Electric State die auf Amazon Prime erschienene Stalenhåg-Verfilmung Tales from the Loop. Mysteriöse Kurzgeschichten, die von einer Technologie erzählen, die längst die Dimensionen sprengt. Ansehen!

The Electric State (2025)

Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim (2024)

IM PULSSCHLAG VON TOLKIENS WELT

8/10


schlachtderrohirrim© 2024 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA, JAPAN 2024

REGIE: KENJI KAMIYAMA

DREHBUCH: PHOEBE GITTINS, ARTY PAPAGEORGIOU, JEFFREY ADDISS, WILL MATTHEWS, BASIEREND AUF DEM ROMAN VON J. R. R. TOLKIEN

MIT DEN STIMMEN VON (ORIGINAL): BRIAN COX, GAIA WISE, LUKE PASQUALINO, MIRANDA OTTO, LAURENCE UBONG WILLIAMS, LORRAINE ASHBOURNE, SHAUN DOOLEY, BILLY BOYD, DOMINIC MONAGHAN U. A.

LÄNGE: 2 STD 14 MIN


Ich muss gestehen: Die Kunstform des japanischen Anime-Films und ich haben so unsere Annäherungsprobleme, obzwar ich mit so manchem aus dem Kinderprogramm der Achtziger aufgewachsen bin: Biene Maja, Heidi, Perrine, Niklas – alles Produktionen unter anderem aus den Studios der Nippon Animation, bis auf Heidi, die gehörte Zuiyo Enterprise. Hinterfragt haben wir die Darstellung der Figuren und den Zeichenstil damals natürlich nicht, die großen Münder, die großen Augen, das war alles selbstverständlich, obgleich etwas befremdend im Gegensatz zu anderen Animationsserien, die das nicht ganz so hatten. Den Stil des Anime muss man mögen – oder auch nicht. Franchises wie One Piece oder Dragon Ball können mich nicht abholen, die ganzen Klassiker, von Chihiros Reise ins Zauberland über Mein Nachbar Totoro bis hin zu Akira – sie alle stünden noch auf meiner Watchlist, würde ich es in Betracht ziehen, mich mit diesem Genres trotz meiner Verschnupftheit gegenüber seiner Machart auseinanderzusetzen. Vielleicht muss man andere Franchises bedienen, die Fans ganz anderer Welten längst liebgewonnen haben. Wie wärs mit Star Wars? Da gibt es die Anthologieserie Star Wars Visions auf Disney+. Zahlreiche Künstler des Anime haben dort Versatzstücke der weit entfernten Galaxis neu- und nachinterpretiert. Ein Experiment, das nur bedingt aufgeht. Anders verhält es sich da schon mit Mittelerde und allem, was vor, nach und während der Ringkriege so passiert sein mag.

Den Versuch wagt diesmal Kenji Kamiyama, der bei Star Wars Visions mit seiner Episode The Ninth Jedi bereits vertreten war. Und verarbeitet eine Erwähnung aus den Anhängen der Herr der Ringe-Romane von J. R. R. Tolkien zu einem schicksalhaften Epos rund um die Völker von Rohan, angesiedelt ungefähr zweihundertfünfzig Jahre vor der Sache mit dem einen Ring, und eingebettet in die für Kenner und Fans bereits vertraute, wohlbekannte und griffige alte neue Welt der weiten Täler, Grassteppen und unwirtlichen Gebirgszüge, in deren zerklüfteten Flanken sich so manche aus Menschenhand erbaute Burg aus den Schatten quält. Eine davon ist uns wohlbekannt. Damals nannte man sie Hornburg, nach den heldenhaften Taten eines Königs namens Helm Hammerhand treffend Helms Klamm getauft. Eine Festung sondergleichen, eine unbezwingbare letzte Bastion, aus der es, wird sie mal belagert, kaum ein Entkommen gibt. In Der Herr der Ringe – Die zwei Türme grölte vor den Mauern die unzählbare Meute blutdürstender Orks unter der Führung des sinistren Zauberers Saruman (der auch hier einen kleinen Cameo-Auftritt absolviert – mit der Stimme Christophers Lees). Jahrhunderte früher war es eine Handvoll Dunländer, die sich die Kampfeslust der Bergvölker zu eigen machen, um sich die Herrschaft der Provinz Edoras unter den Nagel zu reissen. Heerführer Wulff, emotional geblendet, rachelüstern und beleidigt wie ein kleines Kind, will Helm Hammerhand, der seinen Vater auf dem Gewissen hat, samt seiner Sippschaft vom Boden Mittelerdes tilgen. Hammerhands Tochter, die rothaarige und pferdeliebhabende Héra, hat Wulff einst den Laufpass gegeben, umso mehr wuchert die Kränkung in des Gegners einfachem Gemüt. Es kommt, wie es kommen muss, die Schlacht der Rohirrim wird in diesem Anime-Abenteuer ausgetragen werden, bildet aber nicht den Höhepunkt des Films, sondern darf vielmehr als Rad des Schicksals die Parameter neu verteilen.

Mit viel Gespür für die Seele von Tolkiens Welt und einer Lust am Erzählen von Märchen und Legenden, als würde man als Hobbit am Lagerfeuer irgendwo in den Wäldern des Auenlandes sitzen und erfahrenen Reisenden bei ihren genüsslichen Vorträgen an den Lippen hängen, so wirkt Der Her der Ringe: Die Schlacht de Rohirrim auch auf mich. Anders als die von den amazon studios ins Leben gerufene Serie beweist der Stoff, aus dem die epische Fantasy erstanden sein mag, das Zeug dazu, auf der großen Leinwand viel besser zu funktionieren als auf dem Abspielgerät des Streamers. Der Herr der Ringe gehört ins Kino, Der Herr der Ringe funktioniert nur dann, wenn die Geschichte den Mut hat, weitestgehend stringent erzählt, anstatt andauernd von Nebengeschichten zerrissen zu werden. Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht leidet darunter, zu viele Schauplätze auf einmal zu bespielen. So funktioniert das Erzählen von Legenden nun mal nicht. Wenn es hochkommt, können zwei Erzählstränge parallel laufen, um einander zu ergänzen. Frodos Odyssee zum Schicksalsberg auf der einen, die Abenteuer der übrigen Gefährten auf der anderen Seite. Die Schlacht der Rohirrim besinnt sich auf den Erzählstil von Mittelerde und macht somit alles richtig. Schafft dadurch auch Atmosphäre und elegantes Pathos, vermengt sein großes Drama mit Howard Shores Gänsehaut-Klängen und nachhaltigen Wendungen, die diesem Teil Mittelerdes eine glamouröse Bedeutung verleihen, die wiederum in den späteren Filmen ihren Widerhall findet.

Meine vom Fotorealismus verwöhnten Augen gewöhnen sich überraschend schnell an den Stil des Anime. Siehe da, die reduzierte Mimik der Gesichter schafft Spielraum für die eigene Imagination der Heldinnen und Helden, die Geschichte ist der Optik untergeordnet und kann sich entfalten. Kamiyamas Film gerät dadurch zum leidenschaftlichen Herrscherinnendrama und legt den Grundstein für so starke Figuren wie Thronerbin Éowyn, die im Grande Finale der Ringe-Trilogie dem Hexenmeister den Feminismus erklärt. In einem Guss erzählt und eingebettet in das große Mysterium der Kerngeschichte des dritten Zeitalters, spürt das Franchise endlich wieder den Pulsschlag von Tolkiens Welt.

Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim (2024)

Strange But True – Dunkle Geheimnisse

WIE DIE JUNGFRAU ZUM KIND

4/10

 

strange-but-true© 2019 Tiberius Film

 

LAND: KANADA 2019

REGIE: ROWAN ATHALE

CAST: MARGARET QUALLEY, AMY RYAN, GREG KINNEAR, NICK ROBINSON, BRIAN COX, BLYTHE DANNER U. A. 

LÄNGE: 1 STD 35 MIN

 

Tarantinos Hippie-Girl aus Once Upon a Time… in Hollywood, Margaret Qualley, hat es auch in dieser Retail-Premiere eines Mysterydramas faustdick hinter den Ohren. Als ehemalige Freundin von Amy Ryans verstorbenem Sohn steht die Gute fünf Jahre nach dessen Tod vor der Türschwelle der trauernden Mutter, um ihr eine völlig absurde, fast schon kränkende Kuriosität unter die Nase zu reiben: das Bäuchlein, das Melissa nämlich vor sich herträgt, soll auf die Kappe des Verunglückten gehen. Wie das? Theoretisch und auch rein praktisch gar nicht möglich, oder? Naja, meint Melissa, dem Jenseits sei auch im Diesseits manchmal Tür und Tor geöffnet. Amy Ryan hört sich das natürlich nicht länger an und jagt das Mädchen aus dem Haus. Aber was in Dreiteufelsnamen ist da dran? Künstliche Befruchtung vielleicht? Mit einer postmortalen Spermaprobe? Mutter Ryan forscht nach. Und stößt, wie der Subtitel des Films schon vermuten lässt, auf dunkle Geheimnisse.

Roman Polanski, wo bist du, wenn man dich mal braucht? Dieses Script wäre doch ein Fall für den mittlerweile geächteten polnischen Filmemacher gewesen. Der hat aber schon mit Rosemaries Baby einen so gruseligen wie obskuren Film rund um eine ähnlich rätselhafte Schwangerschaft vorgelegt, da braucht es nicht noch so ein Werk. Womöglich wäre dieses Werk aber besser geglückt, denn mit Suspense kennt sich Regisseur Rowan Athale nicht ganz so gut aus. Basierend auf dem Roman von John Searles trommelt dieser immerhin einen ganz brauchbaren Cast zusammen, wobei es Richtung Nebenrollen immer austauschbarer wird. Und die Story selbst? Die fängt zwar vielversprechend an, stolpert aber in der zweiten Hälfte durch einen hemdsärmeligen, überkonstruierten Schubladenthriller, der seine anfangs sorgsam gesponnenen Charakterbilder in stereotype Verhaltensschablonen zwängt. Einzige Ausnahme bleibt Margaret Qualley, die lange geheimnisvoll bleibt, die zu Mutmaßungen anregt, die sich natürlich auch etwas an Mia Farrows naiver Figur der Rosemary aus Polanskis Film orientiert.

In Strange But True ist vieles seltsam, aber wahr. Besser wäre der Film aber mit folgendem Titel beraten: Zu seltsam, um wahr zu sein. Searles Roman weiß wahrscheinlich all die dunklen Geheimnisse besser auszuerzählen. Die Verfilmung hingegen scheint mit dem wuchtigen Unterbau der langsam ans Licht kommenden Geheimnisse öfters ziemlich überfordert zu sein.

Strange But True – Dunkle Geheimnisse

Das etruskische Lächeln

MIT OPA AUF AUGENHÖHE

5,5/10

 

etruskischeslaecheln© 2018 Constantin Film

 

LAND: USA 2017

REGIE: MIHAL BREZIS, ODED BINNUN

CAST: BRIAN COX, ROSANNA ARQUETTE, JJ FEILD, THORA BIRCH U. A.

 

Das österreichische Gesangstrio STS hat ihn bereits besungen, und Heidi wüsste nicht, wo sie ohne ihren knorrigen Almöhi abgeblieben wäre: Es ist die Rede vom Großvater, gemeinsam mit Oma eine familiäre Institution, und die Bindung zwischen Enkel und selbigem kann manchmal sogar noch jene mit dem eigenen Erzeuger in den Schatten stellen. Zu Großvätern geht man, wenn die Paradigmen der Erziehung andere sein sollen, wenn sich die Betrachtung der Welt mal auch aus anderem Blickwinkel aufdrängen will. Gelobt sei da der frische Wind, der festgefahrenen Alltagsmanierismen die Scheuklappen abnimmt. Ungefähr so wie in dem Generationendrama Das etruskische Lächeln, einem Roman des Spaniers Jose Luis Sampedro. Verfilmt wurde die Geschichte von den beiden israelischen Filmemachern Oded Binnun und Mihal Brezis, deren Kurzfilm Aya 2012 für den Oscar nominiert war. In der Hauptrolle: Charakterdarsteller Brian Cox mit blanker Sohle und Dreitagebart, und wenn das Bad im kühlen Atlantik genommen werden soll dann sogar komplett textilfrei. Dieser knurrige alte Eremit, der da an der Küste auf einer Insel der Äußeren Hebriden seinen Lebensabend verbringt, kommt bald unfreiwillig in den Genuss der eigenen Familie, von der er sich doch eigentlich losgesagt zu haben scheint. Gesundheitliche Probleme allerdings zwingen ihn dazu, wieder Kontakt zum Sohnemann aufzunehmen, der noch dazu als frischgebackener Papa des kratzbürstigen Neo-Opas sensible Seiten wachkitzelt. Und nicht nur das – das urbane New York birgt sogar noch einen späten Frühling fürs Herz.

Erstaunlich an diesem Film ist, dass er sich geografisch sehr schwer einordnen lässt. Durch den wuchtigen und erzschottischen Brian Cox mit gälischem Wortschatz bin ich zweifelsfrei der Meinung, hier einen ebensolchen Film vor mir zu haben. In Wahrheit aber ist Das etruskische Lächeln ein amerikanischer Film, inszeniert von israelischen Künstlern, basierend auf einer spanischen Vorlage. Das Lächeln selbst, von welchem hier die Rede ist, finden wir auf den Sarkophagen der alten Etrusker – wer die menschlichen Darstellungen der frühen Italiener vom vielleicht letzten Museumsbesuch noch in Erinnerung hat, weiß, dass diese schlicht modellierten Gesichter zufrieden lächeln, als wären sie von einer inneren Ausgeglichenheit, die jeder Herausforderung spielerisch trotzt. Selbst im Tod ist dieses Lächeln präsent – als wäre das Ableben der Anfang von etwas ganz Großem. Vor so einem dieser Skulpturen steht also dieser Rory MacNail, in einem New Yorker Kunstmuseum, und lernt noch dazu die attraktive Claudia kennen (lange nicht auf der Leinwand: Rosanna Arquette). Vieles scheint sich im fortgeschrittenen Leben des Schotten doch noch zum Guten zu wenden, bevor die Diagnose Krebs ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen bald schon unmöglich macht. Oder doch nicht?

Das etruskische Lächeln kommt über den Reiz eines konventionellen Melodrams, das stellenweise so glatt wirkt wie ein Fernsehfilm, nicht hinaus. Da ändert auch der Schauplatzwechsel und die durchwegs solide Besetzung nichts. Obwohl Vater und Sohn genug Reibungsfläche aufbieten, fehlt hier die Reibung. Es fehlt der richtige Konflikt, oder das ganz große Drama, stattdessen mangelt es, wie bei TV-Produktionen meist das Problem, an dramaturgischer Griffigkeit. Die Momente zwischen Großvater und dem kleinen Enkel sind zwar liebevoll in Szene gesetzt, berühren aber nur bedingt – vielleicht, weil Urgestein Cox nicht nur die Familienbande neu knüpfen muss, sondern auch die der Liebe, für die es natürlich nie zu spät sein kann. Und Heimweh an die wilde Küste kommt auch dazu – zuviel für den alten Mann, und zu viel Unruhe, um einen ruhenden Erzählfokus zu erzeugen. Das lässt das Ganze oberflächlich wirken, was es aber eigentlich nicht ist. Jedenfalls ist das Miteinander der Generationen von Enkel, Sohn und Vater das Herzstück dieser Verfilmung, und der Sprung ins kalte Wasser direkt spürbar – wie sinnbildlich man das auch verstehen mag.

Das etruskische Lächeln