Ferrari (2023)

DER WITWENMACHER MIT DER SONNENBRILLE

5,5/10


ferrari© 2023 STX Entertainment


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: MICHAEL MANN

DREHBUCH: TROY KENNEDY-MARTIN, MICHAEL MANN

CAST: ADAM DRIVER, PENÉLOPE CRUZ, SHAILENE WOODLEY, SARAH GADON, PATRICK DEMPSEY, JACK O’CONNELL, GABRIEL LEONE, WYATT CARNEL, BRETT SMRZ, TOMMASO BASILI, SAMUEL HUBINETTE, LINO MUSELLI U. A.

LÄNGE: 2 STD 10 MIN


Adam Driver hat schon vieles gespielt. Vorzugsweise auch mal diverse Italiener, zuletzt gar den Unternehmer Maurizio Gucci in Ridley Scotts House of Gucci, einem wirtschaftsbiographischen Panoptikum aus schrägen Charakteren (Al Pacino, Jared Leto) und mit einer donnernden Lady Gaga in viel zu engen Stöckelschuhen. Von Mailand ist es nicht weit bis nach Modena – das Ergrauen von Adam Drivers Haar dauert zwar länger, doch wofür gibt’s Make up-Artisten? Dank dieser Fertigkeiten erhebt sich zu Beginn des Films ein in die Jahre gekommener, stocksteifer Enzo Ferrari aus seinen Laken, daneben liegt die Freundin, nicht die Ehefrau. Die beiden haben ein Kind, es heisst Piero und wird später Geschichte schreiben. Doch von ihm handelt der Film nicht in erster Linie. Viel wichtiger ist die ikonische Figur des Enzo, der, hochgewachsen, im schicken Anzug und stets mit Sonnenbrille (auch wenn nicht die Sonne scheint) als dritter, erst spät entdeckter Bruder der Blues Brothers auftreten hätte können. Selten umspielt ein Lächeln seine Lippen, denn die Lage ist ernst.

1957 war die Automarke mit dem aufbäumenden Pferd noch eine, die mühsam mit Konkurrenten wie Maserati mithalten musste. Racings unter Ferraris Teilnahme zeichneten sich zu dieser Zeit stets dadurch aus, im Anschluss ein Begräbnis auszurichten. Nicht umsonst nannte man den geschniegelten Unternehmer Witwenmacher, und auch nicht von irgendwoher ist die Leichtigkeit von Enzos Leben auch deshalb abhanden gekommen, da dieser bereits einen Sohn zu Grabe tragen musste. Eine Tragödie, die das Eheleben mit Laura Ferrari (erinnert an Sophia Loren: Penélope Cruz) auf eine Probe stellt, die nicht zu meistern ist. Die superfrustrierte Mitunternehmerin der Automobilwerke schießt gerne mal mit der Knarre an ihrem Noch-Gatten vorbei und ahnt auch bald mal etwas von finanziellen Zuwendungen einer Dame gegenüber, die sich Lina Lardi nennt. Diese Dreieckskonstellation nimmt Michael Mann schließlich als Kernstück seines Rennfahrerfilms auf, der jedoch keinerlei Pioniergeist versprüht wie James Mangolds Le Mans 66 – gegen jede Chance. Inspiration, Motivation und Feuer nicht nur im Vergaser, sondern auch im Hintern, sucht man in Ferrari vergebens. Was hier ausbrennt, ist eine Liebe. Was hier mühsam am Glimmern erhalten wird, die Beziehung mit Shailene Woodley irgendwo abseits der Stadt in einer rustikalen Villa.

Ferrari ist wie eine Momentaufnahme, der Auszug eines angekündigten Epos. In Wahrheit ein kleiner Film mit großem Egomanen, einem gelinde gesagt recht unsympathischen und auch unnahbaren Rationalisten, der in seinen Rennfahrern Werkzeuge sieht, mehr nicht. Gerade diese Gestalt dominiert in ausladender Prominenz, manchmal auch im Close Up, Michael Manns kühlen, enorm distanzierten Film, ohne seinem Publikum in irgendeiner Weise gefällig zu sein. Was muss Enzo Ferrari für ein Mensch gewesen sein? So ein harter Hund wie Adam Driver ihn darstellt? Womöglich, denn ohne über Leichen zu gehen erreicht man wohl kaum die schillernde Spitze eines weltumspannenden Erfolges, schon gar nicht im Rennsport. Michael Mann gelingt es allerdings nur teilweise, den öffentlichen Charakter zu durchbrechen. Es gelingt ihm auch nur teilweise, seine Beziehungsgeschichte mit randnotierter Unternehmenschronik so aufzubereiten, dass sie relevant genug erscheint.

Nach dem Weglassen von Innovation und packendem Pioniergeist bleibt nur noch der Blick auf die nicht sehr tangierenden Mechanismen einer Betriebswirtschaft. Und schließlich hochfliegende Rennwägen, nachdem diese entweder die Kurve nicht bekommen oder gegen den Meilenstein donnern. Es scheint, als würde Ferrari nur darauf warten, den Asphalt endlich zum Glühen zu bringen. Um dann den Crash des Jahrhunderts zu inszenieren – und tatsächlich fegt Alfonso de Portagos Wagen durch die wenigen Zuschauer am Straßenrand in einer unzensierten Direktheit, die verstört. Was für Energien so ein Unfall freilässt, ist sagenhaft. Ich wünschte, diese Energie hätte sich auch auf den Rest des Films übertragen.

Ferrari (2023)

Catch the Killer (2023)

WAS GUT UND BÖSE GEMEINSAM HABEN

6/10


catchthekiller© 2023 FilmNation Entertainment


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: DAMIÁN SZIFRON

DREHBUCH: DAMIÁN SZIFRON, JONATHAN WAKEHAM

CAST: SHAILENE WOODLEY, BEN MENDELSOHN, JOVAN ADEPO, RALPH INESON, ROSEMARY DUNSMORE, MICHAEL CRAM, RICHARD ZEMAN, DUSAN DUKIC U. A.

LÄNGE: 1 STD 59 MIN


Eines vorweg: Mit Das Schweigen der Lämmer hat der kürzlich im Kino angelaufene Killerthriller nichts zu tun. Auch nicht mit Copykill, Sieben oder anderen finsteren Genrewerken – dafür verspielt Catch the Killer (im Original To Catch a Killer – warum nur hat man es nicht dabei belassen?) die Chance, einen Psychopathen ins Feld zu führen, dem es gelingt, in den eigenen finsteren Abgründen, im eigenen finsteren Unterbewusstsein zu stochern, wie Kevin Spacey als namenlose Todsünden-Vergeltungsmaschine. Anthony Hopkins hingegen, der zu einer Menschenleber gerne Chianti genießt, ist die Verbindung eines perversen Monsters mit einem so charismatischen wie klugen Kopf eingegangen. Das sind denkwürdige Auftritte aus der Filmgeschichte, die verfolgen einen bis heute. In Damián Szifrons urbaner Jagd nach einem vermeintlichen Waffennarr ist die Faszination für das Böse, so sehr man sich auch dagegen sträuben will, was aber gelungene Kriminalfilm-Perlen ausmacht, faktisch niemals vorhanden. Es bleibt selbstverständlich ein Täter X, den es zu fassen gilt, der in einer x-beliebigen Silvesternacht scheinbar wahllos wildfremde Menschen erschießt, die sich gerade mal in die freie Wildbahn der Balkone, Loggias und wandfüllender Fensterfronten begeben, um im nächsten Moment zum Schrecken aller anderen Beteiligten ganz plötzlich zusammenbrechen. Ein Schock, der in die Glieder fährt, denn mit solchen Schicksalsschlägen rechnet selten wer.

So kommt es, dass eines Abends – nämlich zu besagter Jahreswende, als der Killer 29 Opfer verzeichnen wird – die Streifenpolizistin Eleanor Falco, ähnlich wie Sergeant Powell im Stirb langsam-Original, zur falschen Zeit am falschen Ort weilt. Oder aber genau umgekehrt, denn es geht schließlich darum, Recht und Ordnung zu sichern. So mischt sie also mit und ist als erste Exekutiveinheit an Ort und Stelle. Es dauert auch nicht lang, da eruieren Ballistiker das Versteck des Schützen – eine Wohnung in einem Hochhaus gegenüber, die kurz darauf in Flammen aufgeht. Der konzentrierte FBI-Ermittler Lammark (Ben Mendelsohn, kürzlich in Secret Invasion zu sehen) wird den Fall schließlich an sich nehmen – und da ihm die Beobachtungsgabe der Möchtegern-Profilerin Eleanor sofort ins Auge sticht, wird sie auch Teil seines Teams. Warum ihre Analysen des Täters so treffsicher sind? Vielleicht, weil die ehemals drogenabhängige und mit einem Trauma aus der Kindheit hadernde Unglückliche ganz gut weiß, wie einsame Seelen, die ihren Frust irgendwie kanalisieren müssen, zu ticken haben.

Gut, denke ich mir, irgendwie wird Eleanors Einschätzung schon Hand und Fuß haben, wenn Lammark so begeistert scheint. Es setzt das Abenteuer der Investigation an, man findet Verdächtige und verhört alle, die Zugang zu besagter Wohnung hatten. Irgendeiner davon muss der Killer sein. Natürlich legt Szifron falsche Fährten und fährt mit der Kirche ums Kreuz, hinterdrein stets ein beeindruckender, seine Rolle mal ganz anders interpretierender Ben Mendelsohn und Shailene Woodley, die wohl gar nicht bemerkt, dass sie drauf und dran ist, ihre berufliche Karriere zu pushen – denn wer einmal fürs FBI gearbeitet hat, dürfte schon mal den Fuß in der Tür haben. Ein Wunschtraum, den sich der engagierte und stets verbissene Charakter unter subtilem Ehrgeiz erfüllen will. So gesehen könnte Catch the Killer fast schon die Pilotfolge zu einer neuen Crime-Show werden, in welcher Woodley in Zukunft den einen oder anderen kniffligen und vor allem psychologisch interessanten Fall lösen wird dürfen.

Catch the Killer ist solide inszeniert und scheut sich auch nicht davor, streckenweise ordentlich düster zu werden oder sich gar zur qualvollen Tragödie aufzubäumen, die in konsequenter Weise seine Opfer bringt, um auch entsprechend ernstgenommen zu werden. Doch gerade die Konfrontation des Killers (blass: Ralph Ineson) mit Mrs. Woodley erreicht niemals die Tiefe, die damals Jodie Foster mit Anthony Hopkins ausloten durfte. Mag sein, dass hier so einige Phrasen fallen, die psychoanalytischer klingen als sie sind und den Missstand unserer Zivilisation als Urgrund des Handelns von Gut und Böse wortreich aufs Tapet bringen – letztlich erscheinen sie als Worthülsen, da die Annäherung beider Parteien ein Vertrauen voraussetzt, dass niemals entstehen hat können. Dafür macht es sich Szifron am Ende zu einfach. Mit finsteren Momenten allein lässt sich das Defizit nicht kaschieren.

Catch the Killer (2023)

Der Mauretanier

KUBAKRISE 2.0

6,5/10


mauretanier© 2021 TOBIS Film GmbH.


LAND / JAHR: USA, GROSSBRITANNIEN 2021

REGIE: KEVIN MACDONALD

CAST: TAHAR RAHIM, JODIE FOSTER, SHAILENE WOODLEY, BENEDICT CUMBERBATCH, ZACHARY LEVI, COREY JOHNSON U. A.

LÄNGE: 2 STD 10 MIN


Es kommt immer darauf an, wie Message Control ihre Arbeit leistet: Außen hui, innen pfui. Nach Filmen wie Judas and the Black Messiah oder eben Der Mauretanier ist das Bild von den (ehemals) selbsternannten Wächtern der Welt das eines durchtriebenen Heuchlers, der westliche Werte predigt, und selbst aber zu Mitteln greift, die schon in der spanischen Inquisition irgendwann später als überholt galten. Die Rede ist vom Foltern, bis das Geständnis kommt. Statt Streckbank und Daumenschrauben gibt’s in Guantanamo Waterboarding, Schlafentzug und sonstige Abscheulichkeiten, die den Gefangenen brechen sollen. Mit diesen Methoden ist es ein Leichtes, alle möglichen Geständnisse zu erzwingen, und seien es auch jene, die zugeben, mit sowas Abstraktem wie dem Teufel im Bunde zu sein oder den Hexensabbat zu tanzen. Unterzeichnete Wahrheiten, die nichts wert sind. Doch zumindest befriedigt es die Wähler, denn die wollen einen Sündenbock für das 9/11-Verbrechen, und da ist einer, der über mehrere Ecken mit Bin Laden zu tun hatte, gut genug.

Dieser Jemand ist Muhamedou Ould Slahi, eben ein Mauretanier, der früher mal auf Seiten der Amerikaner und der Al Kaida gegen die kommunistischen Invasoren in Afghanistan gekämpft hat. Der wird eines Nachts, kurz nach dem 11. September, ganz einfach einkassiert, zuerst in den Nahen Osten verschleppt, dann in Guantanamo inhaftiert – und folglich immer wieder verhört. Zuerst noch auf humane Weise, später dann auf die harte Tour. Klar sieht man das in diesem Film, manche Szenen wirken so, als wären sie aus der Horrorreihe The Purge oder aus einem anderen perfiden Psycho-Murks. Tatsächlich waren das Methoden des US-Militärs. Von dieser Schande erfuhr die Öffentlichkeit erst einige Zeit später, und das dank einer liberalen, sozial engagierten Anwältin, die sich Slahi annimmt, einfach, um einen fairen Prozess auf Schiene zu bekommen – und den Verdächtigen mangels Beweisen freizubekommen. Das gebärdet sich natürlich schwieriger als gedacht.

Das Beeindruckende an diesem Politdrama von Kevin McDonald, der in Sachen Menschenrecht und Politik schon mit Der letzte König von Schottland verstört hat, sind die im Abspann zu sehenden, echten Aufnahmen des ehemals Gefangenen. Slahi wirkt wie eine unerschütterliche, lebensbejahende und enorm sympathische Person. Wie einer, der es geschafft hat, dank seines Glaubens an Gott diese 14 gestohlenen Jahre zu überstehen. Tahar Rahim versucht, diesem Gemüt ebenfalls zu entsprechen – und bekommt das szenenweise wirklich gut hin. Dieses Verschmitzte, Zuversichtliche, diese direkte Art, aber auch dieses Unbeugsame: eine stilsichere Performance. Dagegen bleibt Jodie Foster angespannt und blass, der Golden Globe für diese Rolle wurde womöglich aus reiner Sympathie vergeben. Der Fokus liegt also eindeutig auf Rahim, der übrige illustre Cast bleibt nicht mehr als solide, was man von der eigentlichen Inszenierung allerdings auch sagen kann. Schwierig, so einem brisanten Thema gleichzeitig den Schrecken zu lassen und andererseits aber ein chronologisch akkurates Geschichtskino zu bieten. Sehr wohl gelingt das, und auch schafft MacDonald den Schulterschluss mit vergeltungsaffinen, skeptischen und humanitär veranlagten Parteien. Dadurch bekommt Der Mauretanier eine überlegte Nüchternheit – doch was nebenbei den stärksten Effekt erzielt, ist die erfolgreiche Nutzbarkeit eines festen, inneren Glaubens, in diesem Fall dem des Islam, der in seiner reinen, von kulturellen Geboten entkoppelten Beschaffenheit genauso wie das Christentum Geist und Seele schützen kann.

Der Mauretanier

Die Farbe des Horizonts

SEGELN UM KOPF UND KRAGEN

7/10

 

Sam Claflin and Shailene Woodley star in ADRIFT 
Courtesy of STXfilms© 2018 Weltkino

 

ORIGINAL: ADRIFT

LAND: USA 2018

REGIE: BALTASAR KORMÁKUR

MIT SHAILENE WOODLEY, SAM CLAFLIN, GRACE PALMER U. A.

 

Neidisch könnte ich werden. Junge Menschen an den Stränden Tahitis, ungebunden und nur für sich selbst verantwortlich. Einfach zu jung, um sich Sorgen zu machen. Manche haben sogar ihr eigenes Boot, wenn geht selbst gebaut, mit dem sie die Meere durchkreuzen, immer auf der Suche nach neuen Abenteuern, neuen Eindrücken, oder gleich nach der Frau fürs Leben. Die findet der junge Richard, als er in der Südsee einen Zwischenstopp macht. Die Kalifornierin Tami ist auch so eine losgelöste Seele, mal da mal dort ein bisschen Geld verdienen, um nur das zu machen, was wirklich auf der Willhaben-Liste steht. Gefunden haben sich die beiden schnell, ihre Liebe zueinander ist bald gestanden. Auf geht’s übers Meer.

Bis dahin klingt die auf wahren Ereignissen beruhende Geschichte ein bisschen – was heißt ein bisschen – nach Nicholas Sparks oder Rosamunde Pilcher, vielleicht sogar ein bisschen nach einem Ferienfilm von Richard Linklater, in dem ganz viel gequatscht wird, während den jungen Dauerurlaubern die Sonne auf den Bauch scheint. Doch ein Werk von Studenten-Philosoph Linklater ist dieser Film keiner. Obwohl von Schauspielerin Shailene Woolley höchstselbst produziert, trägt das romantische Abenteuerdrama Die Farbe des Horizonts die Handschrift eines Genre-Experten, der mit unglaublichen Outdoor- und Survival-Geschichten bereits seinen Beitrag zur Filmgeschichte geleistet hat: Balthasar Kormákur. Der Isländer hat mit seinem True Story-Debüt The Deep schon so ziemlich überzeugt. Sein letzter „Land der Berge“-Horror Everest war intensiv und fesselnd. Die Dimensionen der Kälte im Rücken, hat Kormakur nun seinen menschlichen Kreuzweg in den warmen Pazifik verfrachtet, genau dorthin, wo nämlich nichts ist, außer Himmel und Meer, quälende Sonne und verlockende Resignation. Dass dieses ach so verliebte, turtelnde Paar dann, statt bis nach Japan, quer über den Pazifik segelt, um das Boot eines Bekannten in den sicheren Hafen von San Diego zu bringen, ist der Wink eines Schicksals, welches später gnadenlos zuschlagen wird. In der schwer zu fassenden Gestalt eines Hurrikans, mitten auf hoher See. Das möchte ich nicht mal im Traum erleben, mir selbst reicht schon ein böiger Wind, der das Boot einer Attraktion im Vergnügungspark gleich hin und her schaukeln lässt, weit entfernt von lebensbedrohlichen Szenarien. Doch die Ratio kommt im Kopf nicht an, vor manchen Dingen hat man einfach mehr Angst als vor anderen. Dennoch lockt es mich immer wieder in solche Filme, vielleicht, weil ich in diese Richtung bereits Erlebtes gut verarbeiten kann, oder weil es mich einfach fasziniert, wie Menschen über sich herauswachsen, um Unmögliches durchzustehen.

Shailene Woodley´s Jung-Amerikanerin Tami gelingt genau das – sie steht das Fernweh, das diesmal so richtig wehtut, bis zur Selbstaufgabe durch. Ihr sonnengebleichtes Haar, ihr tropengebräunter Teint macht sie zu einer Ali McGraw des authentischen Abenteuerfilms, mit Mut zur leidensfähigen Expressivität, die wir normalerweise von Jennifer Lawrence gewohnt sind. Woodley holt das Publikum aber sogar noch besser ab, vertraut ihrer Rolle und ihrem Zugang dazu. Lässt teilhaben an dieser Entbehrung in einer lebensfeindlichen Unendlichkeit, wie damals Robert Redford in All is Lost, allerdings mit dem Faktor einer Liebenden, die mehr zu verlieren hat als „nur“ die eigene Existenz.

Die Farben des Horizonts, die leicht als kitschig fehlinterpretiert werden und die als Titel eines Filmes die falschen Hoffnungen für einen Schmachtfetzen hegen, ist ein unchronologisch erzähltes Südseedrama mit dem Geschmack von Meersalz, das mit dem Höhepunkt beginnt und das Gestern und Morgen behutsam zusammenführt. Das mag erstmal etwas verwirrend und vielleicht auch zu willkürlich und unmotiviert anmuten, erhält aber gegen Ende seine Berechtigung und bleibt als packender Überlebenskampf gegen Wellen, Meer und Himmelsrichtung auf schmerzvolle wie trotzige Weise in guter Erinnerung.

Die Farbe des Horizonts