VOM STAR, DER ÜBER LEICHEN GEHT
6,5/10
© 2024 Universal Pictures
LAND / JAHR: USA 2024
REGIE / DREHBUCH: TI WEST
CAST: MIA GOTH, ELIZABETH DEBICKI, KEVIN BACON, MOSES SUMNEY, MICHELLE MONAGHAN, BOBBY CANNAVALE, GIANCARLO ESPOSITO, HALSEY, LILY COLLINS, SOPHIE THATCHER, CHLOE FARNWORTH, SIMON PRAST U. A.
LÄNGE: 1 STD 43 MIN
Jetzt, nachdem die letzten Takte von Kim Carnes Klassiker Bette Davis Eyes verklungen sind und die Kameradrohne die an den Hills angebrachten hollywoodgleichen Lettern, welche den Namen Maxxxine bilden, umrundet hat, lässt sich rückblickend feststellen, dass Ti Wests ironisch-blutige Starruhm-Trilogie sehr wohl eine Klasse für sich darstellt. Das Gesamtkonzept rund um die nach Starruhm gierende Maxine Minx, vormals Miller, hätte jedoch raffinierter ausfallen können. Es hat den Anschein, als hätte West den Bogen, den er spannt, nicht auf einmal erdacht. Als wäre er erst nach dem Erfolg von X dazu bewogen worden, das Schicksal seiner Muse namens Mia Goth weiterzuspinnen. Dazu zählt auch der Blick zurück in die frühen Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, um die Biografie der mordenden Alten aus X überhaupt erst zu erzählen. Der Mittelteil dieses Gesamtkunstwerks ist dann auch narrativer wie filmischer Höhepunkt. Zwischen Judy Garland-Technicolor-Satire und psychopathisch-sympathischem Killerinnenportrait gelingt West ein liebevoll ausgestattetes, wildes Gemetzel mit einer manisch grinsenden Hauptdarstellerin, deren Lieblingswerkzeug, die Mistgabel, gerne zweckentfremdet wird, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Oder einfach nur, um zu töten, weil es Spaß macht. Diese kranke Figur der Pearl ist erfrischend anders, was nicht heißen soll, dass Maxine, die sowohl in X als auch eben im Finale Grande ihrer Frau steht, nicht auch genug wehrhaftes Verhalten besitzt, um lästige Sexualstraftäter oder verquere Familienmitglieder zur Rechenschaft zu ziehen. Das tut sie auf höchst schmerzhafte Weise. Und es wäre nicht Ti West, wenn das Ex-Porno-Starlet, welches sich zu Höherem, Größerem und Glamouröserem berufen sieht, den toxischen Mann im wahrsten Sinne des Wortes an den Eiern hat.
Mit diesem patriarchalen, gewalttätigen Wahnsinn und dem Wahnsinn an sich, der ja nicht erst seit David Lynchs Mulholland Drive und Quentin Tarantinos Once Upon a Time … in Hollywood längst zu den Charakteristika dieser realen Traumwelt gehört, setzt sich MaXXXine mit schillerndem Detailreichtum auseinander und gönnt sich im Vergleich zu den anderen beiden Teilen die größte Leichtigkeit. Das funktioniert auch formschön durch das Einbeziehen sämtlicher Filmzitate wie Hitchcocks Psycho oder Polanskis Chinatown, womit wir – Apropos Polanski – wieder auf Tarantinos Aufarbeitung der Manson-Morde zuzrückkommen. Nicht nur von ungefähr gibt es zwischen Wests MaXXXine und Tarantinos Zeitportrait etliche Gemeinsamkeiten. Wests Versuch, das Once Upon a Time … der Achtziger aus dem Ärmel zu schütteln, gelingt phasenweise ganz gut, hinkt aber letztlich aufgrund der Tatsache hinterher, mit dem „Night Stalker“ und einer Prise Satanismus keinen ernstzunehmenden und auch nicht relevanten Unterbau einer latenten Bedrohung zu schaffen. West kann die Killer-Komponente nur schwer greifen, am besten gelingt sein Film dann, wenn Maxine trotz ihres Traumas aus Teil eins beharrlich versucht, die Gunst von Regie-Göttin Elizabeth Debicki zu gewinnen. Da braucht es gar nicht mal einen Killer von außen, denn der scheint das Szenario tatsächlich zu verwässern.
Richtig gut wird MaXXXine auch dann, wenn der kongeniale Kevin Bacon als alptraumhafte Mixtur aus Jack Nicholsons Privatdetektiv Jake Gittes und Helge Schneider die Szene betritt. Wenn Goth und Bacon aufeinandertreffen, schenken sie sich nichts, dann wird das Ganze geradezu von sarkastisch-komödiantischen Momenten durchzogen. Was aber ungenutzt auf dem heißen Asphalt des Mulholland Drive verdünstet, sind die Möglichkeiten, gewisser Horror-Banalitäten zu entgehen, indem West wohl lieber den Fokus auf Mia Goth behalten hätte, statt stilistische Versatzstücke aufzuwärmen. So prickelt der Film dann weniger nach als erhofft, doch was bleibt, ist Goths Paraderolle, die sowieso und in allen drei Episoden mit Inbrunst die Ellbogen-Leidenschaft eines ehrgeizigen Ruhmesmonsters lebt. Bette Davis hatte recht mit ihrem im Film eingangs erwähnten Zitat: In this business, until you’re known as a monster you’re not a star. Keine Trilogie bringt es letztlich geschmackvoller (und blutiger) auf den Punkt. Killer und Satanisten sind dabei nur reine Dekoration.


