Final Cut of the Dead (2022)

DER FILMDREH ALS OLYMPISCHER GEDANKE

8,5/10


finalcutofthedead© 2022 Filmladen / Lisa Ritaine


LAND / JAHR: FRANKREICH 2022

REGIE: MICHEL HAZANAVICIUS

BUCH: SHIN’ICHIRÔ UEDA, MICHEL HAZANAVICIUS

CAST: ROMAIN DURIS, BÉRÉNICE BEJO, FINNEGAN OLDFIELD, MATILDA LUTZ, GRÉGORY GADEBOIS, SÉBASTIEN CHASSAGNE, RAPHAËL QUENARD, LYES SALEM, SIMONE HAZANAVICIUS, JEAN-PASCAL ZADI U. A.

LÄNGE: 1 STD 50 MIN


Eines gleich vorweg: One Cut of the Dead, das japanische Original aus dem Jahr 2017, kenne ich nicht – ein Low Budget-Zombiefilm, der bei genauerer Betrachtung eigentlich gar keiner ist, oder eben nur zum Teil. Schließlich handelt das unkonventionelle Machwerk ja eher darum, wie leicht oder schwer es fallen mag, einen Genrefilm wie diesen, und sei er auch nur eine halbe Stunde lang, im Kasten zu haben. Die besondere Erschwernis bei diesem Vorhaben ergibt die Anforderung, dass dieses online und gleichermaßen live zu erscheinende Horrorschmankerl eine einzige Plansequenz sein muss. Will heißen: Ein One oder Single Cut, was beinhaltet, dass kaschierte Schnitte wie bei Alejandro Gonzáles Iñárritus Birdman gar nicht mal in Frage kommen. Sollte möglich sein, oder? Theoretisch schon. Wie das beim Filmemachen eben so ist, gibt es dabei viel zu viele Variable, mit denen man rechnen kann oder auch nicht, die das Projekt versenken können – oder das leidenschaftliche Improvisationstalent aller Anwesenden herausfordert.

Die schier kongeniale Originalität des Drehbuchs darf sich Michel Hazanavicius nicht an die Fahnen heften. Das ist schließlich nicht sein Verdienst, sondern der von Shin’ichirô Ueda und Ryoichi Wada. Aus Japan winken schließlich so einige Ideen, auf die man im Westen womöglich nie gekommen wäre. Wer würde sich auch erlauben, einen Zeitreisefilm wie Beyond the Infinite Two Minutes zu erzählen? Wer würde es auch nur wagen, das Genre so dermaßen zu verbiegen, um etwas Neues entstehen zu lassen, auf die Gefahr hin, das zahlende Publikum zu irritieren? Generell ist da Ostasien der Vorreiter und bietet westlichen Filmemachern die Chance, in einer Neuinszenierung ihr eigenes Couleur darüberzutünchen. Hazanavicius, einstmals mit The Artist groß gefeiert und Wegbereiter für die Karriere von Jean Dujardin, hat genau das gemacht: Dasselbe nochmal inszeniert. Als Liebeserklärung fürs Filmemachen stellt Final Cut of The Dead Damien Chazelles Babylon – Rauch der Ekstase in den kinematographischen Museumswinkel, obwohl ich auch dort kaum etwas über die orgiastische Filmdrehsequenz inmitten der kalifornischen Wüste kommen lasse, die aus dem Chaos wahre Wunder des frühen Stummfilms entstehen lässt.

Final Cut of the Dead schlägt diese Liebeserklärungen scheinbar alle. Begeisterungen für den Film und für die Handhabung des künstlerischen Mediums gibt es genug, zuletzt ließ sich auch in Pan Nalins Das Licht, aus dem die Träume sind ganz gut nachvollziehen, was den eigentlichen Antrieb für die Leidenschaft zum bewegten Bild darstellen kann. Dieser Film hier geht aber noch einen Schritt weiter. Und offenbart seinem nicht weniger leidenschaftlichen Publikum mit schierem Aberwitz eine ganze Handvoll Wahrheiten hinter der Illusion, die wir alle niemals oder nur ansatzweise vermutet hätten.

Dabei erhalten wir, die im Auditorium des Kinos sitzen, zuallererst mal die Warnung, dass wir wohl dem schlechtesten Zombiefilm aller Zeiten beiwohnen, nach einer halben Stunde aber das ganze Unding besser verstehen und sowieso nicht ahnen werden, was da für Überraschungen auf uns zurollen. Und tatsächlich: Die erste halbe Stunde ist ein Film-im-Film-Trash mit ganz viel Kunstblut und obskuren Dialogen, die wohl The Room-Maestro Tommy Wiseau erfreut hätten. Es wird schlecht gekreischt, europäische Schauspieler tragen japanische Namen und das Timing ist zum Vergessen. Doch irgendwie hat das Ganze Charakter, als wäre es eine durchgetaktete parodistische Komposition auf das Genre schlechthin. Was dann folgt, ist die Entstehung des Ganzen, das Zusammenbringen der Crew und Einblicke ins Privatleben von Regie-As Rémi (Romain Duris als energischer Wirbelwind). Man ahnt schon: mit diesem Haufen unmotivierter, aber auch sich selbst überschätzender Fachidioten lässt sich schwer einen One Cut drehen, ohne nachher nicht aus dem Fenster springen zu wollen. Oder ist gerade diese Ansammlung unpässlicher Nerds der Garant für das Gelingen so einer Sache? Die Antwort liefert das letzte Drittel, wo wir die erste halbe Stunde als Making Of betrachten können. Und es fällt tatsächlich wie Schuppen von den Augen, wenn uns Filmkonsumenten gewahr wird, was eigentlich alles gar nicht mal im Drehbuch stand.

Hazanavicius (und natürlich auch Ueda) feiern nicht nur das Filmemachen, sondern vor allem auch den Teamgeist. Zu dieser Gruppe will man gehören, von dieser schrägen Begeisterung will man sich anstecken lassen. So ein Abenteuer will man unbedingt mal selbst erleben. Final Cut of the Dead ist zum Brüllen komisch und wohl einer der lustigsten Filme der letzten Zeit. Er bringt die spielerische Improvisation und die Not, aus der allerlei Tugenden entstehen, auf Augenhöhe zu unserem Alltag und lässt sie nicht als elitäre Blase unserer Wahrnehmung entfleuchen. Es lässt sich danach greifen, es lässt sich nachfühlen, wie so vieles eigentlich gar nicht (und auch im Wahrsten Sinne) in die Hose gehen kann, weil alle an einem Strang ziehen, um das künstlerische Ziel zu erreichen. Final Cut of the Dead ist wie der Blick hinter die Illusionskunst eines Zauberers, ohne aber dessen Magie zu entreißen. Er steht für Begeisterung, Hysterie, Träumerei und Enthusiasmus. Aber auch für alles, was nur schiefgehen kann. Gerade diese Fehler, das Unerwartete und Missglückte – kurzum: der Zufall und der sich daraus ergebende kollektive Willen, es hinzukriegen, machen Filme erst lebendig. Geahnt haben wir das immer schon – so offen wie hier wurde uns das aber noch nie demonstriert.

Final Cut of the Dead (2022)

Little Monsters

ZOMBIES BEIM MORGENKREIS

6,5/10

 

littlemonsters© 2019 Einhorn Film

 

LAND: AUSTRALIEN, GROSSBRITANNIEN, USA 2019

REGIE: ABE FORSYTHE

CAST: LUPITA NYONG’O, ALEXANDER ENGLAND, JOSH GAD, STEPHEN PEACOCKE, KAT STEWART U. A.

 

So eine Zombie-Invasion ist definitiv kein Kindergeburtstag. Aber vielleicht ein Kinderausflug ins Grüne? Auch nicht wirklich, oder? Zumindest gibt es erst kürzlich einen Film, der womöglich beweisen könnte, dass die Begegnung mit infizierten Untoten durchaus mit der gängigen Routine eines pädagogisch motivierten Wandertages durch einen australischen Tierpark vereinbart werden kann. Was für eine krude Genre-Mischung. Zombies sind mittlerweile schon mit ganz anderen Welten kombiniert worden. Jane Austens Stolz und Vorurteil zum Beispiel. Oder Anna und die Apokalypse, ein Weihnachtsmusical – mit Zombies. Zombies passen überall hin. Sie sind generische Platzhalter für alles, was von Menschen erschaffener und errungener Ordnung widerspricht. Sie sind die Variable für den Sturz in ein irreversibles Chaos. Dabei sind es gerade mal eine Handvoll Vorschulkinder, die sich nichtsahnend in einer ziemlich verzwickten Situation widerfinden. Was nicht heißt, dass sie auf sich allein gestellt sind. Ihnen zur Seite: Eine strahlend schöne Lupita Nyong’o in einem strahlend gelben Sommerkleid, die ihren Job als Pädagogin Caroline gewissenhaft erledigt und ihre Schützlinge erstmal vor den Tücken des Alltags beschützt, bevor sich das Level der Bedrohungen einem deutlichen Upgrade unterzieht. Womit sie wiederum auch nicht ganz allein ist, denn der Onkel eines der Kinder, ein Ex-Musiker, der nichts auf die Reihe bekommt und nur in den Augen seines Neffen sowas wie Ansehen genießt, ist mit von der Partie – als Aufpasser, aber in erster Linie natürlich, um an Caroline ranzukommen. Welche Wendung der strahlend schöne Wandertag aber letzten Endes nimmt, darauf kann man sich einfach nicht einstellen, und zum Glück sind es die langsamen, nicht die schnellen Zombies, die aus einem nahegelegenen militärischen Testgelände ausbüchsen.

Die Kinder-Komponente im Film holt wohl auf die ähnliche Art abgemühte Genrefilme aus dem Nachmittagstief wie es manchmal Zombies tun. Nur hier ist das der allgemeinen Müdigkeit anheimfallende Problemkind das der Zombies selbst, das diesmal eine Frischzellenkur benötigt. Ja, und da bleiben eben nur noch die Kinder, die um Gottes Willen nicht mit der blutgetränkten Gier auf alles, was sehr eisen- und eiweißhaltig und gerade mal nicht gekocht ist, in Berührung kommen sollten. Der Glaube daran, dass die Erwachsenen alles im Griff haben, muss gewährleistet bleiben – was gar nicht so einfach ist, vor allem dann nicht, wenn nicht alle, die den Wahnsinn überleben wollen, nicht mitspielen. Josh Gad gibt hier eine wirklich erschreckend ekelhafte Ausgeburt eines Promi-Egomanen, der so manchen Untoten die Horrorshow stiehlt. Die Little Monsters – im Grunde die Monster unterm Bett, die kleinen Kindern schlaflose Nächte bescheren – werden in Grund und Boden gesungen, und so manche imaginäre Magie lässt die Kleinen über sich hinauswachsen. Das ist genussvoll mitanzusehen, und es ist, wie schon seinerzeit im Cornetto-Erstling Shaun of the Dead, ein Heidenspaß, wenn die bemitleidenswerten, torkelnden Fressmaschinen durch den kaltgewordenen Kinderkakao gezogen werden. Gore-Elemente gibt’s trotzdem, das gehört zu Filmen dieser Art dazu, jedoch ist seit Simon Peggs und Nick Frosts Zombie-Widerstand selten wieder aus einer erschreckenden Horror-Vision so ein Feelgood-Movie geworden. Da reicht womöglich wirklich nur Taylor Swifts Shake it off in der Unplugged-Version.

If you happy and you now it clap your hands! Blöd nur, dass die Zombies, die gar nichts mehr wissen, trotzdem klatschen – und das hat was, wenn man sieht, dass in Aby Forsythes Film unser Nachwuchs mit allem fertigwerden kann. Und wir Erwachsenen es in unserer Hand haben, dass den Kleinen das, was sie anpacken, auch gelingt.

Little Monsters

Zombieland: Doppelt hält besser

ALLTAGSWITZE ZUR ENDZEIT

6/10

 

zombieland2© 2019 Sony Pictures

 

LAND: USA 2019

REGIE: RUBEN FLEISCHER

CAST: WOODY HARRELSON, JESSE EISENBERG, EMMA STONE, ABIGAIL BRESLIN, ROSARIO DAWSON, LUKE WILSON U. A.

 

Die Welt der Witze. Es gibt Schülerwitze, Beamtenwitze, morbide Witze und Sexwitze. Es gibt für jede Kategorie im Leben ganz spezielle Witze. Es gibt auch für Zombies Witze. Ruben Fleischer, Macher des Venom-Erstlings (Teil 2 soll folgen) hat eine Menge solcher Witze zusammengesammelt, gehortet und einen Film daraus gemacht. Entstanden ist: Zombieland: Doppelt hält besser. Wenn man so will: Band 2 einer Witzeanthologie, dessen Inhalt sich natürlich ausgiebig und herrlich süffisant über das Wesen des Zombieseins mokiert. Und über den Alltag derer, die diese Apokalypse überleben wollen. Dabei hat man in Zombieland, wenn man es richtig anstellt, eigentlich das schönste Leben. Gratis Stromversorgung (dass alle Umspannwerke dieser Welt immer noch in Betrieb sind, ist bemerkenswert), kostenlose und unverderbliche Waren aller Art, und vor allem Munition, denn die ist lebenswichtig. Und natürlich das ganze Weiße Haus für die Familie rund um Tallahassee, seines Zeichens glorreicher Siebter, der Padre unter den versprengten Nerds. Woody Harrelson agiert als väterlicher Sprücheklopfer mit ausreichend kumpelhaftem Sarkasmus und geradezu kindlicher Spielfreude. Endlich mal wieder eine Rolle, die so leicht von der Hand geht, als wäre erlerntes Schauspiel gar nicht gefragt. So geht es Emma Stone, Jesse Eisenberg und Abigail Breslin auch. Zombieland verlangt nämlich nur eines: Sinn für perfiden Humor, Scheißdirnix-Attitüden und die Bereitschaft, jede Albernheit auszuleben.

Dabei ist die teerblutige Witzkiste mehr ein Benutzerhandbuch für das Ausleben postapokalyptischer Freiheiten mit allerlei Regeln und Geboten, die dann in dreidimensionalen Lettern durchs Bild rauschen. Fit bleiben ist eine davon, mit leichtem Gepäck zu reisen eine andere. Rund um diese Spaßfreudigkeit aber bleibt der Plot so trostlos leergeräumt wie die ganze ex-zivilisierte Welt. Die Spannungsschraube ist dem erodierenden Verfall preisgegeben worden, und die gut aufgelegte Baller-Kombo liebäugelt aber eigentlich mit einem ganz anderen Medium: mit dem einer Sitcom. Dafür passt Zombieland so angegossen wie der Schuh von Elvis Presley. Die Alltagskalauer, aufgefädelt und aneinandergereiht wie Perlenketten vor die Untoten, folgen – und der Vergleich ist durchaus krass – dem inhaltlichen Konzept der prähistorischen Abenteuer von Ice Age: ein Road- oder Feetmovie von A nach B, währenddessen lernt man neue Freunde oder Feinde kennen, nimmt sie mit oder lässt sie zurück, und am Ende kommt ein Showdown, der nun mal kommen muss, sonst hätte Zombieland genauso wie Ice Age keinen Höhepunkt, sondern würde nur so vor sich hinplätschern wie zwar zerstreuendes und durchaus angenehmes, aber beiläufiges Kaminfeuer. Keine Frage, Zombieland unterhält. Dem Ensemble zuzusehen macht Spaß, man lacht und wundert sich. Und wendet nicht mal angeekelt den Blick von Blut und Erbrochenem ab, weil all diese Körper- und Magensäfte Teil eines Gesamtcartoons darstellen, der in seiner lustwandlerischen Überhöhung als groteske Sketchparade sein Handwerk versteht.

Hat man Zombieland aber nicht gesehen, ist die Lust nach Zombiewitzen entweder längst gestillt oder Witzetypen sind andere, was durchaus in Ordnung wäre, da ein Versäumnis von Ruben Fleischers Ramba-Zamba-Streifen zwar ein Guilty Pleasure, aber kein Call of Duty ist. Für Zerstreuung und Abstand von einem teils zomboiden realen Alltag ist die spielfilmlange Sitcom durchaus ideal. Cameos und Easter Eggs auf die untote Popkultur sind sowieso immer der Bringer. Sonst aber fühlt sich Zombieland an wie ein launiges Zwischenspiel, eine Etappe – ein Intermezzo von etwas Gewichtigerem, Substanziellerem, was aber nicht da ist, was man aber gerne vermuten würde. So wie ein Ziel in diesem ziellosen Amerika, dass anscheinend nur die Zombies haben.

Zombieland: Doppelt hält besser

The Dead Don´t Die

NUR NICHT DEN KOPF VERLIEREN

6/10

 

THE DEAD DON'T DIE© 2019 Image Eleven Productions, Inc.

 

LAND: UDA 2019

REGIE: JIM JARMUSCH

CAST: BILL MURRAY, ADAM DRIVER, CHLOË SEVIGNY, STEVE BUSCEMI, SELENA GOMEZ, DANNY GLOVER, TILDA SWINTON, TOM WAITS, IGGY POP U. A.

 

Schon mal was von Sturgill Simpson gehört? Ein Singer und Songwriter relativ späten Baujahres, vorwiegend Country. Gut, das ist ein Genre, mit dem muss man etwas anfangen können. Das muss man wollen, dieses schmerzliche Romantisieren, dieses intonierte Fernweh an Orte ohne Wiederkehr. Das ist ein bisschen wie das Wienerlied, nur amerikanisch. Sturgill Simpson, der klingt, als wäre er ein Zeitgenosse von Johnny Cash gewesen – ist er aber nicht. Der Musiker aus Kentucky, der könnte mit Jim Jarmuschs neuen Film aus eng gezogenen Kennerkreisen zu höherer Bekanntheit aufsteigen – mit seinem Song The Dead Don´t Die. Mit diesen saitenbewegenden Klängen, und mit bunter Retro-Typo vor schwarzem Hintergrund, damit betritt Amerikas kultigster Autorenfilmer abermals ein Terrain, auf dem er sich bereits 2013 erstaunlich gut zuerechtfand. Aufgrund dieser Trittsicherheit macht sich nun nochmal weihnachtliche Vorfreude breit, in Erwartung, etwas ähnlich neu Intepretiertes vorgelegt zu bekommen. Dieses Terrain, das ist jene des mythenbesetzten Grusels, bevölkert von den Kindern der Nacht, den Untoten. In Only Lovers Left Alive durften Tilda Swinton und Tom Hiddleston im Cure-Look die schlechten Zeiten für Vampire beklagen. Traumverloren und scheinbar nicht von dieser Welt, völlig deplaziert in einer Gesellschaft, die des Tages lange Stunden nutzt und mit Ewigkeit nichts anfangen kann. Eine Filmballade, die Jarmusch daraus gemacht hat, durchaus selbstironisch und durchdrungen von einem erlesen sortierten Soundtrack, der das Ensemble erst so richtig in der Schwebe hielt, der das Szenario im Zwielicht den nötigen psychedelischen Drive mit auf dem Weg in die Finsternis mitgegeben hat.

Jim Jarmuschs Filme sind ohne ihre groovigen Sampler völlig undenkbar. Man nehme nur Broken Flowers. Da sucht Bill Murray die Mutter seines Sohnes. Wenn The Greenhornes den Song There is an End über die Szene schmettert, während Murray, längst kein oberflächlicher Spaßvogel mehr, mit einem Strauß Blumen in der Hand völlig orientierungslos in der Landschaft steht, dann ist das im Ganzen lakonisches Kino vom Feinsten, für Aug und Ohr gleichermaßen. Ähnlich verläuft es mit seinem neuen Streifen, der wieder mal die Skills der Untoten zelebriert, sich diesmal aber deutlich mehr schmutzig macht, mit Friedhofserde unter den Fingernägeln. Die Zombies brechen aus, und sie tun es endlich wieder wie zu Zeiten von Michael Jackson, als das Video zum Disco-Meilenstein Thriller die Ghule aus den Gräbern geholt hat. Von dort sollen sie auch kommen, meiner Meinung nach. Das sind wiedermal Zombies, die sich ihren ursprünglichen Pflichten besinnen, nämlich als Tote wieder aufzuerstehen, und nicht durch einen fragwürdigen, x-beliebigen Virus erst zu solche gemacht zu werden. In The Dead Don´t Die überfallen sie allesamt eine Kleinstadt namens Centerville, fressen natürlich auch Menschenfleisch, zeigen aber deutlich mehr Vorliebe für die Dinge, die sie Zeit ihres Lebens verehrt haben. Kaffee zum Beispiel, Smartphones oder Süßes, vor allem bei Zombie-Kindern. Das ist ein erfrischend origineller Ansatz, der sein Potenzial aber leider nicht allzu bewusst ausspielt.

Die hirnlose Sucht nach Dingen und Gewohnheiten, nach Konsum und sozialen Mustern hat John Carpenter damals bei Sie leben viel präziser kritisiert. Dass das Zombie-Genre gerne als gesellschaftskritischer Zerrspiegel angesehen wird, kann man so annehmen, oder aber auch nicht. Dafür sind die mit der Tür ins Haus fallende Bedrohung und die Gier nach Blut vorwiegend zu plakativ und effektorientiert, um eine tiefsinnigere Metaebene deutlich auszumachen. Ausnahmen gibt es natürlich genug, allen voran sicherlich auch George A. Romeros Klassiker in Schwarzweiß – The Night of the Living Dead. Obwohl ich den Film nicht kenne, könnte es gut sein, dass Jarmusch den Horrorstreifen bewusst und von Herzen zitiert hat. Die Szenen einer Welt wie wir sie kennen, in der latent und undefinierbar Bedrohliches aufkommt, die Ruhe vor einem unausweichlichen Sturm, erinnern an Twin Peaks, haben aber einen ganz anderen Rhythmus. Einen, den Jim Jarmusch stets zelebriert – die Langsamkeit, das Entschleunigte. Unterlegt mit den bedrohlich-melodischen Klängen der Postrock-Band Mogwai, ebenfalls in genüsslich zurückgeschraubtem Tempo, entfaltet der eigenwillige Künstler durch eben diesen rätselhaften Chill einen fast schon zeitlosen, beklemmenden Ist-Zustand, wie die windstille Schwüle vor einem Gewitter. Mittendrin ein Cast, der wahrlich ungern Macheten und Katanas schwingt, um die faulenden Rüben der Untoten zu kappen, auf lakonische Komik der Rat- und Kopflosigkeit ausweicht, und der wohl gerne zugibt, mit dieser Art Endzeit nichts mehr anstellen zu können.

The Dead Don´t Die ist längst nicht so parodierend wie Shaun of the Dead zum Beispiel, auch nicht so abenteuerlich wie Zombieland oder so hitzig wie Train to Busan. Jarmuschs Antwort auf den Zombie-Hype ist kein innovativer, aber bewusst träger Zitatenschatz, in versonnenen Alltagsfloskeln verloren und voller verpeilter Sprüche, die dem Unausweichlichen höhnen. Da stellt Jarmusch die richtigen Figuren auf, lässt sie scheinbar unentwegt Sturgill Simpson hören und in aus schierer Überforderung entsprungenem Stoizismus eins und eins zusammenzählen. Das wiederum geht sehr langsam. Aber langsam ist hier gut, fast wie neu entdeckt.

The Dead Don´t Die