Kraven the Hunter (2024)

OH, THOSE RUSSIANS!

6/10


Aaron Taylor Johnson (Finalized)© 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: J. C. CHANDOR

DREHBUCH: RICHARD WENK, ART MARCUM, MATT HOLLOWAY

CAST: AARON TAYLOR-JOHNSON, FRED HECHINGER, RUSSEL CROWE, ARIANA DEBOSE, ALESSANDRO NIVOLA, CHRISTOPHER ABBOTT, LEVI MILLER U. A.

LÄNGE: 2 STD 7 MIN


Das US-amerikanische Publikum macht sich mittlerweile eine Hetz daraus, das Sony’s Spider-Man Universe oder kurz SSU insofern zu verhöhnen, da es ihm keine Aufmerksamkeit schenkt. Warum genau ist das so? Liegt das wirklich an den schlechten Drehbüchern dieser Filme? Liegt es daran, dass Spider-Man zu hundert Prozent dem Mauskonzern gehört und Sony zum Resteverwerter degradiert wurde, der mit mehr oder weniger unbekannten Nebenfiguren Vorlieb nehmen muss, die im Grunde allesamt Antagonisten des einzig wahren Helden sind, des freundlichen Burschen aus der Nachbarschaft? Was soll Sony nur tun, wenn genau jene übrigbleiben, die man auch nicht unbedingt beim Turnunterricht als erstes in die Mannschaft wählt?

Sony versucht, das Beste daraus zu machen, schließlich sind diese Lizenzen kostenintensiv und man will Potenzial nicht verschleudern, wenn es nicht unbedingt sein muss. Das Zugpferd beim Restlessen ist natürlich Venom – den Burschen kennt man, neben dem Green Goblin womöglich der markanteste Bösewicht in Marvels Parallelwelt, die sich längst schon damit geoutet hat, nicht zur Zeitlinie des MCU zu gehören. Portale gehen auf und zu, Spider-Man ist niemals in Sicht und wird auch (fast) nie erwähnt. In dieser Welt gibt es ihn nicht, da gibt es nur die Schurken, die aber keine Schurken mehr sind, denn wer will schließlich Filme sehen, die sich an den Werten der Gesellschaft abarbeiten? Aus Venom wird also ein Guter, aus Morbius irgendwas dazwischen, Madame Web – nun, die ist da eine Ausnahme, mit ihrer Clique aus Jugendlichen Damen, und letzten Endes und um up to date zu bleiben rückt Kraven the Hunter nach. Auch ein Erzschurke, eine Nemesis für Spider-Man, nur der Lizenz-Deal verbietet es. Kraven mausert sich ebenfalls zu einem nicht ganz so finsteren Finsterling, der noch finstere Gesellen auf der Liste hat, um diese abzuarbeiten und alle, die grundlos Böses tun, über den Jordan zu schicken.

Dass Kraven The Hunter niemanden hinter dem Ofen hervorlockt oder von der hauseigenen Wohnzimmercouch schmeißt, um das laxe Fernsehpublikum, das sowieso damit rechnet, den Film alsbald streamen zu können, ins Kino zu zitieren, war fast zu erwarten. Die Säle bleiben leer, niemanden interessiert ein vom wilden Löwen gebissener Russe und Spross eines neureichen Drogen-Oligarchen, der seinen chamäloiden Bruder vor anderen bösen Russen beschützt. Man könnte vermuten: Vielleicht liegt es an den Russen? An Hauptdarsteller Aaron Taylor-Johnson womöglich nicht, der wird schließlich in ferner Zukunft zum neuen James Bond. Man könnte sich also schon mal an dieses Gesicht gewöhnen. An Fred Hechinger liegt es wohl auch nicht, der Charakterdarsteller hat Charisma und eine ganz eigene Ausstrahlung, das haben wir zuletzt in Ridley Scotts Gladiator II gesehen, da gab er Diktator Caraccala auf verschmitzt diabolische Weise. Und Russel Crowe? Wenn er mal nicht Exorzismus betreibt, schiebt er sich als Nebenfigur in so manchen Möchtegern-Blockbuster.

Also woran liegt es noch? Wohl kaum am Handlungsaufbau. Kraven the Hunter erzählt eine klassische und von daher auch wenig überraschende Origin-Story eines Antihelden mit kleinen logischen Fehlern, die sich dank der Drehbuchautoren von The Equalizer auch ungefähr so anfühlt – stets darauf ausgerichtet, kurzen Prozess mit denen zu machen, die die Schwachen drangsalieren. Es kommt noch afrikanisches Freiwild hinzu, und mit Hochgenuss lyncht Taylor-Johnson niederträchtige Trophäenjäger auf eine Art, die Genugtuung verschafft. Regisseur C. J. Chandor lässt sich viel Zeit für Zwischenmenschliches, fühlt sich kaum gestresst oder gedrängt dabei, seine Figuren auf eine Art ins Geschehen einzuführen, als hätte er alle Zeit der Welt – als hätte ihm das Studio einen weiteren Teil bereits zugesichert. Nur leider hat es das nicht, und leider darf trotz des relativ offenen Endes wohl kaum mit einer Fortsetzung gerechnet werden. Kravens Spuren verlaufen also im Sand – bis dahin aber verdient Kraven the Hunter deutlich mehr Respekt als unisono ausgebuht zu werden.

Das liegt schon allein an mehr als nur solide durchchoreographierten Actionsequenzen, die an Mission Impossible oder in Bond-Manier durchaus unterhält. Dafür beweist Chandor ein wahres Händchen. Und auch wenn Kreaturen wie The Rhino (den ersten eher lumpen Auftritt hatte Paul Giamatti in Spider-Man: Rise of Electro) oder Psychoschurken wie The Foreigner nur als Wegzehrung für einen dauerhungrigen Jäger herhalten müssen: Die Gründe für den Megaflop muss man woanders suchen. Bei unglücklicher Medienberichterstattung oder Vorschussmisstrauen; Mütterchen Russland oder gar beim frappanten Unbekanntheitsgrad einer Randfigur, die längst nicht so viel Teamgeist besitzt wie die Guardians of the Galaxy. Die waren damals wohl auch eher unbekannt. Dafür aber deutlich bunter.

Kraven the Hunter (2024)

Land of Bad (2024)

NICHT OHNE MEINE DROHNE

4/10


land-of-bad© 2024 capelight pictures


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: WILLIAM EUBANK

DREHBUCH: DAVID FRIGERIO, WILLIAM EUBANK

CAST: RUSSELL CROWE, LIAM HEMSWORTH, MILO VENTIMIGLIA, LUKE HEMSWORTH, RICKY WHITTLE, DANIEL MACPHERSON, CHIKA IKOGWE, LINCOLN LEWIS, GUNNER WRIGHT U. A.

LÄNGE: 1 STD 50 MIN


Das war noch was, als der unzerstörbare Chuck Norris gemeinsam mit Lee Marvin im pyrotechnisch versierten Achtziger-Jahre Actiontrash Delta Force den Bösen so richtig einheizen konnte. Den Videotheken wurden zu dieser Zeit regelrecht die Türen eingerannt, Action von damals mit den ganzen späteren Expendables-Haudegen auf bis zur Unkenntlichkeit abgespulten Kassetten, deren mangelnde Qualität aber nicht die Freude nahm, exklusives Material, das sonst keiner auf den beiden öffentlich-rechtlichen Fernsehkanälen sah, bei Dosenbier und Chips und ohne viel Hirnaktivität sichten zu können. Solche Action gibt es heutzutage nicht mehr. Und das ist gut, denn die Zeit des naiven Hurra-Patriotismus und moralbefreiter Rundumschläge ist vorbei. Die Delta Force-Spezialeinheit ist es nicht, sie treibt sich immer noch im Dschungel herum, doch diesmal ist es nicht Chuck Norris, der wortkarg das Feuer eröffnet und maximal eine Schramme davonträgt. Diesmal ist es der zukünftige „Witcher“ Liam Hemsworth, Bruder des deutlich heller im Rampenlicht stehenden Chris Hemsworth, der mit Tyler Rake sein eigenes Franchise gefunden hat. Als einer, der je nach Auftrag zu Unrecht kasernierte Leute raushaut, weiß er sich auf Netflix formschön in Szene zu setzen. Diese Filme geben, was die Beanspruchung der Physis betrifft, einiges her, doch wie sieht es mit Land of Bad aus? Kann Liam seinem Bruder das Wasser reichen?

Diese reuelose, unordentlich aufgeräumte Ära des Krawall-Genres könnte mit Land of Bad eine ins neue Jahrtausend katapultierte Entsprechung gefunden haben, denn sieht man mal vom Auftritt Russel Crowes als Drohnen-Pilot im geschmacklos bunten Hawaiihemd ab, wecken der Dschungel und die darin befindlichen Spezialisten, die eben als Delta Force Team genau das machen sollen, was Chris Hemsworth schon gemacht hat: nämlich Leute raushauen, nostalgische Gefühle. In diesem Fall muss die knallharte Charge auf den Philippinen einen CIA-Agenten aus den Fängen der Terrormiliz Abu Sayyaf befreien. Unter diesen bis an die Zähne bewaffneten, kernigen Stereotypen, die mit routinierter Lässigkeit den Elite-Tiger raushängen lassen und jede Sekunde eigentlich damit rechnen müssten, dem Killerinstinkt eines Predator zum Opfer zu fallen, mischt auch noch ein dritter Hemsworth-Sprössling mit: Es ist Luke, seines Zeichens farblos und generisch wie alle anderen, die alsbald schon mit einem Hinterhalt rechnen müssen, der fast die ganze Einheit dezimiert – bis auf Liam nämlich, der sich glücklich schätzen kann, Russel Crowe an der Hand zu wissen, der mit seiner raketenbestückten Drohne weit weg vom Geschehen fürs Reinemachen sorgt und das große Ganze im Überblick behält. Als ungleiches Gespann ackern sich die beiden also durch den Dschungel respektive über den Bildschirm. Die bösen Philippinos beißen ins Gras, vieles explodiert, Liam braucht bald dringend einen Arzt.

Land of Bad ist der weitaus zeitgemäßere Titel statt Delta Force 4 (denn drei Teile gibt es schon), unter Land of Bad könnte man auch einen düsteren Politthriller vermuten, doch so weit würde ich nicht gehen. William Eubank, dessen Geniestreich The Signal schon einige Jährchen zurückliegt, setzt, ohne eine eigene Handschrift auszuarbeiten, nach Kristen Stewarts Tauchgang Underwater auf die sichere Bank eines Actionfilms und meint dann doch, mit Charakterkopf und Oscarpreisträger Russel Crowe seiner Arbeit ein gewisses Alleinstellungsmerkmal angedeihen zu lassen. Da ist natürlich was dran, und das Zusammenspiel von zwei Männern, die zur gleichen Zeit an unterschiedlichen Orten ums Überleben kämpfen, hat Potenzial, auch wenn Eubank genau dieses in seiner Entfaltung immer wieder selbst unterwandert, indem er das Konzept eines konzentrierten Handlungsfadens durch das Mitmischen lästiger Faktoren verwässert und Liam Hemsworth wohl nicht zutraut, mehr zu empfinden als nur Schmerz. Das hat zur Folge, dass die Action zwar sitzt und einige State of the Art-Zuckerl in die tropenfeuchte Botanik geworfen werden – griffige Figuren bleiben aber Mangelware und sind verantwortlich für ein gewisses Déjà-vu-Gefühl.

Alles schon mal so gesehen? Ja natürlich, und noch dazu weitaus einprägsamer. Russel Crowe bleibt als gemütlicher Joystick-Zampano unter dem Radar, und nimmt man sich einen ganz anderen Film mit dieser Thematik zu Brust – in diesem Falle Eye in the Sky – lässt sich erkennen, um wie viel mehr Flächenbrand Gavin Hoods hochspannender Drohnenthriller entfacht als dieser hier. Man muss aber berücksichtigen: Der eine ist ein moderner Kriegsfilm mit Tiefgang, der andere hegt als Dschungel-Action keinerlei Anspruch auf Mehr.

Land of Bad (2024)

The Greatest Beer Run Ever

NUR MAL NACH DEM RECHTEN SEHEN

6/10


beerrun© 2022 AppleTV+


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: PETER FARRELLY

CAST: ZAC EFRON, RUSSEL CROWE, BILL MURRAY, KYLE ALLEN, JAKE PICKING, ARCHIE RENAUX, JOE ADLER, WILL ROPP U. A.

LÄNGE: 2 STD 6 MIN


Bier und Politik – ja, das geht zusammen. Bei uns in Österreich gibt es schließlich auch die Bierpartei, deren Mitglieder wohl bei so viel Hopfen-Aktivismus den Hut ziehen würden: Doch auch wenn das edle Gesöff hier um die halbe Welt reist und an seinem Ziel bacherlwarm und rülpsfreudig ankommt, ist das kühle Blonde doch nur Platzhalter für eine nette Geste. Was nicht heißt, dass man als Freund des Gerstensaftes nicht doch unweigerlich den Kühlschrank aufsuchen muss, um nicht nur Zac Efron aus der Dose schlürfen zu lassen. Der ist nämlich als Maschinist auf einem Frachter unterwegs nach Vietnam, um seinen Freunden aus der Nachbarschaft seine Ehre zu erweisen und mit ihnen anzustoßen. Denn das, was sie tun, ist eine gute Sache: Sie kämpfen gegen den Kommunismus. Da scheint jedes Mittel recht, und umso störender erscheinen dann subversive Demonstrationen in den Parks von New York, die für den Frieden plädieren. Zac Efron gibt in The Greatest Beer Run Ever einen, der die Welt nur aus einem einzigen, eng gefassten Blickwinkel betrachtet. Als John „Chickie“ Donahue, den es tatsächlich gegeben hat, scheint er globale Zusammenhänge wohl doch nicht so ganz zu erfassen, geschweige denn, was es heißt, in einen Krieg zu ziehen und an der Front zu kämpfen. Der Naivling denkt sich allerdings: Auch ich will meinen Beitrag leisten – und macht sich mit einer Sporttasche voller Bier gen Osten auf. Was ihm dort begegnet, wird ihn auf alle Fälle mal erden. Und auf einmal wird er verstehen, worum es hier wirklich geht. Und wie sehr sich das Wirkliche von den Nachrichten im Fernsehen unterscheiden.

Noch einen Schritt weiter entfernt sich Zac Efron also von seinem High School Musical– und Frauenschwarm-Image, nachdem er bereits in der staubigen Schatzsucher-Parabel Gold den letzten Schritt getan hat. Der Mann mit den stechenden Augen trägt jetzt sogar einen buschigen Schnurrbart. Und verhält sich mitunter wie Forrest Gump. Pralinen hat er keine, dafür Bier jede Menge, und wie das Glück des Unbedarften eben so spielt, gerät Chickie von einer optimalen Gelegenheit in die andere, um tatsächlich auch seine Tour quer durchs Land abzuschließen. Der True Story-Knüller über einen, der sich als Zivilist durch den Krieg schlagen muss, erinnert an die ebenfalls wahre und auch verfilmte, aber ungleich tragischere Geschichte eines koreanischen Taxifahrers, der sich in den Unruhen eines Bürgerkriegs wiederfindet: A Taxi Driver. Peter Farrelly, der mit Green Book 2018 den Oscar-Hit des Jahres landete, hält auch diesmal viel von Freundschaft, von selbstlosen Gesten und der Aufmerksamkeit anderen gegenüber. The Greatest Beer Run Ever hat als Vietnam-Kriegsfilm allerdings so gut wie gar nichts Bereicherndes mehr beizutragen – und will in diesem Genre vielleicht auch gar nicht verortet werden. Sein Schwerpunkt liegt zum einen im Wechsel der Perspektiven. Und zum anderen in der Tatsache, das Reisen erst die Welt erschließt. Man kann noch so viel über Länder, Geschichte und Politik nachlesen. Man kann sich von Medien auf unzählige Weise manipulieren lassen. Mit der Wirklichkeit hat das übertragene Wissen nichts mehr zu tun.

Zu dieser Erkenntnis gelangt nun ein völlig von den Socken befindlicher, im nächtlichen Schützengraben bibbernder und um sein Leben fürchtender Hanswurst, der einfach nur Hallo sagen will. Ähnlich wie Tom Hanks würde er vielleicht, hätte es einen seiner Kameraden erwischt, diesen geschultert durch den Dschungel schleppen. Der freundliche junge Mann aus der Nachbarschaft sollte eigentlich Spiderman sein – in diesem Fall darf ein dreister New Yorker etwas tun, was wohl sonst keiner getan hätte. Für dieses filmische „Chapeau“ lässt sich Farrelly zu einem tragikomischen Reisebericht hinreißen, der letzten Endes aber das Kuriosum dieser Handlungen vor allen Ambitionen stellt. Ähnlich kurios gibt sich Efron, der seine Rolle zu leichtfüßig anlegt, der zu wenig tief in seinen widersprüchlichen Gefühlen schürft wie seinerzeit Robin Williams in Good Morning Vietnam. Nichtsdestotrotz gefällt The Greatest Beer Run Ever als mittelschweres Solidaritätskino, das manchmal zu gemütlich und schulterklopfend ausfällt.

The Greatest Beer Run Ever

Unhinged – Ausser Kontrolle

ICH HASSE MONTAGE

6,5/10


unhinged© 2020 Leonine Distribution 


LAND: USA 2020

REGIE: DERRICK BORTE

CAST: RUSSEL CROWE, CAREN PISTORIUS, GABRIEL BATEMAN, JIMMI SIMPSON U. A. 

LÄNGE: 1 STD 30 MIN


Ist das Wochenende vorbei, und die Arbeitswoche beginnt, hat nicht nur Kater Garfield jeden Grund zum Jammern. Der ganze Stress geht wieder von vorne los. Doch Kopf hoch: das nächste Wochenende kommt bestimmt – oder? Im Falle der frisch geschiedenen Jungmutter Rachel könnte dieser Montag zum schlimmsten ihres Lebens werden. Und das nur, weil Rachel, gestresst und entnervt, einem Verkehrsteilnehmer ein wutentbranntes Hupkonzert um den Latz geknallt hat. Jeder andere würde da maximal den Finger zeigen (auch nicht die feine englische), doch dieser hier verlangt bei der nächsten roten Ampel eine Entschuldigung. Was denn – den Verkehr behindern und dann noch die beleidigte Leberwurst spielen? Rachel denkt nicht daran, einzulenken. Und der andere, der namenlose bärtige Hüne im Cockpit eines monströsen Geländewagens, ebenso wenig. Nur: dieser ist ein Psychopath, Rachel hingegen nicht. Und es kommt, was kommen muss: ein Katz- und Mausspiel, für das nun an einem Montag wie diesen wirklich keiner Zeit hat, spinnt sich durch den Wochenbeginn.

Inspiriert von stilbildenden Klassikern aus dem Genre, wie zum Beispiel Steven Spielbergs Duell, darf Althase Russel Crowe mal so richtig den ganz bösen Buben spielen. Mit flatternden Nerven, die nur medikamentös zu beruhigen sind, schweißnasser Stirn und einer Wut in Bauch und Blick, das einem irgendwie anders wird, zieht seine Figur des scheinbar völlig grundlosen Irren eine Spur der Verwüstung durch New Orleans. Dabei hätte doch alles mit einem bisschen mehr an Selbstbeherrschung und vielleicht einer Anlehnung an die Binsenweisheit „Der klügere gibt nach, der Esel fällt in den Bach“, nur ein beschissener Montag wie jeder andere werden können. Aber nein – Wut tut nicht immer gut, Trotzverhalten genauso wenig. Nicht zu vergessen – die Arg- und Achtlosigkeit. Im Psychothriller Unhinged – Ausser Kontrolle scheint so manches arrangiert zu wirken, um überhaupt eine Gewaltspirale wie diese in Gang zu setzen: bei näherer Betrachtung allerdings sind diese Umstände durchaus reale, verdammt blöde Zufälle, die in garstiger Fatalität wie Dominosteine aufeinander fallen. Russel Crowe ist dieses Chaos eine Genugtuung. Warum allerdings, das weiß keiner so genau. Nur so viel: der Staat ist wieder mal an allem schuld. Näher geht Derrick Borte nicht auf seinen Wutbürger ein. Das unterscheidet ihn nicht gerade vorteilhaft von der Figur aus Joel Schumachers ähnlichem Amoklauf Falling Down. Michael Douglas Ambition für sein Ausrasten ist dort allerdings viel präziser, nachvollziehbarer – trotz all der sträflichen Handlungen war D-Fens immer noch einer, auf dessen Seite man war, da sein Unmut einem ganzen System galt. Russel Crowe quält hingegen nur einen einzelnen Sündenbock. Dieser widerwärtige Fokus ist längst nicht mehr Teil eines Vorhabens, diese Wut erklären zu wollen. Was bleibt, ist ein Hickhack zwischen Stark und Schwach, teils richtig perfid und finster, teils horrend überzeichnet. Unterm Strich aber grundsolide, auf Zug inszeniert und die Spannungsschraube lässt sich auch nur mehr mit Drehkreuz aufdrehen.

Unhinged – Ausser Kontrolle ist kurzweiliges Aggressionskino ohne sozialpolitischer oder gar psychologischer Metaebene. Hier geht´s um das, was man sieht und auch wieder nicht sieht, wenn der fahrbare Untersatz des bösen Mannes um die nächste Ecke biegt. Stimmt, ER kann jedem passieren. Also immer recht freundlich, nicht immer gleich hupen, denn das macht jeden Autofahrer rasend – wer weiß, wofür es gut ist. 😉

Unhinged – Ausser Kontrolle

Der verlorene Sohn

SEELENGEISSELN MIT DEM BIBELGÜRTEL

6,5/1

 

BOY ERASED© 2018 Kyle Kaplan / Focus Features

 

ORIGINALTITEL: BOY ERASED

LAND: USA 2018

REGIE: JOEL EDGERTON

CAST: LUCAS HEDGES, NICOLE KIDMAN, RUSSEL CROWE, JOEL EDGERTON U. A.

 

Der liebe Gott will das alles gar nicht. Nicht diese Qual, nicht diese Verzweiflung. Menschen, die im mehrere Bundesstaaten umfassenden Biblebelt ihre Homosexualität entdecken, können sich glücklich schätzen, wenn es keiner merkt. Denn gleichgeschlechtliche Liebe, die ist im Südosten der USA etwas, das für all die anderen frommen Gläubigen nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Da muss die mittelalterliche Ahnung einer manipulativen Finsternis herhalten, die sich im Hexenwahn Europas und in der Manifestation des Teufels in den Dingen des Alltags schon Jahrhunderte zuvor austoben konnte, zum Leidwesen tausender unschuldiger Opfer. Erschreckend, dass sich diese Auslegung der heiligen Schrift im Pietismus der evangelikalen Kirche in zwar gesitteter, aber nicht weniger grausamen Form erhalten hat. Denn Homosexualität ist nichts, was den lieben Gott sauer aufstößt. Sondern Teil einer komplexen Biologie, die weder umgepolt, noch verdrängt, noch weggebetet werden kann.

Diese Erkenntnis hat der 19jährige Jared nach seinem Austreibungsseminar allerdings auch erlangt. Und noch etwas ist ihm klar geworden: Das die Reparativtherapie des bigotten (ebenfalls homosexuellen) Seminarleiters Victor Sykes nichts anderes als sektiererische Gehirnwäsche sein kann, in der Schwule und Lesben Sünden bekennen müssen, die sie bei Gott nicht getan haben. Schon wieder Gott, obwohl Vater unser in Joel Edgertons Film nur lediglich namentlich erwähnt wird – und sich ganz weit entfernt hat von Menschen, die die Weisheit mit dem letzten Abendmahl gegessen und keine Ahnung davon haben, wie das Wesen Mensch überhaupt funktioniert. Das sind auch die, die womöglich daran glauben, dass unsere Welt erst 6000 Jahre alt ist. So einem Schwachsinn sind junge Menschen wie Jared ausgeliefert. In Person des eigenen Vaters (schwerfällig: Russel Crowe), Victor Sykes und der Gesellschaft eines ahnungslos intoleranten Glaubens. Denn Glauben heißt doch nichts wissen. Und weiß man einmal mehr, ist man verdächtig. Jared, der fügt sich erstmal, macht gute Miene zum beschämenden Spiel. Und findet sich im Laufe des therapeutischen Programms in einem zermürbenden Umfeld aus Erniedrigung und den Abnötigungen absurder Geständnisse wieder. Und irgendwie, so erscheint es mir, gibt es Szenen in diesem auf wahren Begebenheiten beruhenden Drama, die mich an Stanley Kubricks Antikriegsfilm Full Metal Jacket erinnern. Auch in dieser seelenbrechenden Vorhölle haben Bestimmer jungen Menschen deren Identität geraubt – zwar nicht ihre sexuelle, aber sonst den ganzen Rest. Die Ideale, die nach diesem Flächenbrand zurückbleiben, sind jene, die zur erfolgreichen Vernichtung des anderen führen, und die bereits im Drill der Kadetten ihren Anfang nimmt. Da wie dort gibt es manche, die der psychischen Geißelung nicht standhalten können. Und bevor es zu spät ist, zieht Jared die Reißleine.

Joel Edgerton, der neben der Regie auch die Rolle des jovial-durchtriebenen Reparativtherapeuten übernommen hat, ist natürlich nicht ganz so gnadenlos perfide wie „Sergeant Hartmann“ R. Lee Ermey, aber jemand, dessen bekehrender Eifer Angst macht. Klar führt diese fragwürdige Indoktrinierung in einer Institution, die es nur gut für sich selbst meint, Erfolg maximal zur Leugnung von einem selbst. Das mitanzusehen, ist keine erquickende Bibelrunde zur Festigung der Gemeinde, und auch keine zwei Stunden entspannende Kinounterhaltung. Mit Der verlorene Sohn oder Boy Erased, wie der Film im Original heißt, arbeitet Edgerton Fakten auf, die Empörung fordern. Sein Film ist der erhellende Bildbericht eines Skandales, eine Reportage über verzweifelten Selbstverrat, über die Zensur der Freiheit, festgehalten in herbstlichen, fast ausgedörrten Bildern. Lucas Hedges, der mit Manchester by the Sea erstmals auf sich aufmerksam machte, bietet mit einer wieder mal famosen Nicole Kidman als hin und hergerissene, aber allen voran liebende Mutter überzeugende Schauspielkunst. In Rollen, die sicherlich nicht leicht zu interpretieren oder auszubalancieren sind. Die durchaus belasten können, wenn man beim Verstehen der filmischen Identität keine halben Sachen machen will.

Der verlorene Sohn bespricht ein Thema, das natürlich bereits vorhandenes, notwendiges Interesse voraussetzt. Das ungeschönte, allerdings aber auch hoch emotionale Drama ist ein sehr spezieller Film, der vor allem jenen, die sich ebenfalls die eigene sexuelle Orientierung verbieten, und zwar aus religiösen Gründen, etwas mitgeben können auf den Weg zu mehr Eigenakzeptanz und einem festeren Boden unter den Füßen.

Der verlorene Sohn