Clown in a Cornfield (2025)

THE PURGE IN DER LANDEI-VERSION

6/10


© 2025 Constantin Film Verleih


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: ELI CRAIG

DREHBUCH: ELI CRAIG, CARTER BLANCHARD

KAMERA: BRIAN PEARSON

CAST: KATIE DOUGLAS, AARON ABRAMS, CARSON MACCORMAC, KEVIN DURAND, WILL SASSO, VINCENT MULLER, CASSANDRA POTENZA, VERITY MARKS, BRADLEY SAWATZKY U. A.

LÄNGE: 1 STD 37 MIN


Jürgen Drews sollte sein Bett im Kornfeld lieber räumen, es könnte ja sein, dass er ungebetenen Besuch erhält, was zur Folge hätte, dass die sommerliche Schlafstatt zur letzten Ruhestätte wird. In diesem uneinsichtigen, chaotischen Labyrinth an Maisstauden treiben sich schon seit jeher paranormale Gesellen herum, leicht verliert man die Orientierung und Panik macht sich breit. Wie wärs, so denkt sich Eli Craig (der den satirischen Splatter-Ulk Tucker & Dale vs. Evil zu verantworten hat), wenn man in diese Agrar-Wildnis vielleicht mal einen Clown setzt? Einen, der das Messer wetzt, oder die Mistgabel, oder überhaupt gleich die Kettensäge? Doch Clowns, die Böses im Schilde führen, gibt es eigentlich schon zur Genüge, oder nicht? Muss das jetzt wirklich noch sein? Vielleicht gerade deswegen. Denn vielleicht lassen sich die Motive dieser geschminkten Gesellen variieren, vielleicht könnten diese in einem erklärbaren Kontext stehen und nicht nur der blutigen Freude am Gemetzel wegen, wie es Art der Clown in Terrifier tut, die ihre sowieso schon abgestumpfte Zielgruppe mit neuen Aspekten aus der Ermüdung reissen.

Der eine Weg wäre, noch brutaler, noch grauslicher, noch entsetzlicher zu werden. Geht das überhaupt noch? Damien Leone will es demnächst versuchen. Eli Craig nimmt hingegen andere Wege. Er lässt den Jack in the Box in einem Provinzkaff aufpoppen, deutlich kleiner als Derry. Dieses Kaff mit dem Namen Kettle Spings teilt das Schicksal vieler anderer ähnlicher gesellschaftlicher Mikrokosmen: sie stehen und fallen mit ihrem Ertrag, den sie aus dem einzigen Wirtschaftszweig beziehen, der dort wächst. In Kettle Springs wäre es die Baypen-Maissirup-Fabrik gewesen – als Maskottchen hat dabei ein Clown namens Frendo stets die Werbetrommel gerührt. Doch mittlerweile steht die Ortschaft vor dem Ruin: Die Fabrik ist abgebrannt, Sirup gibt’s keinen mehr, der Clown ist nur noch Objekt von Häme, Parodie und Ignoranz – die Next Generation spekuliert mit anderen, weniger traditionellen Wegen. Doch wir sind hier in Missouri, im mittleren Westen, konservativ bis in die Knochen, und niemand  von den Älteren will hier das aufgeben, was seit jeher Tradition hat. Dazu zählen Kraftfahrzeuge mit Gangschaltung und Wählscheibentelefone – Dinge, mit denen die Jungen nichts anzufangen wissen.

Das Gestern als tödliche Falle

Aus dieser Diskrepanz zwischen Althergebrachten und der Aufbruchsstimmung der progressiven Jugend entsteht ein Vakuum aus Anarchie und Wahnsinn – kurzum: Maskottchen Frendo will die Dinge auf seine Art regeln, was ein bisschen an die dystopische Versuchsanordnung aus The Purge erinnert, nur diesmal in der kleinkarierten Landei-Version. Und ja, Eli Craig gelingt neben altbekannten Slasher-Szenen, die immer und immer wieder nur auf dieselbe Art unter Kreischalarm junger Menschen gar nicht anders inszeniert werden können als so, eine sehr wohl augenzwinkernde, federleichte Gesellschaftssatire, die ihre Stärken gelegentlich in den Tücken eines Alltags wiederfindet, der noch nie etwas von Social Media, KI oder gar Automatikgetriebe gehört hat. Diese Metaebene allerdings sucht Eli Craig nur gelegentlich auf, sehr ernst ist es ihm darum nicht. Priorität hat dennoch der zirkushafte Reigen eines oder gar mehrerer maskierter Schlächter, die wie frisches Popcorn hinter dem Staudenvorhang hervorquellen. Die Erwartungshaltungen der Genrefans werden erfüllt, das kreative Umdenken bei antagonistischen Stereotypen wie diese trägt durchaus Früchte, wenngleich sich Clown in a Cornfield unweigerlich dazu bekennt, die Motive der Niedertracht als Kritik auf Konservatismus und Intoleranz, sprich: auf den Trumpismus, nur zaghaft zu konturieren.

Schade um das Potenzial und den Biss, den Eli Craigs Film gehabt haben könnte. Letztlich bleibt sogar ein bisschen was von Batmans Erzfeind, dem Joker, haften, der diesmal hier nicht aufgrund eigener psychischer Probleme den Schurken gibt, sondern für ein reaktionäres Allgemeinwohl.

Clown in a Cornfield (2025)

Krazy House (2024)

DER TRITT INS ALLERHEILIGSTE

6/10


Krazy-House© 2024 Splendid Films

LAND / JAHR: NIEDERLANDE 2024

REGIE / DREHBUCH: STEFFEN HAARS & FLIP VAN DER KUIL

CAST: NICK FROST, ALICIA SILVERSTONE, KEVIN CONNOLLY, GAITE JANSEN, WALT KLINK, JAN BIJVOET, CHRIS PETERS, MATTI STOOKER U. A.

LÄNGE: 1 STD 30 MIN


Vom Stilmittel der Sitcom, um den American Way of Life zu demaskieren, war schon Oliver Stone überzeugt. In Natural Born Killers turtelten Juliette Lewis und Woody Harrelson unter dem Gelächter eines gebuchten Konserven-Auditoriums in generischen Einfamilienhaus-Kulissen herum, um dann eine blutige, aber medientaugliche Spur durchs Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu ziehen, ganz im Sinne eines Donald Trump, den man trotzdem wählen würde, hätte er auf offener Straße einen Menschen erschossen. Statt den beiden damaligen Jungstars wuchtet sich diesmal ein gottergebener, erzkatholischer Biblebelt-Hausmann namens Nick Frost (diesmal ohne seinen Partner Simon Pegg) von der Palmsonntags-Zeremonie ins traute Eigenheim zurück, mitsamt der nahe am Burnout nagenden Business-Ehefrau Alicia Silverstone und den beiden Kindern, die zwar Papas christliche Affinität mittragen, mittlerweile aber auf den selbstgestrickten Jesus-Pulli verzichten. Der Patriarch sieht das gar nicht gern, und er wundert sich obendrein, was Sohnemann Adam in seinem Zimmer chemischen Experimenten unterzieht. Die klare Sicht auf die Dinge, die die (allem Anschein nach) amerikanische Familie so umtreibt, wovor sie sich fürchtet und was sie niemals hinterfragt, bleibt Nick Frost alias der gutmütig brummige Bernie, verwehrt. Der konservative Glaube ist alles, und gerade in der Karwoche wird dieser blinde sakrale Gehorsam alles wieder ins richtige Lot bringen. Es sei denn, das Schreckgespenst einer russischen Invasion steht ins Haus. Diese wird verkörpert von drei Pfuschern aus dem weit entfernten, kommunistischen Osten – der Vater samt Nachwuchs. Anstatt den Wasserschaden in der Küche zu beheben, zerstören sie nach und nach die gesamten geheiligten vier Wände. Das alles eskaliert, die Gattin versinkt im Burnout und in der Tablettensucht, Adam frönt dem Crystal Meth und Tochter Sarah lässt sich schwängern. Kein Stein bleibt auf dem anderen, und selbst Holy Fucking Jesus, der Bernie immer mal wieder erscheint, um ihn an seine Demut im Glauben zu erinnern, trägt letztlich nichts dazu bei, die Vorstadt-Apokalypse auch nur ein klein wenig zu vereiteln.

Das niederländische Regie-Duo Steffen Haars und Flip van der Kuil klotzen einen farbenfrohen, derben Gewalt-Exzess vor die Kamera, stets Nick Frost im Fokus bewahrend, der eine Wandlung in drei Etappen durchmacht, die durch ein jeweils anderes Bildformat zumindest den Anschein einer Struktur bewahrt. Blickt man hinter das so bluttriefende wie blasphemische Stakkato grotesker Zustände, erkennt man zwei Autorenfilmer, die durchaus bereit sind, die vom bigotten Westen so stolz gelebten Dogmen und geduldeten Laster von Grund auf zu hinterfragen. Warum der fanatische, evangelikale Gottesglaube, warum die Lust an der Droge, die Sucht nach Tabletten, die Heiligkeit des familiären Vierbeiners, das Feindbild aus dem Osten. Krazy House geht sogar so weit, um Verhaltensmanierismen wie das Kaugummikauen, den Putzfimmel und die heuchlerische Allwetter-Freundlichkeit zu verlachen und auf den gebohnerten Boden zu schmettern. Mit Nick Frost, dessen Zahn- und Zahnlosprothese herrlich irritiert, hat Krazy House gerade aufgrund all der befremdenden Polemik eine Identifikationsfigur zwischen biblischem Hiob und amoklaufendem Normalo gefunden, der in die Fußstapfen eines untätigen Versager-Christus stapft, um all das Übel dieser Welt aus der Bequemlichkeitsblase zu treiben.

In diesem satirischen Enthusiasmus treiben es Haars und van der Kuil so sehr und so unbedingt auf die Spitze, dass am Ende das Chaos zu gewollt erscheint, zu erzwungen verrückt und häretisch – es ist die Inflation bizarrer Einfälle, die sich gegenseitig ihre Wirkung nehmen, die dann nur noch als dauerfeuernde Destruktionsorgie zwar die Hartgesottenen unterhält, die aufgrund ihrer selbstbewussten Gelassenheit gut damit leben können, dass dem Haushund die Birne weggeschossen wird oder der Sohn Gottes dem Hirntod erliegt, letztlich aber weder wirklich aufregt oder vor den Kopf stößt. Ein Schmunzeln ob des reuelosen Rundumschlags mag Krazy House sicher sein. Doch viel mehr als lautstark herumzutrampeln steht dem pseudohämischen Streifen gar nicht im Sinn.

Krazy House (2024)

Abigail (2024)

UNGEHEUER IM GEMÄUER

7/10


abigail© 2024 Universal Studios


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: MATT BETTINELLI-OLPIN & TYLER GILLETT

DREHBUCH: GUY BUSICK, STEPHEN SHIELDS

CAST: ALISHA WEIR, MELISSA BARRERA, DAN STEVENS, KATHRYN NEWTON, KEVIN DURAND, ANGUS CLOUD, WILLIAM CATLETT, GIANCARLO ESPOSITO, MATTHEW GOODE U. A.

LÄNGE: 1 STD 49 MIN


Eine Handvoll Krimineller, deren Ableben aus moralischer Sicht vertretbar wäre, in irgendeine Immobilie zu stecken und zusehen, was passiert: ein gern gesehenes Narrativ Im Thriller- und Horrorgenre. Und obwohl dieses Konzept schon so abgedroschen wirkt, ist der Clinch mit dem einschätzbaren Aggressor immer wieder so genussvoll wie eine Tüte Chips, denn auch da weiß man, was drin ist: Fett und Salz machen den Unterschied. Blut und Suspense den anderen. Der höchst erfolgreiche Knüller Don’t Breathe hat es bewiesen: Ein paar windschiefe Typen laufen einem blinden, alten Kriegsveteranen mitten ins Messer. Verdient haben diese das grausige Ableben nicht, doch allein wie sie sich anstellen, um Opa Herr zu werden, verdient eine Abreibung. Ähnlich draufgängerisch gebärdet sich in Abigail eine Bande Kidnapper, die für satte Millionen gerne mal ein unschuldiges Kind entführen, das einfach nur vom Ballett-Training nachhause will, um einen anstrengenden Tag in Ruhe ausklingen zu lassen. Doch nichts da: Die Entführung ist von langer Hand geplant, die Kleine betäubt, eingesackt und abgeliefert. Auftraggeber ist der undurchsichtige Lambert (Giancarlo Esposito), der das sechsköpfige Team nach eigentlich getaner Arbeit noch zum Babysitten verdonnert, und zwar die nächsten vierundzwanzig Stunden, denn dann winkt der große Reibach. Kann nicht schwierig werden, denkt sich die Bande – und wird dann schon bald eines Besseren belehrt. Denn Abigail – das kennen wir schon aus dem Trailer – ist alles andere als ein schüchternes, ängstliches, wimmernden Mädchen. Sie ist ein Vampir und zeigt alsbald Zähne, die zielsicher in den Hälsen so mancher menschlicher Individuen landen, die zur falschen Zeit am falschen Ort aufschlagen. Die Kacke ist am Dampfen, der Körpersaft am Spritzen: Es geht um Leben, Tod und ewiges Leben – je nachdem, auf welche Seite man sich schlägt. Die einen haben es mehr verdient, die anderen weniger. Die Erwartungen der Zuseher werden dabei keineswegs untergraben. Denn Gott behüte – man könnte Gewohntes ja konterkarieren.

Diese Vorhersehbarkeit, die fast genauso wehtut wie den spitzen Zahn zu fühlen, ist der einzige Schwachpunkt in diesem lustvollen Survival-Horror frei nach Agatha Christies Abzählreim-Roman. Dass nicht alle in diesem Sechs-Gänge-Menü für blutleckende Untote in zynischem Eigennutz agieren, ist sofort klar – und genauso klar ist, ob, und wenn ja, wer von den Eingesperrten letztlich überleben wird. Das nimmt Abigail dann doch etwas die Überraschung, doch man kann darüber hinwegsehen, genauso wie über konfuses Zeitverständnis und die Länge eines Tages oder einer Nacht. Wie es das Drehbuch benötigt, wird die Zeit zum lästigen Anhängsel, dem man am liebsten einen Pflock ins Herz treiben möchte. Die Uhren laufen anders in diesem Gemäuer, das sich, sobald der Spaß beginnt, hermetisch von der Außenwelt abriegelt. Dabei flitzt Abigail wie ein von der Tarantel gestochenes kleines Ungeheuer die Stufen rauf, die Stufen runter, dreht zwischendurch ein paar Pirouetten und hat ihre kindliche Freude daran, ihre Opfer vorzuführen.

Das Regieduo Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett, verantwortlich für das etwas aus den Fugen geratene Hochzeitsbankett Ready or Not, zu welchem gerade die Braut herself auf Teufel komm raus von der Sippe des Bräutigams durch deren Anwesen gejagt wird, variieren ihren augenzwinkernden Splatter-Thriller aus dem Jahre 2019 wenn man es genau nimmt nur ein bisschen. Anderen Filmemachern könnte man vorwerfen, sich selbst zu kopieren – bei diesen beiden hier könnte man in Versuchung geraten, more of the same sehen zu wollen. Denn das, genau das, können Bettinelli-Olpin und Gillett richtig gut. Sowohl Ready Or Not als auch Abigail sind weniger Horror als viel mehr rasante Actionfilme, die mit dem Genre des Phantastischen kokettieren. So, wie sie Lebende und Untote von der Leine lassen, damit sie sich gegenseitig zerfleischen, macht formelhaftes Escape-House-Thrillerkino richtig Spaß. Eine bodenständige Energie entlädt sich – und ich denke, seit Buffy und Angel hat man Vampire nicht mehr so kämpfen sehen, schon gar nicht jemanden wie Alisha Weir (eben auch in Kleine schmutzige Briefe zu sehen), die im Ausleben ihrer anarchischen Rolle ein Engagement an den Tag legt, welches das ganze Ensemble mitreisst. Dan Stevens und Kevin Durand fluchen und rennen um die Wette, am Ende dreht sich das Spiel wie im Roulette, und die Frage, wer die Farbe des Todes und die des Blutes trägt, bleibt gelegentlich offen. Diese Verve der akrobatischen und fein getricksten Actionszenen machen Abigail zum Hingucker, das Blutbad wird zur selbstironischen Übertreibung wie schon bei Ready or Not und lässt das Treiben im Titty Twister aus From Tusk Till Dawn manchesmal anämisch aussehen. Am Ende könnte man seine Liebe zu den Vampiren neu entdecken, zum Glück haben diese gleich zehnfach doppelt so viele spitze Zähne wie Twilight-Vampire keine haben. Nebenbei bemerkt ein Unding, dass ich diesem Franchise nie verzeihen werde.

Abigail (2024)

Renfield (2023)

DER DESCHEK DES GRAFEN

6/10


renfield© 2023 Universal Studios. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: CHRIS MCKAY

DREHBUCH: RYAN RIDLEY

CAST: NICHOLAS HOULT, NICOLAS CAGE, AWKWAFINA, BEN SCHWARTZ, SHOHREH AGHDASHLOO, CAMILLE CHEN, CAROLINE WILLIAMS, BRANDON SCOTT JONES U. A.

LÄNGE: 1 STD 34 MIN


Könnt Ihr euch noch an die eine, damals tricktechnisch bemerkenswerte Szene in Forrest Gump erinnern, in welcher Tom Hanks dem Altbundespräsidenten John F. Kennedy die Hand schüttelt? In Renfield, sehr frei nach Bram Stoker, gibt‘s zu Beginn eine ähnliche Szene. Und zwar eine aus dem guten alten (erschreckend unblutigen) Gruselklassiker von Universal – the one and only Dracula, Baujahr 1931. Statt Dwight Frye als der Immobilienmakler, der zum Handkuss kommt, steht im Schloss des Grafen Nicholas Hoult. Statt den eindringlichen Blicken Lugosis glupscht ihm diesmal Nicolas Cage entgegen, in edlem Zwirn und noch ganz charmant den neuen Besucher umgarnend, der natürlich noch nicht weiß, dass er alsbald in der Klapsmühle landen und Insekten fressen wird. Wie das Schicksal des armen, geistig umnachteten Mannes ausgeht, weiß man entweder aus der literarischen Vorlage – oder man sichtet auf Netflix den feinen Dreiteiler mit Claes Bang. Nur sind dort einige (Geschlechter)rollen vertauscht, und das in die Gegenwart verfrachtete Szenario hat ordentlich Pepp.

Renfield spielt genauso in der Jetztzeit. Hier ist der titelgebende Deschek zwar weder suizidgefährdet noch dem Wahnsinn verfallen, aber immer noch das Mädchen für Alles für den ewig lebenden Gierschlund und Möchtegern-Weltenherrscher, der es sich in einem alten, leerstehenden Krankenhauskomplex bequem gemacht hat und den junggebliebenen Gesellen dorthin und dahin dirigiert, um ihm Frischfleisch zu beschaffen. Am besten junge, unschuldiges Körper, und bitte keine Verbrecher, denn Blut mit Bad Karma erquickt nicht so richtig. Allerdings ist die Zeit gekommen, und der gute Renfield hat endgültig genug davon, sich herumkommandieren zu lassen. „Raus aus der Abhängigkeit“ lautet nun die neue Agenda des ewigen Lakaien. Eine Selbsthilfegruppe soll den Mut bringen, dem Grafen endlich mal zu sagen, was Sache ist. Bei einer Legende mit so strengem Charisma unterliegt die Praxis der Theorie – und schon wieder muss der dank Insektenverzehr mit Superkräften ausgestattete Mann fürs Grobe Ausschau nach Nonnen und Cheerleaderinnen halten. Dabei queren die Handlanger einer bösen Unterwelt-Lady seine To-do-Liste – und die verzweifelt für Recht und Ordnung sorgende Polizistin Rebecca (so richtig herzig, wenn sie wütend ist: Awkwafina) erhält Renfields Aufmerksamkeit.

Die Emanzipation und darauffolgende Image-Kur einer halbherzig bemitleideten Romanfigur sind die Grunddynamiken eines zugegeben wirren Mischmaschs aus Neuzeit-Vampirhorror, Actionkomödie und Splatterspaß. Das ruhende Auge inmitten des Getöses verkörpert Nicolas Cage – er ist Zentrum des Geschehens und so überzeugend in seinem Auftreten, so genussvoll aufspielend und auf einer ganzen Klaviatur diverser Gesichtsausdrücke spielend, dass sich der Vergleich mit Altmeister Christopher Lee mühelos auch mal für Cage ausgehen könnte. Mit nadelspitzer Kauleiste, süffisantem Gerede und gierigem Gelächter ist der Schauspieler, der sich für nichts in der Filmwelt zu schade ist, eine regelrechte Attraktion, als wäre er das Highlight einer Zirkusshow, ein immer wiederkehrender Conférencier, der all das übrige Ensemble stets daran erinnert, dass das Böse (nicht) nur untertags schläft.

Hat Cage die Kamera mal nicht für sich, dominiert dahingeschludertes Komödienkino mit Psycho-Touch, das sich auf die Metaebene aus Abhängigkeit und Lossagung viel zu wenig konzentrieren kann, da die recht banale Komponente rund um Verbrecherfürstin Shohreh Aghdashloo (bekannt aus The Expanse) das ganze Gefühl für eine urbane Gothic-Mär mit Lebenshilfe-Bonus immer wieder und recht plump an den Rand drängt. Aufgemotzt wird das Ganze mit deftigen Splatter-Einlagen, in denen das Kunstblut (und man sieht, es ist Kunstblut) literweise spritzt. Das passt zu ansatzweise fein geführtem, meist auch schwarzem Humor ganz und gar nicht. Doch wir haben nun mal einen mit abgerissenen Extremitäten um sich schlagenden Hoult, der sich nochmal an seine Rolle aus Warm Bodies erinnert, so leicht entrückt stellt er sich seinem Lebenssinn. Manchmal trifft der von Chris McKay (u. a. The Tomorrow War) inszenierte Universal-Streifen dabei direkt mit dem Pflock ins Herz, manchmal versäumt er dabei so einige Möglichkeiten, um der so saftigen wie versponnenen Blutoperette doch noch eine Runde vampirphilosophische, nihilistische Schwermut zu verleihen, die dieser Dämonologie doch so gut zum blassen Gesicht steht. Am Ende ist ihm die Konsequenz, die sich wohl ein jeder denkt, nicht mal eine Szene zwischen den Credits wert.

Renfield (2023)

The Trip – Ein mörderisches Wochenende

PAARTHERAPIE DURCH DRITTE

6/10


thetrip© 2021 Leonine Distribution


LAND / JAHR: NORWEGEN 2021

REGIE: TOMMY WIRKOLA

CAST: NOOMI RAPACE, AKSEL HENNIE, ATLE ANTONSEN, CHRISTIAN RUBECK, ANDRÉ ERIKSEN, STIG FRODE HENRIKSEN, NILS OLE OFTEBRO U. A. 

LÄNGE: 1 STD 54 MIN


Am Wochenende sucht man Ruhe und Entspannung. Wenn’s ohnehin schon stressig zugeht, drängt sich die traute Zweisamkeit irgendwo abgelegen an einem See und umgeben von Wald und Wiese richtig auf. An so einem Wochenende kann gar nichts – oder alles passieren. Plüschige Aliens können kommen, wie in Save Yourselves!. Oder ein Psychokiller treibt sein Unwesen und lässt die Zerstreuungswütigen über die Klinge springen, wie Dan Stevens und Sheila Vand in Tod im Strandhaus das gemacht haben. Selbst Comedian Kevin James als bemüht bösartiger Knastbruder nervt in Becky eine Patchworkfamilie, die ohnehin genug Probleme hat. 

Ihr seht, es gibt jede Mange Zeug zum Thema Wochenende in Schieflage, und auch The Trip – Mörderisches Wochenende vom Norweger Tommy Wirkola hat da gar nicht den Anspruch, anders sein zu wollen als all die eben erwähnten genretypischen Produktionen. Wirkola, nicht sehr zimperlich, was seine Filme angeht (Händel & Gretel: Hexenjäger, Dead Snow) bringt in seiner Splatterkomödie die Ehekrise zum Bluten, da sind ihm alle Mittel recht. Und noch schöner ist es, wenn Noomi Rapace, die bereits in seinem originellen Science-Fiction-Thriller What Happened To Monday? in siebenfacher Ausführung ums Überleben gekämpft hat, den Nerv hat, um einer wie aus heiterem Himmel hereinbrechenden Home Invasion handfeste Argumente entgegenzusetzen. Bevor es aber so weit kommt, will „Headhunter“ Aksel Hennie seiner Göttergattin ans Leder – dahinter mag stecken was will, das ist für den Film nicht relevant. Ebenso hegt eine erblondete Rapace wohldurchdachte Pläne, um ebenfalls das Witwendasein zu forcieren. Wenn man doch nur miteinander reden könnte – doch dieser Zug ist abgefahren. Die beiden hätten sich wohl gegenseitig ins Aus manövriert, wären da nicht drei wirklich miese Gesellen, die ordentlich Stunk machen. Frei nach dem Sprichwort Der Feind meines Feindes ist mein Freund muss das Paar wieder ihr eheliches Gelübde ausgraben, welches für schlechte Tage den Zusammenhalt predigt.

Auch wenn The Trip – Mörderisches Wochenende vorzugsweise als respektlose, derbe Komödie zu bezeichnen ist, bleibt dennoch der größte Anteil einem gewalttätigen Thriller geschuldet, der den Hass auf die wirklich bösen Jungs gehörig schürt – um dann in aller Genugtuung dem Blut beim Herumspritzen zuzusehen. Da werden Arme geschreddert und Bäuche aufgeschlitzt, Köpfe weggeschossen und was weiß ich noch alles, natürlich ist das ganze Handgemenge mit Ironie zu genießen und das richtige Quantum an flapsigem Zynismus und lakonischem Humor verleihen der Hämoglobin-Groteske sogar noch sympathische Zwischentöne, vor allem Aksel Hennies Film-Vater könnte der grantige Bruder vom Mann namens Ove sein, so nordländisch geistert die schräge Nebenfigur durch das gar nicht jugendfreie Szenario.

Wirkola liebt den augenzwinkernden Trash, richtet sich ans weniger zartbesaitete Publikum und bietet genau das, was in so einem Genremix auch zu holen ist. Will man sich allerdings wirklichen Hirnideen widmen, die das Töten auf originelle Bahnen hebt, sollte man vielleicht lieber beim Saw-Franchise bleiben. Bei The Trip kommt zum Einsatz, was in einem Ferienhaus mit Garten eben so rumliegt, Rasenmäher inklusive. Doch den gab‘s auch schon bei Becky. Demnach ist der Splatterspaß zwar kurzweilig, aber nicht die eigentliche Attraktion: die findet sich in den kleinen, zwischenmenschlichen Verschnaufpausen, in denen nichts und niemand gewillt ist, die Hoffnung auf eine gute Ehe aufzugeben.

The Trip – Ein mörderisches Wochenende