Errementari: Der Schmied und der Teufel

DER TEUFEL SCHICKT SOLDATEN AUS

7,5/10


errementari© 2017 Netflix Österreich


LAND / JAHR: SPANIEN, FRANKREICH 2017

BUCH / REGIE: PAUL URKIJO ALIJO

CAST: KANDIDO URANGA, ENEKO SAGARDOY, UMA BRACAGLIA, RAMON J. AGUIRRE, JOSEAN BENGOETXEA, JODÉ RAMÓN ARGOITIA U. A. 

LÄNGE: 1 STD 38 MIN


Ist es nicht so? Denken wir spontan an den Teufel, haben wir sowas wie den Krampus vor Augen. Wahrscheinlich geht’s da nicht nur mir so. In der Wiener Folklore liegt außerdem die Erkenntnis, dass Geschäfte mit dem Teufel seit jeher ein Schuss ins Knie sind. Draufzahlen muss letzten Endes der Mensch, weil er sich gerne verführen lässt, und scheinbar zu schwach scheint, um die paar wenigen Bedingungen, die Luzifer an seinen Deal geknüpft hat, nicht wird einhalten können. Das weiß der Herr der Lügen nur zu gut. Für ihn ist das alles eine gemähte Wiese, zumindest in der Sagenwelt meiner Heimatstadt, wo zwischen mittelalterlichen Tavernen, der Sonntagsruhe und gotischen Türmen die Konsequenz auf die Verfehlung folgt. Der Beelzebub taucht aber natürlich auch in anderen Ländern auf, er ist ja schließlich eine globale Symbolik für all die gern begangenen Todsünden. So auch im Baskenland, wie dieses dunkle Gothic-Märchen hier erzählt, wo der Teufel seine Schergen losschickt und gar nicht mehr persönlich aufkreuzt, um seine an ihn verhökerten Seelen abzuholen.

Einer davon ist Sartael, der darauf pfeift, sich hinter einer Fassade zu verbergen, die anderen vorgaukelt, er sei ein Mensch. Stattdessen zeigt sich das höllische Geschöpf in sattem Feuerrot, mit Hörnern und spitzem Kinn und sonst einer Physiognomie, für welche man ihn schlichtweg als den Teufel selbst halten könnte. Schließlich hat dieser auch seinen Dreizack griffbereit, also wieviel Herr der Finsternis soll denn noch gehen? Allerdings haben diese Ausgeburten auch so manche Achillesferse, wie zum Beispiel das zwanghafte Zählen von Dingen. Mit dieser Schwäche macht sich der Schmied einen Jux und hält obendrein Sartael in einem Käfig gefangen. Dieser Schmied nämlich, der hätte sich längst in der Hölle einfinden müssen, denn dafür hat er den Spanischen Bürgerkrieg überlebt, trotz Exekution. Dummerweise aber gerät der Plan des Schmieds ins Wanken, als ein Mädchen seine Werkstätte betritt – und die Dorfgemeinschaft zum Halali gegen den alten Kauz bläst, der das Mädel womöglich gefangen hält. So kommt eines ins andere, während Sartael mit allen Mittel versucht, wieder freizukommen. Und einen neuerlichen Pakt mit dem Mädchen schließt.

Sieht man sich in den kunsthistorischen Museen oder in alten Ausgaben von Dantes Inferno so manchen beigefügten Kupferstich an, so sehen die nicht viel anders aus als das, was Errementari: Der Schmied und der Teufel in rustikaler Manier an Bildern dem an europäischen Volkssagen interessierten Seher hier auftischt. Wenn die Flammen der Esse am Mauerwerk widerscheinen: wenn der keifende und zeternde Dämon in einem sagenhaft pittoresken Ganzkörper-Makeup durch die Stangen seines Käfigs schielt; wenn sich am Ende dann tatsächlich die Pforten der Hölle öffnen, wie in den inquisitorischen Vorstellungen eines mittelalterlichen Spanien, wo die ewige Qual auf alle Ketzer wartet, dann ist das folkloristischer Budenzauber, dem man in den verborgenen Nischen eines herbstlichen Burgfestes begegnen kann. Hier glüht die Mythologie wie ein erhitztes Stück Eisen, das vielleicht zum Schwert wird oder zum Kreuz. Errementari ist ein höllisches Volkstheater zwischen Qual und Moral, verbreitet aber weder eiskalten Schrecken noch verstört es ob seiner Unausweichlichkeit, dem Teufel ausgeliefert zu sein. Vielmehr ist der verschmitzte Trotz der Sterblichen gegen Luzifer und Co ein geradezu vergnüglicher und bewusst antiquierter Leckerbissen vor allem zu Halloween.

Errementari: Der Schmied und der Teufel

Die Hölle

DER FEIND IN MEINEM AUTO

7/10

 

hoelle

REGIE: STEFAN RUZOWITZKY
MIT VIOLETTA SCHURAWLOW, TOBIAS MORETTI, ROBERT PALFRADER

 

Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen? Der Titel eines von Rainhard Fendrich in den 80er Jahren geschriebenen Austropop-Ohrwurms passt wie bestellt zumindest in die erste Hälfte des von Oscarpreisträger Stefan Ruzowitzky inszenierten urbanen Psychothrillers, der neben jeder Menge Suspense tatsächlich auch großzügige Actionszenen in der ewigen Wienerstadt aus dem Ärmel schüttelt. Doch die Action ist bei Österreichs Regie-Glückskind eigentlich nur als Bonus zu betrachten. Ruzowitzky´s große künstlerische Liebe gilt seiner Hauptdarstellerin – Violetta Schurawlow. Das Gesicht der gebürtigen Ukrainerin ziert nicht nur das Filmplakat im Großformat, auch so ziemlich die ganze Laufzeit des Streifens über schwelgt Kameramann Benedict Neuenfels in der bockigen Trostlosigkeit ihres Blickes – meist im Profil, und oft auch im Close up. Schuwawlow erinnert an Hillary Swank in Million Dollar Baby – so verbissen, selbstzerstörerisch und rebellisch geistert die junge Frau durch ein fremdes, unnahbares, flirrendes Wien. Und boxen kann sie auch. Allerdings Kickboxen ganz so wie van Damme, und das mit verheerender Wirkung, bevorzugt jenseits des Rings.

Unsere Anti-Heldin, die der Hölle entkommen muss. ist eine gescheiterte, missbrauchte Existenz, die ihrer Welt mit Wut und Zorn begegnet, stets begleitet von einer unterschwelligen Aggression ihrer Familie, den Männern und dem Gesetz der Straße gegenüber. Ihr zur Seite steht ein ausnehmend famoser Tobias Moretti. Sein schnauzbärtiger Kommissar ist unfreundlich, grantelnd und gleichzeitig fürsorglich. Vor allem jemand, der sich sein Leben genauso anders vorgestellt hat wie sein taxifahrender Schützling. Eine verkorkste, nach Nähe suchende Figur, die David Fincher verwenden würde, gäbe es eine Wiener Version von Sieben. Wien eignet sich ja für bizarre Krimis ja besonders gut. Die Stadt ist eine Metropole des Morbiden, die vor allem in ihren alten Zinshäusern und engen Hinterhöfen, die an Polanski erinnern, ausreichend Platz für Suspense bieten. Natürlich ist Die Hölle nicht so radikal und ausweglos wie Sieben. Denn Sieben hatte so jemanden wie Schurawlow nicht. Eine Kämpferin, die sich den Widrigkeiten ihres Lebens trotzig entgegenstellt. Und vor allem einem Peiniger, der sündigen Musliminnen die Hölle des Koran auf Erden bereitet. Ein nicht weniger grauenerregender Ritualmord, ebenfalls religiös motiviert wie die sieben Todsünden. Ruzowitzky erspart uns die Morde im Detail. Sein Film setzt auf die düstere Stimmung eines klassischen Serienkiller-Thrillers wie Copykill und orientiert sich, wie bereits erwähnt, stark an Wegbereitern aus dem französischen und amerikanischen Kino, wahrscheinlich, um sein Werk auch international erfolgreich vermarkten zu können. Was ihm aber nur bedingt gelingen wird. Zu manieriert, ja vielleicht sogar zu austauschbar ist sein Film. Spannend, das natürlich. Und weniger belanglos als Cold Blood, der trotz guter Besetzung inhaltlich ziemliche Schwächen aufwies. Aber im Genre des Psychothrillers sind die Plätze für denkwürdig innovative Filmperlen so gut wie durch die Bank besetzt. Und da hat Hollywood, und auch Frankreich schon so gut wie alles gesagt.

Für den kinomuffeligen Österreicher allerdings kann Die Hölle zu einem mitreißenden Genuss werden, vor allem, weil er mal neben Tatort, Kottan und Trautmann auch mal düstere Spannung jenseits des bewährten Wiener Lokalkolorits präsentiert bekommt. Somit kann Die Hölle überall spielen. So bleibt Ruzowitzky´s neuester Film neben all der lehrbuchartigen Geradlinigkeit eines klassischen Thrillers vor allem eines: atmosphärisch, latent depressiv und überraschend gut besetzt – und das ganz ohne Heimvorteil.

Die Hölle