In A Violent Nature (2024)

SCHWEIGEN IM WALDE

6/10


InAViolentNature© 2024 capelight pictures


LAND / JAHR: KANADA 2024

REGIE / DREHBUCH: CHRIS NASH

CAST: RY BARRETT, ANDREA PAVLOVIC, CAMERON LOVE, REECE PRESLEY, LIAM LEONE, CHARLOTTE CREAGHAN, LEA ROSE SEBASTIANIS, LAUREN-MARIE TAYLOR U. A.

LÄNGE: 1 STD 34 MIN


Anderswo, zum Beispiel in Mittelerde, würde eine armselige und durch die Sünde der Gier ins Monströse verzerrte Figur nach einem Schmuckstück suchen, das man am Finger trägt: Die Rede ist von Gollum und seinem Ring, seinem – wie er selbst nicht müde wird zu betonen – Schaaaatz, den später Frodo Beutlin um den Hals baumeln lässt. Jemanden sein liebstes Kleinod zu entwenden geht gar nicht. Und tatsächlich haben diese Kreatur des Gollum und die Kreatur eines Untoten, geistig zurückgebliebenen Riesenbabys mit historischem Feuerwehrhelm auf dem Kopf abgesehen von ihrer leidvollen Lebensgeschichte, die beide Wesen letztlich korrumpiert hat, gemeinsam: Diese seltsamen Existenzen kreisen jeweils um ein Artefakt, sie stehen und fallen mit ihm, es provoziert sie oder hält sie in Stasis. In letztere befindet sich die Ausgeburt eines untoten Psychopathen, Zeit seines Lebens jemand mit besonderen Bedürfnissen, dem in einer wenig aufgeschlossenen Kleinstadtgesellschaft übel mitgespielt wurde. Und zwar so sehr, dass diese diesen Johnny tödlich verunfallen ließ. Der Sturz vom Feuerwehrturm war der Anfang vom Ende, was danach kommt, der blanke Horror. Den so wie Gollum will Johnny nur sein Artefakt zurück, koste es was es wolle. Anders als der verkorkste Hobbit treibt ihn aber noch etwas anderes an: Vergeltung und eine daraus resultierende Blutgier.

So gräbt sich das humanoide und stets schweigsame Monstrum aus dem Waldboden und macht sich im Trott eines Spaziergängers auf die Jagd nach neureichen Bobo-Erwachsenen der Smartphone-Generation, die wenig Achtsamkeit kennen und wenn es darauf ankommt, bereitwillig das Opfer spielen. Das Ungewöhnliche an Chris Nashs Naturpark-Slasher ganz ohne Hütte im Wald ist die sorgsam eingepflegte Meta-Ebene eines gefahrvollen Ökosystems, getarnt als natürliche Idylle, in der für den urbanen Fortschrittsmenschen, der sich zunehmend von der Natur zu distanzieren scheint, unberechenbare Gefahren lauern. Die volatile, schwer verortbare Existenz eines Unheils in Gestalt des Schlächters Johnny lässt ihn vollends im entschleunigten, stillen Grün des Waldes aufgehen, wie das Alien in der mechanischen Düsternis der Eingeweide eines Raumschiffs. Diese Gefahr einer bösen Natur entspräche der Conclusio aus John Boormans Beim Sterben ist jeder der Erste. Nur statt den Rednex, die in einer greifbaren Realität das Unheil säen, schlendert in In a Violent Nature etwas Metaphysisches und nicht Reales durch den Forst, bestückt mit zentnerschweren Ketten, an deren Enden wuchtige Haken baumeln. Was Johnny damit letztlich anstellt, lässt Nash in so deftigen wie bizarren Gewaltspitzen münden. Und eines muss dabei klar sein: In a Violent Nature mag anmuten wie die Neuordnung eines längst etablierten Subgenres des Horrorfilms, sucht sich letzten Endes aber genau jene bewährten Versatzstücke zusammen, die Fans an diesen Filmen so lieben.

Anfangs sieht es auch so aus, als hätte der Film die Ambition, aus der Sicht des Antagonisten erzählt zu werden. Eine Idee, die aber nicht aufgeht. Und wenn, dann nur szenenweise, wie John Carpenter es getan hat, um Kultfigur Michael Myers in Halloween ins Spiel zu bringen. Später aber wechselt auch dort der Blickwinkel, um das Böse nicht zu entmystifizieren und auch um Identifikationsfiguren zu schaffen, die Johnny partout nicht darstellt. Aus diesem Grund muss Chris Nash umdenken, aus einem konsequent geplanten Experiment wird nichts. Letztlich bleibt In A Violent Nature ein Slasher wie alle anderen – blutrünstig und bedrohlich, dafür aber auch langsamer, in sich ruhender.

Der Kontrapunkt einer von wärmenden Sonnenstrahlen begünstigten, lieblichen Natur, akustisch begleitet durch das Gezwitscher zahlreicher Vögel, lässt den einsamen Killer als modernen Waldschrat oder wilden Mann in einer mystischen Anthologie der schweigenden, aber archaischen Schrecken noch ausgefuchster erscheinen.

In A Violent Nature (2024)

Halloween – Die Nacht des Grauens (1978)

DA STEHT EINER UND SCHAUT

8/10


halloween© 1978 Columbia Pictures


LAND / JAHR: USA 1978

REGIE: JOHN CARPENTER

DREHBUCH: JOHN CARPENTER, DEBRA HILL

CAST: JAMIE LEE CURTIS, NICK CASTLE, DONALD PLEASENCE, NANCY LOOMIS, SANDY JOHNSON, P. J. SOLES, KYLE RICHARDS, BRIAN ANDREWS, CHARLES CYPHERS U. A.

LÄNGE: 1 STD 31 MIN


Alleine schon die Art und Weise, wie John Carpenter Tür und Tor zu finsteren, psychopathischen Abgründen aufstößt, in die man zuvor vielleicht nur in Alfred Hitchcocks wohl perfidesten Film Psycho geschielt hat, ist das Beispiel innovativer filmischer Gestaltungskunst. Denn am Anfang, da sehen wir die Welt noch mit den Augen Michael Myers, eines womöglich schwer gestörten, von Grund auf bösen Jungen. In der First Person-Perspektive nähert sich der Dreikäsehoch dem familiären Heim, um heimlich und mit einem Küchenmesser bewaffnet in die oberen Stockwerke vorzudringen, um Schwesterherz beim Liebesgeplänkel mit einem Lover zu erwischen. Was dann folgt, ist der blutige Einstand eines ewigen Killers, dessen Gesicht keiner kennt, der niemals ein Wort sprechen wird und als Inkarnation des unberechenbar Monströsen allein durch das Abhandenkommen jedweder sozialer Kommunikationsmethoden das Schreckgespenst des Stalkers lustvoll überzeichnet. Diese subjektive, direkte Sicht des Killers auf seine Opfer erzeugt eine Atmosphäre, die für kurze Zeit die Distanz zwischen dem Zuseher und dem Bedrohlichen nimmt. Mit den Augen des Bösen zu sehen ist wahrlich unbequem, das Mysteriöse und Unerklärliche, ganz ohne paranormalen Firlefanz, verortet sich im alltäglichen urbanen Miteinander einer Gesellschaft, in der die Wenigen, die nicht so ticken wie die Norm es verlangt, furchteinflößender erscheinen als alles Metaphysische zusammengenommen, das obendrein nur in der Fiktion existiert.

Michael Myers aber, der mit der kreidebleichen Maske von William Shatner, ist Teil einer möglichen Realität und all die Worst Case Szenarien vereinend, die sich aus Home Invasion, Stalking, Terror und kausalitätslosem Gewaltrausch zusammensetzen. Was Carpenter dabei aber tunlichst unterlässt, ist, den Finsterling im wahrsten Sinne des Wortes mit der Tür ins Haus fallen zu lassen. Mit Halloween – Die Nacht des Grauens gelingt dem Altmeister das Paradebeispiel eines Suspense-Horrors, der genau in jenen Momenten, in denen nichts oder noch nichts geschieht, eine enorme Eigendynamik erzeugt. Eine unheilvolle Spannung, die den Umstand einer undefinierbaren Bedrohung zur Zerreißprobe werden lässt, nicht nur für Jamie Lee Curtis, die in diesem Film den Grundstein ihrer Karriere legt und als toughe junge Dame zumindest neugierig genug ist, um die lauernde Gestalt, die scheinbar zufällig herumsteht und schaut, zur Rede stellen zu wollen.

Was Laurie Strode, so Lee Curtis Charakter, eben nicht weiß ist, dass dieser unheilbare Killer, jahrelang in einer Heilanstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verbringend, ganz plötzlich die Gelegenheit am Schopf packt, um auszubrechen, gerade zur rechten Zeit am Vortag zu Halloween. Am Tag des Spuks und des Schabernacks dann fällt einer wie er im Blaumann und weißer Maske, wohl kaum wirklich auf. Der jungen Strode allerdings schon. Und es wird immer unangenehmer, unheilvoller. Immer steht sie da, diese Gestalt, wortlos und starrend. In dieser Nacht vor Allerheiligen, in der Strode als Babysitterin aushilft, wird das Bedrohliche in einen ungesunden Horror übergehen, der den Blutdurst Michael Myers wohl stillen wird. Strode wird sich zur Wehr setzen, das ist auch kein Geheimnis, denn Fortsetzungen später und ein Reboot der ganzen Horror-Reihe, das am Original anknüpft und dabei alle anderen Sequels außen vorlässt, wird Jamie Lee Curtis immer noch dem wortlosen Wahnsinnigen, dessen größter verbreiteter Schrecken es ist, alles ohne ersichtlichen Grund zu tun, Paroli bieten.

Der ganze Modus vivendi mag sich in all den Folgefilmen nur noch variantenreich wiederholen. Wie in welcher Art und Weise Myers Unschuldige über den Jordan schickt, mag sich totlaufen – das Original hingegen ist Killerkino vom Allerfeinsten.

Halloween – Die Nacht des Grauens (1978)

MaXXXine (2024)

VOM STAR, DER ÜBER LEICHEN GEHT

6,5/10


maxxxine© 2024 Universal Pictures


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE / DREHBUCH: TI WEST

CAST: MIA GOTH, ELIZABETH DEBICKI, KEVIN BACON, MOSES SUMNEY, MICHELLE MONAGHAN, BOBBY CANNAVALE, GIANCARLO ESPOSITO, HALSEY, LILY COLLINS, SOPHIE THATCHER, CHLOE FARNWORTH, SIMON PRAST U. A.

LÄNGE: 1 STD 43 MIN


Jetzt, nachdem die letzten Takte von Kim Carnes Klassiker Bette Davis Eyes verklungen sind und die Kameradrohne die an den Hills angebrachten hollywoodgleichen Lettern, welche den Namen Maxxxine bilden, umrundet hat, lässt sich rückblickend feststellen, dass Ti Wests ironisch-blutige Starruhm-Trilogie sehr wohl eine Klasse für sich darstellt. Das Gesamtkonzept rund um die nach Starruhm gierende Maxine Minx, vormals Miller, hätte jedoch raffinierter ausfallen können. Es hat den Anschein, als hätte West den Bogen, den er spannt, nicht auf einmal erdacht. Als wäre er erst nach dem Erfolg von X dazu bewogen worden, das Schicksal seiner Muse namens Mia Goth weiterzuspinnen. Dazu zählt auch der Blick zurück in die frühen Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, um die Biografie der mordenden Alten aus X überhaupt erst zu erzählen. Der Mittelteil dieses Gesamtkunstwerks ist dann auch narrativer wie filmischer Höhepunkt. Zwischen Judy Garland-Technicolor-Satire und psychopathisch-sympathischem Killerinnenportrait gelingt West ein liebevoll ausgestattetes, wildes Gemetzel mit einer manisch grinsenden Hauptdarstellerin, deren Lieblingswerkzeug, die Mistgabel, gerne zweckentfremdet wird, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Oder einfach nur, um zu töten, weil es Spaß macht. Diese kranke Figur der Pearl ist erfrischend anders, was nicht heißen soll, dass Maxine, die sowohl in X als auch eben im Finale Grande ihrer Frau steht, nicht auch genug wehrhaftes Verhalten besitzt, um lästige Sexualstraftäter oder verquere Familienmitglieder zur Rechenschaft zu ziehen. Das tut sie auf höchst schmerzhafte Weise. Und es wäre nicht Ti West, wenn das Ex-Porno-Starlet, welches sich zu Höherem, Größerem und Glamouröserem berufen sieht, den toxischen Mann im wahrsten Sinne des Wortes an den Eiern hat.

Mit diesem patriarchalen, gewalttätigen Wahnsinn und dem Wahnsinn an sich, der ja nicht erst seit David Lynchs Mulholland Drive und Quentin Tarantinos Once Upon a Time … in Hollywood längst zu den Charakteristika dieser realen Traumwelt gehört, setzt sich MaXXXine mit schillerndem Detailreichtum auseinander und gönnt sich im Vergleich zu den anderen beiden Teilen die größte Leichtigkeit. Das funktioniert auch formschön durch das Einbeziehen sämtlicher Filmzitate wie Hitchcocks Psycho oder Polanskis Chinatown, womit wir – Apropos Polanski – wieder auf Tarantinos Aufarbeitung der Manson-Morde zuzrückkommen. Nicht nur von ungefähr gibt es zwischen Wests MaXXXine und Tarantinos Zeitportrait etliche Gemeinsamkeiten. Wests Versuch, das Once Upon a Time … der Achtziger aus dem Ärmel zu schütteln, gelingt phasenweise ganz gut, hinkt aber letztlich aufgrund der Tatsache hinterher, mit dem „Night Stalker“ und einer Prise Satanismus keinen ernstzunehmenden und auch nicht relevanten Unterbau einer latenten Bedrohung zu schaffen. West kann die Killer-Komponente nur schwer greifen, am besten gelingt sein Film dann, wenn Maxine trotz ihres Traumas aus Teil eins beharrlich versucht, die Gunst von Regie-Göttin Elizabeth Debicki zu gewinnen. Da braucht es gar nicht mal einen Killer von außen, denn der scheint das Szenario tatsächlich zu verwässern.

Richtig gut wird MaXXXine auch dann, wenn der kongeniale Kevin Bacon als alptraumhafte Mixtur aus Jack Nicholsons Privatdetektiv Jake Gittes und Helge Schneider die Szene betritt. Wenn Goth und Bacon aufeinandertreffen, schenken sie sich nichts, dann wird das Ganze geradezu von sarkastisch-komödiantischen Momenten durchzogen. Was aber ungenutzt auf dem heißen Asphalt des Mulholland Drive verdünstet, sind die Möglichkeiten, gewisser Horror-Banalitäten zu entgehen, indem West wohl lieber den Fokus auf Mia Goth behalten hätte, statt stilistische Versatzstücke aufzuwärmen. So prickelt der Film dann weniger nach als erhofft, doch was bleibt, ist Goths Paraderolle, die sowieso und in allen drei Episoden mit Inbrunst die Ellbogen-Leidenschaft eines ehrgeizigen Ruhmesmonsters lebt. Bette Davis hatte recht mit ihrem im Film eingangs erwähnten Zitat: In this business, until you’re known as a monster you’re not a star. Keine Trilogie bringt es letztlich geschmackvoller (und blutiger) auf den Punkt. Killer und Satanisten sind dabei nur reine Dekoration.

MaXXXine (2024)

Slotherhouse – Ein Faultier zum Fürchten (2023)

STIRB LANGSAM

3,5/10


slotherhouse© 2023 Plaion Pictures


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: MATTHEW GOODHUE

DREHBUCH: BRADLEY FOWLER

CAST: LISA AMBALAVANAR, SYDNEY CRAVEN, ANDREW HORTON, BIANCA BECKLES-ROSE, OLIVIA ROUYRE, TIFF STEVENSON, SUTTER NOLAN, MILICA VRZIC, STEFAN KAPIČIĆ U. A. 

LÄNGE: 1 STD 33 MIN


Das Killerkaninchen aus Monty Pythons Ritter der Kokosnuss hat es allen vorgemacht: Nur weil etwas süß aussieht, heisst es nicht, dass dieses Etwas auch süße Manieren an den Tag legt. Oder, anders formuliert: Man unterschätze niemals jede noch so erdenkliche Art mehrzelligen Lebens, solange dessen biologischer Steckbrief sich einem nicht zur Gänze erschlossen hat. Im Subgenre des Tierhorrors allerdings gelten nicht mal jene Regeln, nach denen Lebewesen entsprechend einzuschätzen wären. Der Tierhorror, er spielt mit den Anomalien, mit krankhaftem, extremem Verhalten. Macht aus Löwen, Haien oder Affen angriffslustige Geschöpfe. Den Ruf verliert dabei nur der Hai. Dem Löwen selbst kann seit Disneys als musikalisches Shakespearestück aufbereitetem Savannendrama niemand mehr etwas anhaben. Da kann er noch so die Zähne fletschen, wie unlängst, im halbsoliden Beast. Wie steht es aber mit Tieren, denen man nicht im Entferntesten zutrauen würde, dass sie einem Böses wollen? Dem Faultier zum Beispiel?

Was für eine absurde Idee. Das wohl langsamste Säugetier der Welt, fast schon lebendes Gemüse, soll als Aggressor einen ganzen Haufen hysterischer Studentinnen in Angst und Schrecken versetzen? Wem ist bitte schön dieser Unfug eingefallen. Nun, einem wie Bradley Fowler. Zu vermuten wäre, dass, bevor es überhaupt ein Skript gegeben hat, zumindest mal der Titel feststand, der danach klingt, als hätte man bei einem Absacker an der Bar feuchtfröhlich über Tierhorrorfilme schwadroniert und diese dann ins Lächerliche gezogen. Stell dir vor, könnte Fowler gesagt haben, es gäbe einen Slasher mit Faultieren! Allgemeines Gelächter, dann aber der Knüller: Nennen wir den Film doch einfach Slotherhouse! Klingt doch so wie Slaughterhouse! Ein Wortspiel, das alleine schon reicht, damit sich ein Film wie dieser verkauft?

Zugegeben, man wird neugierig. Wie soll so ein Horror überhaupt den gewünschten Adrenalinkick gewähren, wenn mögliche Opfer längst schon die Flucht ergriffen haben, bevor sich die putzige, dauergrinsende Kreatur überhaupt erst einmal anschickt, loszuschlagen. Das geht vorne und hinten kaum zusammen, da müsste es Zugeständnisse hageln, die den biologischen Steckbrief eines Faultiers komplett ad absurdum führen. Gesagt, getan. In Slotherhouse ist das possierliche Freddy-Krüger-Knäuel ein blitzgescheites, aber garstiges Geschöpf, das Laptops bedienen kann und den Führerschein besitzt. Dass genau weiß, was es will und einen durch Rache motivierten Schlachtplan ersinnt, um sich einer ganzen Schar völlig aus dem Häuschen befindlicher Studentinnen ins Jenseits zu befördern.

Ist für diesen Film eine inhaltliche Synopsis notwendig? Meinetwegen. Im Zentrum des überschaubaren Szenarios steht Emily (Lisa Ambalavanar), eine College-Studentin, die sich um die Schirmherrschaft ihrer Studentenverbindung bewirbt, ganz zum Leidwesen ihrer Konkurrentin, die, selbstverliebt, arrogant und falsch wie eine Schlange, siegesgewiss auf Stimmenfang geht. Emily benötigt somit eine Art Wahlkampf-USP, das ihr die entsprechende Aufmerksamkeit bringen soll. Wie wäre es mit einem exotischen Tier, das gleich noch zum Maskottchen der Schwesternschaft werden kann? Da kommt ihr ein zwielichtiger Tierhändler wie gerufen, der ihr ein Faultier anbietet. Eines, dass in den Armen Emilys bald schnurrt wie eine Katze und von allen Mädels geliebt wird. Was diese aber nicht wissen: die schwer unterschätzte haarige Urwald-Lady plant bereits den ersten Mord.

Dass das Verschwinden so mancher Kommilitonin niemandem auffällt und all die Leichen wie vom Erdboden verschwinden; dass das mechatronisch gesteuerte, wie durch Stop-Motion bewegte Faultier von einem Moment auf den anderen an Orten sein kann, die viel zu weit auseinanderliegen: Wen schert’s? Auf relativ plumpe Weise lässt das Wesen, das alles andere zu sein scheint als eben das, was es sein soll, eine Studentin nach der anderen um ihr Leben kreischen. Das ist so an den Faultierhaaren herbeigezogen, so unplausibel und keiner inhärenten Logik folgend, wie es für eine trashige Parodie auf das Tierhorror-Genre natürlich sein darf. Enttäuschender sind also weniger die klaffenden Plot-Holes in diesem Film als vielmehr die unkreative und leider langweilige Ausarbeitung einer Idee, die mit dem Titel Slotherhouse schon seine ganze Innovation verspielt hat.

Slotherhouse – Ein Faultier zum Fürchten (2023)

X

DIE ALTEN ALS FEINDBILD

6/10


x© 2022 capelight pictures


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: TI WEST

CAST: MIA GOTH, JENNA ORTEGA, BRITTANY SNOW, KID CUDI, MARTIN HENDERSON, STEPHEN URE, OWEN CAMPBELL U. A.

LÄNGE: 1 STD 46 MIN


Gegen diesen alten Griesgram ist Hogwarts Hausmeister Filch aus dem Harry Potter-Universum geradezu die Freundlichkeit in Person: Wie der knorrige Greis mit der Flinte auf den jungen Herren da zielt, die Mundwinkel gleich einer bissigen Karikatur böse heruntergezogen, und bei den wenigen Worten, die der Alte da von sich gibt, blitzt ein einzelner Zahn in einem Gebiss, das dringend Dritte benötigt – spätestens nach dieser Begegnung wird klar: Hier lässt sich wohl kaum etwas von der älteren Generation lernen, denn diese sinistre Gestalt führt sicher nichts Gutes im Schilde.

Wie jetzt? Vor den Alten braucht sich von den Jungen doch niemand zu fürchten, oder? Einfach den Sitzplatz in den Öffis überlassen, über die Straße geleiten oder die schweren Einkaufstaschen abnehmen – das ist schon die halbe Miete, um die Brücke zu schlagen zwischen Gestern und Heute. Falsch gedacht. Die Älteren werden oft unterschätzt, da sitzt der Griesgram, der Neid und die entbehrlichen Erfahrungen aus Kriegen und Notzeiten manchmal ganz tief. Die eigene Erziehung, die durchaus mit Gewalt und militanter Prüderie einhergegangen sein mag, prägt das Handeln. Und dann das: ein junges Filmteam macht sich auf dem Anwesen des zahnlosen Alten mitsamt seiner gespenstisch erscheinenden Gattin breit. Es will einen Film drehen, und zwar nicht irgendeinen, sondern den womöglich besten Pornofilm aller Zeiten. Zumindest ist die Begeisterung groß bei den jeweils drei Männern und Frauen, die sich auch nicht wirklich die Mühe geben, die Bauersleut‘ über die pikanten Umstände aufzuklären.

Da gehört schon ein ordentliches Quantum an Respektlosigkeit dazu, allerdings auch ein gesundes Revolutionsbewusstsein, das in heller Koitusfreude die katholizistische Prüderie der amerikanischen Predigergesellschaft aufzubrechen gedenkt. Nicht mit den Alten, lautet in Ti Wests blutigem Psychothriller die Devise. Denn die sind immer noch da und gefälligst ernst zu nehmen. Auch wenn sie den Eindruck vermitteln, längst im Morast der Demenz zu versinken.

Selten hat man die Generation der 80 plus so sehr der Hilfsbedürftigkeit entledigt gesehen wie in X, abgeleitet vom X-Faktor, dem gewissen Etwas. Altwerden geht hier einher mit Missgunst, Frust und Manie. Anders Houchang Allahyaris generationenübergreifender Liebesfilm Der letzte Tanz. Hier haben wir Erni Mangold als innerlich junggebliebene Tänzerin, die im Altersheim eine Beziehung mit einem Pfleger eingeht, der ihr Enkel hätte sein können. Auch so lassen sich die Bedürfnisse des Alters darstellen. In Don’t Breathe ist der mit Vorurteilen getarnte Mythos der Senilität das letzte Überbleibsel einer wehrhaften Elite, die der Ignoranz der heutigen Jugend effektiv die Stirn bietet. Anders bei Ti West: Dort ist das Alter das marode Ergebnis einer Gleichung aus Moraldiktatur und vorenthaltener Freiheiten. Da es sich bei X natürlich um Entertainment-Horror handelt, werden auch entsprechend und auf vielfältige Art und Weise brutal die Leviten gelesen. Dabei greift West in den stilistischen Zitatenschatz der italienischen Giallo aus den Siebzigern, verbunden mit Elementen des Haunted House-Horrors und amerikanischer Grindhouse-Slasher. Mittendrin Mia Goth als zukünftiges Porno-Starlet, die wohl mit Simon Rex aus Red Rocket eine Freude gehabt hätte, gefolgt von einer bestens auf Siebziger getrimmten Gefolgschaft, die nach und nach dezimiert wird.

Das beinhaltet nun nicht die große Palette an Überraschungen, die auf einen zukommt. Überraschend sind wohl eher einige Ungereimtheiten im Skript, die verhindern, dass der Film seine logischen Parameter hat. Oder wie lässt sich sonst erklären, dass ein seniles Ehepaar wie dieses einen ganzen Bauernhof führt? Plausibilitätsferne Symbolik ist in X vermehrt zu finden, darunter auch der ganz besonders inszenierte Ekel vor dem Altwerden, das mit dem Rühren an Tabuthemen auch sein Publikum verschrecken will. Ob das gelingt? Kommt ganz auf die Toleranz der Zuseher an.

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