Pain Hustlers (2023)

DIE PILLE FÜR DIE MILLE

4/10


Pain Hustlers© 2023 Netflix Inc.


LAND / JAHR: USA, VEREINIGTES KÖNIGREICH 2023

REGIE: DAVID YATES

DREHBUCH: WELLS TOWER

CAST: EMILY BLUNT, CHRIS EVANS, ANDY GARCIA, CHLOE COLEMAN, CATHERINE O’HARA, JAY DUPLASS, AMIT SHAH, BRIAN D’ARCY JAMES, BRITT RENTSCHLER, AUBREY DOLLAR U. A.

LÄNGE: 2 STD 2 MIN


Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut. Christoph Leitl, ehemals Präsident der Wirtschaftskammer, hatte schon recht damit, als er das sagte. Allerdings ist diese Faustregel nur in die eine Richtung lesbar. Geht’s und allen gut, geht’s der Wirtschaft gut klappt schon wieder nicht mehr. Letzterer kann’s nämlich auch blendend ergehen, wenn es uns schlecht geht. Geht es uns schlecht, haben wir ein starkes Bedürfnis, den Status Quo zu ändern. Will heißen: Als Pharmaunternehmen lässt sich mit den Kranken, Dahinvegetierenden und nur langsam Genesenden der große Reibach machen, da lässt es sich gesundstoßen und mehrere goldene Nasen verdienen, wenn der darniederliegende und schmerzgeplagte Konsument bestenfalls eine Abhängigkeit für genau jene Medikamente entwickelt, auf welchem der Konzern seinen Erfolg begründet. Freuet, frohlocket, nieder mit dem Schmerz und nieder mit den Menschen, denn Menschlichkeit lässt sich im Unterbewusstsein der Weltwirtschaft sehnsüchtig vermissen.

Auf Millionen Tote kann als bestes Beispiel das us-amerikanische Sackler-Imperium zurückblicken. Die Fotokünstlerin Nan Goldin, selbst Opfer des Medikamentes Oxytocin, hatte irgendwann ihre Kamera gegen das Demo-Transparent getauscht und so der Opioid-Diktatur in Übersee den Kampf angesagt. Gebracht hat es einiges, nachzusehen ist dies in Laura Poitras düsterer Dokumentation All the Beauty and the Bloodshed. Dass es bei diesem Thema wahrlich nichts zu lachen gibt, liegt klar auf der Hand. Und dennoch probiert die beim letztjährigen Toronto Filmfestival erstaufgeführte Business-Dramödie Pain Hustlers genau das: So cool, garstig und schmissig zu sein wie Martin Scorseses The Wolf of Wall Street, allerdings im Biotop der Pharmaindustrie herumfischend und damit scheinbar eine fatale Problematik dafür missbrauchend, ein schnippisches Rise and Fall-Abenteuer aufzupolieren, in welchem allseits bekannte Stars nicht wirklich zu verstehen scheinen, wofür sie hier aufgedonnert, wortgewandt und selbstherrlich über die blankpolierten Marmorfliesen so mancher Bürohäuser eilen, stets im Stechschritt und den Erfolg in der Tasche.

Pain Hustlers basiert unter anderem auf dem Sachbuch von Evan Hughes und mag natürlich den Zynismus der Businessmen und -women, die von einer Arztpraxis zur anderen tigern, um Halbgöttern in Weiß den Deal abzuschwatzen, entsprechend ins Feld führen. Doch das massive Problem, welches die Opioid-Krise da drüben in Übersee ausgelöst hat, wird zum Platzhalter für eine Karrierekomödie, die sich nicht zwingend mit dem Missbrauch von Medikamenten auseinandersetzen muss – das erkennende Motiv als Background in diesem Film bleibt austauschbar, niemand schert sich hier wirklich um die Belange und den Schaden der Betroffenen, alles das wird zur Hochglanznummer, in der Emily Blunt und Ex-Captain America Chris Evans von einem Pitch zum nächsten jagen, dabei dauergrinsend und erfolgsverwöhnt das winzige Detail tunlichst ignorieren oder gar verdrängen, in dem es darum geht, das Krebsmedikament Lonafen als Schmerzstiller auch für den alltäglichen Gebrauch verhökert zu haben. Gierige Mediziner ziehen da mit, so sehr macht der Profit blind. Skrupel ist was für Weicheier, Gesundheit für Schwächlinge.

Natürlich hat Pain Hustlers das moralische Herz am rechten Fleck. Emily Blunt als alleinerziehende Mutter, die anfangs mit Tabledance ihre Mäuse verdient und später als Impro-Talent Andy Garcias Schmuddelfirma in astronomische Höhen katapultiert, muss natürlich geläutert werden, doch alles erst, nachdem die Behörden entsprechend laut anklopfen. Mit dieser stets in Partystimmung verweilenden, ungemein nervösen Tonart des Films bleibt auch jeder noch so ernstzunehmende, aufrichtige Ansatz ein Opfer all der Nebenwirkungen für einen Film, der einfach nur gut aussehen will und den schnöden Plot eines Karrierekreislaufs zwar ohne Leerlauf, aber mit blendender Laune dafür verwendet, aus unternehmerischem Verbrechertum ein Kavaliersdelikt zu formen, dass seine Fehler mit nicht mehr als einem Ups! eingesteht.

Pain Hustlers (2023)

BlackBerry (2023)

GAME OF PHONES

7/10


blackberry© 2023 Paramount Pictures Germany


LAND / JAHR: KANADA 2023

REGIE: MATT JOHNSON

DREHBUCH: MATT JOHNSON, MATTHEW MILLER, NACH DEM SACHBUCH VON JACQUIE MCNISH & SEAN SILCOFF

CAST: JAY BARUCHEL, GLENN HOWERTON, MATT JOHNSON, CARY ELWES, SAUL RUBINEK, MICHAEL IRONSIDE, RICH SOMMER, SUNGWON CHO, MICHELLE GIROUX, MARK CRITCH U. A.

LÄNGE: 2 STD 1 MIN


Ein Brombeerfleck in Brusthöhe auf dem weißen Hemd, welches Mike Lazaridis während der Erstpräsentation zu seinem elektronischen Alleskönner getragen haben soll, dürfte der Grund dafür gewesen sein, warum das BlackBerry eben so hieß, wie es hieß. Und ich dekliniere bewusst in der Vergangenheit, denn das Ur-Smartphone aus den Neunzigern gibt es nicht mehr. Apple und Samsung haben es, wie Homo sapiens den Neandertaler, von der Bildfläche verdrängt. Irgendwann und irgendwo hat da wer seine Hausaufgaben nicht gemacht. Oder radikal verabsäumt, entsprechend vorauszublicken. Die Signale wären vermutlich erkennbar gewesen, der technologische Traum vom tastenlosen Wisch-Handy längst bereit, realisiert zu werden. Dabei war der Aufstieg der Firma Research in Motion ein Prozess wie aus dem Lehrbuch. Mit anderen Worten: Wie werde ich, als marginale Note in der Firmenwelt, zum expandierenden Ungeheuer?

Diesem erschreckend früh ergrauten Mike Lazaridis, mittlerweile Kanzler der Universität von Waterloo, USA, blieb damals gar nichts anderes übrig, als einen Pakt mit dem Leibhaftigen einzugehen. Mit jemandem, der schon von Beginn an als hartgesottener Über-Leichen-Geher die Bühne des Business dominiert hat: Jim Balsillie. Als vom letzten Unternehmen geschasster, chauvinistischer Hardliner und Unsympathen kann er allerdings den Willen zum Erfolg in den Augen eines Haufen Nerds ablesen – und nutzt diese Bereitschaft auch, um sich in ein gemachtes Nest zu setzen. Eines, in dem bereits ein dickes, fettes Ei liegt. Aus diesem soll ein kleines, elektronisches Wunderding schlüpfen, besser bekannt als eierlegende Wollmilchsau. Nicht nur ein Pager soll es sein – nein. Ein Telefon, verbunden mit dem Internet, mit E-Mail-Funktion, Browser und was weiß ich noch allem. Im Grunde mit allen Gadgets, die wir gegenwärtig an unserem kleinen süchtig machenden Smartphone so sehr lieben. Nur das mit dem BlackBerry, das war einige Zeit früher. Da waren Tasten noch Tasten, bevor Steve Jobs kam und die Welt veränderte.

Matt Johnsons Film, basierend auf dem journalistischen Sachbuch von Jacquie McNish und Sean Silcoff, hatte seine Premiere bei der diesjährigen Berlinale und fand auch seinen Platz im Programm der Viennale. Er ist eine dieser True Story-Businesskomödien, die hinter trockenen Analysen des Marktwertes und Überstunden-Marketing schier unglaubliche Geschichten hervorholen. Absolutes Highlight dieses Subgenres war bislang Tetris – mehr als nur eine Produkt-Genese, fast schon ein Spionagethriller. Air, die launige Komödie über Nikes Wunderschuh, war mit Ben Affleck und Matt Damon so richtig gut besetzt. Und nun das: BlackBerry mit Jay Baruchel in seiner bislang gewichtigsten Rolle und einem Schauspielpartner an seiner Seite, der das Unikum eines cholerischen Großkotz-CEOs mit Liebe zum Detail verkörpert. Ähnlich wie Christoph Maria Herbst als Stromberg, nur ohne polemischen Humor, dafür herablassend genug, um als Schrecken eines Wirtschaftswunders durchzugehen. Ein Oscar für Glenn Howerton wäre somit überlegenswert. Der harte und der Zarte ackern sich also durch eine Erfolgsstory, die irgendwann ihren Peak erreicht haben wird. Bei so viel Licht fällt bald der erste Schatten.

Es ist faszinierend, wie die Mechanismen eines Unternehmens funktionieren und auch wieder nicht. Was für Opfer gebracht werden müssen, um den Kopf über Wasser halten zu können. Matt Johnson, der den Popkultur-Idealisten Doug, gleichsam den besten Freund von Mike Lazaridis, gibt, liefert das verständlich formulierte Paradebeispiel eines Prozesses ab, ähnlich dem Lebenszyklus eines Schmetterlings (ich will nicht sagen Eintagsfliege). Von der Idee über die Umsetzung bis zum Verrat an den eigenen Idealen: Es ist alles drin. Alle Elemente, die freigesetzt werden, wenn das kleine Universum einer Firma expandiert, die fokussiert auf ein Produkt setzt. Ein Periodensystem, entstanden aus einer Chronik über Aufstieg und Zerfall. Wie diese Substanzen miteinander reagieren, das ist fast so was wie Wirtschafts-Chemie.

BlackBerry (2023)

Die Erfindung der Wahrheit

LOBBYISMUS AUF SPEED

7,5/10

 

erfindungderwahrheit© 2016 Universum Film

 

ORIGINALTITEL: MISS SLOANE

LAND: USA 2016

REGIE: JOHN MADDEN

CAST: JESSICA CHASTAIN, MARK STRONG, GUGU MBATHA-RAW, SAM WATERSTON, ALISON PILL, JOHN LITHGOW, MICHAEL STUHLBARG U. A.

 

Wie bitte? Könnten Sie das nochmal wiederholen, einfach zum Mitschreiben? Wenn der Film beginnt, und Miss Sloane – so der Originaltitel desselbigen – im Stechschritt die Büroräume stürmt, fährt das noch frühstücksmüde Tagesgeschäft von Null auf Hundert, brechen Worte sintflutartig über modernes Büromöbel-Interieur und all die Glasfassaden sämtlicher Meetingrooms rutschen aus dem Fensterkitt. Mittendrin Jessica Chastain, tough wie Wonder Woman, hartgesotten wie jemand der nichts mehr zu verlieren hat, wenn man so will der Chuck Norris unter den Lobbyisten. Was hier in den ersten Minuten an Dialog fällt, fällt in manchen Filmen die ganze Laufzeit nicht – das erinnert an die Filme David Mamets. Da wie dort reicht es nicht, nur zuzuhören, da muss das Hirn auch gleich mit, und es kann leicht sein, dass man hinterherhinkt, Gesagtes erst sickern muss, während Miss Sloane schon ganz woanders ist und über Taktiken philosophiert, die unsereins erst in den Kontext bringen muss.

Fasziniert von diesem Charisma und dieser überheblichen Klugheit, stellt sich nach dem Downflow der Emotionen die Frage: Wer ist diese rothaarige Lady, die im perfekt sitzenden Damenanzug niemandem auf Augenhöhe begegnet? Die über allen Dingen steht, alles im Griff hat und ihr Fußvolk herumdirigiert wie ein Wahlkampfmanager, dessen Partei viel zu verlieren hat. Ist sie so jemand wie Miranda Priestly aus Der Teufel trägt Prada, die Meryl Streep so menschenverachtend gut interpretiert hat? Nein, dafür ist sie viel zu hemdsärmelig. Miss Sloane packt an wo andere loslassen. Delegiert eigentlich nicht, sondern, wenn man so will, reitet an vorderster Front dem Feind entgegen. Und gewinnt Kriege, die unmöglich scheinen.

Eine Art Krieg ist der Lobbyismus allerdings schon, ein Krieg um Stimmen und Meinungen, bei denen, die etwas zu sagen haben im Land. Ein Anbiedern, Überreden und Manipulieren, und das in großem Stil. Und dabei kann es im Eifer des Gefechts vorkommen, dass manche mit unlauteren Mitteln arbeiten. Denn worum geht es also? Um die Etablierung von Macht, um das Exekutieren von Interessen. Unterm Strich: Illusionskunst auf politischer Bühne. Miss Sloane eignet sich für so etwas am Besten, und am Besten für Miss Sloane eignet sich Jessica Chastain. Die Schauspielerin hatte schon Osama bin Laden im Sucher (Zero Dark Thirty), und als Glücksspiel-Queen sämtliche Millionen im Sack (Molly´s Game). Chastain ist niemand zum Kuscheln, sie ist die eiserne Lady Hollywoods. Apart in jeder Hinsicht, auf keinen Fall sympathisch, aber in ihrem resoluten Auftreten auf sinnliche Weise faszinierend. Anlegen würde ich mich nicht mit ihr, ihr Intellekt zwingt jeden Widersacher in die Knie. Und ich wäre hier nicht mal ansatzweise ein solcher.

John Madden, seinerzeit hoch gelobt für die barocke Romanze Shakespeare in Love (meines Erachtens völlig überbewertet), lässt seine forsche heilige Johanna in zermürbender Eloquenz das Banner hissen. Das so ein Alltag auf Speed dauerhaft der Gesundheit schadet, weiß die Rhetorik-Queen zumindest rein theoretisch, doch für Theorie ist kein Platz in diesem Leben, das so einsam ist wie eine Marsmission, das statt einer Biographie nur beruflichen Lebenslauf kennt und schon gar kein soziales Umfeld. Die großen Momente dieses faszinierenden Politdramas finden sich daher weniger in den taktischen Methoden, mit denen sich Lobbyisten an den Kragen gehen, sondern im Porträt einer Besessenen, die die Sucht nach Erfolg und Effizienz an moralische Grenzen bringt. Das ist eine famose One-Woman-Show, ein Schachspiel, bei dem eine Menge Bauern das Feld räumen müssen, und die Königin in einem Zug ans andere Ende prescht. Miss Sloane ist so akkurat und berechnend wie die stärkste Figur in so einem Spiel, und läuft stets Gefahr, besiegt zu werden, solange sie nicht die Züge des Gegners voraussieht. Das fordert, und wenn zwischen all der ZackZackZack-Methodik Chastains Blick vor Erschöpfung ins Leere geht, in sich gekehrt und verharrend, und das nur für einen verschwindenden Moment, den sonst niemand merkt, dann hat dieser Charakter etwas bemitleidenswert Menschliches, aber auch Bewundernswertes angesichts dieser durchgetakteten, zielorientierten Lebenskunst.

Die Erfindung der Wahrheit

100 Dinge

FKK FÜR EGO-MESSIES

4/10

 

100dinge© 2018 Warner Bros. Deutschland

 

LAND: DEUTSCHLAND 2018

REGIE: FLORIAN DAVID FITZ

CAST: MATTHIAS SCHWEIGHÖFER, FLORIAN DAVID FITZ, MIRIAM STEIN, MARIA FURTWÄNGLER, HANNELORE ELSNER, KATHARINA THALBACH U. A.

 

Die Filme von Matthias Schweighöfer, die kennen wir. Das heißt: kennen wir einen, keinen wir eigentlich alle. Sie sind gefällig, farbentsättigt wie bei Til, den Geist junger Bobo-Erfolgsmänner bis in jede Pore einmassiert. Die Riege talentierter Jungschauspielerinnen umkreisen den Egomanen in teils angestrengt distanziertem, aber stets anhimmelndem Spiel. Denn in Wahrheit ist Schweighöfer ja unwiderstehlich, auch wenn er sich zwischenmenschliche Eskapaden leistet, die mit einer konventionell schrägen Entschuldigung wieder sofort vergessen sind. Denn ja, Frau liebt ihn. Florian David Fitz, der Vincent, der Meer wollte und als Kehlmann´scher Gauß in der Verfilmung Die Vermessung der Welt beeindruckend spröde großes Schauspieltalent bewies, will diesmal aber auch so sein wie der blonde, sommersprossige Athlet, der stets sich selbst spielt und selbst in der als Thriller angedachten Amazon-Serie You Are Wanted einfach nicht aus seinem Yuppie-Hedonismus hinauskann. Fitz wiederum will da hinein, also einfach mal selbst so einen Film inszenieren, genauso wie sein Buddy. In welchem die beiden Männer ihren nackten Po in die Kamera halten dürfen und eigentlich von allen, vor allem vom weiblichen Geschlecht, geliebt werden dürfen. Ob das in deren echten Leben auch so ist? Keine Ahnung, deutsche Schauspieler halten ihr Privatleben natürlich auch zurecht bedeckt. Nicht bedeckt bleiben wie gesagt die ansehnlichen Körper der beiden. Warum? Weil sie dem Konsumzwang eins auswischen wollen.

Kurz gesagt: es geht um eine Wette. Beide Freunde müssen ihren ganzen Besitz in einen Lagerraum sperren, und für hundert Tage dürfen sie sich täglich ein Ding aus dem ganzen Fundus wieder herausnehmen. Das gilt selbst fürs Untergewand. Im Adamskostüm beginnt also die Challenge für die konsumgeilen Schnösel, die sich dadurch eigentlich auf griffigere Werte besinnen sollen, was aber nicht vorrangig der Fall ist, denn Grund der Wette ist der Aus- und Verkauf ihrer Softwarefirma, die eine App entwickelt hat, die alle haben wollen. Vor allem einer, der so aussieht wie Mark Zuckerberg. Bei diesem Vorhaben der beiden Erfolgsmänner, die gefühlt sowieso immer das Glück auf ihrer Seite haben, kann einer wie Mel Brooks nur lachen. Wieso Mel Brooks? Weil der Ähnliches erlebt hat. Zum Beispiel als reicher, asozialer Millionär, der den Altruismus mit Füßen tritt, in einer Satire, die Das Leben stinkt heißt. Ebenfalls ist eine Wette der Kern des Plots, nur dass Geizkragen Brooks für rund einen Monat auf der Straße leben muss. Der Reiz dieser Satire liegt darin, dass der alte Industrielle tatsächlich auf sich alleine gestellt ist, dass letzten Endes der Verrat der anderen zu einer gewissen Erkenntnis führt, und er sich eigenhändig aus dem Schlamassel ziehen muss. Ein bisschen wie bei Scrooge, ein bisschen wie beim Fischer und seiner Frau, die letztendlich Papst sein wollte. Fitz und Schweighöfer, die sind sowohl vor als auch hinter der Kamera einfach immer Stars und haben auf dem Weg zu ihrer kolportierten Selbsterkenntnis kaum Berührungspunkte mit anderen sozialen Schichten. Eloquente, toughe, charmante Frauenversteher, auf die keiner böse sein kann, die einfach zu gelackt sind, um sich selbst wirklich zu hinterfragen. In 100 Dinge stehen sie zwar kurze Zeit vor dem Nichts, doch in Wahrheit haben sie alles, und zwar zu jederzeit. Die Frage nach der Kunst des Weglassens, des Verzichts und dem „Weniger ist Mehr“-Prinzip ist gar nicht richtig gestellt, das wollen die Firmenchefs längst nicht so genau wissen. So, wie sich die beiden darauf besinnen und die eigenen Schattenseiten des Kapitalismus aufdröseln, bleibt das Ganze ein Lippenbekenntnis ohne tieferen Sinn.

100 Dinge handelt von einer Freundschaft, von beruflicher Partnerschaft und Beziehungen. Wie so viele Filme Schweigers und Schweighöfers. Und jetzt auch von Fitz. Es ist eine gehetzte, viel zu schnelle Komödie zweier elitärer Helden um die Vierzig, die alles können, aber nicht alles können müssen. Die alles haben, aber nicht alles haben müssen. Das macht den Film so schlaksig, als würde man beim Fangenspielen mit einem Bein andauernd im Leo stehen. Das geht so nicht, nicht wirklich. Das kaufe ich den beiden nicht ab. Und wenn doch, dann will ich es geschenkt. Blöd nur, dass sie nichts davon hergeben werden.

100 Dinge

War Dogs

DIE GIER IST EIN HUND

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wardogs

Wo scharf geschossen wird, da lass dich nieder. Wenn du Geld verdienen willst. Aber am besten du begibst dich außer Reichweite umherflitzender Kaliber und bleibst lieber hinter den feindlichen Linien. Aber nur soweit, um ordentlich für Nachschub zu sorgen. Welche Partei du damit bedienst ist völlig egal, solange dein wirtschaftliches Interesse über allem steht. Solange der Handel mit Waffen diverse Nasen reicher Kaufleute vergolden, solange wird es Krieg geben. Und solange es Krieg gibt, darf die Rüstungsindustrie schwarze Zahlen schreiben. Und diese auch noch in ungeahnte Höhen treiben. Von diesem Riesenkuchen schneiden sich nicht nur die Großen ein Scheibchen ab – auch die Kleinen können zum Zug kommen – und sich ebenfalls zum Big Dealer aufblasen.

Wer hätte gedacht, dass ein solches Ereignis tatsächlich stattgefunden hat. Verfilmt hat diesen bizarren Wirtschaftskrimi niemand geringerer als Todd Philipps. der Experte für filmische Übernachtigkeiten. Hangover, seine Chronik eines ausufernden Polterabends in Vegas ist aus der Geschichte der Filmkomödien nicht mehr wegzudenken. Und tatsächlich verpflichtet er auch für diesen viel weniger humorvollen Film einen seiner damaligen Hauptdarsteller. Bradley Cooper darf als windschiefer Waffenlieferant mit geölter Frisur seine sinistere Seite ausleben. Doch den Löwenanteil am Gelingen des Filmes hat der oft unterschätzte, aber famos aufspielende Jonah Hill. Seine authentische Figur des eigennützigen Wirtschaftsyuppies Efraim Diveroli, der gemeinsam mit seinem alten Schulfreund David Packouz die Wettbewerbslandschaft in der Rüstungsindustrie als zwei-Personen-Unternehmen aufmischt, ist mit unverhohlener, großspuriger Leidenschaft dargestellt. Alleine der Abstecher in den Irak ist ein bizarres Highlight der Realsatire, fast zur Gänze getragen von dem übergewichtigen Charakterdarsteller Hill, der wie eine Mischung aus John Candy und Jack Nicholson zumindest verbal alles unter Kontrolle hat. Wenn diese Person des Efraim tatsächlich so gewesen war, dann wundert mich nicht, dass der Reichtum der beiden Freunde nur von kurzer Dauer war. Wie ein Gewinn im Casino, den man sofort wieder verspielt. Doch waren sie wirklich ein Team, errichtet auf gegenseitigem Vertrauen? Die Gier wird letzten Endes dann doch größer als die Freundschaft gewesen sein. Der Erfolg etwas, das nicht lange auf geraden Bahnen laufen kann. So kippt das abenteuerliche Wall Street-Buddymovie am Ende in ein bitteres Tatsachendrama über den verrat menschlicher Werte, Betrug und dem rücksichtslosen Streben danach, alles haben zu müssen.

Meinem Eindruck nach will War Dogs weniger eine Anklage ans Rüstungs-Business sein. Was hier gesagt und gezeigt wird, ist den meisten Zusehern ohnehin klar, viel Neues offenbart sich hier nicht. Das haben andere Filme schon viel besser gekonnt. Lord of War von Andrew Niccol zum Beispiel. Doch das macht nichts. Mit Sicherheit ist die Geschichte einer falschen Freundschaft der viel spannendere und hintergründigere Aspekt des Filmes. Was mit Menschen passiert, die von vornherein ohne Moralvorstellungen auf Kosten anderer mehr als ihre Existenz bestreiten und zu ihren eigenen Opfern werden, ist faszinierend genug. Das Mitleid mit den Buddys hält sich naturgemäß aber ebenso in Grenzen wie die Nachwirkung des Filmes. Wohl auch, weil der Gerechtigkeit im Film Genüge getan wird – was im realen Leben leider, mit Ausnahme der War Dogs, viel zu selten vorkommt. 

 

War Dogs