Queer (2024)

IM SCHWEISSE KOSMISCHEN ANGESICHTS

7,5/10


queer© 2024 MUBI


LAND / JAHR: ITALIEN, USA 2024

REGIE: LUCA GUADAGNINO

DREHBUCH: JUSTIN KURITZKES, NACH DEM ROMAN VON WILLIAM S. BURROUGHS

CAST: DANIEL CRAIG, DREW STARKEY, JASON SCHWARTZMAN, LESLEY MANVILLE, ANDRA URSUTA, MICHAËL BORREMANS, DAVID LOWERY, HENRY ZAGA, DREW DROEGE U. A.

LÄNGE: 2 STD 15 MIN


Sieht man sich das schauspielerische Oeuvre von Daniel Craig an, so fällt auf, dass gerade seine finanziell erfolgreichste Rolle des 007-Agenten James Bond im Grunde wohl am wenigsten das schauspielerische Können des smarten Briten illustriert. Seine Bond-Interpretation mag etwas stiernackig und verbissen wirken – ein Charakter, den Craig liebend gerne gegen andere tauscht, die dem Image des charmant-chauvinistischen Actionhelden zuwiderlaufen oder dieses geradezu konterkarieren. Die schmissige Hercule Poirot-Hommage des Benoit Blanc aus Knives Out war da schon ein erster Schritt in die für Craig ideale Richtung. Jetzt kommt das Sahnehäubchen obendrauf, jetzt darf der lange im Dienste der Broccolis gestandene, leidenschaftliche Akteur Dinge tun, die Tür und Tor aufstoßen in eine regenbogenfarbene Vielfalt an verlorenen, verkorksten, herumirrenden Gestalten, die sich in ihren Schwächen verlieren. Und dies mit ausgesuchter Leidenschaft.

Luca Guadagnino, seines Zeichens Meister im Abbilden verlorener Sehnsüchte – siehe Call Me By Your Name – weiß, was er gewinnt, wenn er Craig besetzt. Für ihn ist dieser ein in hellen Leinenanzügen gekleideter, ungehemmt dem Alkohol und allerlei Drogen zugetaner Privatier mit Fedora auf dem Kopf und genug Geld in den Taschen, um den lieben Gott tagelang einen guten Mann sein zu lassen. Aufgrund seiner Liebe zu rauschigen Stoffen aller Art hat William Lee den Staaten der Rücken gekehrt. Hier, in einem pittoresken, fast unwirklichen Mexiko City der Fünfzigerjahre, ist das Leben ein ewiger Zyklus aus Barbesuchen, Aufrissen und Trunkenheit. Was Lee allerdings begehrt, sind, wie der Titel schon sagt, Männer knackigen Alters, die des Nächtens für die nötige Süße sorgen sollen. Eine Affäre folgt der anderen, bis der Ex-Soldat Eugene Allerton (Drew Starkey aus Outer Banks) Lees Wege kreuzt. Ab diesem Moment ist es aus und vorbei mit der kunterbunten Auswahl an Bettgesellen. Eugene bedeutet mehr, obwohl dieser, eigentlich hetero, nur des Geldes wegen mit dem betuchten Lebemann ins Bett steigt. Alles sieht danach aus, als wäre diese Romanze zum Scheitern verurteilt, als eine gemeinsame Reise in den Dschungel Perus nebst schweißnassem Entzug auch die Entdeckung eines Rauschmittels mit sich bringt, die das Leben der beiden für immer verändern wird.

Die Vorlage zu Queer lieferte 1985 niemand geringerer als der Meister der literarischen Beat-Generation: William S. Burroughs. Der Konnex zum Kino: Dessen Kultbuch Naked Lunch, ein als unverfilmbar geltendes Sammelsurium an Grenzerfahrungen durch Drogeneinfluss, hatte sich Anfang der Neunziger David Cronenberg zu Herzen genommen. Guadagnino kann es besser. Sein psychologisches Drama einer Reise ins Unbekannte war dieses Jahr der Überraschungsfilm der Viennale und ist deutlich leichter verständlich als der zu Papier gebrachte bizarre Wahnsinn aus Tausendfüßern, Alienwesen und kriminellen Verschwörungen. Daniel Craig liefert in der ersten Hälfte des Films, die sich handlungsarmen Betrachtungen hingibt, dafür aber auf Stimmung setzt, das grenzlabile, psychologisch durchdachte Portrait eines Ruhelosen und Verlorenen, einer zutiefst einsamen Seele, die dem wahren Glück näherkommen will, indem sie sich überall sonst, nur nicht in sich selbst verliert. Der bittersüßen Liebesgeschichte schenkt Craig das schmachtende, fieberhafte Zittern eines Süchtigen. Guadagnino lässt dabei, wie schon in Call Me By Your Name, malerischen Sex unter Männern nicht zu kurz kommen. Hier ist er ein Ausdruck von Nähe und weniger die pure Befriedigung.

Es wäre aber nicht Burroughs, wenn dieses flirrende Delirium von Film nicht vollends in einen surrealen Albtraum kippen würde, der im tropischen Dschungel den irreversiblen Schritt in halluzinogene Welten wagt, um hinter den Vorhang des Realen zu blicken. Queer wird zum selbstvergessenen Horrortrip, verrückt bebildert, kosmisch aufgeladen und bewusstseinsverändernd. Wie Guadagnino diese Brücke schlägt, ist gewagt, gelingt aber dank Craigs beharrlichen Ego-Eskapaden so überzeugend, als hätte Captain Willard aus Apocalypse Now am Ende seiner Reise festgestellt, General Kurtz gäbe es nur in seiner vom Kriegswahn gezeichneten Vorstellung. In Queer ist es der Drogenwahn, dem man am liebsten zu zweit frönt. Und so eigentümlich dieses Psychodrama sich auch anfühlt – so, als könnte man sich kaum etwas Erbauliches mitnehmen aus diesem Dilemma – sickern Filme wie Fear and Loathing in Las Vegas ins Gedächtnis: Auch dieser nur ein Trip in die fantastischen Welten psychedelischer Substanzen.

Guadagninos Psycho-Abenteuer ist eine Überdosis Burroughs – der Wahnsinn kommt nicht überraschend. Sein existenzialistischer Schlussakkord wiederum erinnert an Lovecraft. Oder, um es anders auszudrücken: Der transzendente Abenteuerfilm ist zurück. Und Craig gibt ihm Seele.

Queer (2024)

Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten (2022)

LAND DER BEGRENZTEN MÖGLICHKEITEN

7,5/10


bardo© 2022 Limbo Films, S. De R.L. de C.V. Courtesy of Netflix


LAND / JAHR: MEXIKO 2022

REGIE: ALEJANDRO GONZÁLES IÑÁRRITU

DREHBUCH: NICOLÁS GIACOBONE, ALEJANDRO GONZÁLES IÑÁRRITU

CAST: DANIEL GIMÉNEZ CACHO, GRISELDA SICILIANI, XIMENA LAMADRID, ÍKER SÁNCHEZ SOLANO, LUIS COUTURIER, ANDRÉS ALMEIDA, FRANCISCO RUBIO U. A.

LÄNGE: 2 STD 39 MIN


Die Welt ist am Arsch. Mit diesen Worten will das Baby wieder zurück in den Schoß seiner Mutter. Mateo wird nie seinen ersten Geburtstag erleben – der Tod des Neugeborenen wird als Trauerkloß dem Protagonisten Silverio andauernd vor die Füße rollen. Mit surrealen Szenen wie diese, wenn die meterlange Nabelschnur die Mutter nicht gehen lässt und wenn das Neugeborene zurück in die Vagina dringt, beginnt eine fremdartige, groteske und impressive Reise in eine autobiographisch gefärbte Vergangenheit des mexikanischen Oscar-Preisträgers Alejandro Gonzáles Iñárritu. Spätestens seit seinem Abenteuerdrama The Revenant – Der Rückkehrer und seiner nicht weniger surrealen Ego-Komödie Birdman kennt ihn jeder, der auch nur ein bisschen Ahnung vom Kino hat. Iñárritu ist Autorenfilmer durch und durch. Biutiful ist meines Erachtens sein bestes Werk. Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten reicht nahe an ihn heran, bleibt aber viel mehr auf Distanz und genießt es geradezu, seinem Publikum mancherorts fremd zu bleiben. Bardo befragt das Gewissen von Iñárritus Alter Ego, stochert in seinem Unterbewusstsein, lässt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft jenseits allen chronologischen Verständnisses insofern verschmelzen, dass die Figur des Silverio die Gabe besitzt, in die Zukunft zu visionieren und mit den Erinnerungen an seine fiktiven Werke in die Vergangenheit einzutauchen.

Die wirkliche Meisterleistung von Bardo ist die Magie, die entsteht, wenn Realität und Vorstellungskraft einander aufheben. Wenn beide Bewusstseinsformen ihre Plätze tauschen, und erst lange Zeit später allerlei daraus entstehende Rätsel ihre Antwort finden, egal, ob richtig oder falsch. Iñárritu lässt niemanden in seinem Krypto-Kaleidoskop dumm sterben. Wenn, dann immer mit Erleuchtung. Und das ist das Schöne an seinem Film.

Mehr oder weniger steht der Regiemeister selbst im Mittelpunkt. Seine Figur ist, wie bereits erwähnt, ein seit rund 20 Jahren in den Vereinigten Staaten lebender Dokumentarfilmer und Journalist, der allerlei extravagante Werke vollbracht hat, die sich mit der Geschichte seines Heimatlandes Mexiko auseinandergesetzt haben. Sei es die Eroberung Spaniens durch Hernan Cortez oder der Amerikanisch-mexikanische Krieg im 19. Jahrhundert. Silverios Arbeiten sind aufbereitet wie Spielfilme, in denen der Macher selbst als Erzähler und Befrager durch die Epochen dringt, um sich zu vergewissern, ob die Gegenwart aus der Vergangenheit auch wirklich gelernt hat. Vielen stößt das sauer auf, gerade in Mexiko. In Amerika wird er gefeiert und hofiert und sollte demnächst einen bedeutenden Journalistenpreis entgegennehmen. Zuvor allerdings begibt er sich an den Ort seines damaligen Aufbruchs, nach Mexiko City. Wird auch dort gefeiert und zu einer Talkshow geladen, die ihm allerdings Angst macht. Denn was wird das Volk wohl wissen wollen? Würden sie ihm den Verrat seines Landes vorwerfen? Würden sie ihn als Nestbeschmutzer verurteilen? Und wie sieht seine eigene Familie das Euvre seines Schaffens? Sein Lebenswerk? Fragen über Fragen, die sich Silverio selbst stellt. Die sich aus seiner Sicht manifestieren, die ihn quer durch seine Erfolgsstory, aber auch durch seine dunkelsten Stunden geleiten.

Das kann man langweilig finden, und ich würde es verstehen. Oder man lässt sich drauf ein, lässt sich reinfallen in einen von Darius Khondji wild komponierten Bildersturm aus verzerrten Weitwinkeltableaus, die stets das Gefühl vermitteln, in einer Traumwelt zu sein. Die irreale und die reale Welt entsprechend zu markieren, damit es dem Zuseher vielleicht leichter fällt, die Orientierung zu bewahren – darauf gibt Iñárritu gar nichts. Das Gesamtbild setzt sich am Ende ohnedies zusammen. Den Wagemut also, und die Bereitschaft, den Zuseher zu fordern, auch wenn dieser vielleicht genervt das Handtuch wirft – sind künstlerische Verhaltensweisen, die dem Medium Film seinen Puls geben.

Was man von Bardo erwarten, wie man es einschätzen kann? Vergleichbar ist der Film mit Paolo Sorrentinos La Grande Belleza – Die große Schönheit. Und tatsächlich haben beide Filmemacher in den subjektiven Beobachtungen ihrer Heimat ähnliche Methoden erarbeitet, um Respekt, Würde, Sehnsucht und Kritik walten zu lassen. So kraftvoll und durchblutet wie La Brande Belleza ist eben auch dieses, mit 2 Stunden und vierzig Minuten deutlich überlange Werk – und auch von daher kein gefälliges Erlebnis, sondern etwas, das sich lustvoll erarbeiten lässt. Dass neugierig macht auf jede nächste Szene, auf jeden nächsten Einfall. Und wieder ist der Traum, statt wie angenommen, doch noch die Wirklichkeit. Lösen sich kryptische Bilder in Erkenntnis auf. Das ist jedes Mal wie Luftholen, bevor man erneut abtaucht.

Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten (2022)

Roma

DER GEFUNDENE FRIEDEN GUTER GEISTER

8/10

 

ROMA© 2018 Netflix

 

LAND: MEXIKO 2018

BUCH & REGIE: ALFONSO CUARÓN

CAST: YALITZA APARICIO, MARINA DE TAVIRA, DANIELA DEMESA, CARLOS PERALTA, DIEGO CORTINA AUTREY U. A.

 

Nur noch eine Woche ist es hin, dann wissen wir, wer für das Kinojahr 2018 den Goldjungen kassiert. Der beste Zeitpunkt, wohl einen der am heißesten gehandelten Bewerber unter den besten Filmen endlich mal anzusehen. Und tatsächlich ist dieser ein ungewöhnliches Stück Filmkunst. Eines, das auf den ersten Blick nicht in die handelsübliche Kategorie Bester Film zu passen scheint. Dafür ist Roma von Alfonso Cuarón viel zu persönlich, viel zu intim. Auch viel zu sehr verschlossen. Die Academy, die sich aus 6000 Jurorinnen und Juroren zusammensetzt, hat an diesen Erinnerungen in Schwarzweiß allerdings einen Narren gefressen, vielleicht auch, weil Roma bereits den Goldenen Löwen gewonnen hat. Aber das alleine kann es nicht sein. Vielleicht liegt es an Netflix, dem Streamingriesen? Der hat, keiner weiß genau wo, überall seine Hände mit im Spiel. Als Produzent, einflussreicher Medienfummler und Fast-Schon-Monopol mit einem unersättlichen Hang, das Angebot über die Nachfrage zu stellen. Jeder Netflix-User weiß: Roma wird von Netflix vertrieben, nur dort lässt sich der Streifen sichten. Die Chance, den Bauchladenhausierer durch einen Oscar mit der nötige Portion Kritiker-PR zu veredeln, lässt sich aber nur dann nicht vertun, wird Roma zumindest einige Male im Kino, und dann auch für Nicht-Abonnenten, der breiten Öffentlichkeit präsentiert. Gesagt, getan – und Roma wird für 10 Oscars nominiert. Irgendwie erschließt sich mir aber nicht die Logik dahinter. Warum gerade Roma?

Cuarons Film sticht aus Netflix´ zweifelhaft qualitativer Serien- und Filmschwemme heraus wie edles Porzellan im Elefantenladen. Sein Film bleibt ein Fremdkörper, allein auf weiter Flur, sehen wir mal vom Filmsortiment vergangener Dekaden ab. Es hat den Anschein, als Wäre Roma aus rein werbetaktischem Kalkül dort platziert worden. Und weniger aus einem künstlerischen Bewusstsein heraus, einfach, um der Zielgruppe von Netflix eine gewisse Sensibilität für künstlerische Filme angedeihen zu lassen. Doch wie auch immer, meine Review ist jetzt nicht ausschließlich ein fragender Blick auf das populäre Patschenkino-Portal, es sollte ohnehin eher eine Betrachtung dessen sein, was Roma an sich eigentlich ist: Ein kleiner, bewundernswert zarter Film, der in seiner Bescheidenheit Großes vollbringt.

Dabei plaudert Roma, anders als von mir angenommen, gar nicht mal direkt aus den Erinnerungen des knabenhaften Cuarón, der 9 Jahre alt war, als die Studentenaufstände des sogenannten Fronleichnam-Massakers eine blutige Spur durch Mexiko City zogen. Das war 1971, und natürlich trägt Roma neben all seines fiktiven Arrangements jede Menge autobiographische Züge. Das lässt sich auch vermuten, wüsste ich die Tatsache nicht, dass Alfonso Cuarón ganz bewusst und mit wehmütiger Hingabe jenes innige, familiäre Vertrauen niemals hätte missen wollen, die er und womöglich seine Geschwister mit der omnipräsenten Fürsorge seiner Hausmädchen verband. Libo haben sie eine von ihnen genannt, und ihr ist auch der Film gewidmet, das lesen wir in der letzten Einstellung, bevor der stille Abspann folgt. Überhaupt ist Roma oft schweigsam und unaufdringlich, bedient sich keines Soundtracks, spielt vielleicht das eine oder andere Mal eine Schallplatte an oder lässt das Autoradio schrummen. Schon die erste Einstellung, dem Fokus auf den Fliesenboden der häuslichen Einfahrt, über den sich alsbald Putzwasser ergießt, in welchem sich der Himmel spiegelt, unter welchem Flugzeuge ihre Kreiseg ziehen, lässt eine drängende Leidenschaft für photographische Perfektion erwarten. Curaón dirigiert hier manchmal auch selbst den Blickwinkel seiner Bilder. Emmanuel Lubezki, sein sonst bevorzugter Kameramann, bleibt diesmal außen vor. Dennoch sind die Kompositionen erlesen, von einer unzufälligen Perfektion eines Stanley Kubrick. In seinem satten Fotorealismus, der in kreisenden Kamerafahrten arrangierte Tableaus einer spontanen, willkürlich scheinenden Ordnung abtastet, erinnert Roma an Michail Kalatasows Soy Cuba aus dem Jahre 1964. Die Kamera schafft eine intime Nähe, aber auch nicht immer. Das, was wir von den blutigen Auseinandersetzungen auf den Straßen mitbekommen, bleibt auf Distanz, bleibt beobachtend, nicht integrierend. So, wie Cuarón dies womöglich selbst erlebt zu haben scheint. Nicht wirklich greifbar, eher unterschwellig, wie ein störendes, monotones Hintergrundrauschen, das aber Tragisches zur Folge hat. Und die das Kindermädchen Cleo auf eine harte Probe stellt.

Cleo, eine Mixtekin – devot, gewissenhaft und vor allem liebevoll – ist der Fixstern in diesem kleinen Sonnensystem aus drei Generationen einer Familie, die mir anfangs fremd ist, durch das Einwirken der guten Geister des Hauses aber als ikonographische Kernfamilie in ihrem eigenen Kokon autark bleibt, auch wenn sie kurz davor steht, auseinandergerissen zu werden. Cleo scheint über allem zu schweben, ihr Leben zweigeteilt in Privates und dem Privatem der zu dienenden Familie. Ein schwieriges, nicht unbedingt glückliches Leben. Genügend aber, für Cleo, die sich nach der Decke ihres kleinen Zimmers streckt, dass nicht mal ihr allein gehört. Yarica Aparicio ist in ihrer Rolle eine bereichernde Entdeckung, die in ihrer schier endlosen Duldsamkeit und aufopferndem Willen fürs Gute bittere Tränen weint und weit über ihre Grenzen geht, um zu sich selbst zurückzufinden. Die respektvolle Liebe, die Alfonso Cuarón hier in neorealistische Photographien gießt, die wiederum an das italienische Kino eines Vittorio des Sica erinnern, macht das Werk zu etwas ganz Speziellem, zu etwas, das sich nicht ans Publikum anbiedert, das sich einfach selbst genügt. Dass seine Geschichten ernst nimmt. Der Erinnerungen, der schwierigen Zeiten wegen, die da kamen und gingen. Für diese Zeiten, für dieses Damals ist dieser Film gemacht. Roma schielt nicht auf das Plus an den Kassen. Das ist direkt befreiend, da bleibt die Hoffnung, dass Geschichten wegen ihrer Geschichten wegen noch verfilmt werden. Cuarón, für mich nicht erst seit Gravity einer, der schon längst die Geschichte des Kinos mitgeschrieben hat, weiß sogar, bei seiner Rückkehr an den Ort seiner Kindheit sogar Zitate aus seinem filmischen Euvre zu integrieren.

Roma ist womöglich deswegen überall mit dabei, weil es das Kino wieder an seine eigentliche Aufgabe erinnert. Nämlich, auf eine ehrliche Art an das zu glauben, was es erzählt. Dabei darf es alles – idealisieren, verklären, wenig erklären. Nur nicht seine eigenen Werte verraten. Da ist Roma ein kraftvolles, in sich ruhendes Beispiel.

Roma