München – Im Angesicht des Krieges

WAS DER FÜHRER IM SCHILDE FÜHRT

6/10


muenchen© 2022 Netflix


LAND / JAHR: GROSSBRITANNIEN 2021

REGIE: CHRISTIAN SCHWOCHOW

CAST: GEORGE MACKAY, JANNIS NIEWÖHNER, JEREMY IRONS, ALEX JENNINGS, ROBERT BATHURST, SANDRA HÜLLER, ULRICH MATTHES, AUGUST DIEHL, LIV LISA FRIES U. A.

LÄNGE: 2 STD 11 MIN


Nein, dieser Film hat nichts mit Steven Spielbergs gleichnamigem Terrordrama zu tun. In München haben sich nebst der Olympia-Tragödie noch ganz andere Sachen abgespielt. In München hat stattgefunden, was sich einer wie Adolf Hitler wohl immer erträumt hat: Der Moment, wenn Großmächte wie Frankreich, Italien und Großbritannien höflich vor dem Blender der Massen in die Knie gehen. Das wird für den Mann aus Braunau der Anfang einer langen Reihe diverser Triumphe gewesen sein, und zwar auf dem Rücken der Tschechoslowakei, die zu diesem sogenannten Münchner Abkommen nicht mal eingeladen war. Der Krieg wurde zu diesem Zeitpunkt zumindest mal um ein Jahr nach hintern verschoben, kam aber dann doch – Verträge hin oder her. Die eigneten sich für Nazis maximal zur Verwendung im Sanitärbereich. Macht braucht keine Unterschriften, das wird einer wie Neville Chamberlain in seiner naiven Vorstellung von der Welt auch bald bemerkt haben. 1939 war‘s dann soweit, mit dem Einmarsch in Polen. Bis dahin hat es wohl geheissen: Abwarten und Tee trinken, und zwar nicht nur für die Briten.   

Diesem historischen Gipfeltreffen hat Romanautor Robert Harris (u. a. Enigma oder Intrige – von Polanski großartig verfilmt) eine etwas triviale Spionagegeschichte rund um zwei Kommilitonen aus Oxford angedichtet. Der eine ein Deutscher, der andere waschechter Brite. Beide liegen sich 1932 politisch gesehen in den Haaren und legen ihre Freundschaft auf Eis, sechs Jahre später treffen sie sich wieder, um irgendwie die Welt zu retten, was ein bisschen an die Sache mit den Plänen für den Todesstern erinnert. Der eine ist Sekretär des britischen Premierministers, der andere ein Diplomat unter der Fuchtel Hitlers, der aber ein doppeltes Spiel spielt, da er plant, den Führer zu stürzen. Der Sache kommt er schließlich deutlich näher, als ihm Dokumente zugespielt werden, in welchem die gesamte zukünftige Agenda Hitlers für Europa aufgelistet steht. Ein brisantes Schriftstück, welches den Zweiten Weltkrieg womöglich vereiteln hätte können. Nur: das Schriftstück hat es nie gegeben, es ist Fiktion – das Münchner Abkommen und den daraus resultierten Friedensvertrag allerdings schon. Dabei bleibt fraglich, ob München – Im Angesicht des Krieges nicht wohl eher die Darstellung einer alternativen Realität widerspiegelt als Europas Geschichte.

Es gibt unzählige Romane dieser Art, die alle irgendwann aus den Wühltischen irgendwelcher Buchdiskonter gegraben werden können. Harris Werk scheint da eines von vielen zu sein, die allein aufgrund des Auftretens von Hitler ihren historischen Kontext gesichert wissen. Aber so viel Fairness muss sein: Neville Chamberlain ist auch mit dabei. Und wird durch Charaktermime Jeremy Irons würdig vertreten. Christian Schwochow, der mit der Siegfried Lenz-Verfilmung Deutschstunde einen bemerkenswert stimmigen Beitrag zum deutschen Kino geleistet hat, mit Je Suis Karl aber wiederum weniger, weiß den Briten als politischen Charakterkopf greifbar in Szene zu setzen – Oldmans Churchill-Maskerade aus Die dunkelste Stunde ist da nicht viel besser. Jannis Niewöhner tut sich da sichtlich schwerer, ebenso August Diehl, der schon wieder einen Nazi spielen muss, und zwar sehr stereotyp und in aufsässiger Tarantino-Manier. Und: George MacKay, bekannt aus Sam Mendes Kriegsfilm 1917, darf auch hier wieder Botschaften überbringen und sich in gewisser Weise ebenfalls durch feindliche Linien ducken. Die gehetzte Panik steht ihm gut, und im Gegensatz zu Niewöhner gelingt es ihm zumindest, als Schauspieler hinter seiner Rolle zu verschwinden.

München – Im Angesicht des Krieges scheint als unschlüssiger Hybrid zwischen Fakten und Fiktion gewisse reißerische Geschichts-Plattitüden zu bedienen, die mit Hakenkreuzfahnen und Hitler-Akzent für interessierte Betroffenheit sorgen sollen. Das gelingt, denn der Thriller ist üppig besetzt und unterhält. In Zeiten des Säbelrasselns rund um die Ost-Ukraine erscheint der Film noch dazu wohlgetimt auf Netflix, erreicht aber in Sachen Zeitbild bei weitem nicht die Komplexität, die zum Beispiel in Babylon Berlin zu finden wäre.

München – Im Angesicht des Krieges

Sauerkrautkoma

LUSTIG HAMMAS

5/10

 

sauerkrautkoma© 2018 Constantin Film

 

LAND: DEUTSCHLAND 2018

REGIE: ED HERZOG

CAST: SEBASTIAN BEZZEL, SIMON SCHWARZ, LISA MARIE POTTHOFF, ENZI FUCHS, GEDEON BURKHARD, NORA WALDSTÄTTEN, EISI GULP U. A.

 

Kann sich jemand von Euch noch an Gus Backus erinnern? Der Februar diesen Jahres verstorbene US-amerikanische Sänger mit dem Hang zu deutschsprachigen Schlagern wird wohl in manchen seiner Ohrwürmer aus den 60ern bis auf unabsehbare Zeit weiterleben, ganz besonders in seiner Knüllernummer Sauerkraut-Polka. Diesen schrägen Song, der die Liebe zu diesem schwerverdaulichen, aber gesunden Gemüse beschreibt, hätten die Macher von Rita Falks aktueller Buchverfilmung ruhig integrieren können. Die Sauerkraut-Polka – die hätte fugenlos und formschön in diese schräge Nummernrevue gepasst, die aber leider nicht mehr sein will und kann als eine Nummernrevue. Im Schlepptau: eine geigelnder Torso von Kriminalfall, der im Kreisverkehr sich selbst auffährt und eigentlich überhaupt nicht sein müsste, denn der Kieberer Eberhofer, der an lustloser Phlegmatik kaum zu übertreffen ist, macht lieber ganz andere Dinge als der Handlung zu folgen. Rita Falk hat diesen bauernschlauen Hans im Glück in ihren lokalkolorierten Bayernkrimis mit Hingabe skizziert – auch all die anderen schrägen Figuren, die sich im Kaff Niederkaltenkirchen das Bier in die Hand geben. Die Oma, die ist ob ihrer kulinarischen Raffinesse sowieso das Maß aller Dinge, und letztendlich heißt es: rein in die gute Stube, wenn alle im Herrgottswinkel Grießnockerlsuppe schlürfen oder unwiderstehlich duftenden Braten mit Knödel und sämigem Safterl genießen. Ohne Hungergefühl kann man Rita Falks Bücher kaum weglegen, und ohne ein Schmunzeln auch nicht. Das funktioniert im Kino – wie bei all den anderen mehr schlecht als recht bebilderten Filmversuchen ebenso – eigentlich weniger gut. Warum? Weil Regisseur Ed Herzog höchstwahrscheinlich schenkelklopfenderweise am Set sitzt und sich über die situationskomischen Witze aus der Feder von Drehbuchautor Stefan Betz köstlich amüsiert. Lachen ist natürlich gesund – wenn aber dabei der rote Faden abhanden kommt, bleiben nur einzelne Sketches über, die wie schon zuletzt die subversiven Schlagerparodien eines Christian Steiffen verbraten und die Visagen einem Karikaturmuseum gleich fast unappetitlich genau ins Bild rücken. Das alles gehört zum Stil aller Rita Falk-Verfilmungen, ist aber in der fünften Aufwärmphase nur mehr redundant und ungefähr so schmackhaft wie wiederholt aufgewärmtes Kartoffelpüree.

Was in den Büchern mit den wiederkehrenden Verhaltensautomatismen das vertraute Gefühl eines schrulligen Alltags erzeugt, geht in den Filmen in grobmotorisch komödiantischer Überforderung unter. Es ist wie Kinderbändigen am Faschingsdienstag – alle wollen überall zugleich sein und sowieso alles machen, alles essen und alles trinken, was zur Hebung der eigenen Laune angeboten wird. Da noch zu den jungen Gästen vernünftig durchzudringen ist so gut wie unmöglich. Ebenso in seiner eigenen Blase wie all die andere Sprösslinge: Sebastian Bezzel, welcher der Wurstigkeit des Eberhofer allzu viel Nachdruck verleiht. Seine Figur ist unkaputtbar und mimisch auf die Grundeinstellungen heruntergefahren, wie Comic-Schlappohr Droopy, allerdings auch enorm selbstbezogen und eigentlich nicht sonderlich sympathisch. Da gibt Simon Schwarz als enorm amikaler Privatdetektiv den genussfreudigen Konterpart, und hat auch mit titelgebendem Bewusstseinszustand am meisten von allen zu schaffen. Das natürlich schon recht erheiternd, und wir klopfen uns so wie Regisseur Herzog ebenfalls das eine oder andere Mal wirklich auf die Schenkel, aber ein Krimi ist Sauerkrautkoma, obwohl er besser ist als seine Vorgänger, keiner. Vielmehr ein lustwandelnder Provinzschlager, der nicht merkt, dass er die Hosen verliert, weil er sich so wahnsinnig leicht ablenken lässt.

Sauerkrautkoma