Eddington (2025)

AMERIKA SCHAFFT SICH AB

5/10


© 2025 Leonine Studios / Constantin Film


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE / DREHBUCH: ARI ASTER

KAMERA: DARIUS KHONDJI

CAST: JOAQUIN PHOENIX, PEDRO PASCAL, EMMA STONE, AUSTIN BUTLER, DEIRDRE O’CONNELL, LUKE GRIMES, CLIFTON COLLINS JR., AMÉLIE HOEFERLE, MICHAEL WARD U. A.

LÄNGE: 2 STD 25 MIN



Am Ende ist Amerika, sind die Vereinigten Staaten am Beispiel der fiktiven Kleinstadt Eddington zwar ein Pflegefall, aber ein regierungsfähiger. Was sagt uns das? Dass dieses Konglomerat an teilautonomen Territorien von Leuten angeführt wird, die man nicht alleine lassen kann. Einen wie Trump, einer wie Musk, sie alle zelebrieren und exekutieren den Wahnsinn, den man längst geglaubt hat hinter sich gelassen zu haben. Nationalismus, Faschismus, brutale Globalisierung – denkt man länger darüber nach, muss man mit Erschrecken feststellen, dass das Pflegepersonal für Egomanen längst Reißaus genommen hat. Was bleibt, ist die Hoffnung auf bessere Zeiten – die laut Ari Aster niemals kommen werden. Denn der hat seine ganz eigene, persönliche Abrechnung mit den USA auf Papier gebracht – als ausladendes, selten gekürztes und impulsives Drehbuch, das gleich noch eine ganz andere Schwierigkeit mit auf die Spielfläche nimmt, nämlich die Corona-Pandemie.

Wie Covid die Gesellschaft spaltet

Drehen wir also ein paar Jahre zurück in die Anfänge der Zwanzigerjahre des neuen Jahrtausends und tauchen ein in den Gesellschaftsspiegel einer Kleinstadt namens Eddington, angeführt von einem korrekten, integren Bürgermeister, gespielt von Pedro Pascal, der ohne zu hinterfragen die Verordnungen der Behörden umsetzen will und daher auch stets die obligate FFP2-Maske trägt, dieses Stück Filterstoff vor dem Riech- und Sprechorgan, von welchem wir noch wissen, wie sehr uns das Tragen selbiger gespalten hat. Die Nerven lagen blank, es gab selbsterklärte Experten, Besserwisser mit Hausverstand und Schwarzseher, Realisten und Schönredner. Alles war da, und so konnten Querdenker noch gleich die ganze Welt als Endprodukt diverser Verschwörungen erklären. Diesen ganzen Wulst an halbgaren Fakten und verbogenen Wahrnehmungen spült Aster in ein schrecklich nebensächliches Wüstenkaff, um auf der vordersten Welle Joaquin Phoenix und dessen neben der Spur befindliche Ehefrau Emma Stone reiten zu lassen. Phoenix gibt als Sheriff die Opposition, da Covid in Eddington gar nicht mal umgeht. Beide, Pascal und Phoenix, gehen sich an die Gurgel, wettern und stänkern und streiten, bis der eine, eben der Sheriff, plötzlich die smarte Hirnidee aufreißt, sich selbst für die bevorstehende Bürgermeisterwahl aufstellen zu lassen.

Viel Aufstand im Nirgendwo

Das wunderbare Land der unbegrenzten Möglichkeiten hat auch unbegrenzt Probleme, die Aster nicht unter den Tisch kehren will. Da wäre noch die Sache mit der rassistischen Polizeigewalt gegen Schwarze, hier der reale Konnex zu Opfer George Floyd, dessen Tod zu heftigen Unruhen führte. Die schwappen auch nach Eddington, und wenn man da auch noch Covid mitnehmen kann und den ganzen Ekel gegenüber der staatlichen Ordnung, warum nicht? Also wissen Phoenix und Pascal bald gar nicht mehr, wo sie ansetzen müssen, um alles in den Griff zu bekommen. Nichts geht mehr in Eddington, Aster lässt sein Amerika den Bach runtergehen und wendet sich im Laufe des stark ausufernden Szenarios einer Polit-Kasperliade hin, die mitunter manchmal so verschroben wirkt wie ein Film der Coen-Brüder. Tatsächlich ist der schwarze Humor manchmal richtig treffsicher, und würde auch länger nachwirken, würde Aster seine Schwarzseherei nicht so sehr auf die Leinwand erbrechen.

Ein Film mit Schneeball-Effekt

Leicht von der Hand geht ihm der Film nicht. Hält man sich seinen Vorgänger Beau is Afraid vor Augen, ist vor zwei Jahren ähnliches passiert. Der surreale, teils komödiantische, perfide Psychohorror gebärdet sich wie eine schwere Mahlzeit vor dem Schlafengehen. Ähnlich schwerverdaulich ist Eddington, aber nicht, weil das Drama einen mitnimmt. Sondern weil Wut-Regisseur Aster alle dazu bewegt, auf die Straße zu gehen, um den Unmut in eine Welt zu schreien, die jenseits dieser Kleinstadt ohnehin nicht gehört wird. Bis alle ihren Auftritt hatten, erlangt Eddington auch die obligate Überlänge und wird wie ein rollender Schneeball immer erdrückender und voluminöser. Vieles darin wären gelungene Pointen, doch Aster lässt die Köpfe schwirren, indem er den Zusehern nichts vorenthält. Ja, in Amerika, da ist einiges im Argen. Lösen lässt sich das in Eddington nur mit durcheinanderschreiender Polemik.

Eddington (2025)

Honey Boy

OH MEIN PAPA…

6,5/10


honeyboy© 2020 Amazon Studios

LAND: USA 2020

REGIE: ALMA HA’REL

DREHBUCH: SHIA LABEOUF

CAST: SHIA LABEOUF, NOAH JUPE, LUCAS HEDGES, CLIFTON COLLINS JR., FKA TWIGS U. A. 

LÄNGE: 1 STD 35 MIN


…war eine wunderbare Clown“. Nicht nur Freddy Quinn, sondern auch Shia LaBeouf können davon ein Liedchen singen. Letzterer beruft sich dabei aber auf seine eigene Art von entbehrungsreicher Kindheit, aus der es sich nicht unbeschadet hervorgehen lässt, sowas bringt je nach Intensität eine posttraumatische Belastungsstörung mit sich. Erstens ist einem Kind mit gerade mal zwölf Jahren der Status eines Kinderstars auch nicht egal, und zweitens übernimmt man als Kind mit gerade mal zwölf Jahren auch nicht gerne die Verantwortung über eine Vaterfigur, die nicht von sich behaupten kann, für den eigenen Nachwuchs ein gutes Vorbild zu sein. Im Film heißt der Junge Otis, und Oh mein Papa deswegen, weil nämlicher tatsächlich mit clownesken Nummern inklusive Theaterhuhn sein Geld verdient hat. Aber wie so oft im Showbiz: die rote Nase kommt dann eher vom Hochprozentigen. Um den Altvorderen wieder auf die Spur zu holen, gibt´s einen neuen Job. Auftraggeber: der eigene Sohn, der aufgrund seines Engagements ein gutes Einkommen hat und der seinen Vater somit aus der Gosse holt. Was nicht heißt, dass Otis nicht auch noch einen väterlichen Support vom Jugendamt beigesteuert bekommt – der aber für den leiblichen Vater ein rotes Tuch zu sein scheint. Bei so einem Durcheinander erzieherischer Parameter sind Konflikte und Abstürze vorprogrammiert.

Und daher verwundert es nicht, dass Honey Boy auf zwei Zeitebenen fährt, um Symptom und Ursache gegenüberzustellen. Als erwachsener Otis (also eigentlich Shia LaBeouf) gibt Lucas Hedges den rastlosen Set-Tiger, der im 24Stunden-Takt und mit allerlei unterstützenden Drogen andauernd auf hundert Sachen fährt und mitunter auch so manchen Schaden verursacht. Was folgt, ist eine Zwangseinweisung in ein Therapiezentrum, um der Psyche Herr zu werden. Im Zuge dessen erzählt Hedges aus seiner Vergangenheit – in der wir Noah Jupe (bekannt aus Wunder oder A Quiet Place) und natürlich einem verfremdeten Shia LaBeouf begegnen, mit Halbglatze und schulterlangem Haar, was irgendwie widerlich aussieht. Ungefähr genauso gibt sich der Filmvater, zeigt sich von einer sagenhaft herablassenden Seite und meint, auf diese Weise die Abhängigkeit von seinem Sohn kompensieren zu können. Honey Boy wird zu einem familiären Krankheitsbild, zu einer kleinen, konzentrierten Studie über Abhängigkeiten und dem Hinterfragen von hierarchischer Ordnung innerhalb eines Familiensystems. Unterm Strich wird klar, dass die Hilflosigkeit der eigenen Eltern zu einer Bürde der Verantwortung für den Nachwuchs wird, der diesen Brocken einfach niemals stemmen kann – und auch niemals sollte.

Shia LaBeouf sieht man vermutlich mit anderen Augen. Und nicht nur ihn, vielleicht auch so manch eine andere exaltierte Rampensau, die womöglich niemals jemanden hatte, der in der Erziehung die so wichtigen Grenzen gezogen hat. Eine intime, persönliche Arbeit ist Honey Boy geworden – nichts fürs große Kino. Aber ganz bestimmt für den Ex-Transformers-Star – als erklärendes Statement für sein eigenes Verhalten.

Honey Boy