Guardians of the Galaxy Vol. 3

DER WASCHBÄR HAT FAMILIE

7/10


GUARDIANS OF THE GALAXY VOL. 3© 2023 Marvel


LAND / JAHR: USA 2023

BUCH / REGIE: JAMES GUNN

CAST: CHRIS PRATT, ZOE SALDANA, DAVE BAUTISTA, BRADLEY COOPER, VIN DIESEL, KAREN GILLAN, POM KLEMENTIEFF, SEAN GUNN, WILL POULTER, CHUKWUDI IWUJI, ELIZABETH DEBICKI, SYLVESTER STALLONE, NATHAN FILLION U. A. 

LÄNGE: 2 STD 30 MIN


Ooga-Chaka Ooga ooga Ooga-Chaka. Mit Blue Swedes unverkennbarem One-Hit-Wonder Hooked on a Feeling wurden wir Marvel-affine Kinogeher erstmals mit den Guardians of the Galaxy bekanntgemacht. Im Teaser-Trailer zum Kick-Off der illustren Bande kombinierte James Gunn zeitlose Musikgeschichte mit dem multikulturellen Charme von Star Wars und allen anderen Trittbrettfahrer-Produktionen der Achtziger: Eine neue Gang war geboren, die Underdogs des Weltenraums, ein bisschen Lone Star mit seinem Waldi, aber nicht so infantil. Dafür mit zeitgemäßem Leck mich-Humor ausgestattet, den eben nur einer wie James Gunn seinen Antihelden genussvoll in den Mund legen konnte.

Der Form- und Farbenreichtum eines Marvel Cinematic Universe weit jenseits der seriösen Agentenfilm-Analogien rund um Captain America geht nun in die dritte und letzte Runde. Schön wars, könnte man sagen – ein Vergnügen oder gar ein Volksfest. Wenn Groot alle lieb hat, Waschbär Rocket (der kein Waschbär sein will) auf dessen Schultern in die Runde ballert oder die schwarzäugige Mantis ihrem Busenfreund Drax wieder mal die Welt erklären muss, da dieser alles wörtlich nimmt – wenn dieser Haufen von Zufallsbekanntschaften, die nicht mehr auseinandergehen, alles retten wollen, was es zu retten gibt, dann fühlt man sich sauwohl. Diese schrägen Vögel, die manches gut können und anderes wiederum nicht – die dazu stehen, wie sie sind: die haben unser Verständnis. Diese Sympathie mit improvisationstüchtigen Außenseitern gestand James Gunn schon bei Super – Shut up Crime! – einer blutig-witzigen Underground-Komödie über Superhelden aus der dritten Reihe. Anders als in seinem Suicide Squad-Hammer rund um Idris Elba als Bloodsport sind die Guardians aber wirklich einander wichtig. Und sie halten zusammen.

So angenehm synergetisch fühlt sich eben auch Guardians of the Galaxy Vol. 3 an. Obwohl wieder mal der ganze Haken an der Sache ein Narrativ darstellt, dass seine erstarkten Antagonisten nur grob skizziert. In diesem Fall ist es ein gewisser High Evolutionary, ein wirklich nervtötender Besserwisser, der die ideale Gesellschaft kreieren will. Dazu gehört, im Rahmen seiner Agenda, die rasche Evolution von Tieren zu humanoiden Individuen. Das war vor einiger Zeit, als ein kleiner Waschbär im Labor des eifrigen Fieslings für allerhand Experimente missbraucht worden war. Was aus diesem kleinen Räuber geworden ist, wissen wir: Rocket. Jetzt aber will dieser High Evolutionary sein „Eigentum“ zurück – keine Ahnung, was ihn da nach so langer Zeit auf die Idee gebracht hat, jetzt plötzlich aktiv zu werden. Aber es ist nun mal so. Und Adam Warlock, ein güldener Sovereign (siehe Guardians of the Galaxy Vol. 2), gelingt es fast, des kleinen Sonderlings habhaft zu werden. Mit bitteren Folgen. Rocket liegt im Sterben, und die Guardians müssen nun tun, was getan werden muss, um den felligen Freund zu retten.

Wie in allen anderen Episoden auch geht’s diesmal ganz viel um Familie, Vergangenheit und dem Aufräumen nachhängender Traumata. Das ist die inhaltliche Stärke dieser Filmreihe – die Zeichnung der Charaktere, ihr Hadern und Reflektieren von dem, was sie tun. Ihr musketierisches Aufopfern für den anderen. Ja, sogar Nebula (herrlich schnoddrig: Karen Gillan) wird plötzlich nächstenliebend. Hinzu kommt ein Set-Design, dass wirklich den Atem raubt. Wenn unsere Helden in pastellbunten Raumanzügen über eine biotechnische Raumstation hopsen, ist das herrliches Retro-Kino im Stile von Mondbasis Alpha Eins. Dann wieder rührt Rockets Schicksal wie eine düstere Erwachsenenepisode aus Winnie Poohs Welt fast schon zu Tränen. Vermischt mit einem Artenreichtum, den nur Star Wars kennt, und ausgefeilter Situationskomik entsteht so ein kaum gehetztes Abenteuer, dass die bisherige Guardians-Storyline stilistisch souverän fortsetzt, mittlerweile aber eine gewisse Routine erkennen lässt. Dazu gehört auch, Peter Quills Awesome Mix nochmal neu aufzulegen. Und ja – es fetzt.

Der große Wurf ist diese finale Episode aber nicht, das große, packende Aha-Erlebnis noch weniger. Es ist, als wäre Gunn mit diesen Helden so ziemlich fertig. Als hätte er noch auserzählt, was er an Notizen dazu noch hatte. Geschmeidig ist das allemal, und ja, diese paar grundverschiedenen Typen sind zumindest mir ein bisschen ans Herz gewachsen. Guardians of the Galaxy Vol. 3 ist also wieder so ein Fall, bei dem man gerne gehabt hätte, dass sich die Dinge nicht ändern. Das alles so bleibt wie es ist. Und Yondu, mein absoluter Favourite, aus irgendeinem Grund doch noch zurückkehrt.

Guardians of the Galaxy Vol. 3

The Guardians of the Galaxy Holiday Special

SCHENKEN IST WAS SCHÖNES

6,5/10


guardiansholiday© 2022 Marvel Studios / Disney+


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: JAMES GUNN

CAST: DAVE BAUTISTA, POM KLEMENTIEFF, CHRIS PRATT, KEVIN BACON, SEAN GUNN, KAREN GILLAN, BRADLEY COOPER, VIN DIESEL, MICHAEL ROOKER U. A.

LÄNGE: 45 MIN


Sie sind zwar kein Must-See, aber das Guilty Pleasure für jedes Franchise: Holiday Specials. Dem Star Wars-Ableger aus den Siebzigern habe ich mir bis heute verkniffen, doch als leidenschaftlicher Fan sollte ich mich vor Fremdscham nicht fürchten. Kevin Feige hat da schon alle Peinlichkeiten umschifft, denn mit James Gunn auf dem Regiestuhl sind Albernheiten so salonfähig wie nie zuvor. Jener Künstler, der das DC-Universum mit The Suicide Squad aus der pathetischen Schwermut eines Zack Snyder erretten konnte und dort nun auch als kreatives Mastermind die neue Richtung vorgibt, will seine Guardians, die er von der ersten Stunde an mit der nötigen Umsichtigkeit durchs Universum gesteuert hat, natürlich nicht aus der Hand geben. Das Ende kommt früh genug, und es soll nächstes Jahr passieren, mit dem Abschluss einer Trilogie, die so formschön, bunt und praktisch daherkommt wie Weltraum-Fantasy eben auszusehen hat. Bevor wir aber alle eine Träne verdrücken ob des Nimmerwiedersehens mit dem schrägen Haufen an Menschen und Aliens, gibt es noch ein kleines Stelldichein exklusiv für Abonnenten der Disney+-Schiene. Wer Marvel-Fan sein will, darf an diesem Streamingdienst nicht vorbeisparen – es geht nicht anders. Viele zu viele Extras warten dort auf den Nerd, und will man Weihnachten mit Marvel verbinden, muss auch das Holiday Special der Guardians her.

Dort, in der Schädel-Zuflucht Nowhere irgendwo in den Weiten des Alls, sinnieren der drollige Drax und die süße Mantis darüber nach, wie sie Star Lord eine Freude bereiten können, trauert der doch seit Endgame seiner Geliebten Gamora nach. Da kommt ihnen das irdische Weihnachten in den Sinn, das anscheinend gerade vor der Tür steht. Dieses Fest dürfte in den Weiten des Alls ein Exklusivrecht haben oder gar schon zu den physikalischen Grundgesetzen zählen. Vielleicht sind es die Werte aus Liebe, Freundschaft und Zusammenhalt, die universell erscheinen. Das erkennt sogar die zynische Nebula, einst Antagonistin unter dem Zepter des finsteren Thanos. Mantis und Drax planen also, dem guten Peter Quill ein Geschenk zu machen. Aber eines, das lange nachhält, das nicht ausgepackt und weggelegt wird. Wie wärs mit einer Ikone aus dessen Jugend? Wie hieß das Musical noch mal, von welchem der kleine Peter so ein Fan war? Footloose. Und sein Star? Kevin Bacon. Also nichts wie rüber nach Terra, den gut gealterten Schauspieler mitnehmen und bestenfalls gleich einpacken lassen. Klar, dass dieser so einiges dagegen hat und den beiden Gutmensch-Aliens sogar die Polizei auf den Hals hetzt.

Die ulkige Naivität des pink tätowierten Hünen, gespielt von Dave Bautista, sorgt immer noch für Schmunzeln – hinzu kommt das nicht weniger einfach gestrickte Gemüt der Halb-Celestial Mantis: Und schon haben wir sowas wie Dick und Doof des MCU, die in ihrem von Nächstenliebe motivierten Eifer für Slapstick, Chaos und skurrile Momente sorgen. James Gunn weiß, wo er ansetzen und wo er aufhören muss, damit das Ganze nicht lächerlich oder bemüht wirkt. Mit dem Faktor Kevin Bacon bewegt er sich dennoch manchmal aufs Glatteis und wirkt in seinen Bemühungen etwas einfältig, doch wir Zuseher sind die Charaktere schließlich alle schon gewohnt, und sowieso war es längst an der Zeit, bei Groot, Rocket und Co nochmal vorbeizuschauen, bevor das Jahr zu Ende geht. Dass Gunns liebevoll errichteter Punsch-Stand an kauzigen Details und musikaffinen Aliens ungefähr so viel Mehrwert hat wie ein Besuch am Adventmarkt, dürfte bei einem Holiday Special klar sein. Der Dreiviertelstünder fühlt sich an wie der kostspielige Pop-Up-Weihnachtsgruß vom Dienstleister, in schmucker CI und mit allerlei Branding. Damit man sich daran erinnert, dass das MCU noch vieles hat, was gerne gut verkauft werden will.

Vergnüglich bleibt das Special aufgrund rockig-smoother Weihnachtssongs, von denen sogar Bacon höchstselbst eines zum Besten gibt. Und aufgrund der kuriosen Details am Rande. Knuffig, wenn sich Drax einen aufblasbaren Elf wünscht. Oder die Guardians ihre Bescherung erleben. Das ist witzig, versöhnlich und irgendwie auch wehmütig, wenn man an den guten alten Yondu denkt.

The Guardians of the Galaxy Holiday Special

Bloodshot

EINE RUNDE RACHE

5/10

 

bloodshot2© 2020 Sony Pictures

 

LAND: USA 2020

REGIE: DAVE WILSON

CAST: VIN DIESEL, GUY PEARCE, EIZA GONZÁLES, TOBY KEBBEL, SAM HEUGHAN U. A. 

 

Vin Diesel gibt sein Bestes. Und das in zweierlei Hinsicht. Er tut erstens mal das, was er am Besten kann: als coole Actionsocke auftreten und den Bösen die Fresse polieren. Und er bemüht sich zweitens sichtlich und mit Hingabe, Emotionen glaubhaft darzustellen. Das kann er jetzt nicht zwingend am Besten, aber wie gesagt: er gibt sein Bestes. Das immerhin erstaunt schon mal. Und es erstaunt auch, dass die Verfilmung einer Comicreihe aus dem Hause Valiant sich anfangs so anfühlt, als wäre man mitten in einem Michael Bay-Film. Das verflüchtigt sich aber recht rasch. Nach der alles entscheidenden  Schlüsselszene, in der Vin Diesel sozusagen vorbehaltlich das Zeitliche segnet, geht´s in Sachen High-Tech so dermaßen in die Vollen, dass selbst einer wie Tony Stark vor Neid erblassen würde. Und noch was: die hier vorgestellte und als bemüht machbar erscheinen wollende Technik ist zumindest so sagenhaft überzeichnet wie jene aus Wakanda, der Heimat des Black Panther. Dort hat man anscheinend sowieso all den High-Tech-Kram mit der Muttermilch aufgesogen. In vorliegender SciFi-Action scheint das ein ähnlicher Fall gewesen zu sein, zumindest beim wissenschaftlichen Krösus Guy Pearce, der nur halb so viel Charisma hat wie Tony Stark, aber das Wissen eines ganzen Jahrhunderts der Technik für sich gepachtet hat. In dessen Labor erwacht eben Vin Diesel und kann nicht erstmal an nichts erinnern. Dann wird ihm offenbart, er sei von den Toten auferstanden und hätte statt Blut ausgefeilte Nanotechnik, die zerstörtes Gewebe wieder mir nichts dir nichts herstellen können, dafür aber aufgeladen werden müssen wie der Akku eines Smartphones. Und überhaupt ist Diesel nur noch eine gesteuerte Maschine, die unter der Remote-Fuchtel eines dubiosen Vereins steht, der aus versehrten Helden technisch ergänzte Wunderpuppen zimmert. Wobei mir jetzt das amazon-Format Doom Patrol in den Sinn kommt. Ja, so ähnlich ist das hier auch. Nur Bloodshot wird bald zur Staubwolke werden, da er nach einem Total Recall wieder weiß, wozu er noch am Leben ist: um Rache zu nehmen.

Bloodshot hat schon bei der Kinopremiere knapp vor Corona von Seiten der Presse allerhand Kritik einstecken müssen. Manche Argumente mögen berechtigt sein. Aber ehrlich: Es gibt immer noch weitaus Schlimmeres. Weitaus Eindimensionaleres, denn genau betrachtet ist die Story rund um den wiedererweckten Frankenstein, der für sinistre Zwecke missbraucht wird und sich erst nach und nach davon zu emanzipieren beginnt, gar keine so kümmerliche Basis, mal abgesehen davon, dass Vieles an ganz andere Filme erinnert. Verhoevens Total Recall oder Robocop zum Beispiel. Oder Universal Soldier. Es bisschen was von Duncan Jones´ Source Code schwingt mit, nur längst nicht so existenzialistisch. Das ganze ist klassisches Patchwork, und es beschleicht mich das Gefühl, Dave Wilsons Streifen hat kaum eigene Ideen. Die Comicvorlage stammt aber immerhin aus den frühen Neunzigern. Somit lässt sich durchaus auch die Frage in den Raum stellen, wer in manchen Fällen bei wem abgeguckt hat. Aber sei’s drum, der Zitatepunsch ist ganz ansehnlich geglückt und nicht so konfus wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre. Die Liebe zum Detail, die fehlt. Was noch fehlt, ist der große Wow-Moment, denn Szenen von der Art, wie Vin Diesel sich zusammensetzt, hat man alle schon im Trailer gesehen. Ein Film, der sich im Vorfeld bereits selber spoilert. Das war dann wohl die größte Überraschung.

Bloodshot

Die irre Heldentour des Billy Lynn

MUSS I DENN, MUSS I DENN ZUM STÄDTELE HINAUS…

7/10

 

BILLY LYNN'S LONG HALFTIME WALK, Joe Alwyn, 2016. ph: Mary Cybulski. © TriStar / courtesy Everett© TriStar / courtesy Everett Collection

 

ORIGINALTITEL: BILLY LYNN´S LONG HALFTIME WALK

LAND: USA 2016

REGIE: ANG LEE

MIT JOE ALWYN, KRISTEN STEWART, GARRETT HEDLUND, VIN DIESEL, STEVE MARTIN, CHRIS TUCKER U. A.

 

Da gibt es Filme wie Operation: 12 Strong, die unter Staraufgebot eine Sternstunde der intervenierten Kriegsführung hochloben lassen. Und dann entdecke ich zwar nicht im Kino, aber als Stream das Gewicht für die andere Waagschale, die unter Aufgebot aller Schwerkraft versucht, die Balance der Plausibilität zu halten. Die irre Heldentour des Billy Lynn ist die ergänzende Ohrfeige links und rechts, die verträumt dreinblickende Anhänger einer hochgerüsteten Weltenpolizei nach Betrachten von Operation: 12 Strong wieder auf den Boden der Tatsachen bringt. So ähnlich wie Billy Lynn und Konsorten dürfte es auch eingangs erwähnten 12 Mann hoch rund um Captain Mitch Nelson ergangen sein. Ein ruhmreiches Herumreichen strahlender Vorzeigehelden im Stile eines Captain America, womöglich mit Auftritten zur Halbzeit irgendeines Footballspiels oder womöglich bei Jay Leno im Abendprogramm. Die Kriegsmaschinerie braucht solch strahlende Ritter wie einen Bissen Brot. Heldenmut, Ehre, Stolz. Das sind Dogmen, denen unterwirft sich die USA nur zu gerne. Diese strahlenden Recken gab es immer schon. Diese Opferbereitschaft für ein höheres Ziel, wobei kaum jemand hinterfragt, wer diese höheren Ziele eigentlich steckt. Irgendetwas muss den Zusammenhalt vieler Staaten aber doch sichern. Vereint vor dem Feind funktioniert da immer noch am besten. Und die enormen Kosten, die da in die Rüstung fließen, sind dann auch noch gerechtfertigt.

Dieser Billy Lynn – er wünschte er hätte sich diesen Ruhm nicht verdient. Nicht so, nicht in dieser Form und mit dieser Resonanz. Die Rettung ihres Teamleaders aus den Fängen irakischer Kämpfer, die letzten Endes aber leider umsonst war, da der von Vin Diesel dargestellte Sergeant Bleem unter Billy Lynns Händen regelrecht verbluten musste, hat der Bravo Squad im Nachhinein pausenloses Schulterklopfen beschert. Wäre dem nicht schon genug gewesen, und wäre die Tapferkeitsmedaille nicht schon genug Ehre, mutieren die jungen Soldaten zu Werbetestimonials für die US Army, für die Waffenlobby und für einen Sportmogul (herrlich schmierig: Steve Martin).

Die Taiwanesische Regielegende Ang Lee hat sich für die Verfilmung des zynischen Romans von Autor Ben Fountain geradezu begeistert zu Wort gemeldet und gleich die ganze Produktion übernommen. Lee begleitet Billy Lynn während seiner ganztägigen Heldentour wie ein Reporter mit der Kamera, verzichtet aber zum Glück auf Wackelkamera-Optik, die für so einen Film durchaus geeignet gewesen wäre. Stattdessen wird das Drama mit Ultra-HD-Kameras gedreht – noch dazu in High Frame Rate von 120 Bilder pro Sekunde, statt der üblichen 24. Das merkt man – vor allem bei den Gesichtern. Die Frage ist, ob diese übertrieben ausgefuchste Methode des Filmens für ein visuell zumindest relativ unspektakuläres Drama überhaupt notwendig gewesen wäre. Sagen wir so – probieren geht über studieren. Dann lieber bei einem Film ansetzen, der den Nationalstolz hinterfragt und der unter dieser Voraussetzung ohnehin keine großen Zielgruppen abdeckt. Das Konterfei nicht nur des britischen Neueinsteigers Joe Alwyn wirkt daher seltsam klinisch. Die Szenenbilder in ihrer hohen Auflösung und Tiefenschärfe erwecken darüber hinaus den Eindruck, einen Fernsehfilm zu sehen.

Doch das Hinterfragen relevanter Filmtechnik tut dem über- und antiamerikanisiert schrillen Tadel auf den gleichermaßen respektlos wie geheuchelt rosenstreuenden Umgang amerikanischer Wählerinnen und Wähler mit fernen Kriegen und ihren Verfechtern nicht wirklich größeren Schaden an. Zurückkommend auf Joe Alwyn erinnert dieser nicht nur optisch, auch in seinem Gehabe an Vorbilder wie Jake Gyllenhaal oder Joseph Gordon Lewitt. Gyllenhaal selbst hat bereits in Jarhead und Brothers zeigen können, was das Aussitzen und Heimkehren aus dem Krieg mit der Seele eines jungen Erwachsenen alles machen kann. Alwyn lässt in seiner traumatisierten Introvertiertheit Horror und Stress des Krieges in Worten und Rückblenden Revue passieren, versucht aber verzweifelt, der Erwartungshaltung seines Teams und all jener gerecht zu werden, die um nichts in der Welt tauschen würden, die Schuldigkeit fürs Vaterland aber längst noch nicht getilgt sehen. Billy Lynn ist hin und hergerissen zwischen Rückzug und Pflicht – letzten Endes siegt, was siegen muss. Und vom unantastbaren Elysium eines Schutzengel-Krieges made in the USA blättert mit Die irre Heldentour des Billy Lynn wieder etwas mehr Verputz. Was darunter ist? Ganz schön viel Wahrheit, im Feuerwerk der Medien verheizt.

Die irre Heldentour des Billy Lynn

Guardians of the Galaxy Vol. 2

FLIEGENDE ALIENS IN IHREN FLIEGENDEN KISTEN

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guardians2

Und wenn du glaubst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Waschbär her… nun, laut herausposaunen sollte ich die Abwandlung einer bekannten Weisheit lieber nicht, sonst bekomme ich von dem kleinen, felligen Guardian mit der Wumme eins übergebraten. Denn Waschbär will das freche Wesen nicht genannt werden. Doch was ist dieser Knilch überhaupt? Eine der vielen Fragen, die während der Kamikaze-Mission des zusammengewürfelten Haufens wilder Hündinnen und Hunde heiß diskutiert werden. Die chaotischen Outlaws schenken sich nichts, und doch stehen sie füreinander ein. Genau das ist das Geheimnis hinter dem Gelingen der furiosen, brüllend komischen Fortsetzung eines der wohl lustigsten und unterhaltsamsten Science-Fiction-Filme seit Mel Brook´s Spaceballs.

Zugegeben, Guardians of the Galaxy Vol. 2 ist keine Parodie, sondern kann auch komisch sein, ohne erfolgreiche Vorbilder zu veralbern. Einfach ganz aus sich selbst heraus. Und ganz aus sich selbst heraus gehen diesmal auch Star-Lord, Rocket und Co. Ganz im Ernst – wenn man schon im ersten Teil mit den schrägen Figuren sympathisiert hat, kann und muss man sie im zweiten Abenteuer geradezu lieb gewinnen. Und dazu gehört auch sowohl der blauhäutige Pirat Yondu mit seinem Pfeifgeschoß als auch die stets tobsüchtige Schwester Nebula. James Gunn gelingt, was sonst nur Joss Whedon in Buffy, Firefly oder dem ersten Teil der Avengers gelungen ist – nämlich ganz auf den Reiz seiner Charaktere und ihren sozialen Mikrokosmos zu setzen. Der gibt einiges her – ganz zum Gaudium des Publikums. Die Guardians lassen uns von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt an einem Wechselbad der Gefühle teilhaben, der zum Schmunzeln, Wundern und Kopfschütteln einlädt. Den schrägen Vogel abgeschossen hat neben dem grundehrlichen Hünen Drax mit seiner sehr eigenen Sicht der Dinge und dem ans Perry Rhodan-Universum erinnernden Mausbiber natürlich der Wurzelzwerg Groot als hüftschwingendes Holzbaby mit Kulleraugen, begrenztem Wortschatz und dem Hang dazu, Dinge misszuverstehen. Ihm gehört die ganze Liebe des intergalaktischen Auditoriums – alleine das Intro des Filmes setzt trotz seines furios gefilmten Monster-Clashs seinen Fokus auf die Performance des unterschätzten Pinocchios und sorgt damit schon mal für eine bereitwillig wohlgesinnte Grundstimmung für den Rest des auffallend langen Filmes, der den Nebel rund um die Herkunft des Peter Quill zwar lüftet, aber im Grunde eine abgekoppelte, eigenständige Geschichte erzählt, die kaum bis gar keinen Bezug zur alles überspannenden Infinity-Storyline aufweist. Also noch Tags davor die Hintergründe zu den 6 außergewöhnlichen Steinen so ziemlich umsonst nachgelesen. Im großen Finale der Marvel Cinematic Universe werden sie aber eine im wahrsten Sinne des Wortes weltbewegende Rolle spielen. Den roten Faden des großen Ganzen noch mal durch das Volume 2 der Guardians laufen zu lassen, wäre eine Chance gewesen, noch mehr Lust auf Marvel´s große Sause zu bekommen. Und dass selbst Thanos nicht mal in den Mid-Credit-Szenen einen Auftritt hatte, sorgt für leichte Irritation. Doch das sind hohe Ansprüche eines Nerds – Guardians of the Galaxy Vol. 2 mag zwar inhaltlich kaum relevant sein, das Auge hat während der niemals enden wollenden, furiosen Achterbahnfahrt zwischen Welten, Sternen und kuriosen Raumschiffen genug zu tun.

Tatsächlich gelingt es den Animationsstudios von Weta und Co, mit jedem weiteren Film, der in irrealen Welten spielt, noch um eine Stufe besser zu werden. Die virtuelle Kamera von Guardians of the Galaxy Vol. 2 zaubert eine sich immer wieder neu erfindende Welt in allen nur erdenklichen Perspektiven. Gestochen scharf, knallbunt und in atemberaubend räumlichem 3D. Darüber hinaus streut James Gunn jede Menge Easter Eggs und absurde Cameos wie Howard, die Ente oder David Hasselhoff als Quill´s imaginärer Vater-Ersatz. Hier werden Erinnerungen an die gute alte Science-Fiction-Welle aus den Achtzigern wach, die im Fahrwasser von Krieg der Sterne farbenfrohe Teamwork-Abenteuer wie Zardoz, Sador oder Flash Gordon ins Leben gerufen hat. Guardians of the Galaxy Vol. 2 macht die Peinlichkeiten von damals wieder gut – aber nur, um erneut zum feuchtfröhlichen Fremdschämen einzuladen. Doch Star-Lord und seine Freunde sind, was sie sind. Wer die Galaxis gerettet sehen will, der darf in der Wahl seiner Helden nicht so zimperlich sein und genug Sinn für Humor haben. Ein Teil von den Wächtern der Milchstraße zu sein wäre mit Sicherheit alles andere als langweilig. Und irgendwie auch so was wie Familie. Trotz Nebula, die man laut Drax eventuell zurücklassen könnte.

Guardians of the Galaxy Vol. 2

XXX: Die Rückkehr des Xander Cage

EINEN KORB FÜR STALLONE

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Ob Boliden-Macho und Riddick-Krieger Vin Diesel dem Angebot von Silvester Stallone für Expendables 4 wiederstehen kann? Womöglich ja. Denn die Expendables, die hat er selber. Zufälligerweise hat die charmante Glatze mit der vibrierenden Grabesstimme nach langjährigem Zaudern und der halbgaren Fortsetzung mit dem weniger sympathisch dreinblickenden Ice Cube doch noch das angebotene Honorar der Paramount abgenickt. Für hartgesottene Actionfans könnte es zu einem zweiten Weihnachten werden. Für das legendäre Produktionsstudio ist es ein Liebäugeln mit Stallones Erfolg auf Basis einfach gestrickten Krawumm-Teamworks. Mit dem Unterschied, dass XXX: The Return of Xander Cage nicht mit dem illustren Who is Who der Rentnergang aufwarten kann. Anstelle von van Damme, Dolph Lundgren, Chuck Norris oder gar Mel Gibson darf Vin Diesel exotische Models um sich scharen, die mit grünen Haaren, sportlichen Tops und ausreichend Know-How im Zielschießen den stiernackigen Actionhelden tatkräftig unterstützen. Damit geht nun unweigerlich die Selbstironie, die Schwarzenegger und Lundgren draufhatten, fast zur Gänze flöten. Humorlos ist der klassische Kracher aber trotzdem nicht. Das könnte er sich bei seinem trashigen Plot und der abgedroschenen Agentenstereotypie auch nicht wirklich leisten. Ernstzunehmen ist hier gar nichts mehr. Das Videotheken-Actionkino der Achtziger feiert wieder einmal fröhliche Urstände, und wäre es damals nicht Vin Diesel, dann wäre es Steven Seagal gewesen.

D. J. Caruso´s unfreiwillige Supereliten-Parodie ist eine anspruchslose Muskelkinoversion von Ein Colt für alle Fälle oder Suicide Squad. Wer hier nicht zum Bier greift, ist selber schuld. Und wer aber nebenbei ein Kreuzworträtsel lösen möchte, kann dies allerdings auch tun. XXX überfordert nicht. In seiner nicht unsympathischen Banalität bleibt der zweite Aufguss aber weit hinter Rob Cohens innovativem Erstling zurück. Zu stark ist der Einfluss der reanimierten Zoffabenteuer Stallones bemerkbar. Selbst der einnehmende Donnie Yu, der erst kürzlich als Chirrut Imwe in Rogue One – A Star Wars Story den Rebellen zu den Plänen des Todessterns verholfen hat, ist zwar gern gesehen, entspricht aber in seinem Filmcharakter den augenzwinkernden Auftritten von Jet Li. Und der Cameo von Ice Cube als völlig aus der Luft gegriffene Lösung aller Probleme hat fast schon Chuck Norris-Niveau. Wahrscheinlich, und das kann ich nicht mit Sicherheit beurteilen (da ich keinen Teil der The Fast & the Furious-Reihe gesehen habe), ähnelt XXX in seiner plumpen Austauschbarkeit der KFZ-Zerstörungsorgie so sehr, dass manch einer die beiden Franchises mittlerweile leicht verwechseln kann. Auch hier gehen Autos zu Bruch, und der abstürzende Kotzbomber, der den Babynator in der Schwerelosigkeit hantieren lässt, würde als zumindest am Boden rollendes Gefährt beim Ensemble der Furiosen sicherlich auch Gefallen finden. Zwei The Fast & the Furious-Filme gleichzeitg ins Kino zu bringen ist sicherlich keine gute Idee, also schnell noch das dreifache X gegen die Automarke tauschen und schon kann die Post abgehen.

Das neue Kräftemessen zu Wasser und zu Land lässt es also vorallem gegen Ende gehörig und ununterbrochen krachen und beschenkt übermüdete Vollzeitbeschäftigte an Feierabenden mit plakativen, bunten Bildern, Machofantasien und einem bizarren Samuel L. Jackson, der den Fußballer Neymar als Triple X abwerben will. Action für heranwachsende Halbstarke und solche, die es manchmal noch gerne sein würden. Kann aber auch sein, dass auch diese den Stunt- und Projektil-Zirkus als nicht mehr ganz zeitgemäße Intelligenzbeleidigung empfinden.

 

XXX: Die Rückkehr des Xander Cage