Ghostbusters: Frozen Empire (2024)

ZEIT-GEISTER, DIE MAN NICHT LOSWIRD

4,5/10


ghostbustersfrozenempire© 2024 Sony Pictures 


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: GIL KENAN

DREHBUCH: GIL KENAN, JASON REITMAN

CAST: PAUL RUDD, CARRIE COON, MCKENNA GRACE, FINN WOLFHARD, KUMAIL NANJIANI, DAN AYKROYD, ERNIE HUDSON, BILL MURRAY, PATTON OSWALT, CELESTE O’CONNOR, ANNIE POTTS, LOGAN KIM, WILLIAM ATHERTON U. A.

LÄNGE: 1 STD 55 MIN 


Könnte es sein, dass das Ghostbusters-Franchise aus was für Gründen auch immer einfach nicht mehr in die Zeit passt? Dass Ghostbusters als Kind der Achtziger-Jahre einen Triumph feiern konnte, lag vor allem auch daran, mit seinen Special Effects am Zenit des Machbaren gestanden zu haben; es lag auch daran, dass Komiker der alten Schule, Blues Brother Dan Aykroyd und Bill Murray als einer, der sich sowieso nie an irgendetwas gehalten hat und mit seinen Improvisationen den Filmen auch seinen Stempel aufdrückte, in der Blüte ihres Erfolges standen. Es lag auch daran, dass Komödienspezialist Ivan Reitman einfach ein Gespür dafür hatte, wie ein Franchise wie dieses entstehen hätte können und was es in den Filmen gebraucht hat, um eine Balance zwischen bunten Budenzauber, Gänsehaut-Mystery und herzlichem Teamwork zu finden. Mehrere Jahrzehnte später sind Reitmans Sohn Jason und Co-Autor sowie Regisseur Gil Kenan an einem Punkt angelangt, an dem es so wirkt, als sei das Geisterjäger-Universum auf unheilsame Weise vom Fanservice besessen. Ghostbusters: Frozen Empire ist, und da muss man dem Spuk ins Auge sehen, wohl der schwächste Teil der Reihe. Er ist sogar noch schwächer als die Mädels-Crew von Paul Feig, die zumindest versucht hatten, die Bekämpfung des Paranormalen mit Frauenpower neu aufzuziehen.

Doch der Versuch, Ghostbusters in einem anderen Kontext zu betrachten, hat nichts bewirkt. Der Film wurde ein Flop, also alles nochmal von vorne, und zwar mit der Aufgabe, das Narrativ der Achtziger keinesfalls zu verändern. Mit Ghostbusters: Legacy hat das ganz gut funktioniert. Hier gab’s so gut wie alles, was wir auch im Original zu sehen bekamen. Die Next Generation durfte den Ungeheuern des Gottes Gozer nochmal ihre Protonen-Blitze entgegenschleudern, am Ende kamen gar – wir waren den Tränen nahe – die alte Riege in einem fast schon verschenkten Cameo zum Einsatz, ohne viel zum Plot beizutragen. Das hatte gereicht, um Jason Reitmans Neustart eine Chance zu geben. Nur: hat er diese genutzt? Hat er frischen Wind ins New York der 2020er-Jahre wehen lassen – in einer Stadt, die bereits vom Marshmallow Man und dann von einer wandelnden Freiheitsstatue heimgesucht wurde? Leider nein. Was hier weht, ist die abgestandene Luft einer ausgedienten Filmhistorie, die nach bewährtem Muster Bewährtes auf eine generische Zivilbevölkerung loslässt, die alles schon gesehen und erlebt zu haben scheint, die mit Geistern als Alltagsbürde ihren Frieden geschlossen hat, da machen selbst zu Eis erstarrte Straßenzüge keinen Eindruck.

Wir haben nun im fünften Film ein diverses, viel zu großes Team an Geisterjägern und Möchtegern-Nerds fürs Paranormale. Alte, neue und welche dazwischen. Es gibt einen Dämon, der zugegeben sehr geschmackvoll aussieht und entsprechend glücklich animiert ist. Es gibt die Finsternis über dem Big Apple und statt eines Schlüsselmeister einen Feuerwächter, dargestellt vom Comedian Kumal Nanjiani, der den gelangweilten Bill Murray an die Wand spielt und fast schon im Alleingang versucht, eine gewisse kindliche Neugier ins Spiel zu bringen. Gesellschaft leistet ihm Dan Aykroyd, dem die leidenschaftliche Begeisterung für sein ersonnenes Franchise in jeder Szene, in der er auftritt, ins Gesicht geschrieben steht. Die beiden rocken den Laden, und alle anderen – derer sind es zu viele – bleiben auf ihren Plätzen, zitieren sich selbst oder ergehen sich in einer unausgegorenen Patchwork-Familienproblematik, die man eben aussitzt, in Erwartung einer komplexen Apokalypse, die durch verrückte Improvisationen gerade nochmal vereitelt werden wird.

Gerade jenen Aspekt, der die Ghostbusters eigentlich ausmacht, lassen Reitman und Kenan außen vor: den kreativen Gig, Himmelfahrtskommando brüllende Bad Batch-Wagnisse, um das Übernatürliche auszuforschen und abzuwehren. Was bleibt, ist Altbewährtes, verdrängt durch Zwischenmenschliches, das nichts mit Geistern zu tun hat, und die Belastung durch horrende Logiklöcher, die als Wendepunkte im Drehbuch fungieren müssen, um die Story überhaupt voranzubringen. Wenn sich an ihnen alles andere aufhängt, gerät Ghostbusters: Frozen Empire in eine von allen guten Geistern verlassene Schräglage, die überdeutlich macht, wie sehr sich Reitman und Kenan von den Vorbildern knebeln haben lassen, und welche Agenden sie unbedingt durchbringen mussten, um den Studios den dank vieler Analysen prognostizierten Erfolg zu bescheren.

Die Geister sind müde geworden, die alten Geisterjäger (bis auf Aykroyd) ebenso, die Jungen haben nicht mehr den Pioniergeist wie die alten und schlagen sich mit Generation Z-Problemen herum, die den Kult-Spuk verwässern. Doch spätestens am Ende, wenn Ray Parker Jr. wieder ertönt und Ecto-1 wieder um die Ecke kurvt, während die jaulende Sirene ertönt, wird das Fanservice dann doch nochmal dankend angenommen, ganz so wie der zugesteckte Zwanziger von Oma, wenn man zu Besuch war. Im Grunde aber reicht Parkers One-Hit-Wonder auf Youtube, um genauso erfüllt zu sein wie nach zwei Stunden Dacapo-Budenzauber im Kino.

Ghostbusters: Frozen Empire (2024)

Ghostbusters: Legacy

FERIALPRAKTIKUM IM GEISTERFANGEN

6,5/10


ghostbusters_legacy© 2021 Sony Pictures Entertainment Deutschland GmbH


LAND / JAHR: USA 2020

REGIE: JASON REITMAN

CAST: MCKENNA GRACE, FINN WOLFHARD, LOGAN KIM, PAUL RUDD, CARRIE COON, BOKEEM WOODBINE, CELESTE O’CONNOR, DAN AYKROYD, BILL MURRAY, ERNIE HUDSON, TRACY LETTS, ANNIE POTTS U. A. 

LÄNGE: 2 STD 5 MINUTEN


Einfach nur Fan-Service oder wirtschaftliches Kalkül? Was treibt die Studios wohl schon eine ganze Dekade lang dazu an, bewährte Kult-Franchises aus den Achtzigern immer wieder aufzuwärmen und wiederzubeleben, manchmal schlechter, manchmal besser? Nur Spaß an der Freude kann es nicht sein – es ist das Arbeiten mit Formeln und erfolgsversprechenden Parametern, die auf alle Fälle jene Generation an Kinogehern abholen sollen, die mit Stars Wars, Terminator, Ghostbusters und Co aufgewachsen sind. Es ist, als würde man auf einer niemals enden wollenden Comic-Convention all jenen Figuren aus den geliebten fiktiven Realitäten begegnen, an die wir uns gerne erinnern. Manchmal ist die Aufmachung lächerlich, manchmal aber atemberaubend gut ausgearbeitet.

Die vier Kerle, die im Manhattan des Jahres 1984 eine sumerische Gottheit mit dem überdimensionalen Marshmallowman in ihre Schranken verwiesen, haben mit nur zwei Filmen und einer Animationsserie ein unverwechselbares, für sich allein stehendes Universum erzeugt, dass Geister nicht als das hässliche Böse wie in Conjuring oder Insidious darstellt, sondern als familientaugliches, buntes Geisterbahn-Bestiarium zwischen pummeligen Allesfressern und finster dreinblickenden Machthungrigen, die ihren eigenen Tempel oder ihr eigenes Gemälde mitbringen. Das ist mehr Fantasy als Grusel, und genau diese recht unbekümmerte, in ihren Dosen nicht zu verändernde Verbindung macht es aus, das Ghostbusters quer durch alle Altersschichten und Geschmacksrichtungen funktioniert. Stranger Things hat das Ganze dann noch mit der Spielberg´schen Mystery kombiniert, die natürlich viel ernster daherkommt – hier weicht der Spaß am Bannen knautschiger Monster einer beklemmenden Paranoia.

Zum Glück macht Jason Reitman kein Zugeständnis in irgendeine andere Richtung, und auch nicht in Richtung Klamauk, wie die Damenrunde aus dem Jahr 2016. Anscheinend geht das nur, wenn man wirklich und ohne Umschweife Bezug nimmt auf das Original. Um sich dann vielleicht loszulösen. In Ghostbusters: Legacy (hätte eigentlich letztes Jahr ins Kino kommen sollen) erbt die Tochter des Geisterjägers Egon Spengler (Harold Ramis, 2014 leider tatsächlich verstorben) dessen Grund und Boden irgendwo im Nirgendwo nahe einer Kleinstadt. Das Gemäuer erinnert an das Haus der Addams, und mehrere Holzverschläge bergen wohl erinnerungswürdige Artefakte und Gegenstände, die wir alle kennen sollten. Die Enkelin Phoebe ist so klug wie ihr Opa und kommt in den Sommerferien dem wahren Geheimnis ihres Verwandten auf die Spur, das mit der Einsicht endet: Geister gibt es wirklich. Und was für welche. Längst verbannt geglaubte Gottheiten quälen sich an die Oberfläche, und Phoebe, ihr Bruder Trevor (Stranger Things-Star Finn Wolfhard) und der schräge Nerd Podcast treten in die Fußstapfen jener, die zuletzt vor mehr als dreißig Jahren den Schleim von ihren Schultern wischten.

So baut man ein Erbe auf. Jason Reitman macht anfangs alles richtig, setzt auf Stimmung, gute Bilder und einem phänomenalen Cast, der mit Mckenna Grace (auch bekannt aus der Serie Young Sheldon) wirklich ins Schwarze getroffen hat. Die drei Freunde sind längst keine austauschbaren, gestelzt vor sich hin agierenden Jugendlichen mehr, wie zum Beispiel in Filmen wie Das schaurige Haus. Das sind Charakterköpfe, die noch mehrere Fortsetzungen tragen könnten, sollte es welche geben. Da ist Teamgeist, Individualismus und Herzlichkeit drinnen, wie bei den Vieren von damals. Bis es so weit kommt, und die Truppe ihren Einstand feiert, nimmt sich Reitman viel Zeit, um all das Drumherum und auch die Bedürfnisse der Fans und Popkultur-Nostalgiker mit Liebe und Geduld zu stillen. Dabei entgleitet ihm die Zeit, das Timing kippt. Viel bleibt nicht mehr, um die Geschichte auszuerzählen. Viel zu spät lenkt der Höhepunkt den Film in die Zielgerade. Was folgt, ist ein gehetzter Showdown, der im Vergleich zu allen anderen Filmen enttäuschend wenig spukende Artenvielfalt in petto hat. Das ist dann doch ein bisschen mager. Etwas einfallslos auch das Rezitieren des Originals in zwar anderem Umfeld (von der Stadt aufs Land), aber in genau derselben Abfolge wie damals. Überraschungen gibt es keine, man hält sich an das Spiel der Jungdarsteller, während das Meet & Greet mit bekannten Gästen wie ein halbherziger, pflichtbewusster Bühnen-Gig wirkt.

Einerseits schade, hier nicht gleich mit dem Ecto 1 die erste Kurve genommen zu haben. Andererseits aber macht Kennern die alte neue Hommage an ein Genre-Phänomen großen Spaß, und ja, es ist wie auf einer Comic Con – das Fanherz schlägt höher, ganz von allein. Allerspätestens bei Ray Parkers One-Hit-Wonder.

Ghostbusters: Legacy

A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando

SPIELZEUG, DAS SICH SELBER FINDET

7/10

 

TOY STORY 4©2019 Disney/Pixar. All Rights Reserved.

 

LAND: USA 2019

REGIE: JOSH COOLEY

MIT DEN STIMMEN VON (ORIGINAL): TOM HANKS, TIM ALLEN, ANNIE POTTS, JOAN CUSACK, JORDAN PEELE, KEEANU REEVES, LAURIE METCALF U. A.

 

Mein Blick schweift über die Sitzreihen des noch beleuchteten Kinosaales und sagt mir, dass die Zielgruppe für den in Kürze startenden Film im Vergleich zu anderen Genrekanditaten doch etwas aus der Norm fällt. In Toy Story verblüfft die Tatsache, dass vorwiegend und zu keinem verschwindenden Teil auch Erwachsene ohne juvenilen Anhang, sowohl in weiblicher wie männlicher Buddy-Duo-Formation, Platz genommen haben. Da sind wir und die Kids in der vorderen Reihe eher eine Ausnahme, und das lässt sich auch ganz leicht erklären. Denn Toy Story, das war in den guten Neunzigern, und zwar genau in den Iden selbiger, der spielfilmlange Einstand für Pixar, dem Team hinter der Schreibtischlampe. Fans der ersten Stunde sind wohl heute hier einige versammelt, und dank eines bis in die Gegenwart gelungen fortgeführten Franchise ist die Sympathie für Cowboy Woody, Buzz Lightyear und Konsorten aller Machart eine ungetrübte. Es ist schon etwas Besonderes, wenn bereits drei Teile nicht im mindesten weniger gut sind als der Vorgänger oder der Nachfolger. Nach 24 Jahren allerdings, wo die Kids von damals selber Kids haben und sich gerne an die guten alten Animationszeiten auf der Leinwand erinnern, müssen auch Woody und seine Freunde eine Veränderung durchmachen, es kann ja nicht so weitergehen wie bisher. Irgendwann muss das Spielzeug auch erwachsen werden. Oder sich selber finden. Wie eben ganz aktuell im Kino im vierten Abenteuer Toy Story: Alles hört auf kein Kommando.

Andy, das Kind von Cowboy Woody, ist schon im letzten Film erwachsen geworden. Und Bonnie, das kleine spielfreudige Vorschulmädchen mit ausgeprägtem Sinn für Erdachtes, findet wohl mehr Freude an einer selbst gebastelten Göffelfigur namens Forky als an den mittlerweile zur Flohmarktware zählenden Altspielzeug aus den 90ern. Woody muss sich daher umorientieren, bevor er aus Unachtsamkeit verlorengeht. Und entdeckt in sich die Rolle des selbstlosen Beschützers, der das neurotische Watschelbesteck erstmal vor der Mülltonne rettet, um dann einen Antiquitätenladen unsicher zu machen, der so einiges Potenzial für einen abendfüllenden Spielfilm bereithält. Der bis in die hintersten Lurchecken akribisch rekonstruierte Hallenflohmarkt mitsamt verstaubtem Mehrfachstecker und detailverliebt gestalteter Ladenhüter lässt nicht nur die Puppen tanzen (das Image der gruseligen Bauchrednerpuppe werden die staksenden Holzkasper garantiert bis zum Weltenende nicht mehr los), sondern auch die Outlaws rund um Woody dermaßen waghalsig improvisieren, dass man A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando zumindest stellenweise als das „Fast & Furious“ der Spielzeugwelt bezeichnen kann. Wenn Porzellinchen in adretter Mad Max-Manier im selbstgebauten Stinktier-Vehikel durch die Niederungen eines Jahrmarkts brettert oder der selbstzweifelnde Duke Kaboom zum Stunt des Jahrhunderts ansetzt, dann hat Pixar durchaus ein gewitztes Spektakel vom Computer gelassen, dass den Live-Act-MacGyver blass aussehen lässt und Suspense längst nichts mehr nur Erwachsenenkram sein muss.

Storyboardzeichner Josh Cooley sitzt diesmal im Regiestuhl, und es lässt sich erkennen, dass Bildidee und Umsetzung aus einer Hand gehen. Insofern steht das 3. Sequel all den anderen Teilen in punkto Spielzeugstunts um nichts nach, im Gegenteil, es setzt noch eins drauf. Allerdings nicht nur bei den haarsträubend gut animierten Hetzjagden quer durchs adulte Interieur. A Toy Story will zwischen all dem Slapstick auch etwas ernster sein. Und verliert dabei manchmal leicht den Überblick. Gefühlt ein jedes Spielzeug sucht seine wahre Bestimmung, hat sie gefunden oder trauert Bewährtem nach. Muss sich neu definieren oder Vergangenes zurücklassen. In Cooleys Film ist Abschied und Neuanfang das große Thema, Umorientierung und das Hören auf die innere Stimme. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, aber in A Toy Story ist Zeit Spielgeld und keiner will Bonnie nach ihrem Göffel weinen sehen. Also ist das ganze Abenteuer aufgrund des straff gezogenen Zeitrahmens durchaus fesselnd, voll schlagfertigem Humor und sowieso satt an liebevoll skizzierten Charakteren, die so angenehm durch den Wind sind, wie Spielzeug eben sein muss. Längst nicht perfekt, und – ob auf sich alleine gestellt oder durch die Augen eines Kindes – immer bereit, neu entdeckt zu werden.

A Toy Story: Alles hört auf kein Kommando