Elvis

DER KÖNIG KOMMT BIS VEGAS

7,5/10


elvis© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: BAZ LUHRMANN

CAST: AUSTIN BUTLER, TOM HANKS, HELEN THOMSON, RICHARD ROXBURGH, OLIVIA DEJONGE, LUKE BRACEY, DAVID WENHAM, KELVIN HARRISON JR., KODI SMIT-MCPHEE U. A.

LÄNGE: 2 STD 39 MIN


Der Zeitpunkt scheint gekommen, an dem alle Elvis-Imitatoren rund um den Globus ihre Fake-Koteletten abziehen und ihre Glockenhosenoutfits zusammenpacken können – denn jetzt gibt es einen, der schlägt sie alle. Da gibt es nichts mehr über ihm, außer Elvis selbst, doch der ist leider schon seit 45 Jahren tot, wobei er sein eigenes Alter bereits um 3 Jahre überschritten hat. Elvis ist also länger schon Geschichte, als er überhaupt gelebt hat. Das Gerücht, das Elvis noch lebt, könnte mit Baz Luhrmanns tiefer Verbeugung vor einem Musik- und Showgenie neue Nahrung erhalten.

Denn Austin Butler, bislang vorwiegend in Nebenrollen und in einzelnen Fernsehserien zu sehen, schenkt dem King of Rock ’n‘ Roll ein neues, doch vertrautes Antlitz – er macht ihn nicht nur insofern lebendig, weil er dem Mann aus Memphis, Tennessee, so verblüffend ähnlich sieht. Sondern weil er weiß, wie er geht, steht, sich bewegt und vor allem – wie er lächelt. Sein charmantes Kokettieren mit dem weiblichen Publikum hat nebst den markanten Hüftbewegungen, die später Michael Jackson uminterpretieren wird, die eigentliche Hysterie ausgelöst und eine fast schon beängstigende Fankultur begründet. Austin Butler bekommt das genauso hin – vereint mit Outfit, Frisur und den richtigen Rhythmen wird eine Ikone lebendig, die man maximal in stadthallenfüllenden Tributshows aus sicherer Entfernung bewundern konnte – mit Lookalikes, Evergreens und einer damit einhergehenden Reisebegleitung in die Jugendjahre der Elterngeneration.

In Elvis wird nämliche Person hautnah erlebbar und somit zu einem Erlebnis, das in seiner kultischen Verehrung sogar jene Performance, die Rami Malek als Freddy Mercury hingelegt hat, in den Schatten stellt. Natürlich, auch er hat den Preis für die Rückholung des Queen-Leaders verdient, wenngleich die optischen Anpassungen manchmal etwas überzeichnet wirken. Butler hingegen spielt Elvis so, als wäre er niemals jemand anderer gewesen. Er muss sich mit der Biografie dieses Mannes akribisch auseinandergesetzt haben. Und nicht nur er. Auch Baz Luhrmann, dem der Stoff sicher schon lange in den Fingern gejuckt haben muss, erweist sich als profunder Kenner eines Teils der modernen Musikgeschichte. Natürlich, wie von Luhrmann zu erwarten, errichtet dieser seinen sakralen Triptychon-Altar aus funkelnden Devotionalien, manchmal zu braver biographischer Chronik und dem Blick hinter dem Bühnenvorhang, wo Drogen, Intrigen und Panik herrschen. Luhrmann feiert dabei das Zeitkolorit der Nachkriegsdekaden bis ins kleinste Detail und liebt das Konterfei seines Stars, weil er selbst kaum glauben kann, wen er da gecastet hat. Andererseits aber nimmt dieser seine Aufgabe ernst genug, nicht nur eine Elvis-Tribute-Show zu liefern, sondern auch den Menschen und sein Umfeld ganz ohne Getöse zu analysieren.

Diese Dreifaltigkeit gereicht dem Film zum Erfolg. Denn es bleibt nicht nur beim routinierten Abbild der Lebensgeschichte einer Kultfigur. Das mächtige Mittelstück von Luhrmanns Altar ist der Versuch einer Reise in eine gebrochene, gegängelte und verschreckte Seele. In die finsteren Winkel des Showbiz, das den Goldesel so oft bemüht, bis dieser zusammenbricht. Die Gier ist hierbei der Hounddog, die Bereicherung anderer am zum Objekt verkommenen Rampensau erweckt Suspicious Minds. Diese verdächtigen zu Recht einen gewissen Colonel Parker – Elvis Mentor, Mutterersatz und Mädchen für alles. Sein Marketing-Genie, sein Manager. Einer, der mit freier Hand über den „King“ verfügen wird. Plötzlich wird die Bühne zum Thronsaal, und der Monarch zur Marionette, die nach der Pfeife des Kanzlers tanzt. Tom Hanks hat sich hierfür eine Latex-Wamme sowie Wampe anlegen lassen, die ein bisschen aufgesetzt wirkt und den guten Mann von Hollywood in seinen schauspielerischen Möglichkeiten bremst, da man stets darauf konzentriert ist, nicht Hanks selbst, sondern einen alten, geldgeilen „Felix Krull“ darin zu entdecken, der gar nicht ist, wer er zu sein scheint. Diesem Löwen hat sich Elvis zum Fraß vorgeworfen, nichtsahnend und darauf vertrauend, dass es andere gut meinen könnten.

In diesem Gefüge aus Macht und Missbrauch, erinnernd an Pinocchios Schicksal unter den Fängen von Kater und Fuchs, erscheint Elvis‘ Lebens- und Erfolgsgeschichte wie eine Passion, wie ein Lehr- und Mahnbeispiel über Ausbeutung und Manipulation talentierter Geister. Damit verknüpft, überzeugen Butler und Luhrmann auch damit, Elvis als einen ehrgeizigen, wenngleich auch naiven Perfektionisten darzustellen, der außer dem Besten sonst nichts geben will. Am Ende bleiben Wehmut und Mitgefühl für einen Pionier. Erscheinen Bilder vom echten Elvis, die von den inszenierten kaum mehr zu unterscheiden sind. Elvis Erfolgsgeschichte ist eine, die niemand jemals haben will. Und Vegas? Wird zum Vorhof der Hölle, aus dem es kein Entkommen gibt.

Elvis

Army of the Dead

ZOMBIE’S ELEVEN

6,5/10


armyofthedead© 2021 Netflix

LAND / JAHR: USA 2021

BUCH / REGIE: ZACK SNYDER

CAST: DAVE BAUTISTA, ELLA PURNELL, OMARI HARDWICK, ANA DE LA REGUERA, THEO ROSSI, MATTHIAS SCHWEIGHÖFER, NORA ARNEZEDER, RAÚL CASTILLO U. A. 

LÄNGE: 2 STD 28 MIN


Abriegeln ist auch eine Möglichkeit, um nicht den gesamten virusverseuchten Pöbel abzubekommen. Glück im Unglück, würde ich’s fast nennen, und eine preisverdächtige Geistesgegenwart in Sachen Sofortmaßnahmen. Dran glauben muss in diesem Fall das Glücksspielparadies Las Vegas. Diese Örtlichkeit inmitten der Wüste wird in Zac Snyders brandneuem Spektakel zum geografisch verortbaren Geschwür aus zigtausenden blutdürstenden Untoten, und es wäre dieser Zustand eigentlich halb so interessant, gäbe es nicht einen Haufen toller Hündinnen und Hunde, die es so tun wollen wie Johnny und seine Spießgesellen – wie das Rat Pack, die Oceans Eleven: nämlich den Geldspeicher eines Casinos plündern. Dafür braucht es einen Leader, einen Safeknacker, eine Hubschrauberpilotin, einen Guide, der die Regeln des Zombiespiels kennt und sonstiges schießwütiges und wehrhaftes Gefolge. Auftraggeber ist ein zwielichtiger Japaner, der natürlich einen seiner Männer als Aufpasser mitschickt Alle sind sie bis an die Zähne bewaffnet, es dominieren coole Sprüche, einzig Brummbär Dave Bautista versucht, bei der Sache zu bleiben. Ein sympathisch einsilbiger Hüne übrigens, mit dem Herzen am rechten Fleck. Ihm folgt man gerne auf eine Reise ohne Wiederkehr, vor allem, weil man sich hinter seiner Schrankfassade gut verstecken kann.

Mit seinem George A. Romero-Schocker Dawn oft he Dead hat Snyder sein Händchen für apokalyptische Horrorszenarien bewiesen. In Army of the Dead geht es entschieden weniger bedrohlich zur Sache, dafür mit Ironie und Scheißdirnix-Attitüde. Allerdings erinnert sein filmischer Blockbuster-Coup, der bislang wohl das fetzigste an großem Streaming-Kino fürs heurige Jahr darstellt, frappant an den südkoreanischen Zombie-Action-Reißer Peninsula, der das Sequel des wunderbar ausgewogenen Genrethriller Train to Busan darstellen sollte. Gemein hat dieser Film mit seinem Original allerdings nichts, außer das selbe Universum und die selbe Epidemie. Auch hier heißt es, Geld sicherzustellen, dass sich in einem Transporter inmitten der längst aufgegebenen Stadt Seoul befindet. Auch hier: eine Gruppe zäher Haudegen, die bald um ihr Leben kämpfen. Bei Snyder sind die Figuren allerdings weitaus illustrer – und auch differenzierter angelegt. James Cameron hat mit Aliens – Die Rückkehr ein genau ähnliches Konzept entworfen. Eine zusammengewürfelte Zweckgemeinschaft gegen eine wabernde Bedrohung – auf das Charisma der Beteiligten kommt es dabei an. Und das haut hin. Überraschend ausgeschlafen und überaus komisch zelebriert sich RomCom-Spezialist Matthias Schweighöfer als deutscher Panzerknacker Dieter. Na bitte – geht doch! Filme wie dieser lassen Schweighöfers überzeichnetes Getue in einem anderen Licht erscheinen. Der Mann sollte für die nächste Zeit mal das Genre wechseln. Das Zusammenspiel mit Buddy Omari Hardwick gehört zu den schönsten Momenten des Films. Darüber hinaus verleiht Snyder seinen tödlichen Kreaturen weniger das Flair einer Zombie- als manchmal vielmehr einer Horde Höhlenorks aus Mittelerde. Diese Zombies hier haben es mehr oder weniger geschafft, sowas wie eine gesellschaftliche Ordnung zu bilden, die allerdings über eine plumpe Monarchie nicht hinausgeht. Der kreischende Endgegner hinter Stahlhelm und auf seinem Zombiepferd atmet fast schon die Luft eines High Fantasy-Abenteuers für das erwachsene Publikum.

Zweieinhalb kurzweilige Stunden Netflix-Kino bieten projektilschwere Action, dass es nur so kracht, splittert und blutet. Selbst bei so einem Schlachtfest weiß Snyder mit Ästhetik umzugehen – seine Vorliebe für kurze Brennweiten zeugen von profunden photographischen Kenntnissen, die mittlerweile Snyders Handschrift sind. Ich mag das, so bleiben selbst platzende Köpfe und aus offenen Halsschlagadern schießendes Blut eine Reminiszenz an wohlkomponierte Comicpanels. Wer allerdings überraschende Wendungen sucht, wartet vergebens. Dieses Heist-Movie beschreibt Eventkino nach Plan, und wer beim wiederholt rabiaten Durchboxen durch Zombiemassen nicht das fade Auge bekommt, wird bestens unterhalten.

Army of the Dead

Sleepless – Eine tödliche Nacht

PAPA, DER MANN MIT DEM KOKS IST DA

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sleepless

Am Anfang war die Tasche. Schön und gut. Jetzt geht es darum, aus diesem transportablem Behältnis ein sehr begehrenswertes zu machen – die Arbeit der Drehbuchautoren ist gefragt. Aber nicht die Arbeit amerikanischer Drehbuchautoren – die Vorlage für den simpel gestrickten Reißer war wieder einmal aus französischen Landen zu holen. Da hatten die lokalen Filmemacher schon 6 Jahre zuvor die ganze Arbeit getan. Aber wie dies nun mal in den USA so ist – internationale Produktionen erfreuen sich enorm begrenzter Beliebtheit (siehe meinen Blog-Artikel Die Schöne und das Biest). Doch Kopien in englischer Originalsprache mögen meinetwegen ihre Runde machen – die Notwendigkeit allerdings, in einen derart austauschbaren Streifen wie Sleepless zu investieren, der wiederum in Österreich vor vielen anderen sehenswerten Produktionen einen Filmverleih findet, entzieht sich meiner Nachvollziehbarkeit. 

Der an Schauplätzen ziemlich begrenzte Taschen-Thriller besticht durch nichts, was nicht auch schon andere ähnlich gelagerte Produktionen durchgekaut haben. Undercover-Polizisten, kiloweise Drogen und mehrere Parteien, die darauf aus sind, das Vermögen in Form von weißem Schnee zu kassieren – auf kurze Dauer mag der Plot ja unterhalten. Doch dann kommt Jamie Foxx – und spielt sich selbst an die Wand. Allerdings auch nur dann, wenn sich Michelle Monaghan nicht dazwischen stellt. Die Schauspielerin agiert in dieser relativ lieblos heruntergespulten Hotel-Hasenjagd immer noch am besten, da kann Tarantino´s Django diesmal leider gar nicht mithalten. Zwischen beruflichem Ehrgeiz und familiärer Verpflichtung in geradezu paralysiertem Zustand befindend, versucht Foxx seinen Sohn aus den Fängen eines schmierigen Casino-Mafioso zu befreien. Für einen positiven Ausgang dieses Unterfangens ist eben jene Tasche vonnöten, von welcher wir hier schon des Öfteren gelesen haben. Doch die Dringlichkeit und die verzweifelte Vaterliebe, mit welcher der eigene Sohn herausgehauen gehört, sucht man eventuell in einem anderen Film. Der für Ray oscargekrönte Schauspieler dürfte die Rolle Sleepless lediglich zum Zeitvertreib angenommen haben. Und all der übrige Cast erinnert in der Ausarbeitung ihrer Figuren eher an das Videothekenkeller-Sortiment eines Jean-Claude van Damme in der Titelrolle – wobei das nicht heißen soll, dass der gelenkige Belgier Zeit meines pubertären Lebens nicht auch für unterhaltsame Stunden gesorgt hat.

Diese Zeit allerdings ist vorbei, und so wird bereits nach einer halben Stunde Laufzeit ziemlich schnell klar, dass alles zugunsten der Gerechtigkeit enden wird. Der Umstand sorgt für Langeweile, da helfen selbst der eine oder andere Shootout nicht, und genauso wenig ein sadistischer Bösewicht, der mittelalterliche Quälereien praktiziert. Dann lieber selbst irgendwann nach Las Vegas fliegen und eine Schnitzeljagd auf die Kosten des Hauses veranstalten. Da hat man mehr davon. 

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Sleepless – Eine tödliche Nacht