The Cabin in the Woods

RAUS AUS DER SCHUBLADE

7,5/10


cabin-in-the-woods© 2011 Metropolitan Film Export


LAND / JAHR: USA 2011

REGIE: DREW GODDARD

SCRIPT: DREW GODDARD, JOSS WHEDON

CAST: KRISTEN CONNOLLY, CHRIS HEMSWORTH, ANNA HUTCHISON, FRAN KRANZ, JESSE WILLIAMS, RICHARD JENKINS, BRADLEY WHITFORD, AMY ACKER, SIGOURNEY WEAVER U. A.

LÄNGE: 1 STD 35 MIN


Wandert man in Österreich über Almen und durch Wälder der Region, laden so einige schmuck-rustikale Hütten zum Mieten ein, natürlich Selbstversorger und mit Kaltwasser aus dem Brunnen. Wer hier temporär einzieht, will es aber sowieso nicht anders. Umgeben von dunklem Grün und saftigen Wiesen und vielleicht auch einem kleinen Bergsee, lässt es sich hier gut zur Ruhe kommen. Und manchmal auch ein Ende finden. Denn je abgelegener so ein Holzhäuschen auch liegt, umso bessere Stücke spielt die Fantasie vorwiegend in den Nachtstunden. Kann sein, dass etwas Monströses durch den finsteren Tann streift. Oder die Kühe auf der Heide einem die Tür einrennen wollen. Wenn’s keine Kühe sind, dann vielleicht Zombies? Bei Joss Whedon sind diese allerdings nicht mit der krachledernen ausgestattet, sondern mit allem, was sich zum Foltern gut eignet.

Klingt nach sattelfestem Splatterhorror zwischen The Hills Have Eyes und Tanz der Teufel? Horrorfans fühlen sich bei so einem Setting gut aufgehoben, doch schon nach der ersten Szene könnte gerade dieses Wiegen in Sicherheit zu gravierenden Verwirrungen führen. Ist das überhaupt der richtige Film? Was machen zwei adrett gekleidete Beamte in einem Kontrollzentrum irgendwo im Nirgendwo, die über Alltägliches quatschen und mit Kaffee sowie morgendlichem Arbeitseifer an ihre Monitore gehen? Wie jetzt Splatterhorror? Was ist mit den Untoten? Kommt schon noch. Kenner des Films The Cabin in the Woods werden sich diesen bereits mehrmals zu Gemüte geführt haben, denn jenen Ort, an welchen Drew Goddard mit Mastermind Joss Whedon (der sich ja mittlerweile selbst durch seine angeblich tyrannische Set-Präsenz bei Justice League ins Aus manövriert hat) unterwegs ist, erreichte man bis dato eigentlich nur durch verfilztes Dickicht. So, als gäbe es ihn gar nicht. Der Pfad musste also erst geschlagen werden.

Und auch im Schwingen der dramaturgischen Machete waren Goddard und Whedon wenig zimperlich, ja geradezu avantgardistisch. So einen Genremix wie The Cabin in the Woods muss man erst hinzaubern. Whedon war aber wohl schon gut im Training – sein Buffyverse war seinerzeit auch nicht nur in einschlägigen Stilgewässern unterwegs, hier wechselte das Spiel zwischen Teeniekomödie, trashiger Fantasy und Gothic-Horror. Zeitgleich mit seinem Einstand als Thor durfte Chris Hemsworth in diesem absurden Kosmos aus okkultem Slasher und eines Science-Fiction-Szenarios, das irgendwie an die paranoiden Ideen eines H. P. Lovecraft erinnert, mit Freundin und Freunden besagte Waldhütte belegen, die noch dazu einen Keller hat, in welchem sämtliche Artefakte ruhen, deren Verschacherung auf dem Flohmarkt wohl noch anstehen würde, gäbe es nicht so neugierige Nasen wie unser Endzwanziger-Grüppchen, das Paranormales ob der Coolness nur belächelt, sich daraus aber gleichzeitig das wohlige Kribbeln für einen Abend im Düsterwald lukriert. Natürlich ist das der falsche Weg, begonnen mit dem Vorlesen obskurer Sprüche, die eingangs erwähnte Tunichtgute auf den Plan rufen.

Ich wusste schon dank freundschaftlicher Fachsimpelei im Vorfeld – hier wird letzten Endes alles anders sein, als man denkt. Durch diese in kindlicher Spielfreude sichtlich aufgeweckte Machart zwischen Entsetzen und baffem Erstaunen ob der ständig wechselnden Parameter ist das Grauen letzten Endes dazu da, der dunklen Seite des phantastischen Films Tribut zu zollen und Fans des Irrealen an die blutigen Wurzeln vieler Übel zu schicken, die Mythen und Legenden erst zu dem gemacht haben, was sie sind.

The Cabin in the Woods

Predator – Upgrade

HEIMKEHR DES JÄGERS

6/10

 

predatorupgrade© 2018 Twentieth Century Fox

 

ORIGINALTITEL: THE PREDATOR

LAND: USA 2018

REGIE: SHANE BLACK

CAST: BOYD HOLBROOK, JACOB TREMBLAY, TREVANTE RHODES, OLIVIA MUNN, THOMAS JANE U. A.

 

Es gibt Ikonen der Popkultur, die hatten in den 80er Jahren das Glück, ihren Einstand zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu feiern. Auf blankem Parkett, nahezu frei von störenden Mitbewerbern. Es war die Zeit eines unberechenbaren Pioniergeistes, in welcher sich aus frei von der Leber weg zusammengeschusterten Ideen Figuren und Welten zu Selbstläufern entwickelt hatten, zu Granaten an den Kinokassen, die Fortsetzungen nach sich zogen, die aber gar nicht notwendig gewesen wären, denn der Kult war geboren. Das war so mit Star Wars, mit Terminator, mit Predator. Es war eine Zeit, da waren wir, die wir jetzt aufgewärmt wirkenden Reboots mehr als skeptisch gegenüberstehen, drauf und dran, unser Kinderzimmer in ein Jugendzimmer umzuevaluieren. Da durften wir Filme sehen, deren FSK-Gebot unser viel zu geringes Alter schändlich ignorierte. Kollateralschäden waren da entweder vorprogrammiert oder ließen unseren Adrenalinspiegel nachhaltig steigen. Das Videothekenzeitalter war da eine allzu verlockende Büchse der Pandora, und als uns erstmals der Todesstern um die Ohren flog, Arnold Schwarzenegger in stoischer Androiden-Mimik Menschen mordete und das unsichtbare Etwas im Dschungel Mittelamerikas zur ständigen Bedrohung wurde, blieben uns die Münder offen stehen. Das erste Mal ist zumindest in der Welt des Kinos ein unvergessenes, einschneidendes Erlebnis.

Ein Sakrileg, wenn so ein Kult angetastet wird. Viel anders als das Original darf das Weiterspinnen eines One-Hit-Wonders aus der eigenen Kindheit eigentlich nicht sein. Ein Grund, warum die nagelneuen Star Wars-Filme das Publikum so spaltet. Und warum der nagelneue Predator bei manchen sauer aufstößt. Dabei hat Shane Black, seines Zeichens Teil der Originalbesetzung aus 1987, bei seiner Hommage an den Erstling durchaus daran gedacht, Sodbrennen zu verursachen, wie nach einem ungesunden, aber leckeren Essen. In diesem Sinne: Predator – Upgrade ist filmisches Junk-Food. Aber eines, das schmeckt.

Diese Figur des extraterrestrischen Hobby-Jägers, die war schon in den mittlerweile verklärten 80ern die wohl stattlichste Gallionsfigur einer Art phantastischen Trashs, dagegen wirkt der Xenomorph aus Alien ja geradezu belesen, und der T1000 wie ein autistisches Mathematikgenie. Die derbe, hemdsärmelige Gestalt des Yautja, wie die Alien-Rasse tatsächlich genannt wird, ist wie ein Redneck des Universums, ein protziger Hinterwäldler, der in galaktischen Hornbachs die Geräteregale leerräumt. Der als Handwerker und Praktiker wohl die flächendeckendste Erfahrung hat, wenn es heißt, selbst anzupacken und sich die klauenbewährten Pratzen schmutzig zu machen. Der Predator, der macht keine Umwege, der fällt mit der Tür ins Haus, auch wenn ihn kleine High-Tech-Kugeln manchmal verblassen lassen. So sind auch die Filme, die rund um dieses Wesen gemacht wurden und noch werden (sofern das Einspielergebnis stimmt), allesamt keine nennenswerten Preisanwärter bei Filmfestspielen. Sie sind so tiefsinnig und geschmackvoll wie ein Oktoberfest zu später Stunde, wo Bier in rauen Mengen fließt und das leicht verkohlte Grillhuhn zumindest mehr Röstaromen freilegt. Ist der Zuseher dazu auch noch ein Geek, der mit all diesen Berserkern aus dem Kino großgeworden ist, dann könnte er Predator – Upgrade im Bewusstsein seiner Preisklasse uneingeschränkt genießen.

Wir sehen im dritten Sequel der Predator-Reihe, die mit einem klassisch-aufdringlichen, wenn auch nervigen 80er-Jahre-Score unterlegt ist, den flugfähigen Untersatz des Alien von außen und innen, erfahren mehr von den Beweggründen des ständigen Nomadentums einzelner Individuen und können endlich mal ungeniert eingestehen, dass dieser ganze Thrill rund um diese bilaterale Jagdgesellschaft eigentlich gar nicht so ernstgenommen werden muss. Da hat Shane Black, der sich bereits schon mit Iron Man 3 im Marvel-Universum austoben konnte, seinen ganz eigenen Creature-Sampler zusammengemixt. Angesichts des Ergebnisses könnte Robert Rodriguez vielleicht sogar auf die Idee kommen, selbst mal seinen Senf zur Schlachtplatte dazuzugeben, die Predator – Upgrade in stilsicherer Kunstblutsuppe als neuen ersten Gang hier serviert. Szenenweise könnte das fetzige Halali mit seinen dezenten Gore-Anleihen durchaus ein Machwerk fürs Grindhouse-Kino sein, auch wenn zum Doppelpack ein zweiter Film fehlt. Derbe Zoten wechseln mit kerniger Videotheken-Action im unendlich projektilversorgten Gaudium eines Einsatzes Marke Expendables. Kann durchaus sein, dass Black auch mit Sylvester Stallones Kartonagen-Club (© Rita Falk) geliebäugelt hat. In diesem Fall allerdings rauft sich eine psychisch labile Gruppe ausrangierter Söldner zusammen, allesamt reif für die Therapie. Das Ensemble aber funktioniert gut, Predator – Upgrade findet mit seinen B-Movie- und Serien-Visagen, die launige Spielfreude an den Tag legen, relativ unverbrauchtes Kanonenfutter für den schuppigen Muskelprotz, mittendrin Jungstar Jacob Tremblay als autistisches Bindeglied zwischen Freund und Feind. Diese komödiantische Screwball-Attitüde und das Stakkato einer völlig chaotischen Hasenjagd gibt dem lässigen Actionfilm die nötige Spannkraft, um nicht, wie so manches Filmopfer, dramaturgisch gevierteilt zu werden. Das geht natürlich auf Kosten so mancher Logik, die in abgrundtiefen Plot Holes verschwindet. Den Anspruch auf Plausibilität hat das Predator-Universum aber längst nicht mehr, diese Welt funktioniert anders, und hätten die Autoren am Skript so weit herumgedoktert, um der Physik des tatsächlich Machbaren Platz einzuräumen, hätten sie die Zugkraft des Films gelockert. Dann lieber mehrere blutende Wunden leidlich erstversorgt, als gar nicht erst in die Schlacht gezogen.

Insofern ist Predator – Upgrade natürlich längst nicht perfekt, aber ein rundes Stück Pulp-Science-Fiction ohne viel Reue und mit augenzwinkerndem Schulterzucken, dass dem martialischen Dreadlock-Berserker aber gibt, was er verdient, und ihn als Trash-Ikone letztendlich upgradet.

Predator – Upgrade

Elstree 1976

IM GESPRÄCH MIT DARTH VADER

7/10

 

elstree1976_01© 1976 Twentieth Century Fox

 

LAND: GROSSBRITANNIEN 2015

REGIE: JON SPIRA

MIT DAVID PROWSE, JEREMY BULLOCH, ANTHONY FORREST, GARRICK HAGON, ANGUS MACGINNES, PAM ROSE U. A.

 

Heute ist Freitag, der 4. Mai 2018. Und wiedermal jährt sich der internationale Star Wars Day. Fans des Skywalker-Universums sind heute bestimmt schon ganz aufgeregt, und ich selbst habe Tage zuvor mit mir gerungen, nicht vielleicht doch das Ben Kenobi-Kostüm überzuwerfen, um mich in den Öffis zu blamieren. Wobei das Phänomen Star Wars eigentlich so weit verbreitet ist, dass mein Outfit womöglich auf wohlgesinntes Verständnis gestoßen wäre. Dennoch – ein T-Shirt tut´s auch. Dabei ist am 4. Mai eigentlich überhaupt gar nichts passiert. Das ist nur das Ergebnis eines Wortspiels auf Kosten des allseits bekannten Jedi-Zitats „Möge die Macht mit dir sein“. Im Original: May the Force be with you. Das sind es keine Parsecs hin zu May the Fourth be with you. Und schon haben wir ein Fan-Konstrukt, dass ewig währt – solange die George Lucas-Maschinerie geschmiert und am Laufen bleibt, militante Verfechter der Originaltrilogie von der Sorge mal ausgenommen.

Irgendwo und irgendwann aber hat dieser sagenhafte Dauerhype aber auch seinen Anfang genommen. Vor langer langer Zeit… Da war so ein Schmierblatt an einer Hausmauer, im Londoner Soho, mit einem Aufruf zum Casting für einen Film, der sich The Star Wars nennen möchte. Pfeil nach rechts, ein paar Meter weiter und man fand sich in einem provisorisch eingerichteten Büro wieder, wo sich jeder für die Produktion bewerben konnte. Denn Komparsen waren bei diesem Science Fiction Film, an den eigentlich niemand so wirklich geglaubt hat, reichlich vonnöten. Wurde man durchgelassen, traf man auf einen eher introvertierten Mann mit Bart und Locken, der dann zu plaudern anfing – und den Bewerber entweder engagiert oder wieder heimschickt hat. Manch einer wurde engagiert – und ist mit diesem Engagement in die Filmgeschichte eingegangen. Denn wie wir alle wissen wurde nicht sehr viel später Star Wars über Nacht zu einem weltbewegenden Popkulturgut, frei nach dem Olympischen Gedanken: Dabei sein ist alles.

Von diesem denkwürdigen Moment der Filmgeschichte inspiriert, hat Autor und Filmemacher Jon Spira einen sehr persönlichen, liebevollen Dokumentarfilm gedreht, der sich an den längst überfeierten, altbekannten Stars aus Krieg der Sterne vorbeidrängt, um die Helden aus der zweiten Reihe näher kennenzulernen. Elstree 1976 ist ein ungewöhnliches Filmprojekt, das sein Glück auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter gefunden hat. Kein Wunder, Projekte mit Star Wars sind womöglich sehr leicht zu finanzieren, Nerds und Fans gibt’s hierfür jede Menge. Sobald diese wissen, was da abgeht, gibt’s kein Halten mehr. So konnte Elstree 1976 – der Titel bezieht sich auf die legendären Londoner Filmstudios, in denen Episode IV vorwiegend gedreht wurde – im Handumdrehen realisiert werden. Doch wie geschmiert lässt sich die Spurensuche in die hintersten Winkel der Filmgalaxie dann doch nicht an, obwohl die Close Ups freigestellter Actionfiguren das Herz des Sammlers gleich mal höherschlagen lassen. 10 Personen erzählen aus ihrem Leben, von ihrem Werdegang, erstmal ohne Bezug zu Star Wars. Das ist vorweg etwas verwirrend, nicht unbedingt irrelevant, aber zumindest sehr viel Information, die leicht durcheinandergerät – bis alle 10 Lebensläufe nach dem Sanduhrprinzip aufeinandertreffen. Die Dreharbeiten zu Episode IV werden in Erinnerungen, Anekdoten und liebevoll ausgeschmückten Skizzen des Produktionsalltags greifbar. Die Darsteller des Kopfgeldjägers Greedo (einer meiner Lieblinge) und Boba Fett, der dem Schnitt vorwiegend zum Opfer gefallene Garrick Hagon als Biggs Starlighter oder Darth Vader höchstpersönlich, nämlich der Hüne David Prowse, plaudern aus dem Nähkästchen und sind letzten Endes allesamt der Meinung, dass dieser völlig unerwartete Erfolg ihr aller Leben verändert hat. Das möchte ich meinen, hat das Ganze mein Leben auch irgendwie verändert, oder besser gesagt geprägt – obwohl ich nicht mal ansatzweise dabei gewesen bin. Zumindest fällt mein Geburtsjahr auf das Jahr der Premiere. Am 25. Mai 77 ist es dann nämlich so weit gewesen.

 

elstree1976_02© 1976 Twentieth Century Fox

 

Elstree 1976 ist eine Collage an Interviews, akkurat strukturiert und statt einige Blicke hinter die Kulissen zu gewähren, auf die ich eigentlich gehofft hätte, sorgt Jon Spira für relativ viel Gesprächsstoff. Das sozusagen in drei Kapitel gegliederte Projekt – vor, während und nach Star Wars – ist sicherlich eine Tour of Duty für jeden Fan, der mal abseits von den gängigen Features in ruhigere Gefilde abtauchen will, um sich später besser vorstellen zu können, wie es sich denn anfühlen möge, dabei gewesen zu sein. Noch dazu ist der im Laufe der Erzählungen angerissene Diskurs über Ruhm, Kult und die Frage des Verdiensts auch nur als Statist, Fans an Comic Cons Schlange stehen zu sehen, das wohl interessanteste Herzstück der eleganten Annäherung an vergangene Zeiten mit dieser unendlich nachhallenden Wirkungskraft.

Es bleibt also eine neue Hoffnung, auf dem diesjährigen Popkultur-Event vielleicht dem einen oder anderen Sidekick der ersten Stunde am Autogramm-Panel die Hände zu schütteln, so verschwindend sein oder ihr Auftritt damals auch gewesen sein mag. Es genügt jedenfalls, Fanboys wie mich wiederum dazu zu verleiten, bereits schon jetzt die Tickets für kommenden Herbst zu sichern.

Elstree 1976

Ready Player One

WIR KINDER DER 80ER

6/10

 

readyplayerone© 2000-2017 Warner Bros.

 

LAND: USA 2018

REGIE: STEVEN SPIELBERG

MIT TYE SHERIDAN, OLIVIA COOKE, BEN MENDELSOHN, MARK RYLANCE, SIMON PEGG U. A.

 

Beim Lesen der Lektüre von Autor Ernest Cline wird das ewige Kind Hollywoods wohl feuchte Augen bekommen haben. „Wenn einer Ready Player One verfilmen soll, dann muss das ich sein“, wird Spielberg gedacht haben. Eine Herzensangelegenheit, die letzten Endes mehrere Jahre seines Schaffens in Anspruch genommen hat. Bei Spielberg müsste man meinen, Tür und Tor würden sich öffnen, wenn es vor allem darum geht, Lizenzen fürs vielfache Zitieren unvergesslicher Blockbuster zu erlangen. Nun, um Biff aus Zurück in die Zukunft zu zitieren: „Da hast du falsch gedacht, Würstchen“. Und damit hat Spielberg mit dieser Verfilmung so seine Probleme bekommen – und musste sich nach der Decke strecken. Disney hat dem Starregisseur die Tür vor der Nase zugeknallt. Daher wird man Zitate aus Star Wars oder Tron flächendeckend vermissen. Und nicht nur das – es fehlt so einiges aus dem Universum der 80er. So einiges. Sogar Spielbergs eigenes Oeuvre, die er aus einer falschen Bescheidenheit heraus bis auf eine Ausnahme geradezu verleugnet. Das Vermissen sämtlicher Jugendlieblinge dominiert alsbald das Geschehen. Oder sagen wir so – die liebevoll ehrende Verbeugung vor den Helden der Kindheit ist ein zaghafter Kratzfuß – wenn man Ready Player One aus diesem Blickwinkel betrachtet. Normalerweise ist „Nehmen, was man kriegen kann“ nicht unbedingt Spielberg´s Devise. Der Mann gibt sich doch nicht mit halben Sachen zufrieden? In diesem Punkt aber schon. Gemacht ist gemacht. Und das Kind im Manne glücklich entspannt.

Womit wir bei der Haben-Seite von Ready Player One wären. Glücklich entspannt und genüsslich unterhalten ist man nämlich genauso wie Spielberg selbst. Denn was die Computerspiel-Odyssee Tron für die 80er war, will Ready Player One für das neue Jahrtausend erfüllen. Einmal eingetaucht in die Oasis, offenbart sich die Bewegtbildergalerie eines Fiebertraums unserer Franchise- und Merchandise-Jugend als quirlige Orgie der Figuren, Reminiszenzen und unbegrenzten Möglichkeiten. Ein flashiger Mix aus High Fantasy, Spielemesse und Science-Fiction, die in seiner Opulenz an Luc Besson´s Valerian-Märchenwelt erinnert. Die Oasis ist so etwas wie ein scheinbar geordnetes, aber doch wieder regelloses Chaos. Eine Comic Con ohne Panels, und wenn, dann nur mit einem einzigen, auf dem sich alles trifft, was auf der Chart-Gästeliste notiert wurde. Und die Charts werden im Shuffle präsentiert, rauf und runter. Dazwischen die ganze Menschheit in ihren Avataren, ausgerüstet mit einem Equipment, das, um noch eines draufzusetzen, nochmal mehr kann. Also entweder ist man von der virtuellen Welt heillos überfordert, oder man gibt sich der Sucht hin. Und nirgendwo anders hin verlockt Ernest Clines literarischer Entwurf. Ein Drogenrausch ohne Nebenwirkungen. Oder naja – die Nebenwirkung ist die, seine physische Existenz dem Schlendrian preiszugeben. Dementsprechend versifft der Planet Erde in fahrlässiger Dauerlethargie, während die Oasis fröhliche Urstände feiert. Ob im endlosen Gefecht auf der Ebene der Verdammnis oder in der wohl härtesten Rallye der Filmgeschichte, die selbst das ausgekochte Schlitzohr Burt Reynolds blass um die Nase werden lässt. Da kann es schon passieren, dass ein gigantischer T-Rex den Kühler deines Schlittens verspeist. Oder King Kong die Straße wie eine Banane schält. So gesehen haben wir schon längst die 80er verlassen. Statt Darth Vader gibt’s den Riesenaffen am Empire State Building. Und Stanley Kubrick würde seine Hände über dem Kopf zusammenschlagen, und, würde er noch leben, mit Steven Spielberg kein Wort mehr wechseln. Obwohl die Shining-Reminiszenz immerhin eine der pfiffigsten Szenen des Films ist.

Die Intermezzi in der realen Welt sind Beiwerk. Nötig, um den Szenencocktail der Oasis in eine Story zu packen. Janusz Kaminski liefert gewohnt grobkörnige Bilder in gleißend-staubigem Gegenlicht. Sonst hält Spielberg mit seinem Missfallen der Echtwelt gegenüber nicht hinterm Berg. Was er hier aufbringt, ist halbgares Anfängerglück. Seltsam unvollendet für einen Meister seiner Klasse. Dazu auch sein nüchterner Vor- und Abspann, reduziert auf Schwarzweiß-Credits Marke Woody Allen. Da fehlt doch noch was? Enttäuschend, wie sehr Spielbergs Film stellenweise aussieht wie seine eigene Rohfassung. Abgesehen vom Verdacht des Zeitdrucks könnte dies auch beabsichtigt gewesen sein. Warum, weiß ich nicht. Und wenn ja, geht der Schuss nach hinten los.

Vielleicht ist Ready Player One das zeitgeistige Manifest für eine Flucht aus einer Realität, vor der man ohnmächtig resigniert? Ein Imperativ zur Selbstfindung an der Konsole, die Welt als gescheiterten versuch betrachtend, in der es keinen Reboot gibt? Im Spiel allerdings schon, noch dazu gibt’s den garantierten Karrierekick in ein höheres Level. Höre nur ich diesen stellenweise bitteren Unterton, oder ist Ready Player One wirklich ein fatalistisches Gloria auf die Migration in den Pixelraum? Womöglich höre ich das Gras wachsen. Und zugegeben – Spielberg bekommt ja in letzter Sekunde noch die Kurve und lässt den Bräutigam die Braut küssen. Und was Vernünftiges zu essen, so Oasis-Erfinder Halliday. bekommt man auch nur, wenn man den Avatar mal kurz unbeaufsichtigt lässt.

Ich habe nie wirklich Computerspiele gespielt. Dieses Medium ist für mich unbekanntes Terrain. Ready Player One gibt mir aber einen Einblick, was auf diesem Sektor mittlerweile alles möglich sein kann. Und ja, es gefällt mir. Sieht verdammt nochmal gut aus. Fetzt, wie es nur fetzen kann. Selbst die glupschäugige Art3mis hat Sex-Appeal. Kann sein, dass ich mich demnächst ins nächste VR-Brillen-Café begebe und nebst Melange andere Realitäten teste. Für andere, die das Medium kennen, könnte der Ausflug in gerenderte Welten ein bisschen zu viel von bereits Gespieltem sein – vor allem auch weil sie selbst nicht interagieren können. Aber wie auch immer Ready Player One zu sehen ist – ob als hysterischer Zitatenschatz oder Petition zur Anerkennung generierter Welten als legitime Paralleluniversen – Spielberg´s Film zur Geschichte der Traumfabrik ist ein fabrizierter Traum mit Mängel, der zwar seltsam irritiert, auf digitale Jungfernfahrer wie mich aber verlockend gefällig wirkt. Und das Rätseln, welcher Avatar man wohl selbst am liebsten wäre, macht die dramaturgische Ungelenkigkeit wie die des Giganten aus dem All fast schon vergessen. Aber nur fast.

Ready Player One