Last Breath (2025)

ÜBERLEBEN UNTER DRUCK

7/10


© 2025 Focus Features


LAND / JAHR: VEREINIGTES KÖNIGREICH 2025

REGIE: ALEX PARKINSON

DREHBUCH: ALEX PARKINSON, MITCHELL LAFORTUNE, DAVID BROOKS

CAST: FINN COLE, WOODY HARRELSON, SIMU LIU, CLIFF CURTIS, CHRISTIAN SCICLUNA, DAITHÍ O’DONNELL, RIZ KHAN, CONNOR REED, NICK BIADON U. A.

LÄNGE: 1 STD 38 MIN


Verlernt man tauchen genauso wenig wie radfahren? Falls ich mich nochmal einem Buddy Check unterziehen sollte, müsste ich garantiert einiges an Praxis nachholen, nur um dann womöglich erst festzustellen, dass mich diese Art Sport wohl immer noch in Panik versetzt. An Riffkanten in tropischen Meeren entlangzutauchen ist eine Sache, die andere ist, in kalten österreichischen Gewässern, die wenig Sichtweite haben, so zu tun, als hätte dieses Nichts, in das man taucht, seinen Reiz. Hatte ich schon, brauche ich nicht mehr. Andere beunruhigt so ein Umstand gar nicht. Wie zum Beispiel den Industrietaucher Chris Lemons. Der würde sich wundern, wenn ich ihm erzähle, wie wenig mich ein Tauchgang im Trüben abholen kann. Andere lieben das, womöglich auch er, denn nach dieser heftigen True Story, die Lemons hier erlebt hat, wieder auf 300 Fuß in die Tiefe zu steigen, um weiter an den Pipelines herumzuschrauben, als wäre nichts gewesen, klingt nach Obsession. Hut ab vor so viel Leidenschaft, die in diesem Fall psychisches wie physisches Leiden geschaffen hat, aber Menschen wie er, das sind eben Grenzgänger, zu denen ich nicht gehöre.

Dieser einzigartige Vorfall, über welchen Dokufilmer Alex Parkinson hier in Spielfilmform berichtet, liegt seiner Dokumentation mit dem Titel Der letzte Atemzug: Gefangen am Meeresgrund zugrunde. Mag sein, dass es diese Form der Dramatisierung gar nicht gebraucht hätte, doch wenn man den Film aus 2019 nicht kennt, bietet diese True Story mit namhaften Schauspielern natürlich die geschmeidige Erzählweise dramatisierter Stoffe. In Last Breath wird auf unpathetische Weise ein Arbeitsunfall rekonstruiert, der so fern zu unserem eigenen Schaffensspektrum liegt, dass er alleine schon aufgrund seiner basisschaffenden Routinesituation eine gehörige Portion Respekt abverlangt. Parkinsons Film erzählt in klarer, schnörkelloser Chronologie eine menschliche Katastrophe und feiert zugleich das verblüffende Wunder sich gegenseitig bedingender physikalischer Gesetze. Anders als bei Balthasar Kormákurs Überlebensdrama The Deep über einen Fischer, der stundenlang im nur 5 Grad kalten Wasser vor Island überlebt hat, obwohl er nach einem Bootsunglück Kilometer um Kilometer an die Küste geschwommen war, lässt sich das, was in Last Breath passiert, zumindest nicht als Anomalie erklären.

Die Luft ist zwar draussen, aber nicht im Film

Dieser Taucher also, Chris Lemons, macht sich mit fünf Tagen Vorlaufzeit an die Arbeit, da er schließlich mitsamt seines Teams in eine Dekompressionskammer gesteckt wird, um sich überhaupt erst dem Druck von 300 Fuß anzupassen. Die Arbeit am Meeresboden selbst beträgt dann sechs Stunden, doch in dieser Zeit kann vieles passieren – wie zum Beispiel ein heftiges Unwetter, welches an der Oberfläche tobt und das Mutterschiff an seine Grenzen bringt. Wenn die Bordelektronik ausfällt, lässt sich der Kahn nicht mehr an seiner Position halten, an diesem hängt aber die Taucherglocke, an der wiederum hängen die Taucher – und schon passiert es. Die Luftzufuhr wird gekappt, Chris schleudert es ins Nichts.

Wie er es dennoch schafft, ohne Sauerstoff in dieser Finsternis und Kälte zu überleben, wie Woody Harrelson und Simu Liu (Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings) alles daransetzen, ihren Kollegen zu retten und was Cliff Curtis als Kapitän der Bibby Topaz oben inmitten des Sturms alles wagt, um niemanden zurückzulassen, beantworten knapp hundert Minuten fesselndes Survivalkino, die so packend erzählt sind wie jene des semidokumentarischen Bergsteigerdramas Sturz ins Leere von Kevin McDonald. Alleine schon die Parameter, die für so einen Tauchgang geschaffen werden müssen, sind erstaunlich. Eine Notfallaktion wie diese lässt dabei doppelt die Luft entweichen – bei Finn Cole als Taucher Chris und beim Publikum, das erstmal unweigerlich den Atem anhält.

Zwischen Weltraum und finsteren nautischen Tiefen gibt es kaum mehr einen Unterschied. Last Breath wird zu Gravity unter Wasser. Pragmatisch zwar, aber akkurat und aufregend allein durch seine Umstände. Alex Parkinsons Thriller entspricht der Summe seiner Teile, heruntergebrochen auf Fakten und menschliche Dramen, die diese begleiten.

Last Breath (2025)

Meg 2: Die Tiefe (2023)

FUSSTRITTE FÜR DIE FRESSMASCHINE

6/10


meg2© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA, CHINA 2023

REGIE: BEN WHEATLEY

DREHBUCH: JON & ERICH HOEBER, DEAN GEORGARIS, NACH DEM ROMAN VON STEVE ALTEN

CAST: JASON STATHAM, CLIFF CURTIS, WU JING, SHUYA SOPHIA CAI, PAGE KENNEDY, SKYLER SAMUELS, SIENNA GUILLORY, SERGIO PERIS-MENCHETA U. A. 

LÄNGE: 1 STD 56 MIN


Bevor man in einen Film wie diesen geht, sollte gewiss sein, dass so gut wie alles, was in den nächsten zwei Stunden zu sehen sein wird, eigentlich absolut unmöglich ist. Nein, ein Mensch kann nicht in einer Tiefe von 25.000 Fuß eine beträchtliche Strecke ohne Schutzanzug zurücklegen. Und das auch nicht, wenn er seine Nebenhöhlen entlüftet, wie Jason Statham es tut. Nein, ein Megalodon rudert nicht bis ins seichte Gewässer, um kreidezeitliche Amphibienwesen zu jagen, während diese dann kurze Zeit später in besagter Tiefe von 25.000 Fuß auf menschliche Beute spitzen. In Meg 2: Die Tiefe stimmt so einiges nicht, ist die Physik nur eine Frage künstlerischer Freiheit und Ben Wheatley einer, der eine diebische Freude daran hat, endlich machen zu dürfen, was ohnehin kaum jemand anpacken würde. Vielleicht, weil das Skript so sehr das Mögliche verbiegt, dass es andere beschämen könnte, zu einem Tierterror-Reißer wie diesen Journalisten Rede und Antwort stehen zu müssen.

Die Welt des Films aber bietet genau solche Freiheiten und die Möglichkeit für ausreichend Chuzpe, mit der niemand auch nur im Traum daran denkt, sich für so viel unwahrscheinlichen Murks zu rechtfertigen. Im Film ist alles möglich. Und je unmöglicher und unlogischer, umso neugieriger wird man auch als prinzipieller Monster-Action-Fan, der die französische Comicbuchreihe Carthago von Christophe Bec verschlungen und Megalodons seit jeher bewundert hat. Auch in Carthago erblicken Riesenhaie das Licht der Gegenwart, und nicht nur diese. Allerdings versuchen in dieser Geschichte, deren Heldinnen und Helden den Naturgesetzen zu folgen, auch wenn so einiges im Reich der Fantasie zu verorten ist. Ernsthafter als Meg 2 ist es allemal. Und Meg 2 – den sollte man ohnehin keine Sekunde lang ernst nehmen. Obwohl es niemals so hanebüchen wird wie zum Beispiel im Asylum-Kultstreifen Sharknado – ein Guilty Pleasure mit Fangemeinde und für alle, die mit permanenter Hai-Angst leben.

Es ist kurios genug, dass Ben Wheatley, Autorenfilmer und Kino-Exzentriker (u. a. High-Rise, Rebecca), einen Film wie diesen wählt. Der Grund dafür ist verständlich: Warum denn nicht mal dürfen, was man sonst nie darf. Übertreiben, wo andere die Augen verdrehen. Reuelos einfach draufklotzen und Jason Statham zum neuen Chuck Norris ausrufen, unter dessen Füßen sich die Erde womöglich wegdreht und der Haie zum Frühstück verspeist. Der auch unter gnadenlosem Druck und eisiger Kälte immer noch geistesgegenwärtig potenzielle Prädatoren abwehren kann und gar keine Dekompression braucht, um sekundenschnell wieder auf die Beine zu kommen. Statham ist momentan die coolste Socke des Actionkinos, da fehlt einem wie Chris Hemsworth noch einiges an Gelassenheit. Und da Statham in seinem Kampf gegen Ungetüme ganz bewusst und rotzfrech über die Stränge schlägt, um ein parodistisches Jurassic Park unter Wasser abzufeiern, ist Meg 2: Die Tiefe unter diesen Konditionen erstens besser als das relativ handzahme Original Meg, und zweitens tatsächlich (un)freiwillig spaßig.

Inhaltlich gibt’s kaum etwas zu berichten. Kenner des Originals wissen: es gibt dieses isolierte Ökosystem irgendwo nahe den Philippinen, dort kreucht und fleucht es wie vor 65 Millionen Jahren. Klar bleibt dieser ökologische Schatz nicht unbemerkt, und während Jason Statham als Jonas Taylor samt seinem Team auf Erkundung geht, stoßen diese auf eine illegale Bergbaustation, die wertvolle Erze schürft. Zwischen beiden Parteien gibt’s bald Clinch, und zum fröhlichen Hickhack gesellen sich bald eine Handvoll Haie, die als lachende Dritte aufs Frühstück spechteln. Das ganze bizarre Szenario verlagert sich aus der Tiefe bald an die Oberfläche, und das Chaos ist perfekt. Humoristische Einlagen wechseln mit brachialer Monster-Action, Kreischalarm ist garantiert. Da es diesmal nicht nur Haie sind, die den Menschen das Leben schwer machen, darf man sich auf allerlei gefräßiges Zeugs freuen. Der Trash-Platte ist serviert, samt offensichtlich ignorierten Continuity-Fehlern, die trotz oder wegen ihrer Auffälligkeit gleich im Film behalten wurden, denn auch das macht einen trivialen Reißer wie diesen noch trivialer. Spätestens wenn Statham den Monsterhai mit seinen Füßen abwehrt, gibt’s kein Halten mehr.

Natürlich ist, wenn man das Meg-Franchise in dieser Genre-Nische auch weiterhin verorten will, noch Luft nach oben vorhanden. Will heißen: da lässt sich noch einiges draufsetzen an kuriosen Eskapaden, die gerne noch grotesker ausfallen könnten, frei nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert: Vielleicht erreicht Meg 3 dann jene Sphäre, in der sich satirische Kasperein wie Iron Sky sichten lassen. Wichtig dabei wäre aber nach wie vor, eine gewisse dramaturgische Spannung zu garantieren. Denn die sitzt im Schlauchboot ohne Ruder, den spitzen Zahnreihen der Knorpler widerstandslos ausgesetzt. Spannung entsteht dann, wenn dem Film inhärente Naturgesetze den Plan durchkreuzen. Bei Meg 2: Die Tiefe gibt’s diese fast gar nicht mehr, dafür aber den Spaß an der Freude, prähistorisch baden zu gehen.

Meg 2: Die Tiefe (2023)

Avatar: The Way of Water

DER MENSCH UND DER NEID AUFS PARADIES

8/10


AVATAR: THE WAY OF WATER© 20th Century Studios. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: JAMES CAMERON

BUCH: JAMES CAMERON, JOSH FRIEDMAN

CAST: SAM WORTHINGTON, ZOE SALDANA, STEPHEN LANG, SIGOURNEY WEAVER, KATE WINSLET, CLIFF CURTIS, JAMIE FLATTERS, BRITAIN DALTON, JACK CHAMPION, CCH POUNDER, JEMAINE CLEMENT U. A.

LÄNGE: 3 STD 13 MIN


Da gibt es Kunstwerke auf dieser Welt, die existieren scheinbar schon ewig, doch man hat sie selbst noch nicht gesehen. Die Pyramiden zum Beispiel, den Petersdom oder die Fresken des Michelangelo. Man weiß, dass diese von einer objektiven Schönheit sind, und man weiß, dass, würden diese mal wirklich vor den eigenen Augen in ihrer ganzen Realität erscheinen, wir sie schön finden müssten. Allein schon aufgrund der Art und Weise, wie sie entstanden sind. Und vor allem: wie lange. Das zu respektieren verlangt in gewissem Maße ein positives Feedback des Betrachters. Denn so viel Arbeit verdient, honoriert zu werden. Ist es also ehrlos, wenn der Applaus trotzdem ausbleibt? Viel mehr scheint es wie ein Gruppenzwang, unter welchem man gut finden muss, was die Mehrheit bereits überschwänglich liebt. Sich dem zu entziehen, ist manchmal nicht leicht. Und bei den Werken von James Cameron, die schon irgendwie, zumindest in der Welt des Films, einen gewissen Weltwunder-Status genießen, ist diese den Massen zugetragene Schönheit genauso etwas, was unmöglich nicht gefallen kann. Oder doch?

Beginnen wir mal damit, dass James Cameron, Visionär und Avantgardist in Sachen Film- und Kameratechnik, in erster Linie eben genau das ist: ein Techniker. Einer, der Science-Fiction und alles liebt, was irgendwie mit Wasser zu tun hat. Der so wie George Lucas einst nicht viel darauf gibt, was alles möglich ist, sondern viel mehr wissen will, was alles möglich sein kann. Und so macht er seine Filme. Mit einem Aufwand wie beim Bau der Pyramiden, mit eigens entwickelten Kameras und Methoden, die Bilder liefern sollen, wie das Publikum sie bis dato noch nicht gesehen hat. 13 volle Jahre lang konnte uns Cameron dies versprechen. Bis Mitte Dezember 2022. Denn da sollten wir sehen, ob das Blaue vom Himmel nicht nur eine Seifenblase ist, sondern greifbare Früchte aus dem Olymp des Eventkinos, die sich nun jeder von uns für spendable 20 Euro pro Nase pflücken kann. Wenn man ein Herz hat für Fantasy. Für simple Geschichten voller Pathos. Oder einfach zur Masse dazugehören will.

Eigentlich will ich das nicht. Aber Fantasy-Fan bin ich schon. Und Liebhaber des 2009 über die nichtsahnende Kinowelt hereingebrochenen ersten Teils – Avatar – Aufbruch nach Pandora. Damals hat mich weniger die schwindelerregende 3D-Optik zur Standing Ovation hinreißen lassen, sondern das konsequent bis ins kleinste Detail durchdachte Ökosystem eines fremden Mondes, angefangen von biolumineszierenden Pollen bis hin zu prähistorisch anmutenden Dickhäutern oder drachenähnlichen Flugwesen, mit welchen das Volk der Na’vi in Verbindung treten kann. Und nicht nur mit diesen Echsen können sie das, sondern mit allem. Mit den Pflanzen, mit dem Boden – mit dieser ganzen prachtvollen, so faszinierenden wie gefährlichen Natur, genannt Eywa – die Mutter. Die größte Idee Camerons war dabei aber immer noch jene, die Na’vi mithilfe eines zopfartigen Auswuchses mit Pandora in den Austausch treten zu lassen. Kann sein, dass wir Menschen mangels dieser Möglichkeit und der Tatsache, dass wir uns immer weiter von der Natur entfernen, angesichts dieses Privilegs neidvoll erblassen. Wut und Enttäuschung mischt sich dazu. Die Na’vi haben etwas, was wir nicht haben: Das Verständnis für das große Ganze.

Apropos großes Ganze: 2009 hat Cameron nur gezeigt, was in den tropischen Wäldern Pandoras so los ist. Jetzt bekommen wir die tropischen Gefilde präsentiert, die artenreichen Riffe und das, was jenseits der Riffe so lebt. Von Panzerfischen bis zu fremdartigen Walen. Eigentümlichen Seehasen, die Atemluft spenden oder Ichthyosaurier, die sich reiten lassen. Blickt man auf unsere Erde, so würde das Paradies von Raja Ampat im Nordwesten von Papua dieser Welt am nächsten kommen. Man spürt die tropische Wärme, das warme Wasser auf der Haut, das kühler wird, je tiefer man runtertaucht. Die wogende See und den die Schwüle lindernden Regen. Cameron nimmt sich Zeit, um seine Welt zu erklären. Das ist das, was er am besten kann. Was er noch kann und wir seit Aliens – Die Rückkehr längst wissen: Action inszenieren. Und mit dem Wasser spielen.

Also lässt der Meister des sündteuren Entertainments alles an Kameras auffahren, denen er habhaft werden konnte, lässt das Weta-Team bis zum Umfallen an organischen Texturen arbeiten, vermengt auf perfektionistische Weise Realaufnahmen mit digitalen Welten, die sich anfühlen, als wären sie der Parcour eines PS5-Computerspiels der neuen Generation. Selbst ist man einer der blauen oder aquamarinfarbenen Eingeborenen in vollendetem Performance-Capture und sprintet, schwimmt und taumelt durch ein trunken machendes Jump and Run-Szenario, das von so einer virtuosen Kamera begleitet wird, dass es schier unmöglich wird, nachzuvollziehen, wie ein solches Timing an Schnitt, Kamera und Bewegung die ganze Zeit gewährleistet werden kann. Während Avatar: The Way of Water anfangs oft zurückblickt auf den ersten Teil und in der zweiten Stunde auf Universum-Erkundungstour unter den Wasserspiegel geht, definiert die dritte Stunde das Actionkino neu. Was einst bei Star Wars – Episode IV für Ahs und Ohs gesorgt hat, lässt diesmal wieder die Kinnlade der Schwerkraft folgen. Da entstehen Bilder, die man nicht so schnell vergisst. Stets interagierend mit den geographischen Eigenheiten des Trabanten wie zum Beispiel einer täglichen Sonnenfinsternis, ist das wechselnde Licht des Tages und der Nacht auf der Haut der Na’vi die absolute Königsdisziplin für Kameramann Russel Carpenter und den Effekt-Spezialisten, die gemäldeartige Arrangements schaffen aus Körpern und Tieren, stets im hitzigen Dialog mit einer zerstörerischen Technik, die das Mysterium eines Paradieses unterwandert.

Die Sehnsucht nach dem Paradies ist vielleicht Camerons größte Versuchung, der er sich in jeder Szene hingeben will. Das Streben nach Perfektion in einem Film ist aber nicht immer alles. Kann sein, dass man Gefahr läuft, etwas klinisch Kitschiges abzuliefern. Als würde man eine KI fragen: Wie sieht eine schöne Landschaft aus? Ab und an passiert das hier. Die schwebenden Korallenbrocken sind dann doch zu viel des Guten, das meist strahlende Wetter zur Mittagszeit ein bisschen flach. Pandora sollte genauso ungemütlich sein wie manchmal unsere Welt. Doch diese Katastrophen kommen stets nur in Gestalt einer invasiven Menschheit, die sich nach einer ausgeknockten Erde nun diesen Mond unter den Nagel reißen will. Und da sind wir auch schon bei Camerons größter Schwäche: Die Geschichte selbst. Und ja: für ausgefeilte Plots ist der Mann schließlich nicht berühmt geworden. Weder bei Terminator noch bei Aliens noch bei Titanic. Seine Stories sind simpel und folgen einfachen Mustern. Gut und Böse bleibt gerne strikt getrennt, die Kritik am Raubbau natürlicher Ressourcen wird in universellen Bildern für jede Altersgruppe dargestellt.

Avatar: The Way of Water ist ein Film, an den man sich beim Zusehen erst gewöhnen muss. Oder besser gesagt: Das Auge, welches etwas Zeit benötigt, um einen gewissen Gleichklang aus dem Gesehenen zu machen. Jeder nimmt visuelle Reize anders wahr, mir zumindest fallen die Unterschiede zwischen Szenen mit höherer Bildrate und herkömmlich gefilmten Sequenzen deutlich auf, was aber im Laufe des Films zum Glück homogener wird – so auch der 3D-Effekt, den man bald nicht mehr wahrnimmt, sondern nur die erhöhte Plastizität sich bewegender Körper. Daher ist auch die letzte Stunde die Sternstunde in einem Film, der trotz dieser satten Laufzeit verblüffend kurzweilig erscheint, weil man die Chance bekommt, Hals über Kopf in eine Welt einzutauchen, von welcher man gerne ein Teil wäre. Cameron ist es unterm Strich gelungen, nicht allzu viel mehr versprochen zu haben als er uns letzten Endes gegeben hat. Das Avatar-Abenteuer ist zweifelsohne ein Meisterwerk technischer Präzision. Und das, was wir ohnehin nicht erwartet hätten, enttäuscht uns auch nicht. Genauso wenig wie die Pyramiden oder der Petersdom, von dem wir längst wussten, dass sie beeindruckend sein müssen.

Avatar: The Way of Water

Reminiscence – Die Erinnerung stirbt nie

FRÜHER WAR ALLES BESSER

5,5/10


reminiscence© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2021

BUCH / REGIE: LISA JOY

CAST: HUGH JACKMAN, REBECCA FERGUSON, THANDIWE NEWTON, CLIFF CURTIS, MARINA DE TAVIRA, DANIEL WU, MARTIN SHEEN U. A. 

LÄNGE: 1 STD 56 MIN


Es gab Zeiten, da saß man, mit aufgeschlagenem Fotoalbum am Schoß, auf der Couch und schwelgte in Erinnerungen anhand bereits schon leicht blaustichiger Fotografien, die die eigene Kindheit und Jugend oder einfach nur unvergessliche Momente dokumentierten. Oft sah man sich diese Alben gemeinsam mit anderen an, nicht selten fiel da die eine oder andere Anekdote. Ein herzliches Lachen, ein „Weißt du noch“… Dabei ist nichts gehaltvoller als das eigene Kino der Erinnerungen im Kopf. Denkt man zurück, erlebt man nicht nur die Emotionen nochmal durch, auch das Periphere, Physische. In nicht allzu ferner Zukunft – einer Zukunft im postklimatischen Zeitalter, nachdem der Meeresspiegel längst gestiegen, zum Beispiel die Halbinsel Florida überflutet und die Welt einen nicht näher definierten Krieg überstanden hat – scheint der Mensch in seiner Fähigkeit, sich zu erinnern, so ziemlich verkümmert. Die eigene Kraft der Imagination ist erschöpft, demzufolge gibt es allerdings Techniken, die es möglich machen, in die gedankliche Vergangenheit eines Menschen einzutauchen, damit dieser das Gewesene so erleben kann, als würde es gerade jetzt passieren. Klingt irgendwie nach etwas, das süchtig macht.

Hugh Jackman als Betreiber eines solchen Reminiscence-Salons kann hier täglich den im Wasser dahintreibenden Nostalgikern über die Schulter blicken, um nicht ganz ohne voyeuristischer Tendenz an den Erinnerungen fremder Menschen teilzuhaben. Eines Tages allerdings betritt eine geheimnisvolle Schöne den Laden, um eigentlich nur ihre verlegten Schlüssel zu finden. Aus dieser Begegnung wird natürlich mehr, und Rebecca Ferguson und Hugh Jackman erleben bald die schönsten Stunden und Tage ihres Lebens – bis die Dame verschwindet. Jackman macht sich natürlich auf die Suche – sowohl in seinen Erinnerungen als auch im versunkenen Miami. Und entblättert ein Netz aus Erpressung, Täuschung und Gier.

Lisa Joy, ihres Zeichens mitverantwortlich für den Erfolg der Science-Fiction-Serie Westworld, bleibt mit Reminiscence – Die Erinnerung stirbt nie ihrem Genre treu, verliebt sich aber zugleich in den Stil des alten Film Noir, in welchem sich unter anderem Robert Mitchum, Humphrey Bogart oder Lauren Bacall in obskuren Schicksalen verstrickten. Diese Affinität zum gediegenen Edelkrimi ist Fluch und Segen für diesen Film zugleich. Warum? Einerseits findet Joy ein schillernd-hypnotisches Setting für ihren Liebes- und Leidensweg, mit verlassenen Vergnügungsparks und pittoresken Straßenzügen in Art Deco – andererseits nimmt sie mit ihrer artig zurechtgeschriebenen Kriminalgeschichte der schwülstig-schwülen Stimmungs-Dystopie sehr viel innovativen Esprit. Kurz gesagt: Reminiscence gerät rein narrativ zu einer recht altbackenen, fast schon regressiven Geheimniskrämerei, in der Hugh Jackman mal mehr, mal weniger gut aufspielt. Letzten Endes lässt einen die tragische, aber recht banal wirkende Liasion zwischen den beiden vom Schicksal gebeutelten Stars auch relativ kalt, während man wohl selbst lieber zwischen dem neuen Venedig Floridas herumschippern würde, um so manchen dem Verfall preisgegebenen Monumenten von früher zu begegnen. So ein Erlebnis bliebe sicher gut in Erinnerung.

Reminiscence – Die Erinnerung stirbt nie

Meg

REVOLVERGEBISS MIT LADEHEMMUNG

2/10

 

meg© 2000-2018 Warner Bros.

 

LAND: USA 2018

REGIE: JON TURTELTAUB

MIT JASON STATHAM, LI BINGBING, RUBY ROSE, CLIFF CURTIS, RAINN WILSON U. A.

 

Zugegeben – letztwöchiges Baden auf den Balearen hatte schon so seinen leichten Urlaubs-Thrill, wissen wir doch dank objektiver News, dass weiße und blaue Haie rund um die Inselgruppe des westlichen Mittelmeers vermehrt gesichtet wurden. Die Bilder im Kopf beim Schnorcheln durch relativ artenfreie Zonen brachten exorbitant mehr Spannung in den Alltag als der neueste, weitgehend familienfreundliche Tierhorror aus amerikanischen Landen, vorwiegend unter Beteiligung der chinesischen Film- und Fremdenverkehrsindustrie. Was Stoppelbart Jason Statham da ausbaden muss, geht auf keine Haifischflosse – und zählt mit aktuellem Datum zu den misslungensten Filmen dieses Jahres.

Der Meg oder Megalodon, wie der prähistorische maritime Urzeitriese nicht nur taxonomisch, sondern auch umgangssprachlich genannt wird, steckt natürlich alle rezenten Knorpelfische in die Kiementasche. Früher war alles größer, das freut natürlich den Mainstream, denn der kann ungeachtet der Naturgesetze all das schreckliche Vergangene wiederaufleben lassen. Ein Riesenhai wie Megalodon – das war, soweit ich weiß, bis dato noch nicht da. Keine Ahnung, ob es den bereits in irgendeinem Sharknado-Teil vom Himmel geregnet hat. Fürs Big Budget pflügt der Allesfresser erstmals durchs chinesische Meer – und sollte aber angesichts der versenkten Gurke von Film schnellstmöglich wieder in die Erdgeschichte abtauchen. Das weiß der Zuseher natürlich in den ersten Minuten des Filmes noch nicht, da erfreut man sich sogar noch des gewieften Suspense-Faktors, wenn das Tier in der ersten halben Stunde noch nicht zu sehen ist. Gut gemacht, fast schon Spielberg, möchte man meinen. Das „Fast“ wächst sich aber zu einem niederschmetternden „Absolut nicht“ aus, angesichts eines Drehbuchs, das von Nasenspitze bis Schwanzflosse einfach nicht versteht, wie Spannungsbögen aufzubauen sind. Dem Möchtegern-Haithriller Meg liegt ein storytechnisches Konzept zugrunde, das anmutet wie eine Aneinanderreihung halb ausgearbeiteter Episoden, die dann mangels weiterführenden kreativen Inputs einfach aneinandergeknüpft wurden. In regelmäßigen Intervallen von sagen wir 20 Minuten sackt das bisschen Spannung auf den Nullpunkt ab, um sich erneut wieder hochzuarbeiten zu katastrophalen Ist-Zuständen Marke Mensch gegen Hai, die wir seit Spielbergs Der weiße Hai aus dem Jahre 1975 alle schon mal viel besser und innovativer gesehen haben. Boote kentern, irgendwer fällt irgendwo ins Wasser, entbehrliche Nebenrollen, die von der ersten Sekunde ihres Auftretens an das Stigma der Opferrolle tragen, werden relativ unblutig am Stück verzehrt. Offshore-Forschungsstationen wurden bereits mit weitaus kleineren marinen Killern spätestens ins Deep Blue Sea von Renny Harlin weitaus knackiger und fieser in die Mangel genommen.

Wäre es nicht der ungelenke, hanebüchene Patchwork-Plot des Films, dann wären es die halbgaren CGI-Effekte aus dem Diskonter, die mit 3D-Brille noch zusätzlich um einiges unschärfer und diffuser wirken. Brillanz ist was anderes, das Ausbleiben selbiger fügt sich aber nahtlos an das hölzerne Schauspiel der Protagonisten an, die wohl lieber bei Piranha 3D mitgewirkt hätten als bei dieser zahnlosen Produktion, für die sich ein Regisseur verantwortlich zeichnet, der Romanzen wie Während du schliefst in seinem Oeuvre hat. Dementsprechend genreverwirrt lässt er seine Schauspieler Dinge sagen, die wir aus billigen Asia-Soaps kennen (sofern man die überhaupt kennen will) und eiert über die algigen Planken eines unmotivierten Ökothrillers, bei dem man sich gewünscht hätte, der Peilsender für den Hai hätte bereits das Gift enthalten, das ihm injiziert werden soll. Das hätte allen ein früheres Ende beschert, auch wenn sich der konstante Filmcharakter Jason Statham als barfüßiger Held im Neopren, der anfangs ein bisschen an Terence Hill erinnert, halbgottgleich der 13ten Herkulesaufgabe nur zu gerne gegenüberstellt.

Meg ist eine ärgerliche Enttäuschung, auch wenn Unkenrufer gerne darauf plädieren, dass nichts anderes zu erwarten gewesen wäre. Oh doch, kann ich nur entgegnen. Das ganze Szenario hätte man ordentlich würzen können, so ein Urzeitmonster hätte schon Potenzial für überdimensionierten Tierhorror, der seine Zielgruppe nicht so schamlos unterschätzen müsste und Erwartungshaltungen durchaus untergraben könnte, ohne sich sinkende Besucherzahlen einzutreten. Trotz einiger weniger Schrecksekunden ist Turteltaub´s Hai-Ausflug so prickelnd wie ein Gratis-Cluburlaub mit zwangsbeglückender Heizdecken-Verkaufsshow. Trotz all der vielen Zähne, die da zubeißen, fehlt dem Machwerk jeglicher Biss.

Meg