Die Rosenschlacht (2025)

DIE MISSGUNST DES EITLEN EHEMANNES

4/10


© 2025 Searchlight Pictures All Rights Reserved.


ORIGINALTITEL: THE ROSES

LAND / JAHR: VEREINIGTES KÖNIGREICH, USA 2025

REGIE: JAY ROACH

DREHBUCH: TONY MCNAMARA

KAMERA: FLORIAN HOFFMEISTER

CAST: OLIVIA COLMAN, BENEDICT CUMBERBATCH, ANDY SAMBERG, KATE MCKINNON, NCUTI GATWA, JAMIE DEMETRIOU, ZOË CHAO, SUNITA MANI, BELINDA BROMILOW, DELANEY QUINN, OLLIE ROBINSON U. A.

LÄNGE: 1 STD 45 MIN


„Wuff!“, keift eine angriffslustige Kathleen Turner ihrem nichtsahnenden Ehemann Michael Douglas entgegen, der ein vortreffliches Essen serviert bekommt und gerne wissen möchte, was das Geheimnis hinter diesem kulinarischen Erlebnis wohl sein mag. Dass dabei der hauseigene Hund hat draufgehen müssen, mag stimmen oder nicht: Diese Perfidität schlägt so gut wie alles, was sich Jay Roach in seiner Wennesdennseinmuss-Neuauflage des Rosenkrieges aus dem Jahre 1989 überlegt hat. Denn die Angst namhafter Studios, einen Verlust einzufahren oder nicht genug von dem zu scheffeln, was in die Kassen flutet, ist so groß, dass nun auch schon moderne Klassiker herhalten müssen, die zeitlos genug erscheinen, um nicht neu verfilmt zu werden. Womöglich dauert es nicht mehr lange, und all die Experten für prognostizierten Profit vergreifen sich an Filmjuwelen, die zuletzt so mancher aus der Generation X Geborener am Samstagnachmittag als begleitende Erziehungsmaßnahme in sich aufgesogen hat. Da wären noch Manche mögen‘s heiß oder vielleicht gar Casablanca? Alles von Billy Wilder und so manches von Blake Edwards – letzteres ist ja bereits passiert.

Einen Peter Sellers konnte Steve Martin auch nicht ersetzen. Über seinen Auftritt redet niemand mehr, über den skurrilen Inspektor aus den Sechzigern allerdings schon, genauso wie über Zurück in die Zukunft oder eben Der Rosenkrieg – ein vernichtend komisches Stück Beziehungsdrama mit einem Filmpaar auf Augenhöhe, leidenschaftlich bis in die Unterkleider – wütend, gemein, verzweifelt. Und saukomisch. Während Marianne Sägebrecht als Haushälterin im bayrischen Akzent beschwichtigen will und nicht fassen kann was passiert, und Danny DeVito als juristischer Sidekick mit unterschwelliger Schadenfreude noch Öl ins Feuer gießt, feiert der boulevardeske Nihilismus einer Zweisamkeit ein wildes Spektakel ohne Atempausen. Was man von Die Rosenschlacht (Danke für diese ausgeklügelte Differenzierung, sonst könnte man ja meinen, man säße im alten Film) nicht sagen kann, denn die atmet streckenweise so tief durch, dass einem die Sternchen vor den Augen tanzen. Und damit meine ich nicht, dass Roachs Komödie so schillernd daherkommt. Wohl eher ist es gepflegte Langeweile, sind es ausufernde Anläufe, bis es endlich mal so weit ist, bis beide getrennt von Tisch und Bett sich gegenseitig die Hölle heiß machen. Um das zu erreichen vergehen gefühlt zwei weitere Filme, selbst Benedict Cumberbatch und Olivia Coleman fadisieren sich zusehends, weil die eskalierende Geschichte so dermaßen straight angelegt ist, als würde man stundenlang den Tamiami-Trail in Florida entlangfahren. Der Sekundenschlaf wäre da fast schon garantiert, würden Coleman und Cumberbatch nicht alle Register ihres komödiantischen Könnens ziehen.

Zugegeben: Ja, die beiden sind klasse. Sie tun, was sie können, in einem Film, der nicht tut, was er kann, sondern fast schon zu beliebig und nicht wirklich sehr von sich selbst überzeugt Danny DeVitos Prachtstück von Groteske nacherzählt, so als hätten andere die Pointe ihres Lieblingswitzes vergessen, aber ungefähr so lief dieser ab und durch die dabei entstehende Situationskomik darf man durchaus schmunzeln, wenn schon nicht lachen. Das Lachen nämlich, das blieb in den Achtzigern noch im Halse Stecken, weil es erschütternd und durchaus auch todtraurig gewesen war, zwei ehemals Verliebten dabei zusehen zu müssen, wie ein Leben in die Brüche geht. In der Neuauflage verschieben sich die Beweggründe für den Zwist, wird der Mann zum entmannten Neider und werden Rollenbilder einem Praxistest unterzogen, den Cumberbatchs Figur natürlich nicht besteht. So trägt Die Rosenschlacht deutlich mehr feministische Züge, was dem Krieg aber zu viele Hausaufgaben aufdrängt, die viel zu brav erledigt werden.

Statt messerscharfem Wortwitz übertüncht Roach so einiges mit derben Zoten und vulgären Ausdrücken, die damals gar nicht notwendig waren – ein Zeichen für eine gewisse Ohnmacht im Texteschreiben. Letztendlich ist man froh, wenn der häusliche Tumult losbricht, Ungesagtes gesagt wird und die bittere Erkenntnis in Cumberbatchs Mindset sickert. Doch da ist vieles schon egal, und die Frage nach der Notwendigkeit dieses recht desperat auf die Leinwand gehievten Remakes recht klar beantwortet.

Die Rosenschlacht (2025)

Challengers – Rivalen (2024)

DREI FÜR EIN DOPPEL

7/10


challengers© 2023 Metro-Goldwyn-Mayer Pictures Inc. All Rights Reserved.

LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: LUCA GUADAGNINO

DREHBUCH: JUSTIN KURITZKES

CAST: ZENDAYA, JOSH O’CONNOR, MIKE FAIST, DARNELL APPLING, A. J. LISTER, NADA DESPOTOVICH, NAHEEM GARCIA, HAILEY GATES, JAKE JENSEN U. A.

LÄNGE: 2 STD 11 MIN


Tennis? Nein danke. Zumindest nicht im Sportprogramm. Ich weiß zwar, das einer wie Dominik Thiem unlängst seine Karriere beendet hat, dass es Größen wie Steffi Graf, Andre Aggassi und den Österreicher Thomas Muster gegeben hat. Dass es die French- und US Open gibt und Wimbledon oder die Flushing Meadows (oder ist das Golf?). Doch sonst könnte ich, ganz so wie bei Baseball, eigentlich nicht aus dem Stegreif darüber Auskunft geben, nach welchen Regeln der halbharte Filzball über das Netz gedroschen wird. Da werde ich auch bei Sichtung diverser Tennisfilme nicht schlau, die mich aber eher abholen als der Stöhn-Sport an sich. Filme wie Battle of the Sexes oder King Richard sind sehenswert, weil sie vielmehr erörtern, welche sozialen oder gesellschaftlichen Mechanismen dahinter aktiv werden. Um Tennis geht es in den Filmen nur peripher. Genauso wie bei Luca Guadagninos Challengers – Rivalen. Natürlich verortet sich diese Geschichte im Sportfilmgenre, doch abschrecken sollte man sich davon nicht lassen. Da wird Zendaya schon ihr Übriges tun, um auch Tennis-Banausen ins Kino zu bringen. Zendaya ist ja mittlerweile längst nicht nur Schauspielerin, sondern auch Trend-Ikone und Glamour-Girl, aber eine gern gesehene, da sie sich, wie des Öfteren berichtet wird, ganz natürlich gibt, ohne groteske Allüren. Zendaya spielt in Challengers übrigens wirklich groß auf – noch größer als in Villeneuves filminantem Dune-Nachtrag. Sie ist sexy, verführerisch, aber auch selbstbewusst, bisweilen arrogant und egozentrisch. Sie ist sensibel und gleichzeitig toughe Sportlerin, die anderen einheizt. Diese Nuancen bringt Zendaya alle auf den Punkt, ihre Rolle ist also nie langweilig, vorallem deswegn nicht, weil sie weiß, wie sie Emotionen lebt, die sie mit anderen kaschieren muss, weil es die Blase, in der sie existiert, eben verlangt.

Ihr gegenüber und sehr schnell ausgeliefert sind Josh O’Connor (zuletzt gesehen in Alice Rohrwachers Schatzsucher-Allegorie La Chimera) und Mike Faist (West Side Stoy), die am Anfang des Films noch grünohrige Teenager sind, die sich von Zendaya um den Finger wickeln lassen und ehe sie sich versehen, von ihr ausgespielt werden. Sie nutzt die Strebsamkeit der beiden im Tennissport, um sie zu manipulieren. Wer gewinnt, bekommt ihre Nummer. So einfach ist das. Und so folgenschwer, betrachtet man die latent homosexuelle Freundschaft der beiden, die sich von der Unterstufe her kennen und im Leben bislang alles gemeinsam machten. Zendayas Figur der Tashi Duncan, längst Juniorprofi im Tennissport und adidas-Testimonial, hat die Zügel fest im Griff, die beiden jungen Männer spielen den Sport nach ihrer Pfeife. Bis – und das kann gar nicht verhindert werden – Neid, Missgunst und Rivalitäten das Leben von allen dreien auf völlig neue Pfade schickt. Vorallem auch, weil Tashi nach einem Unfall auf dem Tenniscourt ihre Karriere wohl ad acta legen muss, stattdessen coacht sie den einen der beiden, Art Davidson, der sich im Laufe der Jahre zum Profi mausert. Natürlich spielt auch der andere, Patrick Zweig, eine Rolle. Denn was mal war, lässt sich nicht auslöschen. Und die Zweifel darüber, was Tashi eigentlich will, hält die Dreiecksbeziehung über einen epischen Zeitraum von rund dreizehn Jahren am Laufen.

Luca Guadagnino war niemals wieder so gut wie damals, als er Call Me by Your Name, das sommerfeuchte Liebesdrama zwischen Armie Hammer und Thimothée Chalamet auf die Leinwand brachte. Grandioses Kunstkino, erotisch und virbierend; ein Werk, dem man sich nur schwer entziehen kann. Diese Intensität erreicht er auch mit Challengers nicht mehr wieder – was das schweißperlende Drama einer Freundschaft aber immer noch sehenswert genug sein lässt. Die Art und Weise, wie er auch diesmal Verlangen, Begehren, Wunsch und Wirklichkeit aufdröselt, ist mit feiner Klinge geführt. Szenen der romantischen Schwere wechseln mit kühlen Konfrontationen, die mit heftigen musikalischen Rhythmen unterlegt sind. Die Erotik am Tennisplatz und im Bett beruht längst nicht nur auf trivialen Nacktszenen. Gesichter, Blicke, Mimiken, nackte Beine und gezeichnete Körper verorten den Leistungssport auch im Zwischenmenschlichen. Dabei wird Challengers nie garstig oder kriminell. Die Spannung des Films liegt naturgemäß in der Rivalität der beiden Männer, der Film ist auch ihre Geschichte, und Zendaya eigentlich nur die treibende Kraft oder der Auslöser hinter einem nie verarbeiteten Konkurrenzkampf, der vielleicht das Zeug dazu hat, irgendwann das Ventil einer nie ausgelebten Sehnsucht zu öffnen. Womit wir wieder bei Call Me by Your Name wären.

Challengers – Rivalen (2024)

Cruella

RACHE WIRD SCHWARZWEISS SERVIERT

7,5/10


cruella© 2021 The Walt Disney Company


LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: CRAIG GILLESPIE

CAST: EMMA STONE, EMMA THOMPSON, PAUL WALTER HAUSER, JOEL FRY, MARK STRONG, EMILY BEECHAM U. A. 

LÄNGE: 2 STD 13 MIN


Es ist wie es ist: Die Bösen sind die Guten. Sie sind die, an die man sich erinnert. Sie sind die besseren Charakterköpfe und sprechen als psychisch labile Schmerzensschwestern und -brüder den eigenen alltäglichen Unzulänglichkeiten viel mehr aus der Seele als jemand, der alles im Griff hat. Der Neid könnte einen fressen bei jenen, die sich herkulesgleich die Schulter entstauben. Doch was wäre das – andersherum – für ein ethisches Weltbild? Es wäre erschütternd – aber griffiger. Das Böse ist immer verführerischer. Das Böse bietet viel mehr Bühne. Zum Beispiel für einen Straßenclown, der zu Batmans Nemesis wird. Oder für einen ungestümen Jedi, der drei Sequel-Teile lang zu Darth Vader mutiert. Sie alle haben ihre eigenen faszinierenden Origin-Story, da sich die dort innewohnende zynische Weltsicht so verlockend frei anfühlt. Die vorab erlittenen Schicksale bleiben dabei entbehrlich. Nur das Endprodukt fährt – der Rest macht es nur nachvollziehbar.

Zu den klassischen Antagonisten Hollywoods zählt natürlich auch jene Dame, die man eventuell als Joker der Modewelt bezeichnen könnte. Der Teufel trägt also Prada? Mitnichten – denn Cruella de Vil hat ihre eigene Kollektion. Im Zeichentrick-Kultfilm 101 Dalmatiner ist sie es, die davon träumt, einen Mantel aus Dalmatinerfell zu besitzen und den Rassehunden Pongo und Perdita hinterherjagt (oder besser gesagt: sie lässt hinterherjagen), da sie es ja nicht nötig hat, einen Finger zu rühren. Wie es dazu kommt? Die Antwort darauf hat nun Craig Gillespie hingelegt – und lässt dabei Emma Stone die Gelegenheit beim Schopf packen. Die wird nach dem gewaltsamen Tod ihrer Mutter in London von den zwei Waisen Jasper und Horace (wir erinnern uns an den Zeichentrickfilm) gefunden und kurzerhand in ihre Diebesgang aufgenommen. Die Brieftaschen der Londoner Bevölkerung stapeln sich in deren Unterschlupf. Die Zeit vergeht und Estella, die ihre Liebe zu Schneiderei und Mode an sich selbst auslebt, träumt davon, in der superschicken Modeboutique der Stadt zu arbeiten. Die Gelegenheit ergibt sich bald, allerdings beschränken sich da die Aussichten auf den sanitären Bereich. Doch auch später meint es das Schicksal gut – und wie durch eine Fügung desselben landet der kreative Kopf im Atelier der Modezarin Baroness von Hellman. Einer Patronin, angesichts jener Meryl Streep als Miranda Priestley fast schon erscheint wie Mutter Theresa. Doch so viel Herzenskälte ist fast schon egal – wenn Estella tun kann, was sie immer schon tun wollte. Bis sie dahinterkommt, dass die affektierte Lady so einiges mit dem Tod ihrer Mutter zu tun hat.

Viel schiefgehen kann da wirklich nicht, wenn sich Emma Stone ins Zeug legt. Die Oscar-Preisträgerin für La La Land ist auch diesmal wieder ein Energiebündel an Ausdrucksstärke und Emotion – fad geht anders. Da kommt so eine schillernde Antagonistin wie Cruella de Vil wie gerufen. Liebend gern schlüpft Stone in ihre Outfits, stolz trägt sie das schwarzweiße Haar. Am anderen Ende der Kippschaukel: Emma Thompson – sowieso immer gern gesehen, diesmal aber suhlt sie sich in ihrer heillos überzogenen Karikatur der erfahrenen, toughen Geschäftsfrau zwischen Dürrenmatts alter Dame und Ebenezer Scrooge. Das ist so plakativ, dass es schon weh tut – aber das soll es auch. Und es macht Spaß, zu sehen, wie die beiden Emmas ihren Spaß haben, wenn sie sich die Kleiderpuppen um die Ohren hauen und sich gegenseitig darin übertrumpfen wollen, wer das bessere Outfit trägt. Dabei untermalt Gillespie sein Bad-Girl-Origin mit allerlei bekannten Songs vergangener Jahrzehnte, welche die eskalierende Dramatik nochmal unterstreichen.

Cruella ist die Antwort Disneys auf das Ikonenuniversum von DC. Dabei scheint es für den Mauskonzern durchaus okay zu sein, hier nicht die ganze Familie vor die Leinwand bzw. vor den Bildschirm zu holen. Cruella mag die Kids wohl eher nicht betören – für alle anderen ist das vergnügliche Erstarken einer hundeverachtenden Drama Queen ein atmosphärisch dichtes Realfilmerlebnis, das es tatsächlich schafft, den Eindruck zu vermitteln, mitunter das Ganze in Zeichentrick zu sehen. Und überdies: hätte der Joker nicht schon seine Harley QuinnCruella de Vil wäre eine ernsthafte Konkurrenz.

Cruella

The Dinner

ANGESPEIST STATT ABGESPEIST

6,5/10


thedinner© 2017 Tobis Film


LAND / JAHR: USA 2016

REGIE: OREN MOVERMAN

CAST: RICHARD GERE, STEVE COOGAN, LAURA LINNEY, REBECCA HALL U. A. 

LÄNGE: 2 STD 1 MIN


Also ganz ehrlich – um gemeinsam mit anderen, mir nicht sonderlich unter die Nase gehenden Personen Probleme zu wälzen, dafür buche ich sicherlich nicht ein sündteures Dinner in einem der nobelsten Lokale weit und breit. Eine Stange Geld für einen möglichen Disput mit meinem Gegenüber? Das selbst gezüchtete Junggemüse und das Sorbet auf welchem Spiegel auch immer verlieren da ihre Bedeutung – aber das ist einem Abgeordneten wie Stan Lohman ziemlich egal. Er hat Mammon wie Heu und steht kurz vor der Wahl zum Gouverneur. Wäre da nicht die Sache mit seinen Kindern und den Kindern seines Bruders, einem psychisch labilen Geschichtsprofessor, den das verheerende Grauen von Gettysburg nicht mehr loslässt. Diese Teenie-Kids haben da etwas ausgebrütet, dass sich nicht so mir nichts dir nichts unter den Tisch kehren lässt. Kurzum: Sie haben ein Verbrechen begangen. Wie mit diesem Verbrechen umgehen? Um das zu klären sitzen die beiden samt ihren Ehefrauen am runden Tisch inmitten dieses noblen Ambientes. Und während dieses Abends, der sich vom Aperitif bis zum Digestif hangelt, kommt so einiges hoch, was man vorab niemals geahnt hätte.

Da ist er wieder – Richard Gere in klassisch snobistischem Look, gefällig und geschäftig, mit lässiger Mähne und diplomatischem Gehabe. In einem Film, den wohl die wenigsten bislang auf dem Schirm hatten, der aber über weite Strecken durch eloquente und hitzig diskutierte Dialoge besticht und auch so einige Fragen aufwirft, die man als Erziehungsberechtigte wohl gar nicht mal so schnell beantworten könnte. Irgendwie erinnert The Dinner vor allem in seiner Ausgangssituation an Yazmina Rezas Theaterstück Der Gott des Gemetzels, welches ja bekanntlich von Roman Polanski unter anderem mit Jodie Foster und Christoph Waltz verfilmt wurde. Dort, in diesem vielmehr ironischen Kammerspiel, ist die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen zwei Burschen der Grund, warum zwei Elternpaare sich bemüßigt fühlen, zusammenzutreffen, um den pikanten Umstand auszudiskutieren. In Der Gott des Gemetzels kommen die vier letzten Endes keinen Schritt weiter, während die Kids sich längst versöhnt haben. In The Dinner ist der Grund für diese Conference größeren Kalibers, und es steht viel mehr auf dem Spiel als nur eine Freundschaft. Richard Gere gegenüber agiert Steve Coogan als exzentrischer, intellektueller Zyniker mit Kindheitstrauma überaus beeindruckend, vehement und in seiner Manie zutiefst beharrlich. Ergänzend dazu: Laura Linney und Rebecca Hall, die nichts Unwesentliches zur Stimmung des Abends beitragen.

Im Ganzen hat The Dinner – ein Film, der auf dem Roman Angerichtet von Herman Koch beruht – durchaus starke Momente, wenngleich das Ensemble mehr in der Peripherie der schmucken Location herumirrt als dass es zu Tisch sitzt, dafür lassen allerlei Rückblenden, die sich manchmal aber zu sehr in heeresgeschichtlicher Besinnung verlieren, den Film nicht zum puristischen Dialogdrama werden. Hier gibt es allerlei Substanz, spitzzüngig formuliert und letzten Endes sind die schwelenden Feuer von Gettysburg nur eine Metapher für die bitteren Früchte einer Niederlage, und den Opfern, die notwendig sind, um sich da rauszuwinden.

The Dinner

Das Vorspiel

ÜBUNG HASST DEN MEISTER

5/10

 

vorspiel© Judith Kaufmann

 

LAND: DEUTSCHLAND, FRANKREICH 2019

REGIE: INA WEISSE

CAST: NINA HOSS, ILJA MONTI, SIMON ABKARIAN, SOPHIE ROIS, JENS ALBINUS, SERAFIN GILLES MISHIEF U. A. 

 

Bis das Spiel auf der Geige wirklich gut klingt, braucht es strenge Disziplin beim Üben. Minimum zwei Stunden täglich, zuzüglich der eigentlichen Lehreinheiten an der Schule. Wenn der Nachwuchs da nicht voller Ehrgeiz hinter seinem Instrument steht, wird daraus meist nicht mehr als das Vorführen musikalischer Errungenschaften im Familien- und Freundeskreis. Ergänzendes Allgemeinwissen, schön und gut. Keine Frage, durchaus sinnvoll. Ein Brotverdienst wird das keiner, da braucht es Leidenschaft und kein Gefühl des Verlusts von Freizeit mehr. Alles andere aber scheint Nötigung, vor allem dann, wenn die Eltern wollen, das Kind aber nicht. Das Kind zwar enormes Talent, für das Fideln unterm Kinn aber kaum etwas übrig hat. Das geht einer Mutter, die selbst musiziert, ordentlich ans Gemüt. Nina Hoss spielt so jemanden – eine Musiklehrerin für Geige, die einen verhaltensauffälligen Sohn hat, dessen täglicher Wortschatz in eine Notenzeile auf A4 passt. Warum dieses Separieren in den eigenen vier Wänden? Warum diese Ablehnung der Mutter? Das Problem lässt sich anfangs nur erahnen: Mutter Hoss hat sich im Rahmen einer Audition für neue Talente einen nicht weniger eigenartig schüchternen Burschen geangelt, in dem sie gutes Potenzial entdeckt. Der auch lernfähig ist, annimmt, was die Tutorin ihm sagt und dem Instrument wohlklingende Töne abringt, die Johann Sebastian Bach und Co wohl befriedigende Blicke entlockt hätten. Der lakonische Sohnemann allerdings will nicht so recht, wird von Mama auch öfter korrigiert, obwohl sie ihn gar nicht unterrichtet. Aber so scheint es in Musikerfamilien zuzugehen, wo selbst der Papa als Instrumentenbauer sein Geld verdient. Und wenn einer da andere Saiten aufzieht, wird er zum Außenseiter. Oder doch nicht?

Elterlicher Druck auf den Nachwuchs geht vor allem in Dingen der frei wählbaren Beschäftigung, die Übung erfordert, nach hinten los. Entweder sieht man später als Erwachsener über den damaligen Drill hinweg oder aber man verzeiht das den Eltern nie. Oder man wird zum psychosozialen Sonderling. Die Jungdarsteller in Ina Weisses Talentedrama sind bereits jetzt schon eigenartige Wesen, die kaum Sympathien wecken. Der eine scheinbar ein Soziopath, der nach Anerkennung strebt. Der andere gehemmt bis unter die Zehennägel. Womöglich ein Kind aus strengen autoritären Verhältnissen, obwohl die Mutter gar nicht mal so wirkt. Ein Schüler Gerber könnte aber dennoch nicht weit sein. Ein Satansbraten aber genauso wenig. Wobei – abgesehen von den Kindern, die seltsam verstören, liefert Nina Hoss mit ihrer erratischen Filmfigur ebenfalls ein unterkühltes Psychogramm, das in zähen Gedanken versunken bleibt. Der Vergleich mit Whiplash aber, der geht sich nicht ganz aus. Wo Damien Chazelle den Leistungsdruck konkretisiert, schludert Das Vorspiel gleichsam an den Ansätzen eines Lehrer-Schüler- oder Mutter-Sohn-Konflikts herum. Wobei – spannend wird der familiäre Lokalaugenschein zwischen Ehrgeiz und Eifersucht bis zum Schluss nicht mehr. Auch kommt der Plot nicht wirklich in die Gänge, gerade mal am Ende spitzt sich die Lage zu, was natürlich zu erwarten war. Die Prämisse ist nichts Versöhnliches, hat etwas abstoßend Eigennütziges. Der kühl berechnende Filius hat in dieser unbequemen Studie über Rivalität und Wettstreit alle Karten in der Hand, die der Bessere, der die dunklen Gedanken der Intrige nicht braucht, alle verloren hat. Auch Nina Hoss sucht den Einklang mit ihrem Sohn, die im Eifer einer hanek´schen, ansatzweise gewissenlosen Mutterrolle in dessen perfidem Tun Genugtuung findet.

Das Vorspiel wirft kein behagliches Licht auf die nach Perfektion strebende Welt des Musizierens, wo jeder so sein will wie Mozart. Oder die anderen es für einen wollen.

Das Vorspiel