Glass

BITTERE PILLEN FÜR PINKY & THE BRAIN

6,5/10


glass© 2019 Universal Pictures 


LAND / JAHR: USA 2019

BUCH / REGIE: M. NIGHT SHYAMALAN

CAST: JAMES MCAVOY, BRUCE WILLIS, SAMUEL L. JACKSON, SARAH PAULSON, ANYA TAYLOR-JOY, SPENCER TREAT CLARK, CHARLAYNE WOODARD, LUKE KIRBY U. A.

LÄNGE: 2 STD 9 MIN


Sie sitzen nicht in Arkham Asylum, aber immerhin in einer Psychiatrie, die weniger so aussieht wie Bates Motel: Drei Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Der eine unverwundbar, der andere so klug, dass er all seine Mitmenschen unter den Tisch taktiert, und der dritte bringt sowieso gleich dreiundzwanzig weitere Identitäten mit, die sich alle vor der vierundzwanzigsten und letzten fürchten, die da die Bestie genannt wird. Wir, die Kenner von M. Night Shyamalans eigentümlicher Superhelden-Trilogie, wissen noch genau, was Kevin Wendell Crumb in Gestalt eines eifrig auf die Differenzierung seiner Charaktere konzentrierten James McAvoy der jungen Anya Taylor-Joy alles abverlangt hatte, als er sie eingesperrt hielt, mit noch ein paar Mädchen mehr. Der Psychothriller aus dem Jahr 2016 hieß Split. Gehen wir noch weitere 16 Jahre zurück – ja tatsächlich, 16 Jahre – dann landen wir beim Superheldendrama Unbreakable – Unzerbrechlich. Mit so viel Abstand zwischen den Filmen lässt sich nur von einer losen Trilogie sprechen, die sich nicht allzu viel auf ihre Vorgänger berufen darf. Aber natürlich: schnell ist es passiert und Teil 1 und 2 sind nachgeguckt, um dann nahtlos mit Glass starten zu können, der das Schicksal aller drei Pro- oder Antagonisten (man weiß es nicht so genau) in seinen Händen hält.

Und so sitzen sie Dr. Ellie Staple (Sarah Paulson) gegenüber, einer Psychiaterin, die davon überzeugt ist dass sich keiner des Trio Infernal das Prädikat Superheld an die Fahnen heften kann. Was sie antreibt oder quält, sind lediglich pathologische Symptome, vorwiegend die Psyche betreffend. Dr. Glass erliegt dem Wahn, der Welt unbedingt mitteilen zu wollen, dass Superhelden existieren. Wendell Crumb ist offensichtlich ein Opfer seiner vielen multiplen Persönlichkeiten – und David Dunn? Könnte dank eines genetischen Defekts als bester Stuntman der Welt Karriere machen. Um den beiden Berserkern wie James McAvoy und Bruce Willis die Welt rechtmäßig zu Füßen zu legen – dafür ist Mr. Glass viel zu sediert. Er kauert ihm Rollstuhl, mit windschiefer Frisur und leerem Blick. Doch wieviel davon ist nur Tarnung? Und wer von den dreien ist wohl der Gefährlichste? Doch nicht etwa the Brain, jene Maus, die die Weltherrschaft erlangen will, während Pinky als tumber Haudrauf an ihrer Seite mit den Fäusten fuchtelt? Genau darauf aber läuft es hinaus. M. Night Shyamalan entwirft mit seinem kammerspielartigen Abschluss eine seriöse Pinky & Brain-Version seiner erdachten Comicfiguren. Einen Escape-Irrenhaus-Thriller oder Ausbruchsfilm, je nachdem, wie man die Institution, in der die drei untergebracht sind, wahrnehmen will.

Wie sinnvoll allerdings ist es, allen da draußen zu verkünden, dass Superhelden existieren? Eine gesellschaftspolitische Grundsatzfrage, die gefühlt fast 90% aller Comics zugrunde liegt, egal, ob Marvel, DC oder Dark Horse. M. Night Shyamalan bemüht sich aber, diese Frage so aussehen zu lassen, als wäre er der erste, der sie stellt. Wie wirkt sich das aus, wenn einer allein so viel Potenzial hat, um sich über alle Gesetze zu stellen? Wenn niemand ihm oder ihr etwas anhaben kann? Die Welt in The Boys zittert seit der ersten Folge der ersten Staffel, ob nicht einer der Sups sehr bald durchdrehen wird. Natürlich, das bringt eine Menge Probleme mit sich, wenn psychisch labile Persönlichkeiten (und das sind sowieso fast alle, die sich damit auseinandersetzen müssen, anders zu sein) die Faust auf den Tisch knallen, womöglich ohne Rücksicht auf Verluste. Genau darauf spielt Shyamalan an, und er liebt es, all dieses Legendenhafte seit den Comic-Anfängen auf seine verquere Art zu interpretieren. Helden, so der Meister des Mystery-Suspense, können niemals so integer, gerecht und wie Gandhi losgelöst von den eigenen Bedürfnissen sein, um als solche, eben Helden, die Welt in der Waage zu halten. Helden können nicht existieren, ohne dass irgendjemand keinen Schaden nimmt. Wenn, dann gestaltet sich ihr Auftreten als anarchischer Haufen einer Suicide Squad mit unberechenbaren Gemütslagen und natürlich sämtlichen Achillesfersen, die wie Krypton oder im Falle von David Dunn eben Wasser den ganzen Metabolismus in Mitleidenschaft ziehen.

Glass ist viel mehr analytisches Portrait als phantastischer Thriller. Das war Unbreakable – Unzerbrechlich auch schon. In einer enorm verletzbaren Welt wie die, in welcher Shyamalans Trilogie seine Handlung setzt, ist die Diskrepanz zu den gezeichneten Panels größer als irgendwo sonst. Umso fremdartiger und absurder wirkt der Gedanke, sich mit dem Unmöglichen zu arrangieren. Somit ist die unvermeidbare Götterdämmerung, die abseits spektakulärer Bilder und weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit vonstatten geht, die einzig mögliche Konsequenz.

Glass

Everest – Ein Yeti will hoch hinaus

TERRAFORMING IM SUMMTON

7/10

 

everest© 2019 Universal Pictures Germany

 

LAND: USA 2019

REGIE: JILL CULTON, TODD WILDERMANN

MIT DEN STIMMEN VON (ORIGINAL): CHLOE BENNET, SARAH PAULSON, ALBERT TASI, TENZING NORGAY TRAINOR, TSAI CHIN U. A.

 

Wen der Sinn nach etwas Weichem, Großem, Flauschigem steht, und der kleine Eisbär aus dem Zoo gerade mal unter Ausschluss der Öffentlichkeit sein junges Leben genießt, der kann dieses weiße Flauschige aber auch gern im Heimkino betrachten – und zwar im Animationsabenteuer aus der Dreamworks-Schmiede mit dem Titel Everest – Ein Yeti will hoch hinaus. Da sieht man außerdem wieder, wie unterschiedlich Filmtitel sein können. Die eingedeutschte Version ist wiedermal komplett etwas anderes als das Original genannt werden will – nämlich Abominable, was soviel heißt wie hässlich, grässlich und so weiter. Natürlich verkauft sich ein Film mit dem Titel Grässlich wohl weniger gut. Da ist Everest schon besser, und Yetis sind auch meist gern gesehene, unbeholfene Riesen, im Grunde gutmütig und vielleicht wirklich ein kryptozoologisches Geheimnis, auch wenn Reinhold Messner seine Sichtung wieder revidiert hat.

Yetis gab’s schon in der Monster-AG, vorwiegend bayrisch redend. Auch in Smallfoot oder kürzlich gar in Missing Link als eisige Version des Bigfoot, der sich in dem wunderbaren und leider bei den Oscars sträflich übergangenen Laika-Abenteuer auf die Suche nach seinen Artverwandten macht. Everest setzt ebenfalls auf bereits publikumserprobte Elemente, Charaktere und Plot. Nur nichts riskieren, alles hübsch ausgewogen zwischen kindgerechter Dramatik und jeder Menge Humor, die das magische Fellknäuel für sich verbuchen kann. Aber auch wenn wir hier in keinster Weise etwas Neues entdecken, ist Everest vor allem und in jedem Fall aufgrund seiner liebevollen Ausarbeitung und seiner visuellen Details ein berauschender Hingucker. Alles beginnt in einer nicht näher erwähnten chinesischen Großstadt, Heldin des Films ist eine nonkonforme Halbwaise, die ihrer übrigen Familie aus dem Weg geht und auf dem Dach ihres Hauses zufällig auf einen ganz anderen Außenseiter stößt, dessen Andersartigkeit aber Häscher auf den Plan gerufen hat, die dem Nichtmensch ans Fell wollen. Aus wissenschaftlichen oder was für Gründen auch immer. Klar, dass dann die beiden inklusive weiterer Freunde auf der Flucht Richtung Himalaya sind. Während dieser Tour wird erst so richtig klar, welche Skills der drollige Riese eigentlich auf Lager hat – welche von der magischen Sorte, die in einem gewissen Sinne die Natur verstärken, vergrößern und verformen können. Dazu gehören sogar auch Klänge, die das Mädchen Yi mit der Geige ihres verstorbenen Vaters erzeugen kann.

Die Komponente mit der Violine, die erinnert stark an Laikas Fantasymärchen Kubo – Der tapfere Samurai, in welchem sich gleichnamiger Sohn eines verstorbenen Kriegers mit seiner magischen Laute dem bösen Mondkönig entgegenstellen muss. Das Mädchen Yi muss zwar nicht so finsteren Mächten Paroli bieten, darf aber mit Yetis Hilfe so manche Naturgesetze aus den Angeln heben, was zauberhaft anzusehen ist und Charakterdesignerin und Jagdfieber-Regisseurin Jill Cultons Ökomärchen weg von gefälliger Reißbrettkomik hin zu elegisch-spektakulärem Bewältigungskino bringt,  ziemlich nah am Disney-Stil, nur wird in Everest kaum gesungen, das höchste der musikalischen Gefühle ist das stimmige Spiel mit der Violine. Die Ziele der Reise? Klar, eine Handvoll Coming of Age und der obligate Wert von Familie, den Hollywood nicht genug zelebrieren kann und der nicht nur den Menschen wichtiger ist als alles andere. In Zeiten wie diesen wichtiger denn je.

Everest – Ein Yeti will hoch hinaus

Der Distelfink

DAS GLÜCK IST EIN VOGERL

5/10

 

distelfink© 2019 Warner Bros. Pictures Germany

 

LAND: USA 2018

REGIE: JOHN CROWLEY

CAST: ANSEL ELGORT, OAKES FEGLEY, NICOLE KIDMAN, JEFFREY WRIGHT, LUKE WILSON, SARAH PAULSON, ASHLEIGH CUMMINGS, FINN WOLFHARDT U. A.

 

Wie lange sitze ich denn jetzt schon hier im Kino? Es fühlt sich an wie ein ganzer Nachmittag, obwohl die Länge des Filmes nur zweieinhalb Stunden beträgt – das bringt eigentlich schon jeder Blockbuster auf die Reihe, doch John Crowleys neuer Film Der Distelfink ist fast schon eine Art Paradoxon: Seine inhaltliche Epik sprengt den zeitlichen Rahmen in einer seltsam anderen Dimension. Was der verfilmte Roman erzählt, geht, so könnte man sagen, auf keine Kuhhaut, oder entzieht sich gerne dem völlig natürlichen Begriff vom Vergehen der Zeit. Nach zweieinhalb Stunden ist das Popcorn schon seit Ewigkeiten aufgegessen, jede Sitzposition eingenommen und die Gedanken vielleicht schon auf dem Heimweg. Eine Auszeichnung für einen gelungen Film ist das allerdings nicht. Gelungen wäre er dann, ließe sich die Dauer dessen nicht so greifbar spüren. Oder wäre die Dauer dessen sind so exorbitant verzerrt.

Andreij Rubljow von Andeij Tarkowski ist auch so ein Epos. Auch nicht deutlich überlang, aber gefühlt ewig. Oder die Verfilmung von Thomas Manns Buddenbrooks mit Armin Müller Stahl. Ein Schmöker fürwahr, filmtechnisch aber auch relativ eingestrichen, um ihn überhaupt schaubar zu machen. Längen von knapp 3 Stunden übersteigen diese Filme alle nicht. Das sollte man doch aushalten können. Ja, man hält es aus. Man hält auch den Distelfink aus. Doch dieses über Jahrzehnte gesponnene, enorm vielschichtige Drama um Trauma, Schmerz und Erinnerung lässt sich nur schwer in ein Spielfilmformat pressen, muss Abstriche machen, genau dort, wo man eigentlich mehr wissen will, und quält sich in spürbarer Überforderung durch ein vakuumverpacktes Drehbuch, das glaubt, all die relevanten Eckpunkte der Geschichte entdeckt und erörtert zu haben. Nun, ich würde meinen: Mitnichten. Der Roman rund um das kleine Vogelbildnis von Carel Fabritius, sage und schreibe über 1000 Seiten lang, hat angesichts des Plots wirklich eine Menge zu erzählen. Und es ist kein stringentes Werk – es wechselt zwischen den Zeiten, ist Coming of Age-Geschichte und Kunstkrimi, Trauerspiel und Bewältugungsdrama. Nichts, was sich über einen einfachen Nenner brechen lässt. Da steckt viel drin, und eine Etappe im Leben von Theodore Dexter ist so relevant wie die andere, sind einfach nicht wegzulassen, um den Erzählfluss zu erhalten.

Es gibt literarische Wälzer, die lassen sich tatsächlich gut kürzen. Der Mann ohne Eigenschaften von Robert Musil zu Beispiel. Da kenne ich zwar keinen Film davon, allerdings aber ein Theaterstück, und das war, auf 2 Stunden Spielzeit runtergekürzt, die geschmeidige Essenz von tausenden von Seiten Lesestoff. Die Strudelhofstiege von Heimito von Doderer, aktuell in der Josefstadt in Wien, quält sich wiederum sichtlich durch den Theaterabend, während Die letzten Tage der Menschheit, bis zum Gehtnichtmehr komprimiert auf 5 Stunden interaktives Kulturerlebnis samt Dinner sein will. Der Distelfink hat da auch ganz schön zu tun, nicht aus dem Ruder zu laufen. Dieser Film ist harte Arbeit, weitaus mehr für die Macher als für das Publikum. Immerhin – besetzt ist das ganze Werk meines Erachtens wirklich gut. Ansel Elgort als kunstsinniger Geschäftsmann im Stile von Patricia Highsmiths Mr. Ripley schlägt elegant die Brücke zwischen verlorener Kindheit und der Sehnsucht eines Erwachsenen nach einer alternativen Vergangenheit. Stranger Things-Star Finn Wolfhardt, für mich eine lohnenswerte Neuentdeckung, brilliert als halbwüchsiger Leidensgenosse des jungen Theo und Sarah Paulson als schrille Stiefmutter bleibt ebenfalls in Erinnerung. Was hält all den Cast jetzt zusammen? Ein ordentlich dichter Stoff, der sich nicht ganz aufrollen lässt, der vor allem in der letzten halben Stunde den Drang verspürt, in fahriger Hektik den Brocken Pulitzer-Literatur zu Ende zu bringen. Das Element des Kunstkrimis hinkt dem der tragischen Jugend deutlich hinterher, fühlt sich an wie ein schlecht verklebtes Stückwerk. Aus einem Guss ist Der Distelfink jedenfalls nicht, seine Regie allerdings tüchtig beim Bestreben, der Vorlage gerecht zu werden. Ob die gute Absicht einen Film bereits entsprechend auszeichnet? Das man nicht schlecht von ihm denkt – vielleicht. Mit Brooklyn hatte Crowley einfach mehr Spielraum zwischen den Zeilen, während im Distelfink zwischen den Zeilen nochmals Zeilen sind, die auch noch irgendwie rein müssen. Und wenn sie gestrichen werden, bleiben Lücken. Das ist die Krux, wenn das Kino sich an Literatur, die einfach als Literatur gelesen werden will, zu schaffen macht. Da bleibt am Ende zwar engagierte, aber kurzatmige Liebhaberei, die immer auf der Suche ist nach dem Ende des Buches.

Der Distelfink

Ocean´s 8

DIEBISCHE DIVEN

6/10

 

oceans8© 2000-2018 Warner Bros.

 

LAND: USA 2018

REGIE: GARY ROSS

CAST: SANDRA BULLOCK, CATE BLANCHETT, HELENA BONHAM-CARTER, ANNE HATHAWAY, RIHANNA, SARAH PAULSON, MINDY KALING U. A.

 

Diese Tatsache dürfte spurlos an mir vorübergegangen oder nicht mal bis zu mir vorgedrungen sein – dass Danny Ocean, fast schon an der Grenze zum Kult souverän verkörpert von George Clooney, der mittlerweile lieber am Comer See weilt als nach dem Desaster von Suburbicon wieder neuen Filmstoff aufzubereiten, das zeitliche gesegnet hat, war dann doch zu Anfang des Filmes etwas ernüchternd. Allerdings würde ein Cameo des immer mehr ergrauenden Schönlings vielleicht sogar Sandra Bullock die Show stehlen, doch das glaube ich kaum. In Gravity hat das ja schließlich auch funktioniert. Doch in Anbetracht eines gänzlich weiblichen Hochglanz-Heist-Movies haben Danny´s Spießgesellen hier rein gar nichts verloren. Das haben die Macher bei der XY-Chromosomen-Variante von Ghostbusters noch nicht so eng gesehen. Bill Murray und Ernie Hudson hatten zumindest ihre Ehrenrunde gedreht. In Ocean´s 8 dreht sich maximal Clooney im Urnengrab um – und das nicht wegen der Qualität des Filmes: Ocean´s 8 mit Lady Bullock und Cate Blanchett an der Spitze ist überraschend besser gelungen als ich vermutet hätte.

Die fließend deutsch sprechende Oscarpreisträgerin wird als als Danny Ocean´s Schwester aus dem Kittchen entlassen – nur um wieder neue Pläne zu schmieden, weil das Robin Hood-Gen innerhalb der Ocean-Familie ja irgendwie Hummeln im Hintern hat und das Bestehlen der ohnehin Superreichen eigentlich nur ein Kavaliers- oder Ladys- Delikt sein kann. So ein Klunker, der gestohlen werden muss, ist ja der Inbegriff einer wirklich nicht notwendigen Dekadenz, da kann man schon vertrackt wirkende Pläne schmieden und noch den einen oder anderen weiblichen Superstar Hollywoods mit ins Boot holen. Sogar Rihanna in Dreadlocks und Schlabberlook darf Computer hacken, Helena Bonham-Carter in willkommener Exaltiertheit eine Modedesignerin mimen und Anne Hathaway prinzessinenlike den Star im Starfilm mit all seinen Allüren so richtig rauslassen. Ein illustres und launiges Ensemble, dass Gary Ross hier versammelt hat. Jede auf ihrem Posten, stets bemüht, der anderen nicht die Show zu stehlen. Unter dieser Regel funktioniert sogar ein solcher Ensemblefilm, und das hätte ich bis dato doch nur Steven Soderbergh zugetraut. Falsch gedacht, Ross gelingt das Ganze ebenso. Es macht Spaß, den Damen zuzusehen, auch wenn der wiederholte Story-Twist dann doch sehr vorhersehbar seine Karten ausspielt. Verbrechen werden in Oceans 8 zum Bungee-Sprung für sektnippende Schlauköpfe, ein zeitvertreibender Nervenkitzel für bis zur Langweiligkeit verwöhnte Jetsetterinnen und ausgebrannte Kreative, stets nicht auf den Mund gefallen und immer mit dem Kopf über Wasser. Das weiß der Zerstreuung suchende Zuschauer ohnehin zu Beginn, will aber so gerne wissen, auf welche Art einer verknöcherten Elite das Handwerk gelegt werden wird, um sich dann mitzufreuen, wenn die Katze im Sack ist.

Oceans 8 ist eine freudvolle Trickbetrügerei, bei der selbst Sammy Davis und Dean Martin geschmunzelt hätten. Durchhänger gibt es keine, Leerlauf ebensowenig, die spitzzüngige Antwort auf das Testosteron-Understatement von Clooney, Damon, Pitt und Co ist auf Zug inszeniert und hält was es verspricht, wobei es auch nicht mit dem etwas Mehr überrascht, was vielleicht dazu geführt hätte, die Krimikomödie zwischen Celebrity und Mission: Impossible-Anleihen samt Handtäschchen mit Nachdruck weiterzuempfehlen.

Ocean´s 8

Die Verlegerin

KEIN BLATT VOR DEM MUND

6/10

 

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© 2017 Universal Pictures

 

LAND: USA, GROSSBRITANNIEN 2017

REGIE: STEVEN SPIELBERG

MIT MERYL STREEP, TOM HANKS, BOB ODENKIRK, ALISON BRIE, SARAH PAULSON U. A.

 

Im Jahre 1976 machte der US-Regisseur Alan J. Pakula mit seiner Verfilmung des Buches Die Watergate-Affäre nicht nur das in dieser Dekade umbruchgeneigte Kinopublikum, sondern auch die Academy auf sich aufmerksam. Die Unbestechlichen schildert die Aufdeckung des Nixon-Skandals unter Carl Bernstein und Bob Woodward, zwei investigativen Journalisten bei der Washington Post. Der Film kann als vorweggenommene Fortsetzung des eben in den Kinos angelaufenen Tatsachendramas Die Verlegerin – im Original The Post – verstanden werden. Der Titel The Post ist klarerweise treffender, da nicht explizit die Rolle Meryl Streeps im Vordergrund steht. Man kann Steven Spielbergs neuesten Film, der selbstverständlich auch als Oscarnominee gehandelt wird, aber auch als Sequel von Pakula´s berühmtem Streifen ansehen. Wie auch immer.

Die Pentagon Papers zählen wohl zu den größten Lügengespinsten, die jemals von einer Regierung über eine medienorientierte Bevölkerung niedergegangen ist. Nach deren Veröffentlichung entpuppte sich der Vietnamkrieg als blutige Farce. Wofür die ganze Qual, das wusste damals niemand. Bis heute gilt das Image-Gemetzel der USA gemeinsam mit dem Irak-Einmarsch unter George W. Bush als Ressourcen- und Existenzen verzehrende Sinnlosigkeit in Sachen Weltpolitik. Dass es zum Vietnam-Einsatz eine langjährige Studie gegeben hat, die belegen konnte, dass der Krieg nicht zu „gewinnen“ war – was für eine sträfliche Verharmlosung, dieses Verb! – davon hat zuerst mal die New York Times etwas spitzgekriegt. Um sich nach ersten Artikeln zu diesem unerhörten Fall eine einstweilige Verfügung einzuhandeln. Was wiederum Die Washington Post zum Handeln zwang. Wie es dazu kam, und wer wem welche Geheimnisse anvertraut hat, und warum die Washington Post-Erbin Katharine „Kay“ Graham den Mut aufbringen konnte, die Freiheit der Presse mit einem Exempel zu manifestieren und den Weg zu ebnen in eine Zukunft der Presse, die nicht für die Regierenden, sondern für die Regierten eintritt – davon erzählt Regielegende Steven Spielberg in einem wortgewaltigen Dialogdrama in fast schon zitierender Tradition des unbequemen Siebzigerjahre-Kinos. Kann sein, dass Spielberg den Watergate-Skandal damals selber gerne verfilmt hätte. Doch er darf sich trösten – die Pentagon-Papiere sind nicht minder unfassbar unerhört wie der Spitzelskandal eines Richard Nixon. Wer da nicht an die Öffentlichkeit geht, hat im Journalismus eigentlich nichts mehr verloren. Und wer diesen Präzedenzfall nicht insofern ausnutzt, um sich den Knebelversuchen einer kaputt-korrupten Regierung hinwegzusetzen, ist wie eine Kassandra, die die Wahrheit kennt, sie aber niemanden mitteilt. Nur im Gegenzug zur mythologischen Figur findet die Leserschaft zu Recht Vertrauen in ihre Presse. Was Nixons Schergen zur Weißglut bringt.

Wer Spielberg kennt, identifiziert Die Verlegerin nur sehr schwer als sein Machwerk. Gut, einzig Janusz Kaminski liefert abermals virtuose Kamerafahrten, aber auch statische Totale, die wie aus einer anderen Zeit wirken. Kultverdächtig schon jetzt die Szene mit den davonwehenden Zeitungsseiten am Kiosk. Sachlich, bürozimmergrau, Neonlicht dort, wo schweißgebadet rund 400 Seiten enthüllendes Material gesichtet werden. Oder das Wählscheibentelefon rot blinkt. Attraktiv ist das nicht, fast schon etwas beklemmend. Doch da gibt es Tom Hanks und Meryl Streep, die in souverän abgestimmtem Timing ihren Rollen Respekt zollen. Dass „die Streep“, wie man sie nennt, tatsächlich wieder für den Oscar nominiert sein darf, gehört fast schon zum guten Ton der Academy – verdient hat sie die Auszeichnung aber diesmal nur bedingt. Auffallendes Schauspiel ist es keines, ein Leinwandliebling in gewohnter Spielfreude. Hingegen ist Tom Hanks erneut eine Ausnahmeerscheinung. Als Chefredakteur Ben Bradley zieht er komplett neue Seiten auf, wirkt geradezu etwas unsympathisch, getrieben, wie ein Workaholic, der nur für die Zeitung lebt. Selbstbewusst, improvisierend, mit graumelierten Haaren. Ich habe den ehemaligen Forrest Gump schon in vielen Rollen bewundert – die Rolle eines Journalisten ist neu. Und auch dieser Rolle gewinnt er ganz eigene Manierismen ab, die wiedermal bestätigen, dass Hanks im Gegensatz zu vielen anderen Schauspielern niemals nur sich selbst spielt. Was mich eine Nominierung auch für ihn vermissen lässt. Aber was soll´s, aus der Academy wird man sowieso nicht schlau.

Kann sein, dass Die Verlegerin die Konzentration des Publikums ein bisschen über Gebühr strapaziert. Vieles wird nur ein oder zweimal wörtlich erwähnt, trägt aber immens zum Verständnis der Geschichte bei. Wer also einmal abschweift, muss zwingend seinen Sitznachbarn quälen. Ist man wieder am Laufenden, wird die zweite Hälfte des Filmes gefälliger und packender. Sofern man sich für das ewige Duell Politik gegen Presse interessiert. Was sich in Zeiten wie diesen, wo Regierungsparteien den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verklagen und umgekehrt, umso brisanter verhält – und tatsächlich mehr Zuseher ins Kino locken wird als zu anderen Zeiten. Als bewegt-bewegendes Drama mit Nachhall bleibt Die Verlegerin aber nicht in Erinnerung. Spielberg hat seinen speziellsten Film ins Kino gebracht und einen Stoff dramatisch aufbereitet, der sich besser liest als gesehen zu werden. Seine Hommage an Alan J. Pakula hat er handwerklich gut gemacht, als bester Film des Jahres 2018 kommt er für mich von allen Kandidaten aber am wenigsten in Frage, auch wenn Die Unbestechlichen das Kunststück 1976 hinbekommen haben. Wohl aber auch nur deswegen, weil die Siebziger ganz andere Zeiten waren, die erzählten Fakten damals unmittelbar zurücklagen und die Art des New Cinema erst so richtig salonfähig wurde. Das ist in den 2000ern allerdings Business as usual. So wie Spielberg´s Film.

Die Verlegerin