Thunderbolts* (2025)

HELDEN-RECYCLING FÜR KENNER

6/10


© 2025 MARVEL. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: JAKE SCHREIER

DREHBUCH: ERIC PEARSON, JOANNA CALO

CAST: FLORENCE PUGH, LEWIS PULLMAN, DAVID HARBOUR, SEBASTIAN STAN, WYATT RUSSELL, HANNAH JOHN-KAMEN, JULIA LOUIS-DREYFUS, GERALDINE VISWANATHAN, OLGA KURYLENKO, WENDELL PIERCE, CHRIS BAUER, VIOLET MCGRAW U. A.

LÄNGE: 2 STD 7 MIN


Der unscheinbare Typ im Pyjama, gespielt von Lewis Pullman (Salem’s Lot) wird auch bis zum Ende des neuen MCU-Blockbusters Thunderbolts* die skurrilste und ambivalenteste Figur bleiben, von welcher man einfach nicht weiß, was man von ihr zu halten hat. Zu Beginn, wenn all die Austauschbaren im Super-Sicherheits-Bunker der CIA aufeinander losgehen, und Pullman plötzlich danebensteht, als wäre er im falschen Film, eröffnet Jake Schreier (u. a. Robot & Frank) das Spielfeld für einen aus der bisherigen MCU-Timeline zusammengeklaubten Haufen mehr oder weniger ausrangierter Nebenhelden, die nie das große Los ziehen konnten wie seinerzeit die federführenden Avengers und beim Publikum einiges an Vorwissen fordern. Es sind dies Black Widows Schwester Yelena (Florence Pugh), die seit nämlichem Stand-Alone mit Scarlett Johannsson aka Natasha Romanov  bekannt ist und später auch – für Serienkenner – in Hawkeye hat mitmischen dürfen. Es ist dies der Captain America aus der zweiten Reihe, John Walker (Wyatt Russell), in der Serie The Falcon and the Winter Soldier so ziemlich in Ungnade gefallen und seitdem als Billigversion eines Supersoldaten im Auftrag der CIA unterwegs, wie ohnehin überhaupt alle hier. Auch die aus Ant-Man and the Wasp bekannte Ghost und der Taskmaster (ebenfalls Black Widow), gespielt von Olga Kurylenko. Nicht im Bunker sind Bucky Barnes (Sebastian Stan), der ehemalige Winter Soldier, über welchen man irgendwann sicher gestolpert sein muss, auch wenn man nicht alle Filme und Serien von Marvel gesehen hat. Und die von David Harbour genussvoll und mit Inbrunst verkörperte russische Superheldenparodie Red Guardian, Ziehpapa der Widows und stets mit der Tür ins Haus fallend. Die meisten Lacher in diesem Film gehen auf sein Konto, und ja – würde das Suicide Squad jemanden abwerben wollen, der zu ihrem durchgeknallten Haufen passt, dann wäre es er. Die andern müssen sich in schaumgebremstem Sarkasmus aufeinander einlassen, wenn sie für die durchtriebene CIA-Chefin Valentina (auch bekannt aus der Marvel Serie rund um Sam Wilson, dem neuen Captain) nicht doch noch über die Klinge springen sollen. Dabei vergessen alle wohl auf diesen seltsamen Robert Reynolds, der eigentlich hätte entsorgt werden müssen, so wie all die anderen Thunderbolts, die höchst illegal vom Geheimdienst an die Front geschickt wurden. Reynolds aber ist mehr als die Summe seiner Teile. Ein Psychopath zwar, aber eine potenzielle Chance für die geschäftstüchtige, dauergrinsende Valentina. Wenn schon nicht entsorgt, dann zumindest recycelt – als jemand, der an den guten alten Homelander erinnert, der den Boys das Leben schon mehrere Staffeln lang schwermacht.

Es tut sich einiges bei den Thunderbolts*, das Wiedersehen mit alten Bekannten ist für eingefleischte Marvel-Fans natürlich ein Who is Who sondergleichen. Sie alle haben ihre Rollen längst gelernt, da muss nicht viel Neues erprobt werden. Vielleicht ist das auch der Grund, warum die Gruppendynamik nicht so recht zünden will, warum man den Eindruck gewinnt, dass von vornherein, seit der ersten Sekunde, das Team bereits steht, insofern ist der verbale Schlagabtausch zwischen den Protagonisten mehr ein So-tun-als-ob anstatt wirklich empfunden. Ein bisschen fehlt da die Schärfe bei all den Beteiligten, vor allem Bucky Barnes scheint nie so recht zu wissen, ob er das, was er da macht, auch wirklich aus voller Überzeugung tut.

Der metaphysische Plot, der sich um die Plan-B-Truppe schlängelt, führt diese ohne Umschweife in ihr Abenteuer hinein, ohne eine gewisse Dramatik zu entfachen, die sich in manchen Filmen der Infinity-Phase so sehr an die Persönlichkeiten der Helden herangemacht hat. Hier taucht Schreier zwar auch in so manche Psyche ein – dass diese die eigentlich ambivalenten Charaktere wirklich berührt, bleibt eine Behauptung.

So richtig interessant wird es ganz am Ende – dieses und die darauffolgende Post-Credit-Szene (die zweite, wohlgemerkt – also sitzenbleiben!) bringen den nicht mehr als soliden Superheldenfilm dann doch noch eine Spur mehr auf Vordermann. Thunderbolts* legt den Grundstein für noch viel mehr, für eine vielleicht bessere MCU-Phase als die letzte, die sich mit ihrem Multiversum deutlich verhoben hat. Obwohl der Film nun nicht den Wow-Effekt erzielt, auf den ich gewartet hätte: Der kommende Output, der hier aufbaut, könnte nach längerer Zeit wieder mal so richtig spannend werden.

Thunderbolts* (2025)

Captain America: Brave New World (2025)

RED HULK VERLEIHT FLÜGEL

4/10


© 2025 Marvel Studios


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: JULIUS ONAH

DREHBUCH: ROB EDWARDS, MALCOLM SPELLMAN, DALAN MUSSON, JULIUS ONAH, PETER GLANZ

CAST: ANTHONY MACKIE, HARRISON FORD, DANNY RAMIREZ, TIM BLAKE NELSON, GIANCARLO ESPOSITO, SHIRA HAAS, CARL LUMBLY, XOSHA ROQUEMORE, TAKEHIRO HIRA, JÓHANNES HAUKUR JÓHANNESSON, LIV TYLER, SEBASTIAN STAN U. A.

LÄNGE: 1 STD 58 MIN


Du meine Güte, fünf Leute gleichzeitig haben an diesem Drehbuch herumgefeilt, das nun Grundlage für den neuen Captain America wurde, dem ersten Solo-Abenteuer von Sam Wilson, der den Schild vom altersgrauen Steve Rogers am Ende von Avengers: Endgame vererbt bekommen hat. Viele Köche verderben bekanntlich den Brei im Bemühen, aus der nährstoffreichen Kost noch so etwas wie Geschmack und Bekömmlichkeit herauszuholen. Die Liebesmüh war aber auch hier leider vergeblich. Man muss sagen, wie es ist: Captain America: Brave New World ist leider eine Enttäuschung. Der Umstand mag so einigen Faktoren geschuldet sein, die aus dem massentauglichen Eventkino aus der Blütezeit des US-amerikanischen Comicfilms mit der Infinity-Storyline im Zentrum letztendlich so etwas wie ein Nischenprodukt haben werden lassen. Einem tief in der Entstehungsphase des MCU verwurzelten Nerd-Konstrukt für penible Auskenner, die von jedem noch so kleinen Detail so sehr eine Ahnung haben, als hätten sie gestern noch alle Filme im Schnelldurchlauf inhaliert, um im Bilde zu sein für das, was da auf sie zukommt.

Schade nur, dass Marvel es verabsäumt hat, sein Publikum zeitgerecht darüber zu unterrichten, welche Werke allesamt vonnöten wären, um bei Captain America: Brave New World nicht wie die Kuh vor dem Tor zu stehen, sondern diesen mit all seinen Zusammenhängen und Referenzen auch richtig zu genießen. Ganz vorne mit dabei: Der bereits 2008 erschienene Unglaubliche Hulk, der noch gar nicht mal Mark Ruffalo als Bruce Banner, sondern Edward Norton dafür besetzt hatte, der aber bereits mit dem im selben Jahr erschienene Iron Man das MCU begründete. Wer diesen Film verpasst oder vor langer Zeit gesehen hat, sollte tunlichst seine Hausaufgaben machen. Ansonsten würde man sich wundern, wer hier als Antagonist revitalisiert wurde, wer hier Präsident wird und warum hier andauernd blühende Kirschbäume das Setting aufrüschen. Captain America: Brave New World greift lose Enden auf, nach deren Fortführung niemand gefragt hat. Er setzt bei seinem Publikum die Kenntnis von Filmen und Serien voraus, zu denen neben bereits erwähntem Hulk noch Eternals sowie die handfeste  Streaming-Show The Falcon and the Winter Soldier dazuzählen. Regisseur Julius Onah (u. a. The Cloverfield Paradox) und seine Drehbuchautoren begeben sich in die erbärmliche Abhängigkeit vieler anderer Geschichten, um sich ausgiebig mit dem dominanten Zeitstrahl des MCU zu vernetzen.

Um dem Drama zwischen der Action ausreichend Gehalt und Tiefe zu geben, verspürte das Schreiber-Ensemble wohl eine unbändige Lust am ausufernden Dialog, den man vorzugsweise im Serienformat findet, nicht aber im Kino. Oft ist es so, da ist den Kreativen wohl nicht klar, für welches Medium sie arbeiten. Beide Formate funktionieren jeweils anders. Oft lässt sich eine Serie, die auf Kino aufbaut, nicht vom Erzählrhythmus der großen Leinwand lösen. Hier ist es genau umgekehrt. Während die vor Pathos triefenden Gespräche die Geduld des Publikums strapazieren, geht der leidlich interessante Themenpool rund um Thaddeus Ross (vormals verkörpert durch William Hurt) leider nicht auf. Harrison Ford tut sein Bestes, das sieht man ihm an. Anthony Mackie überholt sich in seiner nervigen Rechtschaffenheit fast schon selbst. Er und sein kleiner Begleiter, der Möchtegern-Falcon Joaquin Torres, ergründen dabei die Ursachen eines Attentats im Weißen Haus und kommen dabei kriegszündelnden Machenschaften auf die Spur, die so lange zurückliegen, dass sie niemand kommen sah. Der Weltfrieden steht auf dem Spiel, schließlich geht es um Adamantium, dass sich im Körper eines Celestials befindet, der am Ende von Eternals leblos aus dem Indischen Ozean ragt. Von den gottgleichen Ewigen fehlt allerdings jede Spur. Wo sind sie? Und Adamantium – das ist doch das Material, mit welchem Wolverines Skelett ummantelt ist? Was sagt uns das? Wird bald der grimmige X-Men ins Spiel gebracht? Viele Fragen, wenig Antworten.

Captain America: Brave New World will alles richtig machen, spezialisiert sich aber zu sehr auf ein Fanpublikum. Die Politik, die hier zum Thema wird, filtert alles Unbequeme, lässt heikle Themen außen vor, will keinesfalls zum Spiegel eines aktuellen Weltgeschehens werden, obwohl es die Schöne Neue Welt polemisiert. Was bleibt, ist das kraftlose Schönreden eines zeitgeistigen Heldentums und reumütiger Weltherren – ein Film, der viel zu viel Anlauf nimmt und den Sprung ins Geschehen nicht richtig setzt. Die neue, vielversprechende große Marvel-Fortsetzung verwertet Altlasten und blickt dabei zurück, statt nach vorne. Was dann noch kommen wird, mag daher nur leidlich interessant werden.

Captain America: Brave New World (2025)

Deadpool & Wolverine (2024)

MEIN PARTNER MIT DER FRECHEN SCHNAUZE

7/10


DEADPOOL & WOLVERINE© 2024 20th Century Studios / © and ™ 2024 MARVEL.


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: SHAWN LEVY

DREHBUCH: RHETT REESE, PAUL WERNICK, ZEB WELLS, RYAN REYNOLDS, SHAWN LEVY

CAST: RYAN REYNOLDS, HUGH JACKMAN, MATTHEW MACFAYDEN, EMMA CORRIN, AARON STANFORD, MORENA BACCARIN, ROB DELANEY, LESLIE UGGAMS, DAFNE KEEN, JENNIFER GARNER, WESLEY SNIPES, CHANNING TATUM, JON FAVREAU, CHRIS EVANS U. A.

LÄNGE: 2 STD 8 MIN


Wade Wilson, der unkaputtbare Ex-Söldner und Superkiller, hat längst das Nirvana des gesamten filmischen Comic-Kosmos erreicht. Deadpool hat den Überblick, ganz so wie der am Zenit der Erkenntnis angekomme Siddharta, der später als Buddha in die Religionsgeschichte eingegangen sein wird. Denn alles, so weiß Deadpool, ist nur Kino. Alles nur ein Film, er selbst eine erfundene Figur in einem erfundenen Universum. Schließlich ist er der einzige, der begriffen hat, der zu sein, der er ist: Ein von Ryan Reynolds bislang unter Twentieth Century Fox auf die Leinwand gebrachter Charakter, der nun darauf hoffen darf, auf den kunterbunt-süßen Schoß von Disney zu krabbeln. Wenn Deadpool die vierte Wand durchbricht und über sein Dasein in einer völlig zerfahrenen Multiversum-Timeline schwadroniert – wenn er zurückgreift auf andere Filme, in dessen Sets er herumfuhrwerkt (in diesem Fall James Mangold‘s Wolverine-Abgesang Logan), hat uns der rotgekleidete Berserker längst in sein Allerheiligstes eingeladen, um als Teil seines überschaubaren Freundeskreises dem Eskapismus zu frönen, fern jedweder Betroffenheit, jeder noch so unschönen Realität oder ernsten Angelegenheit. Diese Extra-Lizenz, keiner von Marvel sonst wie aufgestellten Benimmregel folgen zu müssen, verleiht dem jovialen Vielredner und Possenreißer den Status eines Hofnarren, der selbst den König einen Dolm nennen darf. Diese lausbübische Freiheit verlangt es, dass Deadpool gar das Problemkind des von Kevin Feige etwas zerfahrenen MCU beim Namen nennt – und die Kurve deswegen kriegt, weil er weniger das Multiversum-Dilemma nochmal aufkochen, sondern viel lieber mit einer stiefkindlich betrachteten Nebenschiene des Marvel-Kosmos kokettieren will: Den X-Men.

Ufert das Ganze dann nicht noch mehr aus, wenn die Avengers und die X-Men synergieren sollen? Jedenfalls ist diese Fusion wohl besser, als sich in multiplen Realitäten noch mehr zu verlieren. So sehr diese Prämisse anfangs auch vielversprechend schien – so wenig ist sie zu gebrauchen. Weil sie sich totläuft. Einmal allerdings noch, lässt sich auch Deadpool den Ritt auf dem Zeitstrahl nicht nehmen, und wer die souveräne Serie Loki gesehen hat, weiß längst Bescheid, was es mit der TVA – der Time Variance Authority – auf sich hat. Auch Wade gerät in die Mühlen dieser Bürokratie, weiß aber, dass er sein eigenes Universum nur dann vor der behördlichen Vernichtung retten kann, wenn er den in seiner Welt verstorbenen Wolverine von woanders klaut. Nach einigen Versuchen findet er ihn: einen in Selbstmitleid, Alkohol und Gram ertrunkenen Superhelden, der alles vermasselt hat. Man kann sich denken, wie sich die beiden wohl vertragen werden. Ob sie gemeinsame Sache machen oder nicht: letztlich landen Sie an einem Ort, den wir ebenfalls aus Loki kennen und an welchem Kooperation besser ist als gegenseitiges Aufschlitzen.

Ja, sie sind das Dreamteam des MCU. Besser noch als der Falcon und der Winter-Soldier. Besser noch als Hulk und Thor. Oder Wanda und Vision. Die beiden sind wie Jack Lemmon und Walter Matthau, wie Bud Spencer und Terence Hill. Wie Shawn Levy (Stranger Things, Free Guy) diese Bromance auf Spur bringt, ist weder konfus noch ausufernd noch an den Haaren herbeigezogen, sondern lebt von dieser auch privaten innigen Freundschaft zwischen Ryan Reynolds und Hugh Jackman. Diese Spielfreude und die Bereitschaft, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen, ist das Fundament für ein heillos überzeichnetes, aber niemals zuviel wollendes Abenteuer, dass zwar nie die groteske Häme der Boys erreicht, dafür aber die blutrünstige, in ihrer Gewaltdarstellung hyperrealistisch karikierte Optik übernimmt. Literweise Kunstblut fließen schon in den ersten Minuten des Films, in welchen Deadpool unter den Klängen der Backstreet Boys die Exekutive der TVA zerschnetzelt. Wenn Wolverine dann auch noch seine Klingen ausfährt, wird es richtig schön deftig. Und fast schon sinnlich.

Angereichert mit Seitenhieben auf Franchises, Medien und längst eingestampften Ex-Superhelden, die ihre Gastauftritte genießen, liefert Deadpool & Wolverine vergnügliche zwei Stunden reinsten Schabernacks. Die mit Ernst angehauchte Realitätskrise Wolverines steht ganz im Gegensatz zu Reynolds permanentem Sarkasmus, zusammen stemmen sie eine gottseidank heruntersimplifizierte Story, deren Antagonistin in ihrer Grimmigkeit zwar fehl am Platz wirkt, von den beiden Kapazundern, die wirklich jeden Quadratzentimeter des Films leidenschaftlich einnehmen, aber mitgerissen wird.

War schon der letzte Deadpool ein Schenkelklopfer schlechthin, entgeht der dritte Teil dank Wolverines brachialer und comicgetreuer Rückkehr einer vielleicht nervtötenden Redundanz. Seine Bühnenpräsenz zu teilen, tut Deadpool äußerst gut. Und auch umgekehrt. Beide gemeinsam haben eine Zukunft, wobei Jackman wohl nicht mehr seinen Adamantium-Arsch vor die Kamera schieben wird. Doch warten wir mal ab. Reynolds ist schließlich beharrlich.

Deadpool & Wolverine (2024)

Madame Web (2024)

IM NETZ DER VORSEHUNG

5/10


madamwweb© 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: S. J. CLARKSON

DREHBUCH: MATT SAZAMA, BURK SHARPLESS, CLAIRE PARKER, S. J. CLARKSON

CAST: DAKOTA JOHNSON, SYDNEY SWEENEY, CELESTE O‘ CONNOR, ISABELA MERCED, TAHAR RAHIM, ADAM SCOTT, EMMA ROBERTS, MIKE EPPS, JOSÉ MARIA YAZPIK, ZOSIA MAMET, JILL HENNESSY U. A. 

LÄNGE: 1 STD 57 MIN


Es pfeifen die Spatzen schon von den Dächern: Superheldenfilme sind in der Krise, der Hype ist abgeflaut, das Publikum hat alles schon gesehen und das wiederum mehrfach. Helden- und Heldinnengenesen lassen sich kaum mehr voneinander unterscheiden, die Antagonisten sind austauschbar. Das epochale Gewitter des Infinity-Krieges, qualitativer Höhepunkt des Genres, liegt lange zurück. Was danach kam, waren ambitionierte Spielereien in den Rauchschwaden längst abgeschossener Knüller-Raketen. Die lobenswerte und engagierte Grundidee, Marvel-Serien mit Filmen zu verbinden und so einen noch komplexeren roten Faden zu erschaffen, war ob des viel zu hohen Anspruchs leider ein Schuss in den Ofen. Ist man Fan genug, und zwar ein solcher, der sich alles antut, von Kinofilmen bis zur Streaming-Featurette, mag die Rechnung vielleicht aufgehen. Doch Leute wie diese sind nicht die breite Masse. Filme wie The Marvels, der eigentlich nur dann funktioniert, wenn man auch all den anderen Content kennt, können bei Gelegenheits-Kinobesuchern, die einen in sich geschlossenen Content konsumieren wollen, kaum punkten. Disneys Marvel steckt in einer Art Pensionsschock, denn die alte Riege hat ausgedient, die Luft ist draußen, umdenken ist angesagt.

Sony macht die Sache ganz anders. Sony hat das SSU, das Sony’s Spider-Man Universe und bringt originelle Animationsfilme ins Kino, die kein Vorwissen brauchen. Sonst muss sich das Studio eigentlich nur mit Venom herumschlagen, während sich der Junge aus der Nachbarschaft bei Marvel herumtreibt. Luft genug also, um Mauerblümchen wie Morbius oder gar Madame Web auf die Leinwand zu bringen. Madame Web? Wer ist das nun wieder? Gwen Stacy im weißen Spinnen-Overall? Irgendeine der vielen Alternativen aus dem Multiversum? Mitnichten. Diese Madame Web ist neu und gar nicht mal so auf Superheldin gebürstet wie sonst. Sie hat die Gabe, in die nahe Zukunft zu blicken. Und sonst? Das wäre alles. Doch zu wenig ist das prinzipiell mal nicht.

Cassandra Webb ist anfangs mal eine, die zwar nicht als Super-, aber als Alltagsheldin durchgeht: Sie ist Sanitäterin. Ihre Superkräfte liegen im sozial kompetenten Umgang mit Unfallopfern und Sterbenden, sie rettet Leben auf menschliche und nicht übermenschliche Weise. Cassandra wird urplötzlich von Déjà-vus heimgesucht, die, wenn sie eintreten, gar nicht als solche zu erkennen sind, sondern erst dann, wenn sich Szenen auf seltsame Weise wiederholen. Erst nach ein paar Anfangsschwierigkeiten schnallt sie die Lage: Sie kann vorab sehen, was in den nächsten Minuten passieren wird. Und noch ein bisschen später erkennt sie, dass das, was sie sieht, keinem Determinismus unterworfen, sondern veränderbar ist. Die nächstmögliche Zukunft ist das, was sie als Waffe in der Hand hat, um den finsteren und zugegeben recht eindimensional platzierten Superschurken Ezechiel Sims (Tahar Rahim) im schwarz-roten Spiderman-Kostüm in seine Schranken zu weisen. Der ist nämlich scharf auf drei Teenager, die ihn laut eines prophetischen Traums irgendwann einmal in die ewigen Jagdgründe verbannen werden. So folgt eines aufs andere und das Dreimäderlhaus, das sich hinten und vorne kaum auskennt, gerät unter die Obhut Madame Webs, die in dieser Origin-Story gar nicht mal so weit kommt, um ihre ganzen Asse auszuspielen. J. K. Clarkson inszeniert den Anfang von etwas, der womöglich nie kommen wird, weil Madame Web weit, weit hinter den finanziellen Erwartungen und einem ansehnlichen IMDB-Ranking zurückfällt.

Einen Flop par excellence hat sich Sony da eingetreten. Das tut weh. Weniger aber schmerzt der Film selbst, dem man eine gewisse konstruierte Belanglosgkeit schwer absprechen kann, der aber im Grunde das bisschen, was er zu bieten hat, nämlich weniger Superhelden-Action als vielmehr Teenager-Abenteuer mit phantastischen Tendenzen, solide verpackt. Ist Madame Web also eine Themenverfehlung? Sagen wir so: Der Film ist mehr Begleitwerk als zentrales Zugpferd für ein halbgares Franchise, das Sony einfach nicht so hinbekommen kann wie schon die längste Zeit Marvel Studios, das vieles ausprobiert hat, auch auf die Gefahr hin, zu versagen. Madame Web hat ein funktionierendes Ensemble auf der Habenseite, bestehend aus Sidney Sweeney, Isabel Merced, Celeste O’Connor (derzeit mit Ghostbusters: Frozen Empire im Kino) und natürlich Dakota Johnson, die ihre Arbeit ernst nimmt und mit dem, was ihr in die Hand gegeben wird, zufrieden scheint. Alle vier arbeiten im Teamwork, und sie stehen auch im Schulterschluss verhaltensauffälligen Szenen gegenüber, welche die Stimmungslage des Films auf irritierende Weise umstoßen.

Das kann man nachsehen. Und den Film trotz allem auf eine Weise genießen, wie man eskapistisches und anspruchsloses Effekte-Kino eben genießen kann, ohne viel zu hinterfragen. Das Superheldenkino wird es nicht weiterbringen oder gar retten. Dafür ist das Abenteuer zu kleinlaut.

Madame Web (2024)

The Marvels (2023)

DREI ENGEL FÜR MARVEL

7/10


THE MARVELS© 2023 Marvel


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: NIA DACOSTA

DREHBUCH: NIA DACOSTA, MEGAN MCDONNELL, ELISSA KARASIK

CAST: BRIE LARSON, IMAN VELLANI, TEYONAH PARRIS, SAMUEL L. JACKSON, ZAWE ASHTON, PARK SEO-JOON, GARY LEWIS, ZENOBIA SHROFF, MOHAN KAPUR, SAAGAR SHAIKH, TESSA THOMPSON, LASHANA LYNCH U. A.

LÄNGE: 1 STD 45 MIN


Die Filme des MCU sind mittlerweile alle gleich. Doch warum sind sie das? Ganz klar: Weil sie eine zusammenhängende Geschichte erzählen. Oder zumindest versuchen, dem roten Faden zu folgen, der bis zur Phase 3 so wohlgesponnen war, das wohl keinem so recht auffiel, dass sich all die Filme schon damals nicht sonderlich voneinander unterschieden haben. Seit Wandavision ist der rote Faden ausgefranst, und keine Grundthematik passt da eher ins Bild als jene Problematik des unter anderem durch Loki und Doctor Strange hervorgerufenen Multiversums. Wer kann da noch den Überblick behalten? Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass jede Serie einen anderen Superhelden und damit auch ein anderes Narrativ enthielt. So scheint es, als hätten all diese Streaming-Shows und sündteuren Eventfilme jeweils etwas anderes zu erzählen – in Wahrheit aber sind sie alle nur die Nachwirkungen des Krieges gegen Thanos und dem in Avenger: Infinity War ausgeführten Blip des lilafarbenen Riesen mit dem Furchenkinn.

Der gemeinsame Nenner wäre geschaffen, tritt aber zu sehr in den Hintergrund. Die Shows um den neuen Captain America haben eine ganz andere Färbung, während Loki mit der Zeit spielt, She-Hulk einfach nur albern ist und Hawkeye sowie Secret Invasion in sich abgeschlossene Zwischenepisoden erzählen. Im Kino ist das Multiversum seltsamerweise nicht immer das Problem, manche Filme kümmern sich gar nicht darum. Währenddessen gibt’s intern unter Kevin Feige, der sich mit Comics wohl am besten auskennt, zwar nicht ganz so große Umwälzungen wie bei DC, aber dennoch Unruhe – beobachtet man die Box Office-Zahlen der letzten Projekte, die alle viel zu viel gekostet haben. The Marvels macht da keine Ausnahme. Laut cinema wurden 275 Millionen in den Film gebuttert, mit dem lange keiner zufrieden war und der gefühlt hunderte Male umgeschnitten und szenenweise nachgedreht werden musste, um die Kurve zu kriegen. Das Ergebnis ist einer der kürzesten Filme des Franchise – und das ist gut so. In ihr liegt schließlich die Würze, und The Marvels hat dabei die Chance, eben nicht zu ermüden, sondern auf knackige Weise wesentliche offene Enden aus Film und Serie zu bündeln und sie lustvoll über‘s Knie zu brechen. Wer hätte das gedacht, das The Marvels nach diesem holprigen Start noch Kurs hält?

Ich will nicht sagen, dass die Storyline wirklich durchdacht ist. Das ist sie nicht. Betrachtet man die Synopsis dieses Films, könnte man sich an den Kopf greifen, wie sehr verniedlicht die physikalischen Gesetze des Universums werden, obendrein noch jene der Quantenphysik und die immense Kraft der Sonne. Ja, das ist hanebüchen, völlig unrealistisch und vielleicht auch zu flapsig durcherzählt. Immerhin aber befinden wir uns in alternativen Comicwelten, wo sich so gut wie gar nichts der uns bekannten Physik unterwirft. Die in diesen Welten inhärente Logik sollte aber immerhin schlüssig sein. The Marvels steht kurz davor, diese Regel in den Wind zu schreiben. Und lenkt geschickt von seinem größten (und einzigen) Schwachpunkt mit einem Trio ab, das sich lange gesucht und endlich gefunden hat. Da könnten die 3 Engel für Charlie neidisch werden, bei so viel quantenverschränktem Teamwork. Zuerst ist es eine Not, doch auch dieser machen sie eine Tugend: Captain Marvel, Ms. Marvel und Monica Rambeau.

Wir wissen, Carol Denvers aka Captain Marvel, die wohl mächtigste, aber wohl auch überheblichste Superheldin des ganzen Franchise, ist quer durch die Galaxis unterwegs, um planetare Brennpunkte zu löschen. Wir wissen: Monica Rambeau hat durch ihren Einsatz in Wandavision Superkräfte erlangt. Und Ms. Marvel, eigentlich Kamala Khan, kann Licht in Materie umwandeln, dank eines Armreifs, dessen Pendant nicht auffindbar ist. Bis zu diesem Film. Denn eine Kree namens Dar Benn (Zawe Ashton) nennt dieses ihr Eigentum, mitunter auch den Hammer von Ronan (des Schurken aus The Guardians of the Galaxy). Das Unheil, das sie heraufbeschwört, bringt alle drei Damen zusammen. Und da hier einiges mit Zeit und Raum nicht ganz koscher verläuft, wechseln auch diese immer dann, wenn mindestens zwei gleichzeitig ihre Kräfte nutzen, ihre Plätze. Das sorgt für Turbulenzen, situationskomische Momente und macht daraus ein keckes Team-Incentive. Mit dieser Idee erlangt The Marvels auch seine launige Kurzweil. Der schauspielerische Enthusiasmus von Iman Vellani, die fast schon das Zeug hat zur Stand Up-Comedian, holt Captain Marvel endlich von ihrem hohen Ross und durchdringt mit ihrer kindlichen Neugier und ihrem kauzigen Nerd-Verhalten ein Nullachtfünfzehn-Szenario, wie es vielleicht beim Publikum hätte ankommen können. Keine Frage, Vellani veredelt den Film mehr noch als ihre eigene Serie. Teyonah Parris ist da vielleicht etwas blass, aber immer noch engagiert genug, um Brie Larsons Figur endlich wieder so weit zu bringen, sich ihrer Herkunft als Erdling zu besinnen. Das ist menschelnd genug, und mit dieser Natürlichkeit bleibt auch der Fokus auf das Miteinander vor einer lange schwelenden Krise konstant – eines Konflikts, der wiederum Hintergrundwissen erfordert. Ich sage nur: Kree und Skrulls.

Schließlich lässt The Marvels ganz viele James Gunn-Vibes erklingen. Der Gag mit den Flerken, die bizarre Reminiszenz an Cats und der Mut zu infantilen Albernheiten haben sichtbares Humor-Potenzial und nutzen dieses auch. Doch nicht nur. Wer glaubt, die bierernste Captain Marvel passt da nicht hinein: Sie tut es doch. Ungeachtet der gehetzt erzählten Story bleibt immer noch genug Entertainment, allerdings vorbehaltlich für Kenner der ganzen Materie. Und Materie ist in diesem Abenteuer relativ.

The Marvels (2023)

Ant-Man and the Wasp: Quantumania (2023)

AVENGERS IM WUNDERLAND

7,5/10


ANT-MAN AND THE WASP: QUANTUMANIA© 2023 Marvel Studios


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: PEYTON REED

BUCH: JEFF LOVENESS

CAST: PAUL RUDD, EVANGELINE LILLY, KATHRYN NEWTON, JONATHAN MAJORS, MICHELLE PFEIFFER, MICHAEL DOUGLAS, BILL MURRAY, KATY O’BRIAN, COREY STOLL, WILLIAM JACKSON HARPER U. A.

LÄNGE: 2 STD 5 MIN


In der Quantenwelt ist alles möglich. Und auch nichts. Aber das wiederum gleichzeitig, weil all das, was dort stattfindet, nicht beobachtet wird, und sich erst durch Messung definiert. Spannend, was dort so abgeht. Nähergebracht erst letztes Jahr durch Österreichs Nobelpreis-Physiker Anton Zeilinger, der diese raffinierten Quanten erst durch die Tatsache der Verschränkung auf frischer Tat ertappen hat können. Näher gehe ich an dieser Stelle aber nicht mehr auf die Materie ein, denn erstens habe ich im Grunde keine Ahnung davon und zweitens beglückt mich einfach diese Tatsache, dass diese mysteriöse Welt wirklich existiert, genauso wie Marvel-Mastermind Kevin Feige, ohne dabei aber den Anspruch wahren zu müssen, akkurates Wissen zu vermitteln.

Zeit, Raum und die Gesetze des Lebens, die das sichtbare Universum prägen, sind dort, im wilden Raum der Wissenschaft, für alles zu haben. Und so kann es passieren, dass sich Anton Zeilinger, Alice-Schöpfer Lewis Carrol und vielleicht auch George Lucas unter der Begleitung von Hieronymus Bosch in dieser Quantenwelt auf ein Bier treffen, um über einen Film zu brainstormen, der genau das beinhalten soll: Phantastische Abenteuer im Nirgendwo und Überall. Was dabei entstehen könnte? Ungefähr so etwas, wie es nun über die Leinwand flimmert. Wie Ant-Man and the Wasp: Quantumania. Verrückt-phantastisch wie Alice im Wunderland, aufregend wie eine Space Opera und hirnakrobatisch wie die Fieberträume eines Physikers. Ergänzt wird das Ganze vom gotischen Meister der Phantasmagorien, eben besagter Bosch, der mit Kreaturen aller Art seine Darstellungen von Himmel und Hölle dicht bevölkert hat. Der Einstand der MCU-Phase 5 ist ein Abenteuer, das die rotzfreche Buntheit der Guardians oder Waikikis Thor-Abenteuer in einem Sinne übertrumpft, der nicht unbedingt witziger sein muss, aber trotz all der Fülle an Schauwerten weniger verpeilt und deutlich stringenter scheint. Sagen wir: ungefähr wie Doctor Strange in the Multiverse of Madness.

Und das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit. Das MCU ist seit jeher darum bemüht, im Grunde eine einzige, riesengroße, zusammenhängende Geschichte zu erzählen. Diese temporären, losen Enden, die dabei entstehen, wedeln aber viel zu lange sehnsüchtig nach Anschluss, daher gibt es seit WandaVision auf Kino-Niveau ausgearbeitete Serien, die all die Standalone-Kinoevents besser miteinander verknüpfen sollen. Wie schon beim letzten Doctor Strange-Abenteuer erhält dieser Film viel mehr Bedeutung und Tiefe, wenn man das vorhin erwähnte Serienschicksal von „Scarlett Witch“ Wanda Maximoff kennt. Sie sind der Unterbau für Benedicts Cumberbatchs Expeditionen ins Multiversum. Für Ant-Man and the Wasp: Quantumania wäre es dienlich, die erste Staffel von Loki zu kennen – um überhaupt zu verstehen, was es mit Kang dem Eroberer, der als neuer Erz-Nemesis die neue Phase dominieren soll, auf sich hat.

Für jene, die sich die Serie ersparen wollen, hol ich hier mal etwas aus. Alle anderen bitte am Spoiler vorbeilesen, der – Achtung – jetzt beginnt: Am Ende des Show-Formats mit Tom Hiddleston gelangt Thors missratener, aber superwiffer Bruder, nachdem er nach seinem Timeline-Fluchtversuch in Avengers: Endgame von der TWA – der Time Variance Authority – in Gewahrsam genommen wurde, nach langem Hin und Her ans Ende aller Zeiten, wo er auf Jenen, der bleibt trifft. Eine Version des späteren Kang, den wir nun in diesem neuen Film hier sehen, der es aber geschafft hat, die Multiversen unberührt voneinander in Griff zu behalten. Dummerweise und trotz aller Vorwarnungen tötet Loki diesen Mann, was ordentlich Chaos anrichtet und die vielen Parallelwelten aufeinander einstürzen lässt. Nur dadurch ist es überhaupt erst dazu gekommen, dass Ant-Man and the Wasp: Quantumania seine Geschichte erzählen kann. Spoiler Ende.

Und nun passiert das: Die ganze Familie Pym inklusive Scott Lang alias Ant-Man und dessen Tochter Cassie werden in die Quantenwelt gesaugt, als würden sie dem weißen Kaninchen folgen. Dort angekommen, sieht es aus, als wären wir in Strange World gelandet, aber dann doch auch wieder nicht, denn diese Welt jenseits des Erfassbaren ist wiederum ein Universum für sich, bevölkert von mindestens so vielen unterschiedlichen Spezies, wie sie im Star Wars-Universum versammelt sind. Da wir Marvel-Kenner wissen, dass Hope van Dynes Mutter Janet (Michelle Pfeiffer, äußerst gut in Form) 30 Jahre an diesem Ort gefangen war, ist sie dort auch keine Unbekannte mehr. Und rückt so nach und nach mit der Wahrheit raus, was es mit der Gefährlichkeit dieser Welt eigentlich auf sich hat. Epizentrum des Übels ist dieser Kang, der die Völker der Quantenwelt unterjocht und auf die Rückkehr der Ant-Man-Dynastie wartet, um seine eigene auf die gesamte Existenz loszulassen.

Verdammt noch eins! Dieses dritte, wieder von Payton Reed inszenierte Fantasy-Spektakel lässt in Sachen Bildgewalt nichts anbrennen, dabei ist diese Flut an absurden Ideen (u. a. ein Wesen, dass aussieht wie Brokkoli oder einem Blubber ohne Löcher) niemals Selbstzweck, sondern teil eines großen, ganzen, irren Universums, die locker Verwendung finden, ohne vor den Latz geknallt zu wirken wie unlängst in Thor: Love and Thunder. Für manche mag das sicher zu viel sein und daher flach wirken. Was viele aber überraschen wird: Marvel Comics, die Vorlage all dieser Superheldenfilme, sind so. Überbordend, knallbunt, hemmungslos und vor allem eins: selbstironisch.

Geht man auf die Machart des Films ein, so sind die CGI-Welten absolut geglückt, und die agierenden Stars davor scheinen auch nicht so, als wären sie ihr eigener Layer. In dieser Quantenwelt verschmilzt alles irgendwie miteinander, und wie schon erwähnt, sind hier unterschiedlichste Ansätze am Werk – von enthusiastischer Experimentierfreude aus der Wissenschaft bis zum mittelalterlichen Inferno. Die ehrwürdigen Altstars Michelle Pfeiffer und Michael Douglas haben auffallend viel Spielzeit und bleiben genauso ihren augenzwinkernd-lakonischen Charakterbildern treu wie Paul Rudd oder Evangeline Lilly als die beiden Avengers, die dieser Wunderwelt mit der nötigen ausgleichenden Portion an Pragmatismus begegnen. Jonathan Majors wiederum wirkt umso bedrohlicher, je ruhiger er spricht.

Dabei schießt den schrägen Vogel die wohl absurdeste Figur aus dem ganzen Marvel-Kosmos ab, deren Aha-Identität ich hier aber nicht preisgeben möchte. In welchem anderen Film als in diesem wäre dieser Fan-Liebling wohl besser aufgehoben als in einem so packenden wie quirligen Event, in welchem sich der rote Faden der Storyline endlich wieder ein gehöriges Stück weiterbewegt.

Ant-Man and the Wasp: Quantumania (2023)

Black Panther: Wakanda Forever

MIT ANDEREN WASSERN GEWASCHEN

8/10


BLACK PANTHER: WAKANDA FOREVER© 2022 MARVEL


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: RYAN COOGLER

BUCH / REGIE: RYAN COOGLER, JOE ROBERT COLE

CAST: LETITIA WRIGHT, DANAI GURIRA, TENOCH HUERTA, LUPITA NYONG’O, DOMINIQUE THORNE, ANGELA BASSETT, WINSTON DUKE, MARTIN FREEMAN, JULIA LOUIS-DREYFUS U. A.

LÄNGE: 2 STD 32 MIN


Der rote Faden ist heillos zerfasert: Das MCU unter der Leitung von Kevin Feige, der ja, wie wir aus She-Hulk wissen, vielleicht nicht das ist, was er zu sein scheint, bringt das zerfranste Ende besagter Kurzware nicht mehr durchs Nadelöhr. Zu viele Geschichten, zu viele Antagonisten, zu viele Schauplätze. Jeder Film und jeder Serie kickt neue Storylines aus dem Kreativbüro, in welchem jeder für sich und gleichzeitig gegen alle für seine Ideen Gehör finden will. Das ist für jeden Film und jede Serie Stoff genug für jeweils eigene Phasen. Aus dem stringenten Hop-on der Helden Richtung Zukunft ist ein stetiges Verpassen des Zuges geworden, auf welchem man hätte aufspringen können. Die Lösung? Vom Chaos abwenden und sich selbst treu bleiben; an einer Geschichte weiterfeilen, die es bereits gibt und gerne eine Zukunft hätte, die über das Aufstreben oder Fallen eines Königreiches berichtet, das so autark und versteckt dahin existiert wie Bhutan, dabei aber die technologisch wohl fortgeschrittenste und daher auch mächtigste Nation ist auf einer alternativen Erde, die sich längst mit Extraterrestrischem herumschlagen musste, ganze fünf Jahre durch einen schnippenden Thanos verloren hat und an allen Ecken der Welt irgendwas am Brodeln weiß. Eine Welt, welcher der Klimawandel als ein geringeres Übel erscheint und die viel lieber um heiß begehrte Rohstoffe kämpft, die zum Beispiel als Vibranium allerlei Begehrlichkeiten weckt. Auf diesem Edelmetall fußt der Erfolg Wakandas, eines abgeriegelten Zwergstaates irgendwo in Afrika. Testimonial und Aushängeschild war dort der Black Panther oder eben König T’Challa, Mitglied der Avengers und einer nicht näher definierten Krankheit erlegen. Das musste so sein, diese Wendung ging nicht anders, denn Chadwick Boseman verstarb vor zwei Jahren tatsächlich. Wakanda und Black Panther also auch begraben? Nein. Potenzial für Geschichten hat diese kleine starke Welt noch genug, um das Interesse des Publikum zu erhalten. Und so macht Ryan Coogler aus der Fortsetzung seines oscarnominierten Königsdramas nun ein Königinnendrama epischen Ausmaßes, dass sich ohne viel Geschwafel mit einer traditionellen Politik auseinandersetzt, die Fortschritt und Geschichte in der Waage zu halten versucht.

Was Individuen in ihrem sozialen Gefüge mitunter schwerfällt, nämlich sich selbst treu zu bleiben, will Wakanda als unabhängige Großmacht dennoch meistern. Das gelingt nicht immer. Schon gar nicht, wenn der Rohstoff Vibranium plötzlich andernorts zu finden ist, außerhalb des Königreichs, irgendwo im Atlantik. Dort wiederum weckt die internationale Gier den Schönheitsschlaf einer im wahrsten Sinne des Wortes versunkenen Kultur, die in den Comics zwar als Atlantis verstanden werden will, hier aber als Geschichte seiner Existenz eine gefühlvoll erzählte, plausible Legende im Rücken weiß, die einer Hochkultur Tribut zollt, die wir vielleicht nur mit sehr viel Blut und Gewalt und ganz viel Dschungel in Verbindung bringen, die 2012 den Untergang prophezeit und folkloristisches Artwork hinterlassen hat, das mit nichts zu vergleichen ist. Seinen Einstand bekommt dabei einer der ältesten Marvel-Unruhestifter überhaupt: Namor, der Sub-Mariner.

Es treffen also zwei Pole aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten, sich dennoch aber abstoßen, vielleicht, weil sie doch mehr gemeinsam haben als sie dachten: nämlich das Streben, ihren Reichtum mit niemandem teilen zu müssen. Geht das in einer Welt wie dieser? Coogler macht die Probe aufs Exempel – das Know-How einer jungen Amerikanerin wird zum Spielball der Interessen, aus dem sich sehr schnell ein Welt- oder Völkerkrieg entwickeln kann. Wie das Spiel mit dem Feuer, zerfahrene Diplomatie und schlechtes Politikverständnis mit Luft nach oben plötzlich zum Unausweichlichen führen kann, stellt Wakanda Forever als fokussiertes und ausgewogenes Erzählkino dar, das mit der nötigen Gelassenheit aufgrund einer durchdachten Story Platz für alle Facetten eines Mainstream-Abenteuers lässt, das sowohl aufgrund seiner Schauwerte erstaunt, dabei aber auch nicht auf seine Dramaturgie vergisst. Die stille Trauer genauso geduldig abwartet wie Choreographien innerhalb schneidiger Actionszenen, welche Wert auf die Physis der Protagonisten legen.

Es stimmt schon, aus der Betroffenheitswolke rund um den Black Panther kann sich der Film manchmal allzu schwer lösen, dafür aber schaltet er dann von null auf hundert zu einem gänzlich anderen Schauplatz, der aber nicht aufgesetzt wirkt, sondern aufgrund der neu erschaffenen Paradigmen entsteht: Wakanda Forever taucht diesmal tief ins Wasser und zeigt eine Welt, die um so vieles besser und authentischer auftritt als es seinerzeit im DC-Blockbuster Aquaman zu sehen war. Wo wallendes Haar und schlechtes CGI für unfreiwillige Komik gesorgt hatten, nimmt sich Coogler den Willen und die Zeit, sich wie James Cameron ernsthaft mit einer fiktiven Kultur auseinanderzusetzen, die menschenfeindliche Ökosysteme beherrscht. Dabei verknüpft er dies mit dem Traum über eine vergangene Hochkultur in Bildern, die aus einem Film von Chloé Zhao stammen könnten; mit zurückgenommenen digitalen Effekten, Natürlichkeit und Respekt vor der Kraft des Wassers. Nicht zu vergessen: Wakanda Forever öffnet einen Kleiderschrank voller atemberaubender Outfits und tragbarer Accessoires. Diesen Oscar, so prognostiziere ich, scheint der Film schon in der Tasche zu haben.

Wer hätte das gedacht: Am Ende einer missglückten MCU-Phase gelingt den Marvel Studios tatsächlich noch ein stringenter Meilenstein, ein Balanceakt zwischen den Sehbedürfnissen seines Publikums und einer bekennenden Treue zu einer sich selbst genügenden Welt, die eigentlich auch ohne den ganzen universalen Überbau der Phasen und Storylines ganz gut zurechtkommen würde.

Black Panther: Wakanda Forever

Doctor Strange in the Multiverse of Madness

MAN LEBT NICHT NUR ZWEIMAL

7,5/10


drstrange_multiverse© 2022 Marvel Studios / Walt Disney Company


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: SAM RAIMI

CAST: BENEDICT CUMBERBATCH, ELIZABETH OLSEN, XOCHITL GOMEZ, BENEDICT WONG, RACHEL MCADAMS, CHIWETEL EJIOFOR, PATRICK STEWART, HAYLEY ATWELL, LASHANA LYNCH, JOHN KRASINSKI, ANSON MOUNT, BRUCE CAMPBELL U. A.

LÄNGE: 2 STD 6 MIN


Keine Sorge! Das, was leicht hätte passieren können, tritt zum Glück nicht ein. Nämlich, dass Kevin Feige bei der Planung seines MCU völlig den Faden verliert, was schließlich durch die Einbringung der Multiversum-Komponente verführerisch genug gewesen wäre. Nein, Kevin Feige zeigt sich besonnen. Und weiß, was für und wieviele Fäden er bereits in der Hand hält. Er weiß auch, dass es nicht ratsam wäre, wirklich viel Neues hinzuzutun. Er knüpft also mit den Fäden, die er hat, eine Reihe neuer Muster in seinen epischen Marvel-Wandbehang, auf dem schon so viele Helden und Antagonisten aus den Comics ihren unverrückbaren Platz besetzen. Mehr ist über manche von ihnen nicht mehr zu erzählen. Andere hingegen, die durch den Streamingdienst Disney+ auch in so mancher Serie gut weggekommen sind und noch etwas zu sagen hätten, finden wieder zurück auf die Leinwand. So zum Beispiel Wanda Maximoff aka Scarlett Witch, die wir als Scarlett Witch aber noch nicht kennengelernt haben, es sei denn, die originelle Mindfuck-Dramedy Wandavision kann bereits als gesehen ad acta gelegt werden. Und falls dem nicht so ist, und Doctor Strange in the Multiverse of Madness in den nächsten Tagen ansteht, empfehle ich, diese neun Folgen womöglich an einem Binge-Wochenende noch schnell von der Watchlist zu streichen, ist sie doch die einzig relevante Storyline zwischen all den anderen, die unterstützend dazu beiträgt, Elisabeth Olsens Handeln als Superhexe auch wirklich, in all seiner Dramatik, nachvollziehen zu können.

Die letzte Sache mit Spidey hoch 3 ist mehr oder weniger Geschichte. Dr. Stephen Strange erwacht  nach einem heftigen und sehr real anmutenden Alptraum in seinem Schlafzimmer irgendwann nach Spider-Man: No Way Home an einem normalen Tag im MCU Universum, wo gerade mal sonst nichts passiert – außer die Hochzeit seiner Ex Christine Palmer. Die Feier crasht ein einäugiges Tentakelmonster – womöglich der entfernte Verwandte von Starro, dem Eroberer aus Suicide Squad – das sich durch die Straßen wälzt und auf der Suche nach einem Mädchen namens America alles platt macht. Das mit speziellen Fähigkeiten ausgestattete Wunderkind ist Dr. Strange überdies im Traum erschienen, was folglich einige Fragen aufwirft. Was für Besonderheiten bringt Miss America mit sich? Wie relevant ist das für die Stabilität der Wirklichkeiten? Und warum mischt sich plötzlich Wanda Maximoff ein, hält sie doch ein Buch in ihren Händen, welches womöglich aus demselben Regal entnommen wurde wie H.P Lovecrafts Necronomicon oder eben das Naturon Demonto aus Tanz der Teufel, mit welchen wirklich fiese Dinge angestellt werden können.

Tanz der Teufel? Da wird jemand wie Sam Raimi hellhörig, hat der doch diesen Horrorschocker Anfang der Achtziger inszeniert. Womöglich hat sich der Altmeister gar nicht lange bitten lassen, in Anbetracht der Tatsache, abermals Dämonen und Untote umherbewegen zu dürfen. Aber Marvel und Horror? Geht das überhaupt zusammen? Dabei muss man die Definition von Horror neu überdenken. Horror kann tatsächlich jugendfreundlich sein, ohne groß zu verstören und dennoch zu vergnügen, ähnlich einer Geisterbahnfahrt am Rummel. In Doctor Strange in the Multiverse of Madness setzt Raimi auf Basis eines wirklich astrein überarbeiteten und von unnötigen Schnörkeln befreiten Skripts auf eine attraktive Balance zwischen den bewährten Franchise-Qualitäten, die alle State of the Art sind, und düsterer, aber erfrischend aufgeweckter Dark Fantasy, die in alten Mythen wie Dantes Inferno herumwühlt, liebevolle Hofknickse vor entschärften Evil Dead-Elementen macht und tatsächlich auch den Geist alter Roger Corman-Filmklassiker wie Der Rabe – Duell der Zauberer beschwört. Das Zitieren der coolen Anthologieserie What if… mit allerlei Alternativ-Helden hat überdies Schmackes; die Settings, Kreaturen und das intensive Aufspielen von Elizabeth Olsen ebenso, dagegen wirkt Rachel McAdams geradezu unbeholfen. 

Dieser neueste Beitrag in einer satten und bereits über mehrere Jahrzehnte kausal zusammenhängenden Welt unbegrenzter Möglichkeiten bremst sich dort ein, wo vieles aus dem Ruder hätte laufen können, und eröffnet nur gezielt neue Storylines für spätere Abenteuer. Andere könnten darin das Fahren mit Handbremse sehen, und zugeben muss man schließlich, dass der konveniente Erzählduktus des MCU so erwartbar schmeckt wie ein McDonalds-Burger egal wo auf der Welt. Raimis kluge Regie aber, und die Freude an den Möglichkeiten, auch die etwas dunkleren Seiten des Phantastischen zu bedienen, lassen das metaphysische und stellenweise packende Abenteuer irgendwie anders erscheinen – nur nicht als müden Zaubertrick.

Doctor Strange in the Multiverse of Madness

Morbius

GEBT BATMAN DIESE SKILLS!

4,5/10


morbius© 2022 Sony Pictures Entertainment


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: DANIÉL ESPINOSA

CAST: JARED LETO, MATT SMITH, ADRIA ARJONA, JARED HARRIS, TYRESE GIBSON, AL MADRIGAL, MICHAEL KEATON U. A. 

LÄNGE: 1 STD 44 MIN



Spielt es in den Kinos der DC-Metropole Gotham eigentlich Marvel-Filme? Nehmen wir mal an, dem ist so. Und eines schönen Tages, während Joker & Co auf Urlaub sind und Bruce Wayne sonst nichts anderes zu tun hat, möchte dieser mal ins Kino gehen, daher blättert er in der von Butler Alfred überbrachten Tageszeitung und stößt dabei auf einen Film namens Morbius. Interessant, wird er denken, das ist ein Wissenschaftler, der zur Fledermaus wird. Ich bin zwar kein Wissenschaftler, denkt er weiter, dafür aber steinreich. Die Kinokarten werde ich mir noch leisten können, also sehe ich mir diesen Morbius mal an. Und dann sitzt er im dunklen Saal und es frisst ihn der Neid angesichts dieser atemberaubend nützlichen Skills, die ein jesusgleicher Jared Leto so an den Tag legt. Da weiß man gar nicht, welche dieser Fähigkeiten man lieber hätte. Batman würde sie alle wollen, und es verzehrt ihn danach. Nur leider: das ist das Marvel-Universum. Echo-Ortung, sensibles Gehör und das Gleiten auf Luftströmungen kann sich der Millionenerbe maximal als technischen Schnickschnack um die Hüften binden.

Morbius hat diesen ganzen Bauchladen an pfiffigen Extras gleich in seiner Biologie. Aber natürlich auch nicht von Geburt an, wir haben es schließlich mit einem Menschen zu tun, der von Kindertagen an eine nicht näher erläuterte Blutkrankheit auf Krücken mit sich herumschleppen muss. Im Internat von damals lernt das technische Genie einen Kommilitonen namens Loxias (oder Milo) kennen, der unter derselben Krankheit leidet. Beide verbindet von da an eine intensive Freundschaft. 25 Jahre später ist Morbius dem Blut der mittelamerikanischen Vampirfledermaus auf der Spur – warum auch immer. Morbius nimmt an, dies könnte seine Krankheit heilen. Von mir aus, soll er‘s versuchen. Und er tut es. Ganz klar, was dann passiert. Der kränkliche Doktor mutiert zur blutsaugenden Bestie, also quasi zum Vampir mit einer ganzen Latte spitzer Zähne und einer schaurigen Gesichtsphysiognomie, die zu Tage treten, wenn der Mutant Hunger hat. Sein Freund Loxias will das auch, bekommt’s aber nicht, weil man menschliches Blut nicht einfach so im Supermarkt kaufen kann. Zum Glück gibt’s Kunstblut, aber wer will das schon? Loxias ist aber nicht von gestern, macht einen auf Langfinger und kommt an das Serum heran. Und zack: haben wir zwei Vampire, die sich einen Film lang in den Haaren liegen, bestaunt vom FBI, dass zur Staffage verkommt.

Da es sich um eine (Anti)helden-Genese handelt, ist natürlich auch sofort klar, wie das Gekloppe enden wird. Angestrengt haben sich die vier(!) Skriptautoren wahrlich nicht. Was für ein müdes Drehbuch, was für eine schale Story. Anscheinend ist man von Venom: Let There Be Carnage als Grundlage ausgegangen und hat nur einige wenige Parameter verändert. Marvels Stiefbruder Sony, der ja unbedingt sein eigenes Superhelden-Dings durchziehen will, anstatt dass er seine Handvoll Figuren in die Hände von Kevin Feige legt, würde das vielleicht gerne, fühlt sich dann aber in seinem Stolz verletzt. Also macht Sony eben Filme, die vom Reißbrett sind, und die den Besitz sämtlicher Figuren aus dem Spider-Man Universe legitimieren sollen. Mit Herzblut dabei zu sein, ist etwas ganz anderes. Und da sowieso alle wissen, dass Morbius jetzt nicht wirklich der Brüller unter den Comicverfilmungen ist, sucht man den Ausgleich in der Postproduktion, will heißen: CGI wird’s schon richten. Glücklicherweise tut’s das auch, sonst wäre Morbius ein Totalausfall. Das Morphing der Gesichter von Jared Leto und Matt Smith ist State of the Art, die Fights zwischen Gut und Böse emanzipieren sich mit ihren spärlich gesäten, geschmackvollen Bullet Times vom generischen, oft in abstrakten Schlieren aufgelösten, mitunter langweiligen Getöse, in dem nichts mehr zu erkennen ist. Unter demselben Problem musste auch der letzte Venom leiden. Wird Zeit, dass endlich Spider-Man (in welcher Version auch immer) von der Wand springt und die Gelegenheits-Antagonisten aus der zweiten Reihe auf ein reizvolles Level hebt.

Morbius