Fountain of Youth (2025)

SCHÄTZE DER WELT UND WIE MAN NICHT NACH IHNEN SUCHEN SOLLTE

3/10


© 2025 Apple TV+

LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: GUY RITCHIE

DREHBUCH: JAMES VANDERBILT

CAST: JOHN KRASINSKI, NATALIE PORTMAN, DOMNHALL GLEESON, EIZA GONZÁLES, CARMEN EJOGO, ARIAN MOAYED, LAZ ALONSO, STANLEY TUCCI U. A.

LÄNGE: 2 STD 5 MIN


Es gibt ein enorm qualitatives Gefälle zwischen Produktionen, die direkt im Stream erscheinen, und jenen, die eine Auswertung in den Lichtspielhäusern ergattern. Hier muss man aber unterscheiden, dass Filme, die anderswo ins Kino kommen, hier in Österreich aber nur digital released werden, nicht zu jenen zählen, die reine Streamingfilme sind. Zu letzterem zählen wiederum Filme, die so tun, als würden sie auf großer Leinwand ausgewertet werden, in Wahrheit aber maximal ein Wöchlein Luxus wie diesen genießen. Vielleicht haben sie ja dadurch die Chance, so manchen Preis abzuräumen, doch sieht man sich die letzte, sündteure Produktion an, für die Apple TV+ ganz schön was springen ließ, ist der Preisverdacht wohl der letzte, der dabei aufkommt.

Fountain of Youth, ein Abenteuerspektakel und Trittbrettfahrerfilm, der sich an etablierten Genrejuwelen wie Indiana Jones, der National Treasure-Reihe und den von mir geschätzten Uncharted-Film dranhängt, wird dabei sogar von allen bisher erschienenen Tomb Raider-Versuchsanordnungen abgehängt, die aber durchaus ihre Eigendynamik hatten. Dieser hier hat davon nichts. Und das, obwohl sich Guy Ritchie dafür verantwortlich zeichnet, der sich als unverkennbarer Stil-Filmer längst etabliert hat. Der mit Klassikern wie Snatch – Schweine und Diamanten, The Gentlemen oder der wohl geglücktesten Disney-Realverfilmung Aladdin ein Unterhaltungskino schuf, das den Spaß an der Freude vermittelt und obendrein noch bewiesen hat, dass er in unterschiedlichen Genres unterwegs sein kann. Das gediegene Abenteuerkino quer über den Erdball ist dann wohl doch nicht so seins, vielleicht auch, weil das Skript von James Vanderbilt (dessen Qualität genauso schwankt wie jene des Regisseurs – siehe White House Down) eine Hetzjagd in zwei Stunden Spielfilmzeit zwängt, die durch das Weglassen sämtlicher narrativer Details so geschmeidig wirkt wie nervöses Channel-Surfen daheim auf der Couch nach zu viel Süßem. Doch was genau ist passiert, warum kann Fountain of Youth einfach nicht abholen?

Wie man die Quelle der Inspiration nicht findet

Ein Abenteuerfilm steht und fehlt weniger durch seine exotischen Schauplätze oder Actionsequenzen, sondern hauptsächlich durch die Synergien innerhalb des Teams. Das muss natürlich nicht immer eine eingespielte Truppe sein, es kann auch Differenzen geben, denn was sich zankt, schafft noch eine weitere sozialpsychologische Ebene. Bei Fountain of Youth haben wir John Krasinski, als Agent Jack Ryan aufgeräumter Tausendsassa, den nur schwerlich etwas aus der Ruhe bringen kann – und Natalie Portman, der es nicht und nicht gelingt, aus ihrer Arthouse-Blase auszubrechen. Ihr steifes Spiel fiel bereits in Thor: Love and Thunder ins Gewicht, diesmal bemüht sie sich als rechtschaffene Filmschwester des auf Speed agierenden Abenteurers Krasinski um jenen Witz, den seinerzeit Catherine Hepburn als Sparring Partnerin von Humphrey Bogart oder Spencer Tracy auf denkwürdige Weise episch werden ließ. Portman scheitert hier, vielleicht auch, weil Krasinski jeden Versuch, hier einen auf Screwball zu machen, durch seine fahrige Oberflächlichkeit im Keim erstickt. Und da ist dann noch Domnhall Gleeson, phlegmatisch, gelangweilt und seit seiner Rolle als General Hux in den Star Wars-Sequels nie wieder in Höchstform. Allein auf weiter Flur bleibt Eiza Gonzáles, sie wünscht sich womöglich, lieber im Uncharted-Universum festzusitzen, als hier den mit der Kirche ums Kreuz hechelnden Schatzsuchern hinterherzujagen.

Dass in einem Genrefilm wie diesem das visionäre Herzblut eines Steven Spielberg schlagen muss, wäre zu viel verlangt. Den Metabolismus hatten das National Treasure-Franchise mit Nicolas Cage oder Uncharted auch nicht, dennoch waren sie durch die Bank mitreißende Eskapismus-Werke, die Lust auf eine Terra incognita machten. Dass man in den schnelllebigen Zeiten wie diesen, wo Millionen gerne auf fragwürdige Weise verpulvert werden, keinen Cent davon ausgibt, um vielleicht die Quelle der Inspiration anstatt jene des ewigen Lebens zu suchen, mag an der Effizienschraube liegen, an der nicht nur Streaming-Giganten drehen. Überall muss alles weniger Zeit kosten, Qualität ist aber ein Umstand, der sich genauso wenig komprimieren lässt wie Wasser. Und so bleibt, wenn wir schon beim flüssigen Element angekommen sind, Fountain of Youth ein gehetztes Zerstreuungsfilmchen ohne Persönlichkeit, dafür aber mit betörenden Momenten fantasievoller Einfallslosigkeit.

Fountain of Youth (2025)

The Ministry of Ungentlemanly Warfare (2024)

NICHT DIE FEINE ENGLISCHE ART

5/10


ministryofwarfare© 2024 Dan Smith for Lionsgate


LAND / JAHR: USA, VEREINIGTES KÖNIGREICH 2024

REGIE: GUY RITCHIE

DREHBUCH: GUY RITCHIE, ARASH AMEL, ERIC JOHNSON, PAUL TAMASY

CAST: HENRY CAVILL, EIZA GONZÁLES, ALEX PETTYFER, HENRY GOLDING, ALAN RITCHSON, HERO FIENNES TIFFIN, BABS OLUSANMOKUN, DANNY SAPANI, CARY ELWES, RORY KINNEAR, TIL SCHWEIGER, FREDDIE FOX U. A.

LÄNGE: 2 STD


Wenn ein Film, der auf reale Ereignisse aus der Weltgeschichte Bezug nimmt, seinem mit fiktivem Dekor ausgeschmückten Szenario am Ende die Fakten-Komponente entgegenstellt, mag es keine Auszeichnung für das Werk sein, wenn diese paar Minuten die meiste Verblüffung bieten. Das Positive an dem Film vorweg: Man lernt dazu. Denn von einer Operation namens Postmaster wird wohl kaum jemand etwas gehört haben, der sich nicht eingehend mit der Chronologie britischer Black Ops beschäftigt hat. Black Ops, das sind verdeckte und nicht durch den Staat selbst unterstützte Unternehmungen, die, wenn sie schieflaufen, ihre Mitstreiter dem Schicksal überlassen. Winston Churchill, ewig feister, zigarrenrauchender Premierminister (hier verschwindet „Men“ Rory Kinnear hinter formschönem Latex), der die dunkelsten Stunden des Zweiten Weltkriegs miterleben musste, hat während jener Operation wohlwissentlich mitgefiebert. Mit ihm der junge Ian Fleming, der später und auf Basis eigener Erfahrungen jene Figur des James Bond erfunden haben wird, die seit mehr als einem halben Jahrhundert das Eventkino dominiert. Vorlage für diesen unkaputtbaren, charmanten Mansplainer mit der Lizenz zum Töten war ein gewisser Gustavus Henry March-Phillipps, kurz genannt Gus, der aus dem Gefängnis rekrutiert wurde, um eine „Suicide Squad“ anzuführen – mit dem Ziel, die deutsche U-Boot-Flotte zu sabotieren.

Tatsächlich fußen so einige Begebenheiten in Guy Ritchies nobler, aber ausdruckslos gefilmter Nazi-Jagd auf Tatsachen. Darunter Fernando Po, die in den Vierzigerjahren von den Spaniern besetzte Insel vor der Küste Westafrikas, sowie jenes italienische Versorgungsschiff, welches aufgrund seiner Fracht die Funktionstüchtigkeit der Nazi-U-Boote überhaupt erst gewährleistet hat: die Douchessa d’Aosta. Dieses soll versenkt werden, mitsamt seiner Schlepperboote. Da braucht es also nicht nur hemdsärmelige Psychos mit an Genialität grenzenden Skills, sondern auch elegante Spione wie Marjore Stewart (ja, auch diese Dame hat existiert), die den auf der Insel stationierten Nazi-Oberschurken um den Finger wickeln soll. Diese Psychos begeben sich via den Kanaren per Segelboot in feindliche Gewässer und haben auch keinerlei Schwierigkeiten, die aus dem Boden schießende Übermacht an Hakenkreuzmatrosen und sonstigem Hitler-Gesocks treffsicher über den Jordan zu befördern. Was sehr schnell recht langweilig wird. Und die Straffheit des knackigen Beginns dieses Geschichtsabenteuers nicht beibehält.

Wir erinnern uns gerne an Quentin Tarantinos sagenhaftes Weltkriegs-Paralleluniversum Inglourious Basterds. Da hatten Widersacher wie Christoph Waltz als Hans Landa, August Diehl oder Daniel Brühl noch jede Menge gefährliches Charisma. Als Manifestationen des menschlichen Bösen boten sie den aus gutem Grund wütenden Amis, darunter Brad Pitt und Eli Roth, genug stabile Breitseite, um auch eine gewisse Reibung zu erzeugen, die einen packenden Film letztlich ausmacht. In The Ministry of Ungentlemanly Warfare – an sich ein origineller Titel – ist das Niederballern der bösen Burschen (und ja, es sind nur Männer) wie Rasenmähen. Langweilig, doch es muss getan werden. Für Henry Cavill, Alex Pettyfer und Co muss sich die ganze Abknallerei irgendwann nur noch wie Fließbandarbeit anfühlen. Die ganze Riege an Antagonisten bietet keinerlei Herausforderung, woran die Heldentruppe vielleicht auch charakterlich hätte wachsen können. Dass sich hier eine Bewegung erkennen ließe, muss verneint werden. Guy Ritchie, der immer mehr seine eigene Handschrift verliert und seit The Gentlemen seine Stärke des süffisanten Ensemblespiels nicht mehr richtig ausspielen kann, macht generisches, bisweilen überzogenes Actionkino aus der History-Nische und setzt eindimensionale Berserker in Szene, in denen sich die realen Vorbilder wohl niemals wiedererkennen würden.

Stets auf der Gewinnerseite, lenkt das Glück der Gerechten jede Kugel in die Herzen der Finsterlinge, selbst bei schlechter Sicht. Bald wünscht man diesen genug Schwierigkeiten an den Hals, damit sie vom hohen Ross steigen. Die Augenhöhe mit den Bösen ist eine zur Senkrechten neigende Diagonale, die True Story dahinter das Beste, was der Films in petto hat. Und Til Schweiger? Den sieht man nur als Til Schweiger – seine schwammige Performance, gottseidank nicht mit eigener Stimme synchronisiert, reicht an jene von Waltz nicht heran.

The Ministry of Ungentlemanly Warfare (2024)

Ambulance (2022)

MIT MILZRISS AUF DER ÜBERHOLSPUR

6,5/10


ambulance© 2022 Universal Pictures Germany


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: MICHAEL BAY

CAST: JAKE GYLLENHAAL, YAHYA ABDUL-MATEEN II, EIZA GONZÁLEZ, GARRET DILLAHUNT, KEIR O’DONNELL, JACKSON WHITE, A MARTINEZ U. A. 

LÄNGE: 2 STD 16 MIN


Eins muss man Michael Bay wirklich lassen. Er weiß, wie man Hochglanzbilder macht. Das fußt mit Sicherheit auf seiner frühen Profession als Werbefilmer für Automobilmarken, die ihre fahrbaren Untersätze gerne bei niedrigstehender Sonne über den glitzernden Asphalt geschickt haben mochten. Mit der Zeit sind diese Bilder geblieben – erleichternd hinzu kommt die Arbeit mit Drohne und Kamera. Was bei Ambulance – dem Remake eines recht erfolgreichen dänischen Reißers – vorrangig ins Auge fällt und dieses auch bei manchen Sequenzen nachkullern lässt, sind die dynamischen, geradezu ungebremsten Kamerafahrten, die einem Bumerang gleich mal in eine Richtung ausholen, um dann um 360 Grad schwenken, auf den Kopf stehen und wieder zurückschnellen. Ruhende Takes waren gestern. Bei Bay ist alles in Bewegung. Und glücklicherweise trommeln diesmal nicht turmhohe Robotergiganten auf die urbane Infrastruktur ein, sondern ist gerade mal ein Krankenwagen unterwegs, der nicht daran denkt, anzuhalten. Klingt ein bisschen nach Jan de Bonts überschätzten Kassenschlager Speed? Ein bisschen schon, nur der Unterschied liegt darin, dass in Speed ein Anhalten des Busses aus rein bombentechnischen Gründen nicht ratsam gewesen wäre, während in Ambulance den flüchtenden Sani-Tätern gerade mal die halbe Polizei von LA im Nacken sitzt. Das wäre alles eine recht schnell ausgestandene Sache, hätten die Brüder Jake Gyllenhaal und Yahya Abdul-Mateen II nicht auch noch eine bildschöne Rettungsfahrerin in Gestalt von Eiza Gonzáles an Bord, die sich um einen doppelt angeschossenen Polizisten kümmern muss. Es gilt also, einige Faktoren zu berücksichtigen, will man einen glimpflichen Ausgang erwarten.

Und Jake Gyllenhaal, der ist ja längt nicht mehr der Good Guy im Filmbiz. Bewiesen hat er das mit Nightcrawler oder auch zuletzt als Drohnen-Jongleur Mysterio im vorletzten Spiderman-Streifen. Diesmal greift er in hemdsärmeliger Arroganz zu Geldsack und Maschinenpistole – dank einer schwer einschätzbaren Mimik steht ihm der Fiesling sichtlich gut. Bay hat also das richtige Ensemble für seine über zwei Stunden lange Verfolgungsjagd gefunden, die kaum dramaturgischen Leerlauf hat. Und Bay hat – wie schon damals in The Rock – Fels der Entscheidung – zu seinen Tugenden zurückgefunden, bevor das große Hasbro-Franchise eingesetzt hat. Knapp und klassisch bringt der gehetzte Werbespot-Ästhet mit der lockeren Kamera seine Parteien ins Spiel. Dann folgt ein Straßenzug dem nächsten, und sie alle glühen unter heißem Gummi. Dank des Martinshorns verkommt die Ampelschaltung in der Stadt der Engel zur peripheren Lichtorgel.

Die Qualitäten dieses unterhaltsamen, wenn auch nicht durchgehend fesselnden, weil in seinem Plot recht erwartbaren Actionfilms liegen allerdings im Mikrokosmos des Krankenwagens: wenn Gonzales mithilfe ärztlicher Zuschaltung versucht, dem durchlöcherten Cop die Kugel zu entfernen, beisst man fast schon die Zähne zusammen. Und das Machtverhältnis in diesem Dreieck aus Opfer und Täter entbehrt nicht einer gewissen wechselnden Dynamik.

Mit Ambulance hat Michael Bay fast so etwas wie einen Mix aus Stirb langsam und Emergency Room vollbracht, und das, ohne sich anschließend verstecken zu müssen. Die unsäglichen Nummern 6 Underground oder Armageddon sind ist da fast schon vergessen, und der schräge Ulk so mancher Randfigur lockert das Stück Actionkino auch nur insofern auf, da es den gespielten Ernst der Lage nicht vollends zum Narren hält.

Ambulance (2022)

Godzilla vs. Kong

WER ZULETZT BRÜLLT,…

8/10


godzillavskong© 2021 LEGENDARY AND WARNER BROS. ENTERTAINMENT INC. ALL RIGHTS RESERVED. GODZILLA TM & © TOHO CO., LTD.


LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: ADAM WINGARD

CAST: ALEXANDER SKARSGÅRD, REBECCA HALL, MILLY BOBBY BROWN, BRIAN TYREE HENRY, KAYLEE HOTTLE, DEMIÁN BICHIR, EIZA GONZÁLES U. A. 

LÄNGE: 1 STD 54 MIN


Geklotzt wird später? Wohl kaum. Dieser Streifen hier wird wohl das wuchtigste Stück Eventkino des heurigen Jahres bleiben. Ich bezweifle auch, dass sich ein Film wie Godzilla vs. Kong in Sachen Formatfülle in absehbarer Zeit toppen lassen wird. Naja, vielleicht, wenn noch ein dritter im Bunde in den Ring steigt, oder es überhaupt ein Doppel gibt. Aber auch da kann der schmale Grat zwischen entsetzlichem Getöse und wohlkomponiertem Monsterclash sehr leicht bröckeln. Hier wird uns letzteres beschert.

Bitteschön, es ist auch überhaupt kein Problem, Godzilla vs. Kong im Heimkino zu genießen. Interessanterweise läuft hier parallel zur Kinoauswertung der Retailverkauf auf DVD und Blu-Ray. Wer sich aus seinem im letzten Jahr fein säuberlich evaluierten Home Cinema nicht verabschieden kann, braucht hier nur die funkelnde Scheibe in den Player schieben – schon geht die Post ab. Kann aber sein, dass es den Fernseher vom Sockel hebt. Um dem vorzubeugen, rate ich wirklich von Herzen: wenn schon unbedingt Kino, dann wäre es ein Fehler, sich bei Godzilla vs. Kong nicht das Royal Flash unter die Nase reiben zu lassen.

Ich also in meinem Lieblingskino, Saal 1, IMAX-Leinwand (was sonst?), Reihe 9 Mitte. Die besten, längst erprobten Plätze, stets im Vorfeld gesichert. Die Erwartungshaltung ist etwas gedämpft, da der Kaiju-Vorgänger Godzilla 2: King of Monsters von Michael Dougherty ein Schuss ins Knie war. Zu viel Lärm um nichts, mittelmäßig animierte und aufgrund der vielen umhergelenkten Energiestrahlen, die extrem viel Gegenlicht erzeugen, schlecht erkennbare Kreaturen. Darüber hinaus stereotype Figuren und kaum Spannung. Von Gareth Edwards Erstling Godzilla meilenweit entfernt. Der wiederum hatte damals auf ganz viel Stimmung und Atmosphäre gesetzt und die dem Universum zugrundeliegende Wucht und Theatralik geschickt angeteasert. Da wusste man: das schmeckt nach Mehr. Nun – jetzt kommt mehr: Adam Wingard (Death Note, Blair Witch) hat die Ärmel hochgekrempelt und alle Fehler des ersten Sequels ausgemerzt. Entstanden ist ein Blockbusterkino, das die Leinwand sprengt.

Die Story ist natürlich schnell erzählt. Keiner will sich hierbei mit unnötiger Dramaturgie aufhalten. Wichtig ist: ein knapper, aber schlüssiger Plot, den Rest erledigen die Titanen. Genauso ist es auch. Nach Kong: Skull Island fristet der gigantische Primat sein Dasein isoliert unter einer Kuppel auf besagter Insel, was ihm natürlich ordentlich stinkt. Warum ist das notwendig? Nun, damit der King of Monsters, eben Godzilla, nicht Jagd auf ihn macht. Denn von den Titanen, da kann es – wie bei Highlander – nur einen geben. Um auf dieser alternativen Erde allerdings die Sache mit den stampfenden Biomassen zu verstehen, plant eine Gruppe Wissenschaftler um den zwielichtigen Unternehmer Simmons (Demián Bichir) eine Expedition in eine angeblich existierende Hohlwelt, höchstpersönllich (und eher unfreiwillig) angeführt von Kong. Bei der Überfahrt in die Antarktis allerdings, wo der Eingang in die Jules Vern´sche Unterwelt existiert, kommt es zur ersten, unweigerlichen und nicht ganz freundlichen Begegnung mit der schuppigen Riesenechse.

Mehr Inhalt gibt’s hier nicht, das wäre sonst gespoilert. Was ich aber sagen kann: es gleicht einem Kunststück, ein Gekloppe wie dieses so akkurat durchzuchoreographieren. Es ist nicht so, dass die Kamera draufhält und dann gibt’s Kinnhaken links und rechts und das war‘s dann. Wingards Kameraleute und Animationsexperten entfesseln nebst ihren Monstren eine wildgewordene Kamera, die um ihre nichtmenschlichen Stars herumrotiert, herumwirbelt, oben unten sein lässt und umgekehrt. Das ist schwindelerregend, da könnte einem das visuelle wie akustische Getöse wiedermal das Hirn vernebeln – aber das tut es keine Sekunde. Trotz dieser Virtuosität gelingt Godzilla vs. Kong eine erfrischende Klarheit in seiner Bildsprache. Es reicht eben nicht nur, hyperrealistische Wesen und Welten zu generieren – es braucht auch den künstlerischen Aspekt des Filmemachens alter Schule. Wingard kombiniert beides; schafft es gar, seine Stars so gut es geht in dieses Abenteuer einzubinden (bis auf Skarsgård, der seiner Unterforderung Luft macht) und entrümpelt sein glatt geschliffenes, kleines Libretto von unnötig ausufernden Privatgeschichten. Der Fokus liegt dort, wo er liegen soll. Die Lust an der freigesetzten physischen Energie von Godzilla und Kong wird fast durchwegs befriedigt. Und niemals ist es ein Overkill.

Spätestens wenn die Echse durch Hong Kong stapft, ist das die größte Verbeugung bislang vor dem Kinokult der Tōhō-Studios, vor den Geschichten rund um brüllende Gottheiten, panisch flüchtenden Menschenmassen und staunenden Gesichtern weniger Idealisten, die der Größe zwar nicht Paroli bieten können, dafür aber manchem Ungetüm ihr Herz schenken. Meines haben sie schon.

Godzilla vs. Kong

I Care a Lot

DAS GELD ÄLTERER LEUTE

8/10


icarealot© 2021 Photo Cr. Seacia Pavao / Netflix


LAND / JAHR: USA 2021

BUCH / REGIE: J BLAKESON

CAST: ROSAMUNDE PIKE, EIZA GONZÁLES, PETER DINKLAGE, DIANNE WIEST, CHRIS MESSINA, ISIAH WHITLOCK JR. U. A.

LÄNGE: 1 STD 59 MIN


In Österreich ist der Pflegeregress – das Finanzieren von Pflege aus privatem Vermögen – seit Anfang 2018 abgeschafft. Na, Gott sei Dank für die Angehörigen und Nachkommen. Und Gott sei Dank natürlich für die Betroffenen. Etwas zu besitzen macht schon auch etwas mit dem Selbstbewusstsein. Vom Ende des Pflegeregress hat die toughe Marla Grayson allerdings noch nichts vernommen. Keine Ahnung wie das in anderen Ländern gehandhabt wird. Bei Marla Grayson jedenfalls bläht sich die Brieftasche dank sozialer Scheinliebe bis zum Äußersten. Denn sobald gerichtlich verfügt wird, dass hilfsbedürftige Senioren unter Graysons Kuratel gestellt werden müssen, sie noch dazu Heim und Hof verlieren und nicht mehr als zu melkendes Gemüse sind, wird der ganze Besitz veräußert. Nachlass für andere zu Lebzeiten sozusagen. Ein Vorgehen, fern jeder Ethik. Aber wer braucht schon Ethik in Zeiten von Konzerndenken und dem lukrativen Gewinn aus dem Schaden anderer? Du musst ein Schwein sein in dieser Welt, das sangen schon die Prinzen. Und recht haben sie damit. Allerdings übersehen sie, dass ein Leben auf Kosten anderer irgendwann auf holprigen Pfaden endet. Denn mit der Enteignung und Einweisung der betagten, aber geistig noch völlig fitten Jennifer Peterson (Dianne Wiest) tritt sich Marla Grayson einen Haufen Schwierigkeiten ein, mitunter den finsteren Burschen Peter Dinklage, der, was keiner weiß, Jennifer Petersens Sohnemann ist und sich ernsthaft fragt, warum Mutti sich nicht meldet.

Regisseur und Autor J. Blakeson (u. a. Die Entführung der Alice Creed, Die 5. Welle) hat mit seiner schwarzen Thrillersatire I Care a Lot verdammt vieles richtig gemacht und Netflix zu einem sehenswerten Stück Zeit- und Gesellschaftskritik verholfen, das sich überdies streckenweise zu einem sauspannenden Schachspiel zwischen Rosamunde Pike und dem alten Tyrion Lennister mit Rauschebart und Hipster-Scheitel aufbäumt, den man auch spätnachts ansehen kann, ohne dabei müde zu werden. I Care a Lot ist ein Film, der fesselt, und nicht nur zynisch sein will, weil medialer Zynismus den intellektuellen Kritiker hofiert. In diesem Zynismus liegt eine komödiantisch verzerrte Wahrheit, was die Gier einiger weniger betrifft, die sich zur fröhlichen Oligarchie zusammenschließen, um das Fußvolk, das gar nicht weiß, wie ihm geschieht, auszunehmen. Man möchte diese eiskalte, berechnende und scharfsinnige Figur der Marla Grayson, die das Kaliber einer mörderischen Sharon Stone in ihren besten Zeiten erreicht, ohne dabei mit plumpen Kapitalverbrechen anzugeben, am liebsten hassen. Doch das kann man nicht, weil Rosamunde Pike einfach zu begnadet agiert, um sich von ihr abzuwenden. Pike, längst eine meiner großen Favoriten im Filmbiz, ist eine strahlende, makellose Erscheinung und gleichsam so perfide wie eine Renaissance-Regentin, die ihre Widersacher beseitigt, nämlich so, dass es keiner merkt. Pike gibt sich die Frauenpower auf der Schattenseite, da geht selbst einem ebenso versierten Peter Dinklage irgendwann die Eloquenz aus. Und man selbst bleibt sprachlos bei so viel Kälte und Gleichgültigkeit dem Humanismus gegenüber, und man könnte sich auch denken, manch ein Mensch ist ein tigerartiger Einzelgänger, der soziales Miteinander als schier überbewertet empfindet.

J Blakeson folgt seinem erdachten Konzept des amoralischen Duells mit einigen Kompromissen, um zum notwendigen Ziel zu gelangen. Das merkt man leider, da sind in Sachen Plausibilität manchmal schwächelnde Wendungen drin, die aber das Gesamtbild nur geringfügig durcheinanderbringen. Doch vielleicht ist dieses Schwächeln auch Teil des Plans, um den Konkurrenten zu umschleichen, ohne ihn ernsthaft um die Ecke bringen zu wollen? Löwen und Lämmer werden hier des Öfteren als Gleichnis bemüht – zu welcher Fraktion Rosamunde Pike gehört, wird wenig überraschend schnell klar. Wenig klar bleibt, wohin sich dieses toughe Lust- und Frustspiel wohl hinentwickeln wird, was den Film angenehm unberechenbar macht. Und der so sagenhaft gut unterhält wie den Erbschleicher das notarielle Verlesen eines üppigen Testaments. Zu Lebzeiten, versteht sich.

I Care a Lot

Paradise Hills

SCHWIEGERTOCHTER AUF BESTELLUNG

6/10


paradisehills© 2019 Kinostar

LAND / JAHR: SPANIEN 2018

REGIE: ALICE WADDINGTON

CAST: EMMA ROBERTS, MILLA JOVOVICH, EIZA GONZALES, AWKWAFINA, DANIELLE MACDONALD, JEREMY IRVINE U. A.

LÄNGE: 1 STD 35 MIN


Milla Jovovich braucht das alles nicht mehr. All diese Modelposings und Catwalks und dergleichen. Sie ist längst eine gut gebuchte Schauspielerin mit Sympathiewerten. So Dinge, wie sie Arbeitskollegin Heidi Klum an den Fernsehabend legt, braucht Milla Jovovich nicht. Es sei denn, sowas verlangt das Drehbuch eines recht entrückten Films, den man bereitwillig dem Science-Fiction-Genre zuordnen kann. Allerdings auch dem Genre einer zuckersüßen Satire, die dem Drang nach weiblicher Perfektion zumindest in Ansätzen ordentlich die Leviten liest. Mittendrin in diesem mysteriösen Setting: Julias Roberts Tochter Emma, die nicht weiß, wie sie auf dieses streichelweiche Alcatraz fernab des Festlandes kommt. Ihre Mama, so erfährt sie, hat sie hier in diesem Olymp der Schönheit zwangseingewiesen, um sie davon überzeugen zu lassen, dass der reiche Schnösel, der sie unbedingt ehelichen will, die beste Wahl sein muss. Einmal reich eingeheiratet, profitiert die ganze Familie mit. Nur: Emma will das ganz und gar nicht. Ressortleitern Jovovich aber ist da zuversichtlich. Spätestens nach zwei Monaten sind alle Mädchen, die dieses paradiesische Ambiente verlassen, gänzlich andere Menschen.

Es beschleicht einen schon so eine gewisse Ahnung. Da kann was nicht mit rechten Dingen zugehen. Alleine der blütenpflanzliche Übergau kann nicht gesund sein. Schielt man zur Küste, könnten ja glatt die beiden ungleichen Gallier aus Asterix erobert Rom heranrudern, die ja auf der Insel der Freude plötzlich mordsdrum Kohldampf bekommen haben, zum Leidwesen der herumtänzelnden Schönheiten, die nicht einsehen konnten, warum sie plötzlich kochen müssen. Jovovich und ihre Entourage sehen das auch nicht ein, warum sie das Geheimnis ihres Erfolges preisgeben sollten. Also muss Emma, im Beisein von Danielle MacDonald (sehenswert in Skin) und der exzentrischen Awkwafina der Sache auf den Grund gehen, um dann schleunigst von dieser Insel zu verschwinden.

Wer weiß wohl, was hinter den Kulissen von Germanys Next Top Model eigentlich abgeht. Im realen Showbiz sitzt Heidi Klum hinterm Richterpult und verschlimmbessert Persönlichkeiten. So viel anders scheint dieses Paradise Hills augenscheinlich gar nicht zu sein. Doch dann wirds mysteriös, und anfangs ist noch wahrnehmbarer Suspense vorhanden, wenn die feingeistigen „Eloys“ der Insel seltsame Hausregeln exekutieren. Ein bisschen Flucht ins 23. Jahrhundert  nd Ideen wie aus einem Tarsem Singh-Film schwingen da ebenso mit, in diesem Mädchenfilm aus Täuschung und Selbstfindung, aus Emanzipation und der Akzeptanz eigener Unzulänglichkeiten.

Trotz des guten Potenzials allerdings räumt die Satire bald das Feld zugunsten eines reicht eindimensionalen Rosenkriegs, in dem Milla Jovovich vergeblich versucht, die dunklen Seiten einer Dornröschen-Interpretation zu bündeln. Letzten Endes aber tut das dem Unterhaltungswert des Films nicht ganz so viel Abbruch. Wer die Nase voll hat von all diesem Pretty-Idealismus, wird Paradise Hills durchaus vergnüglich finden.

Paradise Hills

Bloodshot

EINE RUNDE RACHE

5/10

 

bloodshot2© 2020 Sony Pictures

 

LAND: USA 2020

REGIE: DAVE WILSON

CAST: VIN DIESEL, GUY PEARCE, EIZA GONZÁLES, TOBY KEBBEL, SAM HEUGHAN U. A. 

 

Vin Diesel gibt sein Bestes. Und das in zweierlei Hinsicht. Er tut erstens mal das, was er am Besten kann: als coole Actionsocke auftreten und den Bösen die Fresse polieren. Und er bemüht sich zweitens sichtlich und mit Hingabe, Emotionen glaubhaft darzustellen. Das kann er jetzt nicht zwingend am Besten, aber wie gesagt: er gibt sein Bestes. Das immerhin erstaunt schon mal. Und es erstaunt auch, dass die Verfilmung einer Comicreihe aus dem Hause Valiant sich anfangs so anfühlt, als wäre man mitten in einem Michael Bay-Film. Das verflüchtigt sich aber recht rasch. Nach der alles entscheidenden  Schlüsselszene, in der Vin Diesel sozusagen vorbehaltlich das Zeitliche segnet, geht´s in Sachen High-Tech so dermaßen in die Vollen, dass selbst einer wie Tony Stark vor Neid erblassen würde. Und noch was: die hier vorgestellte und als bemüht machbar erscheinen wollende Technik ist zumindest so sagenhaft überzeichnet wie jene aus Wakanda, der Heimat des Black Panther. Dort hat man anscheinend sowieso all den High-Tech-Kram mit der Muttermilch aufgesogen. In vorliegender SciFi-Action scheint das ein ähnlicher Fall gewesen zu sein, zumindest beim wissenschaftlichen Krösus Guy Pearce, der nur halb so viel Charisma hat wie Tony Stark, aber das Wissen eines ganzen Jahrhunderts der Technik für sich gepachtet hat. In dessen Labor erwacht eben Vin Diesel und kann nicht erstmal an nichts erinnern. Dann wird ihm offenbart, er sei von den Toten auferstanden und hätte statt Blut ausgefeilte Nanotechnik, die zerstörtes Gewebe wieder mir nichts dir nichts herstellen können, dafür aber aufgeladen werden müssen wie der Akku eines Smartphones. Und überhaupt ist Diesel nur noch eine gesteuerte Maschine, die unter der Remote-Fuchtel eines dubiosen Vereins steht, der aus versehrten Helden technisch ergänzte Wunderpuppen zimmert. Wobei mir jetzt das amazon-Format Doom Patrol in den Sinn kommt. Ja, so ähnlich ist das hier auch. Nur Bloodshot wird bald zur Staubwolke werden, da er nach einem Total Recall wieder weiß, wozu er noch am Leben ist: um Rache zu nehmen.

Bloodshot hat schon bei der Kinopremiere knapp vor Corona von Seiten der Presse allerhand Kritik einstecken müssen. Manche Argumente mögen berechtigt sein. Aber ehrlich: Es gibt immer noch weitaus Schlimmeres. Weitaus Eindimensionaleres, denn genau betrachtet ist die Story rund um den wiedererweckten Frankenstein, der für sinistre Zwecke missbraucht wird und sich erst nach und nach davon zu emanzipieren beginnt, gar keine so kümmerliche Basis, mal abgesehen davon, dass Vieles an ganz andere Filme erinnert. Verhoevens Total Recall oder Robocop zum Beispiel. Oder Universal Soldier. Es bisschen was von Duncan Jones´ Source Code schwingt mit, nur längst nicht so existenzialistisch. Das ganze ist klassisches Patchwork, und es beschleicht mich das Gefühl, Dave Wilsons Streifen hat kaum eigene Ideen. Die Comicvorlage stammt aber immerhin aus den frühen Neunzigern. Somit lässt sich durchaus auch die Frage in den Raum stellen, wer in manchen Fällen bei wem abgeguckt hat. Aber sei’s drum, der Zitatepunsch ist ganz ansehnlich geglückt und nicht so konfus wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre. Die Liebe zum Detail, die fehlt. Was noch fehlt, ist der große Wow-Moment, denn Szenen von der Art, wie Vin Diesel sich zusammensetzt, hat man alle schon im Trailer gesehen. Ein Film, der sich im Vorfeld bereits selber spoilert. Das war dann wohl die größte Überraschung.

Bloodshot