Maria (2024)

DIE DIVA HINTER DER DIVA

5/10


© 2024 STUDIOCANAL GmbH / Pablo Larraín


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND, ITALIEN, USA 2024

REGIE: PABLO LARRAÍN

DREHBUCH: STEVEN KNIGHT

CAST: ANGELINA JOLIE, PIERFRANCESCO FAVINO, ALBA ROHRWACHER, KODI SMIT-MCPHEE, HALUK BILGINER, STEPHEN ASHFIELD, VALERIA GOLINO, VINCENT MACAIGNE, ALESSANDRO BRESSANELLO U. A.

LÄNGE: 2 STD 4 MIN


Im Abspann des biographisch angehauchten Spät-Portraits Maria zeigt Pablo Larrain zahlreiche kurze Videosequenzen, auf welchen die echte Maria Callas zu sehen ist. Ich stelle fest: So divenhaft wirkt sie gar nicht. Gut, die schicke Kleidung, das perfekt frisierte Haar, die Entourage, die sie umgibt, zeugt davon, wie angesehen die Dame wohl gewesen sein muss. An ihrer Seite der steinreiche Reeder Onassis, doch sie selbst, La Callas eben, gibt sich locker, auffallend natürlich, augenzwinkernd, menschlich. Sagen so wenige Szenen mehr über eine Person aus als es der ganze Film, in welchem die Filmdiva schlechthin, nämlich Angelina Jolie, so tut, als wäre sie Angelina Jolie, die wiederum so tut, als wäre sie Maria Callas?

Nach Spencer hat der Chilene Pablo Larraín abermals den Skriptschreiber Steven Knight dazu beauftragt, der bedeutenden Sopranistin eine biographische Stimme zu geben – allerdings mit der Tendenz in Richtung eines zwischen Realität und Imagination changierendes Psychodrama und subjektives Portrait, eingefasst in einen Zeitrahmen von einer Woche, nämlich der letzten Lebenswoche einer viel zu früh verstorbenen, die, so wie es dem Film nach scheint, sowieso nichts mehr zu verlieren gehabt hätte nach dem Verlust ihres hallenfüllenden, kräftigen Organs und der Bewunderung, von der manche Stars leben können, als wäre es das Nahrhafteste auf der Welt. Die finalen Tage gestalten sich entsprechend ereignislos, das vermittelt auch der Film. Um als Zuseher nicht in den Standby-Modus abzugleiten, bereichern Larrain und Knight ihre Hommage mit der allgegenwärtigen, fleischgewordenen Präsenz eines Rauschmittels, genannt Mandrax, das angeblich gegen Angststörungen und Schlaflosigkeit helfen soll. Süchtig wird man davon allemal, in Afrika nimmt man das Zeug immer noch ein, Ende der Siebziger genügt es Maria Calls immerhin noch, um einen imaginären Interviewer auferstehen zu lassen, in diesem Fall Kodi Smit-McPhee, der die in edle Gewänder gehüllte Dame auf ihren Spaziergängen begleitet, nur nicht in die Pariser Oper, denn dort sitzt Jeffrey Tate, einst Assistent von Karajan und Chefdirigent überall auf der Welt. Er unterstützt die Diva dabei, ihre Stimme wiederzufinden – letztendlich leider vergebens, obwohl Haushälterin Bruna (Alba Rohrwacher, La Chimera) stets ganz anderes Feedback gibt. Die herzensgute Seele in den Gemächern der Künstlerin sieht ihre Komplimente als Balsam für Marias enttäuschtes Gemüt, ihr zur Seite steht der Diener Ferruccio, sowieso Mädchen für alles, geplagt von Rückenschmerzen und willig, selbst die absurdesten Wünsche der gottgleichen Dame zu erfüllen.

Bruna und Ferruccio – welchen unorthodoxen Blickwinkel hätte der Film nur gewonnen, hätte Larraín diese beiden devoten, fast schon engelsgleichen und geerdeten Personen, die nichts anderes im Sinn haben als das Gutgemeinte, ins Zentrum des Geschehens gerückt. Schließlich ist es so, dass Rohrwacher und der wunderbare Pierfrancesco Favino (u. a. Il Traditore, Adagio) bisweilen faszinierender, greifbarer und interessanter wirken als der zentrale Star dieses reich bebilderten Essays: Angelina Jolie. Keine Ahnung wann das passiert ist, zumindest war das zu ihrer Paraderolle als Psychiatrie-Insassin in Girl, Interrupted noch nicht der Fall, dass La Jolie begonnen hat, so zu tun, als wäre sie die gefragteste Schauspielerin auf diesem Planeten, um sich ein Verhalten anzueignen, dass sich in vielen anderen ihrer Filme nicht anders ausdrückt als eben hier, in diesem Diven-Abgesang. Gestelzt, abgehoben, über allen Dingen schwebend, unnahbar und fassadenhaft, natürlich makellos schön und voll der Ausstrahlung. Nur diese Strahlen schillern nicht, es ist ein gleichmäßiges Licht, das Jolie verbreitet. Und es ermüdet.

Auch wenn sie noch so versucht, sich in diesem vermuteten Schmerz hinzugeben, den Maria Callas gehabt haben könnte – man kommt dem Wesen dieser Person nicht näher, man betrachtet lediglich Bilder von ihr und erhält als einzige aufschlussreiche Information jene, dass Angelina Jolie in allen möglichen Kostümen, in auf die Farben der Siebziger gefilterten Bildsequenzen oder in Schwarzweiß, in gefakten Archivaufnahmen, als Anne Boleyn oder Turandot, immer Angelina Jolie bleibt, die unbedingt in eine Rolle schlüpfen will, die ihre eigene Divenhaftigkeit verbergen soll, um als ganz andere Diva zu erscheinen. Es gelingt ihr nicht. Und es gelingt dem Film an sich auch nicht, aufgrund dessen diesem Mysterium Callas näherzukommen – zu fragmentarisch ist dieses prächtige Requiem, und vielleicht auch zu selbstverliebt. Die Diva lässt sich auch in Pablo Larraín finden.

Maria (2024)

Memoir of a Snail (2024)

EINE ABRISSBIRNE FÜRS SCHNECKENHAUS

8/10


© 2024 Polyfilm


LAND / JAHR: AUSTRALIEN 2024

REGIE / DREHBUCH: ADAM ELLIOT

MIT DEN STIMMEN VON (ORIGINAL): SARAH SNOOK, KODI SMIT-MCPHEE, JACKI WEAVER, ERIC BANA, DOMINIQUE PINON, MAGDA SZUBANSKI, NICK CAVE, ADAM ELLIOT, BERNIE CLIFFORD U. A.

LÄNGE: 1 STD 34 MIN


Das „potscherte“ Leben gibt’s nicht nur hier im morbiden, leicht psychotischen Wien. Das gibt es auch auf der anderen Seite des Erdballs, genauer gesagt auf dem Kontinent namens Australien. Fern jeglicher Down-Under-Exotik aus Kängurus, Uluru und Great Barrier Reef hadern die Ausgestoßenen in existenzieller Düsternis um ihr Schicksal, und damit sind gar nicht mal die um ihr Recht auf Glückseligkeit gekommenen Ureinwohner gemeint – sondern allenthalben die Nachkommen weißer Siedler, die auf einem Kontinent der Superlativen ihr Leben soweit dahinleben wie die anderen, wie die Norm, wie das Schicksal es verlangt. Adam Elliot hat sich nach Mary & Max – Schrumpfen Schafe, wenn es regnet abermals den Nonkonformisten, den Außenseitern, Sonderlingen und Verlieren hingegeben, er weiß schließlich, dass genau sie es sind, die der Menschheit die Menschlichkeit erhält. Er weiß, das genau sie es sind, die wie der gute alte Hiob aus der Bibel soweit vom Leben genötigt und getriezt werden, nur um es letztlich besser zu verstehen als alle anderen. Durch Verzicht, Verlust und Enttäuschung hindurch sieht man das, was man hat, deutlich klarer. Doch ist das nicht ohnehin der gepredigte Weg des Schmerzes? Ist der Content hier vielleicht allzu religiös angehaucht? Überhaupt nicht.

So, wie Elliot die Lebenssituationen der Zwillinge Grace und Gilbert beschreibt, lässt sich spüren, wie behutsam er seine zerbrechlichen, sensiblen und sehnsüchtigen Figuren auf die Probe stellt, ohne sie mit ihren Tragödien und schmerzlichen Umwegen zu überfordern. Die beiden fahlgesichtigen kleinen Puppen, an denen Tim Burton sicher seine helle Freude hat, stemmen, indem sie sich ihrem Charakter selbst treu beiben, das Unwegsame. Sie assimilieren sich nicht, besitzen aber gleichzeitig durch ihre Andersartigkeit die Fähigkeit, sich allem, was passiert, in melancholischer und gleichsam resignativer Hoffnung zu fügen. Das mag ein Widerspruch in sich sein, weckt aber den Lebenskünstler. Das ist Pragmatismus zur rechten Zeit – und Grace, die scheinbar alles im Laufe ihres Lebens verliert und sich ihren psychischen Problemen hingibt, wird zur Anti-Heldin eines schnöden Lebens.

Wie schon in seinem Vorgängerfilm erliegt Elliot nicht der Versuchung, die optische Raffinesse seiner Arbeit, vor der man ohnehin auf die Knie fällt, über die Geschichte zu stellen. Fast ist genau das Gegenteil der Fall. Memoir of a Snail – und damit ist die über Vergangenes sinnierende Grace in ihrem Schneckenhaus gemeint – ist die untergründige Antithese zu Wallace & Gromit und dem Sandmännchen, sie ist die dunkle Gasse, das Elend hinter heilem Entertainment. Als Trickfilm für Erwachsene, der die Kleinen wohl eher verstören würde, thematisiert das bizarre Wunderwerk sozialen Abstieg, Krankheit, Verlust und Fetischismus. Religiösen Fanatismus genauso wie die Symptome psychischen Ungleichgewichts und Trauer, unter welcher Gracie im wahrsten Sinne des Wortes fast erstickt.

Doch es ist nicht nur das zentrale Geschwisterpaar, das mit seinen stets tränennassen großen Augen das Herz des Publikums erobert. Es ist vor allem die sagenhaft illustre Riege an Nebenfiguren, allesamt Außenseiter und einsame Seelen, deren Resignation und Verlorenheit sich in ihren Gesichtern spiegelt, die aber dennoch das Leben hinnehmen, wie es kommen muss. Gracies Freundin Pinky, gesprochen von Jacki Weaver, ist dabei ein absoluter Knaller – eine schräge Gestalt, liebevoll konturiert und beschrieben, herzlich und kurios, bis zum Ende.

Memoir of a Snail ist ein sonderbares Kleinod mit Alleinstellungsmerkmal, die dunkelgraue Seite des Animationsfilms, reich an Lebensphilosophie, Zärtlichkeit und im richtigen Moment herzlich sarkastisch. Inhaltlich vergleichbar wäre Elliots Werk mit Jean-Pierre Jeunets Die fabelhafte Welt der Amélie, denn hier wie dort ist der Alltag der Einsamen eine Märchensammlung poetisch-bizarrer Anekdoten. Neben diesen bezaubernd bebilderten, aufwändig visualisierten Ideen ist es doch die gehaltvolle Story im Kern, die so richtig bewegt und gemeinsam mit dem Reiz des Stop-Motion-Films die Liebe zu einem Leben feiert, das sich selten als kooperativ erweist.

Memoir of a Snail (2024)

The Road (2009)

WAS WERT IST, DAFÜR ZU ÜBERLEBEN

8/10


theroad© 2009 Metropolitan Film Export


LAND / JAHR: USA 2009

REGIE: JOHN HILLCOAT

BUCH: JOE PENHALL, NACH DEM ROMAN VON CORMAC MCCARTHY

CAST: VIGGO MORTENSEN, KODI SMIT-MCPHEE, CHARLIZE THERON, ROBERT DUVALL, GUY PEARCE, MOLLY PARKER, MICHAEL K. WILLIAMS, GARRET DILLAHUNT U. A.

LÄNGE: 1 STD 52 MIN


Einige Jahre bevor die Spiele-Schmiede Naughty Dog den modernen Playstation-Klassiker The Last of Us auf die zockende Menschheit losließ, streiften schon ganz andere Gestalten durch eine zerstörte Erde: Ein namenloser Vater mit seinem Sohn zum Beispiel als universelle Personifikationen zweier Generationen, wovon die eine den Untergang miterlebt und die andere in den Untergang hineingeboren wurde. Sie sind das letzte bisschen Menschlichkeit in einer Welt, die kaum mehr Leben auf sich trägt und unter einer fahlgrauen Wolkendecke dahindämmert, während schneegleiche Asche das Land wie ein Leichentuch bedeckt. Joel und Ellie aus The Last of Us hingegen streifen da noch durch halbwegs intakte Biomasse, während die urbanen Gefilde verrotten oder deren Bewohner in Anarchie versinken. Das Land gehört dort den von Pilzen Infizierten. In The Road aber streunen weder blutdürstende Zombies durch die Gegend, noch klicken Pilzköpfe, noch haben Aliens wie in A Quiet Place die globale Infrastruktur lahmgelegt. Diese Dystopie liefert den rationalen Kahlschlag des Untergangs: Keine Monster, keine Roboter wie in Terminator, rein gar nichts. Die Welt als Friedhof – pur, unmissverständlich und radikal. Michael Haneke hatte mit seinem Endzeitdrama Wolfzeit anno 2003 ein ähnliches Szenario heraufbeschworen, nur ohne Graufilter wie in Hohn Hillcoats Werk, das diesmal nicht oder kaum auf Horror oder Action setzt, dafür aber durch seine Reduktion und die Konzentration auf das Wesentliche zu den sensibelsten oder empfindsamsten Genre-Beiträgen zählt, die mir bekannt sind.   

Was das Wesentliche ist? Das kleinste gemeinsame Menschenmögliche, das Duo aus Fürsorger und zu Beschützenden. Das Einzige, was wir in diesem Film über das Schicksal von Terra heraushören können, ist, dass es sich um die Art der Apokalypse womöglich um einen Asteroiden gehandelt haben könnte. Doch so genau weiß man das nicht, und es interessiert Hillcoat bzw. Autor Cormac McCarthy herzlich wenig, was die Ursache hätte sein können. Worauf es ankommt, ist die bedingungslose Liebe zwischen den beiden, die nach dem Fortgang der Mutter (Charlize Theron) jahrelang durch die Gegend streifen, um Nahrung zu finden. Ziel ist die südliche Küste des Kontinents. Und sie sind nicht die einzigen, die da herumirren. Marodierende Gangs, die sich notgedrungen auf Menschenfleisch spezialisiert haben, machen das Vorwärtskommen unsicher. Immer wieder kommen die beiden in brenzlige Situationen, manchmal ist ihnen das Glück hold, dann wieder folgen Tage der Entbehrung und der Traurigkeit.

Wer will schon leben, in so einer Welt? Doch der Mensch ist auf Survival programmiert, da hilft alles nichts. Es treibt ihn an, weiterzumachen, und die stetige Flamme des Ansporns ist besagte Aufgabe, zu schützen und zuzulassen, beschützt zu werden. Als Roadmovie braucht The Road längst keine komplexe Geschichte zu erzählen, ganz im Gegenteil. Was Hillcoat schildert, sind Stationen eines inneren Kampfes und das Bezwingen eines Weges, an dessen Ende es heller sein könnte als in den Momenten der Hoffnungslosigkeit, die wie Meilensteine die Route säumen. Und derer gibt es viele. Doch sie sind voller Gnade und Respekt vor denen, die alles verloren haben. Viggo Mortensen lässt als Vater, der den radikalen Wandel immer noch nicht hinnehmen kann, tief in seine Psyche blicken. Er trägt Verantwortung, sucht aber selbst nach Geborgenheit. Der junge Kodi Smit-McPhee kennt nur die Postapokalypse – er ist der Träger der Hoffnung, während der Vater an nichts mehr glaubt außer an seinen Sohn.

Natürlich ist The Road beklemmend genug und nichts für depressiv verstimmte Gemüter. Doch allein im Handeln der beiden Protagonisten glüht das Feuer eines unerschütterlichen Willens, einer seltsam entrückten Zuversicht und der Möglichkeit, in Erinnerungen Erholung zu finden. Das läuft ganz im Verborgenen ab. Vereint mit der natürlichen Gabe der Verantwortung ist das die Essenz, um aus dem Ende einen Neuanfang zu machen. The Road bringt diese Essenz auf den Punkt und strahlt aufgrund seiner Genügsamkeit eine seltsam düsteres, aber faszinierendes Licht aus.

The Road (2009)

Elvis

DER KÖNIG KOMMT BIS VEGAS

7,5/10


elvis© 2021 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: BAZ LUHRMANN

CAST: AUSTIN BUTLER, TOM HANKS, HELEN THOMSON, RICHARD ROXBURGH, OLIVIA DEJONGE, LUKE BRACEY, DAVID WENHAM, KELVIN HARRISON JR., KODI SMIT-MCPHEE U. A.

LÄNGE: 2 STD 39 MIN


Der Zeitpunkt scheint gekommen, an dem alle Elvis-Imitatoren rund um den Globus ihre Fake-Koteletten abziehen und ihre Glockenhosenoutfits zusammenpacken können – denn jetzt gibt es einen, der schlägt sie alle. Da gibt es nichts mehr über ihm, außer Elvis selbst, doch der ist leider schon seit 45 Jahren tot, wobei er sein eigenes Alter bereits um 3 Jahre überschritten hat. Elvis ist also länger schon Geschichte, als er überhaupt gelebt hat. Das Gerücht, das Elvis noch lebt, könnte mit Baz Luhrmanns tiefer Verbeugung vor einem Musik- und Showgenie neue Nahrung erhalten.

Denn Austin Butler, bislang vorwiegend in Nebenrollen und in einzelnen Fernsehserien zu sehen, schenkt dem King of Rock ’n‘ Roll ein neues, doch vertrautes Antlitz – er macht ihn nicht nur insofern lebendig, weil er dem Mann aus Memphis, Tennessee, so verblüffend ähnlich sieht. Sondern weil er weiß, wie er geht, steht, sich bewegt und vor allem – wie er lächelt. Sein charmantes Kokettieren mit dem weiblichen Publikum hat nebst den markanten Hüftbewegungen, die später Michael Jackson uminterpretieren wird, die eigentliche Hysterie ausgelöst und eine fast schon beängstigende Fankultur begründet. Austin Butler bekommt das genauso hin – vereint mit Outfit, Frisur und den richtigen Rhythmen wird eine Ikone lebendig, die man maximal in stadthallenfüllenden Tributshows aus sicherer Entfernung bewundern konnte – mit Lookalikes, Evergreens und einer damit einhergehenden Reisebegleitung in die Jugendjahre der Elterngeneration.

In Elvis wird nämliche Person hautnah erlebbar und somit zu einem Erlebnis, das in seiner kultischen Verehrung sogar jene Performance, die Rami Malek als Freddy Mercury hingelegt hat, in den Schatten stellt. Natürlich, auch er hat den Preis für die Rückholung des Queen-Leaders verdient, wenngleich die optischen Anpassungen manchmal etwas überzeichnet wirken. Butler hingegen spielt Elvis so, als wäre er niemals jemand anderer gewesen. Er muss sich mit der Biografie dieses Mannes akribisch auseinandergesetzt haben. Und nicht nur er. Auch Baz Luhrmann, dem der Stoff sicher schon lange in den Fingern gejuckt haben muss, erweist sich als profunder Kenner eines Teils der modernen Musikgeschichte. Natürlich, wie von Luhrmann zu erwarten, errichtet dieser seinen sakralen Triptychon-Altar aus funkelnden Devotionalien, manchmal zu braver biographischer Chronik und dem Blick hinter dem Bühnenvorhang, wo Drogen, Intrigen und Panik herrschen. Luhrmann feiert dabei das Zeitkolorit der Nachkriegsdekaden bis ins kleinste Detail und liebt das Konterfei seines Stars, weil er selbst kaum glauben kann, wen er da gecastet hat. Andererseits aber nimmt dieser seine Aufgabe ernst genug, nicht nur eine Elvis-Tribute-Show zu liefern, sondern auch den Menschen und sein Umfeld ganz ohne Getöse zu analysieren.

Diese Dreifaltigkeit gereicht dem Film zum Erfolg. Denn es bleibt nicht nur beim routinierten Abbild der Lebensgeschichte einer Kultfigur. Das mächtige Mittelstück von Luhrmanns Altar ist der Versuch einer Reise in eine gebrochene, gegängelte und verschreckte Seele. In die finsteren Winkel des Showbiz, das den Goldesel so oft bemüht, bis dieser zusammenbricht. Die Gier ist hierbei der Hounddog, die Bereicherung anderer am zum Objekt verkommenen Rampensau erweckt Suspicious Minds. Diese verdächtigen zu Recht einen gewissen Colonel Parker – Elvis Mentor, Mutterersatz und Mädchen für alles. Sein Marketing-Genie, sein Manager. Einer, der mit freier Hand über den „King“ verfügen wird. Plötzlich wird die Bühne zum Thronsaal, und der Monarch zur Marionette, die nach der Pfeife des Kanzlers tanzt. Tom Hanks hat sich hierfür eine Latex-Wamme sowie Wampe anlegen lassen, die ein bisschen aufgesetzt wirkt und den guten Mann von Hollywood in seinen schauspielerischen Möglichkeiten bremst, da man stets darauf konzentriert ist, nicht Hanks selbst, sondern einen alten, geldgeilen „Felix Krull“ darin zu entdecken, der gar nicht ist, wer er zu sein scheint. Diesem Löwen hat sich Elvis zum Fraß vorgeworfen, nichtsahnend und darauf vertrauend, dass es andere gut meinen könnten.

In diesem Gefüge aus Macht und Missbrauch, erinnernd an Pinocchios Schicksal unter den Fängen von Kater und Fuchs, erscheint Elvis‘ Lebens- und Erfolgsgeschichte wie eine Passion, wie ein Lehr- und Mahnbeispiel über Ausbeutung und Manipulation talentierter Geister. Damit verknüpft, überzeugen Butler und Luhrmann auch damit, Elvis als einen ehrgeizigen, wenngleich auch naiven Perfektionisten darzustellen, der außer dem Besten sonst nichts geben will. Am Ende bleiben Wehmut und Mitgefühl für einen Pionier. Erscheinen Bilder vom echten Elvis, die von den inszenierten kaum mehr zu unterscheiden sind. Elvis Erfolgsgeschichte ist eine, die niemand jemals haben will. Und Vegas? Wird zum Vorhof der Hölle, aus dem es kein Entkommen gibt.

Elvis

The Power of the Dog

DIE EINSAMKEIT DES STARKEN COWBOYS

8/10


thepowerofthedog© 2021 Cr. KIRSTY GRIFFIN/NETFLIX


LAND / JAHR: NEUSEELAND, AUSTRALIEN 2021

BUCH / REGIE: JANE CAMPION, NACH DEM ROMAN VON THOMAS SAVAGE

CAST: BENEDICT CUMBERBATCH, JESSE PLEMONS, KIRSTEN DUNST, KODI SMIT-MCPHEE, THOMASIN MCKENZIE, KEITH CARRADINE, FRANCES CONROY U. A. 

LÄNGE: 2 STD 8 MIN


Wir kennen das vermutlich alle. Die bedrohliche Aura eines unangenehmen Menschen, dessen Präsenz so dominant ist, dass man sich selbst ganz klein vorkommt. Das ist ein Gefühl, als hätte alles, was man selbst zu Wege bringt, den falschen Ansatz. Als wäre man diesem einen Menschen, der dieses beklemmende Vakuum erzeugt, permanent Rechenschaft schuldig. Solche Leute gibt es, und bei diesen Leuten steckt oft etwas ganz anderes dahinter. Womöglich nämlich die Erinnerung an genauso ein Empfinden, das wir selbst in diesem Moment verspüren. So eine unangenehme Persönlichkeit ist der Cowboy Phil, interpretiert von Benedict Cumberbatch, der sich diesmal einen Film ausgesucht hat, der nicht vorrangig nur deswegen produziert wurde, um seinen Hauptdarsteller nach einem Oscar betteln zu lassen. Nein, diesmal ist Cumberbatch Teil eines Räderwerks mysteriöser, aber essenzieller Funktionen.

Phil also, ein unrasierter, ungewaschener, erdiger Typ mit Cowboyhut und ledernen Chaps, dazu Stiefel und stets eine Selbstgedrehte im Mund. Der Mythos schlechthin aus Lucky Luke und John Wayne. Die Arroganz von einem Mann, der alles weiß und alles andere verurteilt. Der kommt eines Tages, gemeinsam mit seinem ganz anders gesinnten, distinguierten Bruder George und einer ganzen Schar anderer Cowboys im Zuge eines Viehtreks an der Gaststätte Red Mill vorbei, in welcher die Witwe Rose gemeinsam mit ihrem Sohn Peter fürs leibliche Wohl der Reisenden sorgt. Schon da versprüht Phil enorme Dosen an Erniedrigungen und Verhöhnungen, vor allem was den schlaksigen Halbwüchsigen Peter betrifft, der in seiner Freizeit lieber Papierblumen bastelt als das Lasso schwingt. Anders George: der verliebt sich in Rose, und ehe man es selbst richtig merkt, sind die beiden verheiratet. Rose zieht in die Ranch, zum Leidwesen von Phil, der ebenfalls dort wohnt und keine Zeit verstreichen lässt, um dieser labilen Frau die Stimmung zu verderben. Da sind wir wieder, bei diesem eingangs erwähnten, beklemmenden Gefühl, dass das Zeug hat, sensible Personen in eine Depression zu stürzen. Doch Phil hat seine Rechnung ohne Peter gemacht, der als Studiosus in den Sommerferien zu Besuch kommt.

Und zwar in eine Gegend, die faszinierender und seltsamer nicht sein kann. Weite Ebenen, grasbewachsene Hügel, im Sonnenlicht gelbbraun und voller Schatten. Auf so einer Ebene ein einsames Bildnis von einer Ranch, wie ein monolithisches Denkmal ragt es aus dem Nichts. Dieser Western, mit dem sich Jane Campion nach langer Schaffenspause wieder zurückmeldet, scheint nicht von dieser Welt. Das sieht man allein an diesen Bildern und an den Einzug einer aufkommenden Industrialisierung in eine mythenbasierte Nostalgie, wie sie Chloé Zhao in The Rider ähnlich beschrieben hat. Nur: The Power of the Dog ist artifizieller, konzentrierter, symbolhafter. Campion erreicht beinahe die Intensität ihres oscarprämierten Klassikers Das Piano. Wobei hier nicht nur die ikonenhafte Darstellung des aus der Zeit gefallenen Cowboys so sehr fasziniert, sondern die mustergültige Fähigkeit und das unfehlbare Gespür für Andeutungen, die mit feiner Klinge formuliert sind und kaum mit Worten so gut wie alles erzählen. In diesem Erahnen der Umstände geben sich Cumberbatch, Kirsten Dunst und Kodi Smit-McPhee (bekannt aus Alpha und X-Men) gegenseitig genug Raum zur Zeichnung ihrer Figuren. Und keine nimmt so sehr Form an wie die des Cowboys Phil. Der Brite schafft das nachvollziehbare Bild eines einsamen, seines Glückes beraubten Mannes, und das mit allen Zwischentönen und Widersprüchlichkeiten.

Widersprüchlich, und daher menschlich und greifbar, sind auch alle anderen Gestalten, die in diesem hermetischen Mikrokosmos eines entfremdeten Montanas (gedreht wurde in Neuseeland) gefangen sind. Stereotypen haben bei Jane Campion nichts verloren, bewährte Formeln ebenso wenig. The Power of the Dog schafft es, ein differenziertes, indirektes, aber freies Spiel unterschiedlicher Kräfte zu erzeugen, die mal wie ein Thriller, ein episches Drama oder queeres Psychogramm funktionieren. Bei letzterem gelingt Campion der Ansatz am besten, und was Ang Lee in Brokeback Mountain spielfilmlang recht ungelenk transportiert hat, weiß dieser Film nur in wenigen Minuten ungleich intensiver und ernsthafter darzustellen.

Obwohl es The Power of the Dog anfänglich nicht leicht macht, in die Geschichte hineinzufinden – letzten Endes ist das Unausgesprochene und zwischen den Zeilen Befindliche verantwortlich dafür, dass mich diese Regiearbeit vom Feinsten in ihren Bann gezogen hat.

The Power of the Dog

Dolemite Is My Name

DRESSED FOR SUCCESS

7,5/10

 

dolemite© 2019 Netflix

 

LAND: USA 2019

REGIE: CRAIG BREWER

CAST: EDDIE MURPHY, WESLEY SNIPES, MIKE EPPS, CRAIG ROBINSON, KEEGAN-MICHAEL KEY, SNOOP DOG, CHRIS ROCK, KODI SMIT-MCPHEE U. A.

LÄNGE: 1 STD 58 MIN

 

Schweigen ist Gold – das war für Quasselstrippe Eddie Murphy niemals die Devise. Untermalt von Harold Faltermeyers kultigen 80er-Klängen konnte der Beverly Hills Cop so richtig zum Filmstar avancieren, bevor Klamotten wie The Nutty Professor ihn irgendwie auf das zweifelhafte Niveau eines Adam Sandler brachten. Der hat sich wiederum endlich aufgerafft und im auf Netflix erschienenen Krimidrama Der schwarze Diamant gezeigt, was eigentlich in ihm steckt. Murphy hat es nach langer Auszeit und vernachlässigbaren Releases endlich auch geschafft, und ebenfalls dank Netflix. Der Streamingriese, der autark denkenden Filmemachern und risikobereiten Leinwandkünstlern immer mehr eine Plattform bietet, die große Studios aus Angst vor Geldeinbußen nicht mehr zur Verfügung stellen, hat Craig Brewers Künstlerbiographie ohne viel Federlesens ins Programm aufgenommen – zum Glück all seiner Abonnenten. Dolemite Is My Name ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert, und abgesehen davon, dass sie Eddie Murphy eine Golden Globe-Nominierung eingebracht hat, funktioniert dieses wunderschön ausgestattete Underdog-Epos als detailliert erzählte Zeitgeschichte, Charakterstudie und Feel Good-Movie, was man angesichts der Lebensgeschichte eines Künstlers ja fast gar nicht vermuten würde. Wo bitte bleibt der Absturz, die verbitterte Erkenntnis, den Zenit des Erfolges überholt zu haben? Bei Rudy Ray Moore gab´s das anscheinend alles nicht. Und wenn, dann ist das nicht Thema des Films. Denn dieser offenbart das Geheimnis eines Erfolges einer für die Bühne geborenen Rampensau, die alles, nur nicht im stillen Kämmerlein vor sich hinleben will.

Anfänglich allerdings bescheren ihm seine stümperhaften Zoten kaum Aufmerksamkeit. Niemand will Rudy Ray Moore hören, der als Conférencier in einem Club die Konkurrenz ankündigt. Doch dann schnappt er bei einem Obdachlosen einige ziemlich schlüpfrige Altherrenwitze auf, die er allesamt aufschreibt und so in diesem Stil weitermacht. Aus Zoten werden obszöne Reime mit allerlei schmutzigen Wörtern. Auf einmal findet er Anklang, füllt die Hallen, bringt Schallplatten heraus. Erfindet seine Kunstfigur: Dolemite. Ein Dandy in knallbunter, überstilisierter Gewandung und ohne jegliche Furcht vor Farb- und Musterkombinationen. Alles war das aber dennoch nicht. Dolemite will einen Film drehen. Und setzt dafür alles ihm Menschenmögliche in Bewegung. Was dabei entsteht, sind zeitgeistige Blaxploitation-Eskapaden und die bis heutig gültige Bedeutung Moores als Urvater aller Reimrapper.

Dolemite Is My Name feiert sich selbst als exaltierte Kultur- und Gesellschaftsgeschichte. Eddie Murphy, stets in feuchte Träume schreiender Textilkunst gekleidet, findet für die Interpretation des umtriebigen Checkers und Machers einen angenehm ausgewogenen Zugang, ohne jemals zu dick aufzutragen oder seinen gewohnten Redeschwall loszulassen. Eddie Murphy ist nicht Eddie Murphy, sondern Dolemite. Ähnlich großartig gibt sich Wesley Snipes in der Rolle eines völlig von sich selbst überbewerteten Allürenkaisers und Regisseurs, der dem obskuren Filmprojekt zur Hand geht. Brewers opulentes Making-of-Success lässt sich mit Filmen wie Ed Wood oder The Disaster Artist vergleichen, deren Story hinter den ambivalenten Werken ungleich interessanter sind. Rudy Ray Moore allerdings ist der am meisten geerdete unter den genannten Größen, seine Motivation, wofür sie auch stehen mag, ist auf sympathische Art ansteckend.

Klar, Dolemite Is My Name ist ein spezieller Film, eine Sitten- und Verhaltensstudie, aber darüber hinaus immer noch ein großes Vergnügen, wenn es darum geht, neue Wege zum Ruhm zu gehen, die nur mit Beharrlichkeit und Idealismus begehbar sind. Kurzum: der Weg ins Kino als großes Kino.

Dolemite Is My Name

Alpha

ES WAR EINMAL… DER HUND

6/10

 

alpha© 2018 Sony Pictures Entertainment

 

LAND: USA 2018

REGIE: ALBERT HUGHES

CAST: KODI SMIT-MCPHEE, LÉONOR VARELA, NATASSIA MALTHE U. A.

 

Besucht man in Wien das Naturhistorische Museum am Maria Theresien-Platz, empfiehlt es sich, die erste Etage hochzugehen und die Besichtigung der prähistorischen Abteilung mal von links zu beginnen. Kurz vor dem Eingang in den Saal mit den Dinosaurier-Skeletten und dem beweglichem Allosaurus gibt es links in einem Seitengang das Modell einer steinzeitlichen Behausung im Originalformat. Blickt man dort hinein, so sieht man einen Screen, auf dem ein Nonstop-Filmchen über die Kreaturen des Pleistozäns im Endlos-Loop zu sehen ist. Genauso gut könnte dort der Abenteuerfilm Alpha laufen, nur wäre der Bildschirm im muffigen Inneren des mit Fellen und Schädelknochen ausgebauten Unterschlupfs für all die Bildgewalt, die Alpha bietet, entschieden zu klein. Da hätte ich lieber einen eigenen Kinosaal innerhalb des klassizistischen Gebäudes, für genau solche Filme, wie Albert Hughes jugendkonforme Antwort auf The Revenant einer ist.

Ein ähnlich intensives Erlebnis wie Jean Jacques Annaud´s Am Anfang war das Feuer zu erwarten, würde mit einer gewissen Enttäuschung einhergehen. Ebenso würde ich ohne Zweifel den österreichischen Ötzi-Thriller Der Mann aus dem Eis als um Mammutlängen authentischer einstufen, da dieser sogar versucht hat, den ohnehin wortkargen Film in einer möglichen Ur-Sprache erklingen zu lassen. Ohne Untertitel wohlgemerkt, um noch das letzte bisschen Bequemlichkeit zu nehmen, und außerdem erschließt sich die übersichtliche Handlung alleine schon durch das Agieren der archaisch bekleideten Opfer und Täter irgendwo in Südtirol ohnehin. Alpha hat weder Annaud´s erdig-urtümliche Atmosphäre, noch den Anspruch auf Authentizität wie Felix Randau´s unwirtliche Zeitreise. Aber: Alpha besticht durch landschaftliche Tableaus im Morgen- und Abendlicht, nach dem Regen und vor dem Sturm. Das Licht legt sich wie flüssiges Gold über das Grasland, rotviolettes Zwielicht taucht die Szenerie in ein mitunter leicht kitschiges, aber sattes und opulentes Damals eines Europas vor rund 20.000 Jahren, das sich geografisch nicht so genau festlegen will und daher alle möglichen Ökosysteme des alten Kontinents miteinander vereint – von scharfkantigen Schluchten bis hin zu ausladenden Gletschern und schroffen Gebirgen. Alpha ist wie ein Diorama, und auch solche Arrangements finden sich in den Naturkundemuseen dieser Welt. Es ist, als steige man in Albert Hughe´s Steinzeitabenteuer direkt in ein interaktives Museum. All das, was sich in den Sammlungen zur Frühgeschichte des Menschen so finden mag, haben wir hier fein säuberlich vereint. Die Sippschaften von damals sind adrett gekleidet, mit Knochen-, Federn- und sonstigem Behang. Minuten später ziehen Mammutherden im Abendlicht übers Feld. Prähistorische Schweine dürfen ebenfalls gejagt werden wie Herden des Ur-Rinds – hier wieder werden Erinnerungen an die Büffel-Szene von Der mit dem Wolf tanzt wach, in Alpha ist die Konfrontation der Speerjäger mit der ungebändigten Naturgewalt auf vier Hufen ein bereits schon sehr früh verbrauchtes Highlight. Aber das macht nichts, irgendwann kommt der Häuptlingssohn namens Keda auf den Hund. Um genauer zu sein kann von Hund Anfangs keine Rede sein. Womit er sich anlegt, das sind ein Rudel Wölfe, und das, nachdem der schlaksige Frischling vom eigenen Papa für tot erklärt wird. Wider Erwarten – also zumindest für den nichtsahnenden Papa – rafft sich Keda auf und macht sich auf den Heimweg, der sich natürlich endlos in die Länge zieht, da der Junge weder einen Plan noch sonst irgendwelche ausgereiften Kenntnisse besitzt, mit denen sich gezielt orientieren lässt. Soviel zu The Revenant, und ja, manchmal leidet, ächzt und stöhnt der australische Schauspieler Kodi Smit-McPhee genauso intensiv vor sich hin wie Leonardo DiCaprio. Nur Leo hatte sich keinen Wolf erjammert – Smit-McPhee schon. Und als beide dann irgendwo im Nirgendwo in einer Höhle kauern, der Mensch das verletzte Tier verarztend und gleichzeitig unterwerfend, sehen wir alle die Genesis des besten Freundes des Menschen aus einem vorsintflutlichen Licht, wie es um die Stunde Null für den Hund wohl gewesen sein mag, wie durch Zufall das Tier an seinem Herren den Eigennutzen erkennt und umgekehrt. Eine artenübergreifende Symbiose ist das, eine Kosten/Nutzenrechnung, die aufgeht – und eine bis heute andauernde Geschichte der unterschiedlichsten Rassen nach sich gezogen hat, vom Rehrattler bis zur Deutschen Dogge. Über so viel Science-Fiction würde die Wölfin Alpha nur ein ungläubig bellendes Lachen von sich geben.

Als Landschafts- und Naturfilm gewährt Alpha einen so tröstenden wie idealisierten Blick auf eine Erde, auf welcher der Mensch noch Teil der Nahrungskette war. Insofern verspricht Alpha Schauwerte im anspruchsvollen Kalenderstil aus dem Museumsshop, darüber eine recht berechenbare, simple Geschichte, die es allerdings gut meint und auch versucht, den Wolf so wenig zu animieren wie möglich, wobei ich mir hier manchmal nicht ganz sicher bin, wann Meister Isegrim aus Nullen und Einsen besteht und wann nicht. Alpha ist schönes Volkskino aus und über die Urzeit, so schön wie eine wohlgefällige Terra Mater-Doku und entsprechend überschaubar packend.

Alpha