From the World of John Wick: Ballerina (2025)

WENN WIR ALLE KILLER WÄREN

7/10


Ana de Armas als die Kikimora in Len Wisemans Actionfilm Ballerina© 2025 LEONINE Studios


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: LEN WISEMAN

DREHBUCH: SHAY HATTEN

CAST: ANA DE ARMAS, GABRIEL BYRNE, ANJELICA HUSTON, KEEANU REEVES, IAN MCSHANE, NORMAN REEDUS, CATALINA SANDINO MORENO, DAVID CASTAÑEDA, SHARON DUNCAN-BREWSTER, LANCE REDDICK, AVA JOYCE MCCARTHY U. A.

LÄNGE: 2 STD 5 MIN


Das von Derek Kolstad und Chad Stahelski aus der Taufe gehobene Universum aus Killern, Kriegern und Kampfmaschinen, das als scheinbar parallele Dimension zu der unseren existiert, bleibt insofern bemerkenswert, da es nicht nur darauf setzt, von einem Shootout, Fight oder Kill zum nächsten zu hetzen, was rasch für Ermüdungserscheinungen gesorgt oder sich abgenützt hätte. Die Welt von John Wick, der ja den Dreh- und Angelpunkt dieses Franchise bildet, ganz so wie Harry Potter im Universum der Hexen und Zauberer, gestaltet sich als eine Art Subkultur mit strengen Regeln, Gepflogenheiten und Traditionen. Hier darf natürlich getötet werden auf Teufel komm raus, jedoch sind Werte wie Respekt, Fairness und das Credo von Gefallen und Gegengefallen gleich wehenden Fahnen. Dazu werden nicht selten goldene Münzen gereicht, wenn der oder die eine bei dem oder der anderen in der Schuld steht. Diese zu begleichen bleibt eine Frage der Ehre. All diese Details und auch der Umstand, dass die mysteriöse Hotelkette Continental den Killern und Kriegern ein Leo bietet, falls man hinter ihnen her ist, lassen das klassische Action-Genre mit dem Sagenhaften kokettieren. Diese Welt ist – wie jene der Outlaws des Wilden Westens oder der Ronin Japans – eine, die sich aus Legenden bildet.

In die Reihe dieser Einzelgänger, abnormal unkaputtbar und lakonisch wie kaum sonst wer, sticht der dunkle Depri-Engel, der anfangs nur seinen Hund rächen will, wie eine prototypische Erscheinung hervor. Doch er ist nicht allein: Wie man in den Filmen mit Keanu Reeves in seiner Paraderolle, die selbst Neo aus Matrix überholt, bereits längst erfahren hat, ist die von Grand Dame Anjelica Huston geführte Balletschule der Ruska Roma die Wiege von John Wick und nach außen hin ein traditionelles, rustikales Theater. In Wahrheit ist diese Einrichtung eine Schule für eine todbringende Elite, in die auch die junge Waise Eve Maccaro integriert wird – und sich selbstredend zur eleganten Kriegerin mausert, die mit Ehrgeiz und eisernem Willen und auch kaum einer Spur von Skrupel oder Gewissen Zielpersonen über den Jordan schickt. Während ihres ersten Einsatzes jedoch wird sie mit den Schergen jenes Kults konfrontiert, die ihren Vater auf dem Gewissen haben. Keine Frage, da kann Grande Dame Huston noch so sehr darauf pochen, ihre Anweisungen zu befolgen – diese Leute müssen ins Gras beißen, allen voran der Kopf dieser Sekte, genannt der Kanzler. Gespielt wird dieser von Gabriel Byrne, der sich mit seinem Killer-Volk wo genau verschanzt hat?

Das Geheimnis von Hallstatt

Im letzten Drittel eines bemerkenswert frischen und straff hingezimmerten Actionfilms, in welchem Ana de Armas ihre Rolle im Eiltempo lieben lernt und sich so unarrogant und allürenlos gibt wie kaum sonst eine Abziehbildkillerin in der Filmgeschichte, reist Len Wiseman ins oberösterreichische Hallstatt. Was wir alle niemals vermutet hätten und uns fast schon wie einen erhellenden Schock trifft: Dieses pittoreske, rustikale Dörfchen und von den Chinesen nachgebaute Kulturgut Europas, umrahmt von Bergen, innerhalb derer es womöglich immer ein bisschen schneit, ist in Wahrheit nichts anderes als die Heimat einer finsteren Sekte, die keine Ehre kennt, keine Regeln befolgt und in der selbst das Bild der biederen vierköpfigen Familie mit Rodel und Skier vor der Haustür nur als Fassade für zur Waffe greifende Gesetzlose dient. Wiseman (Underworld) hatte nicht mal vor, den Ortsnamen zu ändern: Hallstatt bleibt Hallstatt, deren Bewohner nicht nur von der Kikimora dezimiert werden, sondern auch von der Baba Yaga, wie John Wick im Kreise der Ruska Roma genannt wird. Dieser Gastauftritt ist ein Genuss und entbehrt nicht eine gewisse Wehmut, wenn man weiß, was das Schicksal in John Wick: Kapitel 4 für ihn bereithielt.

Die Sache mit Hallstatt (Die Gemeinde dankt ob der guten Imagepflege) mag seltsam bizarr wirken – abgesehen davon ist From the World of John Wick: Ballerina wohl als ein diesjähriges Highlight des Genres zu feiern. Der Umstand ist neben dem Konzept, das hinter dieser Welt steht, einzig und allein Ana de Armas zu verdanken, die ordentlich einstecken kann, allerdings auch spüren lässt, dass nicht alles schmerzfrei an ihr vorübergeht. Sie keucht, sie schwitzt, sie blutet, sie improvisiert. Für letzteres gibt es im Rahmen ausgeklügelter und aufwändig gefilmter Actionszenen jede Menge blutbadender Gelegenheiten, bei denen tief in der Ideenkiste gekramt wird. Schließlich will man die Fans nicht langweilen. Und spätestens wenn die Flammenwerfer fauchen, muss man sich um Hallstatt langsam Sorgen machen.

From the World of John Wick: Ballerina (2025)

Havoc (2025)

AUF KNALLERBSEN KNIEN

4/10


© 2025 Netflix Inc.


LAND / JAHR: USA, VEREINIGTES KÖNIGREICH 2025

REGIE / DREHBUCH: GARETH EVANS

CAST: TOM HARDY, TIMOTHY OLYPHANT, FOREST WHITAKER, LUIS GUZMÁN, XELIA MENDES-JONES, NARGES RASHIDI, JESSIE MEI LI, TOM WU U. A.

LÄNGE: 1 STD 45 MIN 


Tom Hardy ist längst zu Eddie Brock geworden. Marvel-Vertraute kennen ihn: Der abgehalfterte Reporter war die Symbiose mit einem Alien eingegangen, einem amorphen lakritzeartigen Wesen mit einer Kauleiste – dafür bräuchte man nie wieder zum Zahnarzt, sonorer Stimme und folgend auf den Namen Venom. Das Buddy-Team der besonderen Art hat nun ausgekapsert, zurück bleibt Tom Hardy ganz allein, und irgendwie vermisst man das klebrige Anhängsel dann doch. Manchmal scheint es so, als würde sich Gareth Evans vielleicht den Scherz erlauben, den Symbionten zumindest in einer schnell geschnittenen Cameo-Szene Revue passieren zu lassen, doch statt Witzen wie diesen hagelt es Patronen, als wären der meteorologischen Absonderlichkeiten von Frosch über Fischregen nicht schon genug.

Wer Edwards schließlich kennt, weiß, dass bei ihm allerhand Menschen ins Gras beißen, und das nicht eines natürlichen Todes, sondern niedergemäht und durchsiebt, wie man jemanden nur niedermähen und durchsieben kann. Havoc heisst das neueste Unding des Schöpfers von The Raid – einer indonesischen Einer-gegen-Alle oder – übers Knie gebrochen – Stirb langsam-Version mit Iko Uwais als Martial Arts-Polizisten, der im Alleingang einen ganzen Haufen blutrünstiger Männer zerschnetzelt. Man muss zugeben: seine beiden expliziten Action-Schlachtplatten entbehren nicht einer gewissen Faszination. Wie der Waliser die Gewalt choreographiert, ist gelernte Handarbeit. Havoc hingegen, was soviel bedeutet wie „Zerstörung“, ist eben auf Netflix erschienen und schickt den alienlosen Rabauken Hardy in den kataklystischen Projektilregen, ganz ohne Schirm, dafür munter bewaffnet und alles mögliche an Gewalt einsteckend, was den Waffenstillstand mit der Realität gefährlich auf die Probe stellt.

Selbst eine Woche nach der Sichtung lässt sich der Plot des Films nur noch rudimentär wiedergeben – viel Substanz hat das alles nicht. Evans hat das Skript zwar selbst verfasst, aber eine KI könnte das vielleicht sogar besser. Ob Tom Hardy alias Walker nun im Auftrag vom schmierigen Forest Whitaker, der Vergleiche mit Wilson Fisk aus dem Daredevil-Universum anstrebt, dessen Sohn wiederfinden muss, da dieser bis über beide Ohren im Schlamassel steckt, weil die Triaden hinter ihm her sind, ist völlig egal. Spannend wird Havoc wirklich nie, dafür aber zeichnet Evans den üppigen Moloch einer namenlosen Stadt, die fast schon an Gotham City erinnert. Die Bildsprache ist betrachtenswert, allerdings nur dann, wenn gerade nicht geschossen wird. Diese Momente sind rar, man sollte sie genießen, denn sobald das große Ballern anfängt, stellt sich Schwindel ein.

Die Action ist in Havoc ein wüstes Durcheinander: fahrig, viel zu schnell geschnitten, mit rumpelnder Kamera und einer dünnen Akustik, wenn vollautomatische Handfeuerwaffen aller Art (zusammen füllen sie diverse Kataloge aus der Rüstungsindustrie für den privaten Konsumenten) ihre nicht endenwollende Munition verschleudern und einer wie Hardy fast schon auf diesen Knallerbsen die Balance verliert, so dicht fällt der Niederschlag an Hülsen. Ballistiker kratzen sich womöglich angesichts dieser Physik die Augen aus, und man selbst als Laie, der gerade mal weiß, worum es sich bei einer AK-47 handelt, flattern bei der Schießbuden-Hölle gelegentlich die Augenlider, wenn es wieder mal nicht schnell genug gehen kann, bis einer stirbt.

Hardy ist als Action-Zampano sicherlich eine Nummer für sich, auch wenn nicht viel aus seinem Charakter zu lesen ist. Der übrige Streifen brennt sich mit seinem gleißenden Mündungsfeuer in die Netzhaut, der Rest fällt dem Vergessen anheim. Ein Mehrwert, sollte man sich später noch erinnern, bleibt aber sowieso keiner.

Havoc (2025)

A Working Man (2025)

SELFMAN MIT VORSCHLAGHAMMER

4/10


© 2025 Amazon Content Services LLC.


LAND / JAHR: USA, VEREINIGTES KÖNIGREICH 2025

REGIE: DAVID AYER

DREHBUCH: DAVID AYER, SYLVESTER STALLONE

CAST: JASON STATHAM, ARIANNA RIVAS, JASON FLEMYNG, DAVID HARBOUR, MICHAEL PEÑA, NOEMI GONZALES, EMMETT J. SCANLAN, EVE MAURO, MERAB NINIDZE U. A.

LÄNGE: 1 STD 57 MIN


Was tun bei scheiternden Gewerkschaftsverhandlungen? Der ÖGB schickt jemanden wie Jason Statham an die Front, denn der wird reinen Tisch machen. Schließlich ist Statham einer von denen, die am Bau die Drecksarbeit machen, die hart mit anpacken, die sich auf Augenhöhe motivierend zunicken und dann schwitzend, verdreckt und müde von einem langen Tag vor langsam sinkendem Gestirn die 0,5l-Flasche Bier köpfen, sich dabei zuprosten und das pathetische Ideal eines Hoch- und Tiefbau-Commercials leben. Sieht man aber genauer hin, ist diese gnadenlos austauschbare Figur des Levon Cade ganz und gar nicht einer, der sich für eine Arbeit wie diese qualifiziert sieht. Er weiß, dass er mehr kann als alle anderen. Er weiß, dass er über dem einfachen Volk steht, weil er jeden, der ihm auch nur ansatzweise blöd kommt, zu Kleinholz verarbeiten könnte. Levon Cade weiß, dass er ein Held ist. Ein starker Mann, frei von störenden Emotionen, frei von Selbstzweifel: straight, hart und gerecht.

Wenn einer wie Statham sein Können nicht dafür nutzt, um Macht auszuüben und andere zu unterdrücken, liegt diese wohl in den richtigen Händen. Wie bei Superman, Batman oder Daredevil auch. Doch Stathams Figuren – oder sagen wir: die eine Universal-Figur, die er in jedem seiner Filme anwendet – verankert seine Skills in einer realen Alternativwelt, in der jene, die sich für das Gute einsetzen, immer gewinnen. Das ist es, was die Zielgruppe sehen will. Steht Statham drauf, ist Statham drin. Hat einer wie Sylvester Stallone am Drehbuch mitgeschrieben, ist die Idee eines Rambo nicht weit, die als Blaupause für alles steht, was Statham je verkörpert hat. Er ist der über Leichen gehende Berserker in einer einfachen, schwarzweiß gestrickten Welt, wo die Bösen wirklich Böse sind und die Guten so schwach, dass sie die Hilfe eines einzelnen erbeten, der niemals auch nur in die Nähe eines Krankenhauses gerät, weil er niemals auch nur mehr als einen Kratzer davonträgt, den man mit Hansaplast überkleben könnte.

So behelfen sich Jason Statham-Filme oft des gleichen Grundmusters, das in leichten Farbvariationen immer die gleiche Geschichte erzählt. Der nach außen hin scheinende einfache Mann trägt das Geheimnis mit sich herum, in Wahrheit eine Kampfmaschine zu sein, die diesem alten Leben den Rücken kehrt. Stets wird der, der die Gewalt ausübt, dazu genötigt, dies zu tun. Es ist schließlich für das Allgemeinwohl, für das Leben der anderen, nie für den Selbstzweck. So einfach macht es sich das amerikanische Actionkino, und wie die Besucherzahlen zeigen, ist diese Mechanik, obwohl bis zur Geschmacksneutralität ausgelutscht, immer wieder eine sichere Bank, die mit unangenehmen Überraschungen im Handlungsablauf hinter dem Berg hält.

David Ayer lässt sich immer wieder für Projekte wie diese gewinnen. So auch für A Working Man, wobei es wesentlich interessanter gewesen wäre, wenn dieser kolportierte Steuerzahler aus der Arbeiterklasse auch wirklich nur das gewesen wäre: einer, der Ziegel schleppen, Zement anmischen und Baugerüste verschweißen kann, und nicht einer, der obendrein noch Martial Arts beherrscht und im Alleingang ganze Heerscharen an bösen Stümpern tötet. Als Ex-Royal-Marine, der ein neues Leben angefangen hat, muss er hier die Tochter seines Baumeisters aus den Händen von Menschenhändlern befreien. Dass ihm dies gelingt, ist kein Spoiler, sondern bereits in den ersten Minuten eine zweifelsfrei klar eingeschlagene Richtung. Mehr braucht man über den Plot gar nicht zu berichten, denn wirklich mehr gibt es auch nicht. Dass Levon Cade mit dem Attribut eines alleinerziehenden Witwers auch noch Familiengefühle weckt, ist zuviel der Ambitionen.

Hat Statham unter der Regie eines Guy Ritchie doch mehr charakterliche Facetten als in anderen Filmen, mangelt es ihm in A Working Man akut an Persönlichkeit. Nach Schema F prügelt und killt er sich bis in die obersten Kreise eines Syndikats. Da man ohnehin weiß, dass dem Helden nichts passiert, und Stallone die banalste aller Ordnungen verfechtet, wird der leb- und lieblose Reißer zu einem Stück bärbeißiger Langeweile ganz ohne Schutzhelm und Zollstock, dafür mit Stereotypie und Genre-Klischees. Und einer nervtötenden Dosis selbstgefälligem Beschützerinstinkt.

A Working Man (2025)

Land of Bad (2024)

NICHT OHNE MEINE DROHNE

4/10


land-of-bad© 2024 capelight pictures


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: WILLIAM EUBANK

DREHBUCH: DAVID FRIGERIO, WILLIAM EUBANK

CAST: RUSSELL CROWE, LIAM HEMSWORTH, MILO VENTIMIGLIA, LUKE HEMSWORTH, RICKY WHITTLE, DANIEL MACPHERSON, CHIKA IKOGWE, LINCOLN LEWIS, GUNNER WRIGHT U. A.

LÄNGE: 1 STD 50 MIN


Das war noch was, als der unzerstörbare Chuck Norris gemeinsam mit Lee Marvin im pyrotechnisch versierten Achtziger-Jahre Actiontrash Delta Force den Bösen so richtig einheizen konnte. Den Videotheken wurden zu dieser Zeit regelrecht die Türen eingerannt, Action von damals mit den ganzen späteren Expendables-Haudegen auf bis zur Unkenntlichkeit abgespulten Kassetten, deren mangelnde Qualität aber nicht die Freude nahm, exklusives Material, das sonst keiner auf den beiden öffentlich-rechtlichen Fernsehkanälen sah, bei Dosenbier und Chips und ohne viel Hirnaktivität sichten zu können. Solche Action gibt es heutzutage nicht mehr. Und das ist gut, denn die Zeit des naiven Hurra-Patriotismus und moralbefreiter Rundumschläge ist vorbei. Die Delta Force-Spezialeinheit ist es nicht, sie treibt sich immer noch im Dschungel herum, doch diesmal ist es nicht Chuck Norris, der wortkarg das Feuer eröffnet und maximal eine Schramme davonträgt. Diesmal ist es der zukünftige „Witcher“ Liam Hemsworth, Bruder des deutlich heller im Rampenlicht stehenden Chris Hemsworth, der mit Tyler Rake sein eigenes Franchise gefunden hat. Als einer, der je nach Auftrag zu Unrecht kasernierte Leute raushaut, weiß er sich auf Netflix formschön in Szene zu setzen. Diese Filme geben, was die Beanspruchung der Physis betrifft, einiges her, doch wie sieht es mit Land of Bad aus? Kann Liam seinem Bruder das Wasser reichen?

Diese reuelose, unordentlich aufgeräumte Ära des Krawall-Genres könnte mit Land of Bad eine ins neue Jahrtausend katapultierte Entsprechung gefunden haben, denn sieht man mal vom Auftritt Russel Crowes als Drohnen-Pilot im geschmacklos bunten Hawaiihemd ab, wecken der Dschungel und die darin befindlichen Spezialisten, die eben als Delta Force Team genau das machen sollen, was Chris Hemsworth schon gemacht hat: nämlich Leute raushauen, nostalgische Gefühle. In diesem Fall muss die knallharte Charge auf den Philippinen einen CIA-Agenten aus den Fängen der Terrormiliz Abu Sayyaf befreien. Unter diesen bis an die Zähne bewaffneten, kernigen Stereotypen, die mit routinierter Lässigkeit den Elite-Tiger raushängen lassen und jede Sekunde eigentlich damit rechnen müssten, dem Killerinstinkt eines Predator zum Opfer zu fallen, mischt auch noch ein dritter Hemsworth-Sprössling mit: Es ist Luke, seines Zeichens farblos und generisch wie alle anderen, die alsbald schon mit einem Hinterhalt rechnen müssen, der fast die ganze Einheit dezimiert – bis auf Liam nämlich, der sich glücklich schätzen kann, Russel Crowe an der Hand zu wissen, der mit seiner raketenbestückten Drohne weit weg vom Geschehen fürs Reinemachen sorgt und das große Ganze im Überblick behält. Als ungleiches Gespann ackern sich die beiden also durch den Dschungel respektive über den Bildschirm. Die bösen Philippinos beißen ins Gras, vieles explodiert, Liam braucht bald dringend einen Arzt.

Land of Bad ist der weitaus zeitgemäßere Titel statt Delta Force 4 (denn drei Teile gibt es schon), unter Land of Bad könnte man auch einen düsteren Politthriller vermuten, doch so weit würde ich nicht gehen. William Eubank, dessen Geniestreich The Signal schon einige Jährchen zurückliegt, setzt, ohne eine eigene Handschrift auszuarbeiten, nach Kristen Stewarts Tauchgang Underwater auf die sichere Bank eines Actionfilms und meint dann doch, mit Charakterkopf und Oscarpreisträger Russel Crowe seiner Arbeit ein gewisses Alleinstellungsmerkmal angedeihen zu lassen. Da ist natürlich was dran, und das Zusammenspiel von zwei Männern, die zur gleichen Zeit an unterschiedlichen Orten ums Überleben kämpfen, hat Potenzial, auch wenn Eubank genau dieses in seiner Entfaltung immer wieder selbst unterwandert, indem er das Konzept eines konzentrierten Handlungsfadens durch das Mitmischen lästiger Faktoren verwässert und Liam Hemsworth wohl nicht zutraut, mehr zu empfinden als nur Schmerz. Das hat zur Folge, dass die Action zwar sitzt und einige State of the Art-Zuckerl in die tropenfeuchte Botanik geworfen werden – griffige Figuren bleiben aber Mangelware und sind verantwortlich für ein gewisses Déjà-vu-Gefühl.

Alles schon mal so gesehen? Ja natürlich, und noch dazu weitaus einprägsamer. Russel Crowe bleibt als gemütlicher Joystick-Zampano unter dem Radar, und nimmt man sich einen ganz anderen Film mit dieser Thematik zu Brust – in diesem Falle Eye in the Sky – lässt sich erkennen, um wie viel mehr Flächenbrand Gavin Hoods hochspannender Drohnenthriller entfacht als dieser hier. Man muss aber berücksichtigen: Der eine ist ein moderner Kriegsfilm mit Tiefgang, der andere hegt als Dschungel-Action keinerlei Anspruch auf Mehr.

Land of Bad (2024)

Der Killer (2023)

TAGESGESCHÄFT EINES ZYNIKERS

5,5/10


derkiller© 2023 Netflix


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: DAVID FINCHER

DREHBUCH: ANDREW KEVIN WALKER, NACH DER GLEICHNAMIGEN COMICSERIE VON MATZ

CAST: MICHAEL FASSBENDER, TILDA SWINTON, SOPHIE CHARLOTTE, CHARLES PARNELL, KERRY O’MALLEY, SALA BAKER, ARLISS HOWARD U. A. 

LÄNGE: 1 STD 59 MIN


Gewerkschaften gibt’s für diese Branche keine. Auch die Hotline für den Kundendienst sucht man vergebens. Denn Auftragsmörder müssen alles selber machen. Naja, fast alles. Zumindest erhalten sie ihre Aufträge über getarnte Mittelsmänner und -frauen, die im Falle eines Deals ordentlich mitschneiden. Doch mehr ist da nicht. Und ist der Kunde mal unzufrieden, kann er sich seine Beschwerde sonst wohin stecken. Das wäre im regulären und auch legalen Dienstleistungsgewerbe eine vielleicht zwar ärgerliche, aber nicht so große Sache. Doch wenn es darum geht, eine Zielperson zu liquidieren, die dem Kunden sauer aufstößt, und diese Liquidation dann so richtig versemmelt wird, würde man als unzufriedener Auftraggeber dann doch gerne sein Herz ausschütten wollen.

Da der Killer aber den Beschwerden kein Ohr schenken kann, weil er ausschließlich damit beschäftigt ist, unterzutauchen, bleibt nur noch die Möglichkeit, den Auftrag zu annullieren. Was dabei im Notfallplan ganz oben steht, ist das Einschläfern des Killers selbst, denn nicht erbrachte Leistung kann für jene, die sich die Finger nicht schmutzig machen wollen, unschöne Folgen haben. Bei so einer Zero Tolerance-Arbeitsphilosophie hätte ich als asketischer Perfektionist, wie Michael Fassbender ihn darstellt, längst auf ein anders Pferd gesetzt. Anscheinend aber ist der Mammon wieder mal alles, und der Rest, wie er selbst sagt, scheißegal. Dieser Killer also, der so viele Namen trägt, wie der Film Minuten hat, „gschaftlhubert“ sich, wie man in Österreich sagen würde, durch einen durchgestalteten Notfallplan, der zum Tragen kommt, wenn der Schuss danebengeht. Stets ist uns der Mann mit dem Hut in seinen Gedanken einen Schritt voraus – ehe das Publikum begreift, was er vorhat, sitzt Fassbender wieder irgendwo im Flieger, völlig unverdächtig mit Sonnenbrille und scheelem Blick, denn es könnte der Verbraucherschutz hinter ihm her sein.

Basierend auf der Comicserie von Matz, hat David Fincher einen Finsterling erschaffen, der weder Moral- noch Wertvorstellungen besitzt. Will man so einer Person zwei Stunden lang durch einen Film folgen? Warum nicht, schließlich kann es ja sein, dass diese im Laufe ihrer Tätigkeit an Grenzen stößt, die das Spektrum erweitern oder die Sicht auf die Dinge vielleicht verändern. Doch mit irgendwelchen moralischen Zeigefingern fuchtelt Fincher nicht herum – im Gegenteil. Für diesen Killer, dessen Motivation keinerlei Erwähnung findet, auch wenn er langmächtig herumphilosophiert, gibt es kein Zurück. Auf irreversible Weise hat er sich selbst definiert, und unter dieser Überzeugung übt er auch Vergeltung. Womit wir wieder bei Schema F jener Sorte von Thriller wären, die Auftragskiller gerne gegen ihre Kundschaft losschickt, aus Rache oder persönlicher Kränkung; weil sie endlich frei sein wollen (siehe John Wick oder Kate) oder weil sie doch noch sowas wie ein Herz haben (siehe Leon, der Profi).

Etwas allerdings ist dann doch anders als sonst. Fernab jeglicher hieb-, stich- und schussfester Akrobatik probt Fincher die pragmatische Reduktion im Zwielicht, als Schattenriss unter Straßenlaternen oder im verwaschenen Halo indirekter Lichtverschmutzung. Fassbender rezitiert sein abgedroschenes Mantra, das unter anderem beinhaltet, niemanden zu trauen und sich nicht ablenken zu lassen. Binsenweisheiten eines Überheblichen, bei dem man sich wünscht, dass er damit nicht durchkommt. Im Grunde sehen wir einem Verbrecher bei seiner Arbeit zu, der, vom Tagesgeschäft überrumpelt, wie einst Alain Delon Schadensbegrenzung übt, indem er, unter anderem im Zuge knochenharten Hickhacks mit Kollegen, Schaden verursacht. Eiskalt und ohne Mitgefühl, dadurch aber unsagbar zynisch und arrogant, gewinnt der Killer niemanden für sich. Finchers Charakterstudie hat somit keinerlei Mehrwert. Und anders als in Formaten wie Breaking Bad, wo die moralisch Verkommenen immerhin noch ein bisschen was an ihrer schwarzen Weste weiß halten, weil sie gewissen Werten folgen, bleibt diesem hier nicht mal das. Wie ernüchternd.

Der Killer (2023)

Kandahar (2023)

DER FEIND MEINES FEINDES IST MEIN FEIND

5,5/10


kandahar© 2023 Leonine Distribution


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: RIC ROMAN WAUGH

DREHBUCH: MITCHELL LAFORTUNE

CAST: GERARD BUTLER, NAVID NEGAHBAN, TRAVIS FIMMEL, ALI FAZAL, NINA TOUSSAINT-WHITE, TOM RHYS HARRIES, FARHAD BAGHERI, MITCHELL LAFORTUNE, MARK ARNOLD U. A.

LÄNGE: 1 STD 59 MIN


Egal ob er, getarnt als Cable Guy, nahe eines iranischen Atomkraftwerks so tut, als würde er nur das Internet aufbrezeln, während das staatliche Militär bereits argwöhnt. Egal, ob er, eigentlich ein Leih-Agent vom MI6, mitten in Afghanistan steckt und gerade enttarnt wurde, sodass alle Welt es sehen kann. Es ist auch ganz egal, ob sein Wagen, indem er sitzt, von einer Rakete getroffen oder er, an einer Wand gekettet, gerade von den Taliban aufgeknüpft wird: Dieser Mann hat immer den gleichen Blick. Hat immer die gleiche Regung, eine konstante Halbmotivation und irritierende Gelassenheit, die man bei Jason Statham vielleicht verzeihen würde, weil er Jason Statham ist. Butler hingegen hat schon auch mal, wir erinnern uns anno 2006, lauthals und voller Blutdurst „Wir sind Sparta“ brüllen dürfen, um sich dann den Persern in den Weg zu stellen. In Greenland, als das Leben auf der Erde ungemütlich wurde, sah man in Butlers Antlitz die Kümmernis und Sorge ob seiner Familie. Denn schauspielern, das kann er wohl – wenn er nur will. Auf dem Weg nach Kandahar ist der bärbeißige Brite Opfer seiner Pflicht – seiner Schauspielpflicht. Er tut, was immer Ric Roman Waugh ihm anweist. Nur nicht mehr.

Die Familie daheim, der Schulabschluss seiner einzigen Tochter – nichts davon empfindet er. Gar so abgehärtet, so dermaßen desillusioniert? Vielleicht ja, vielleicht ist Butlers Figur des Tom Harris einfach nur schon müde von all dem Ganzen. Wenn dem so wäre, hätte er den Job von Auftraggeber Roman (endlich mal ein Wiedersehen mit Ragnar Lodbrok Travis Fimmel) schließlich nicht annehmen müssen. Doch er hat es – obwohl sein letzter Einsatz sicherlich so einige Wellen schlagen wird. Denn der iranische Geheimdienst schläft nicht. Auch nicht der I.S.I. – Pakistans Agenten. Da der Flug nachhause in die Staaten ohnehin Verspätung hat, und noch einige Tage hin sind, bis Töchterlein ihre große Party schmeißt, geht sich ein kleiner Einsatz, der obendrein gutes Geld bringt, sicher noch aus. In Herat angekommen, trifft unser Held auf den Übersetzer Mohammed, kurz Mo (Navid Negahban). Mit ihm muss er bald, nach Bekanntwerden seiner Identität, das Weite suchen, und zwar Richtung Kandahar, denn dort wäre vom MI6 der entsprechende Extraktionspunkt – sofern der 400 Meilen-Weg dorthin von beiden überlebt wird.

Und jetzt stelle man sich vor, wie es aussieht, wenn alle möglichen Parteien, die sich in Afghanistan behaupten wollen, zum Halali blasen. Es ist ja nicht so, als würde das in gefühlt tausend Scherben zerbrochene Machtgefüge eines eigentlich von Gott verlassenen Landes an einem Strang ziehen. Jeder will in eine andere Richtung, doch jeder hat das gleiche Ziel. Somit ist der Feind des Feindes des anderen sicher kein Freund. Durch dieses Gewirr an Häschern, Truppen und einsamen Jägern bahnt sich Butler stoisch und gefühlsarm seinen Weg, baut kaum eine tiefergehende Verbindung zu seinem Partner auf, reflektiert selbst nicht mal seine eigene Wahrnehmung der Dinge. Das schafft Distanz zu einem Film, der gewisse Ähnlichkeiten mit Guy Ritchies eben erst auf amazon prime erschienenen Escape-Afghanistan-Thriller Der Pakt aufweist. In diesem allerdings lassen sich Jake Gyllenhaal und Dar Salim aufeinander ein – das hat Wirkung. Kandahar ist dagegen eine Fahr- und Wandergemeinschaft; ein kurzer Streifzug durch diverse militante Interessensgruppen eines Landes, das ich mein Leben lang nie besuchen werde – trotz der gezeigten, atemberaubenden Landschaften, die klarerweise ganz woanders zu besichtigen sind.

Auch in Kandahar wummert und kracht es – ein Gerard Butler-Vehikel wie dieses wirbelt ordentlich Staub auf, es flattern allerlei Fahnen im Fahrtwind der Kleinpanzer, die Kutten und Turbane sitzen tief, und auch der um jeden Preis durchzusetzende Willen, die Balance der Gerechtigkeit zu halten, pflegt so manchen feuchten Wunschtraum westlicher Mächte. Würde der Film hundert Jahre früher spielen, säßen alle auf Pferden und hätte Gerad Butler vielleicht gar in die Rolle des Lawrence von Arabien schlüpfen können – nur Omar Sharif gäbe es dann leider keinen mehr.

Kandahar (2023)

John Wick: Kapitel 4 (2023)

GOODBYE TO YOU MY TRUSTED FRIEND

7/10


john-wick-chapter-4© 2023 Leonine Studios


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: CHAD STAHELSKI

BUCH: MICHAEL FINCH, SHAY HATTEN

CAST: KEANU REEVES, DONNIE YEN, BILL SKARSGÅRD, IAN MCSHANE, LAURENCE FISHBURNE, SHAMIER ANDERSON, CLANCY BROWN, HIROYUKI SANADA, MARKO ZAROR, RINA SAWAYAMA, SCOTT ADKINS, LANCE REDDICK U. A.

LÄNGE: 2 STD 49 MIN


Alles beginnt eigentlich damit, dass sein Hundewelpen Daisy unter brutaler Einwirkung von außen das Zeitliche segnen musste. Und damit, dass sich jene Übeltäter, die das Haustier auf dem Gewissen haben, auch noch seinen Ford Mustang klauen. Einer wie John Wick könnte diese Unbill, unter Berücksichtigung dessen, was er alles schon erlebt hat, auf die leichte Schulter nehmen. Er muss es aber nicht. Wäre seine Frau nicht vor Kurzem erst an einer Krankheit verstorben, wären die weiteren Entbehrungen vielleicht zwar tragisch, aber zu bewältigen gewesen. So kommt alles zusammen – und der Killer im Ruhestand muss leider wieder seinen Instinkt aktivieren, um all jene zur Rechenschaft zu ziehen, die ihm Übles wollten.

Unter der Regie von David Leitch und Chad Stahelski erblickte 2014 eine dunkel umwölkte Figur des Actionkinos das Licht der Leinwand, die mittlerweile zur Ikone wurde. Schwarzer Anzug, schwarzes Hemd, strähnige Haare bis zur Schulter, die ein bärtiges Gesicht umrahmen, aus dessen Mund nur selten viele Wörter kommen. Der lakonische Rächer der Neuzeit war geboren. Eine Mischung aus Clint Eastwood, The Crow und dem Mann aus Stahl, der physische Belastung neu definiert, Schmerzen erduldet und Gegnern gerne aus nächster Nähe ins Gesicht schießt. Wick verfolgt weder ein hehres Ziel noch tritt er für andere ein wie John McLane. Sein Krieg ist reiner Selbstzweck, die Opferbereitschaft gleich null. Erlösung nur für sich selbst ist das Credo eines Egomanen. Und Keanu Reeves, schwerfällig und wortkarg, scheint diesen Finsterling zu lieben. Nach Weltenbefreier Neo aus Matrix ist dies die nächste Instanz – in einer Welt, die genauso projiziert scheint wie das grünstichige Elysium, in welchem die Menschheit in ferner Zukunft dahindämmert. In dieser Welt, unserer recht ähnlich, herrscht die Hohe Kammer – eine Killer-Gilde, die bis in die höchsten Kreise der Welt- und Konzernregierung ihre Bonzen sitzen hat. Niemand kann der Hohen Kammer das Handwerk legen, sie ist so unangreifbar wie Hydra oder Spectre. Bricht einer, der dem Verein angehört, auch nur irgendwie die Regeln, bläst das Syndikat zum Halali. Und die weltbesten Killermaschinen können sich, wenn sie geschickt sind, satte Prämien einstreichen, wenn sie dem Falschspieler das Licht ausblasen.

Niemand hat mit ihm gerechnet, mit John Wick, der immer noch die Wut ob seines getöteten Hundes im Bauch hat und sich durch Kapitel 2 und Kapitel 3 hindurch gegen den Rest der Welt erwehren hat müssen. In Kapitel 4 scheint nun alles auf eine Götterdämmerung hinzudeuten. Der schmierige und diabolische Franzose Marquis de Gramont (Bill „Pennywise“ Skarsgård), einer der Oberen der Hohen Kammer, hat grünes Licht dafür bekommen, mit Wick zu verfahren, wie er gerne will. Dafür engagiert er den in Killer-Rente gegangenen Chinesen Caine (Donnie Yen, genauso blind und im Stockkampf so versiert wie sein Alter Ego Chirrut Imwe aus Rogue One – A Star Wars Story ). Der will natürlich nicht gegen einen guten alten Freund antreten, muss aber, wenn ihm das Leben seiner Tochter lieb ist. Die erste Begegnung der beiden erfolgt dann im Continental Hotel in Japan, Zuflucht für Jäger und Gejagte. Von da an rast der Body Count wie der Blutdruck eines Cholerikers nach oben, es wird gekämpft, geschossen, gefallen und wieder aufgestanden. Glas splittert, Blut spritzt – aber nur dezent. Wem diese Art der Konfrontation liegt, der wird auch die nächsten zwei Stunden sein Vergnügen finden. Da alles auf ein Finale hinausläuft und die Geschichte am Ende des Films auserzählt sein wird, glänzt das dritte Sequel auch wirklich mit einem viel straffer gezogenen Narrativ, das genug Dramatik besitzt, um auch immer mal wieder Weisheiten vom Stapel zu lassen, die für das Heroic Bloodshed-Kino Asiens so unentbehrlich sind.

Einen guten Tod gibt es nur für ein gutes Leben. Sagt Hiroyuki Sanada als Hotelchef Koji in den wenigen Dialogsequenzen, die mit John Wick geführt werden. Oder: Wer sich an den Tod klammert, wird leben. Wer sich ans Leben klammert, wird sterben. Und schon ist sie da: die Apotheose der Action-Virtuosen, die jede Kampfkunst beherrschen und für die Frakturen nur antiquierte Schriftzeichen sind. Die vom dritten Stock auf den Asphalt fallen oder überfahren werden. Das passiert, wenn das Actionkino Amerikas so sein will wie die irren Poeten fernöstlicher Bleigewitter eines John Woo, Gareth Evans oder Ringo Lam: Gewalt wird zur Bühnenshow, zur üppig ausgestatteten Oper zwischen Kirschblüten und Eiffelturm. Chad Stahelski hat viel von seinen Vorbildern gelernt, entsprechend zielsicher hat er all sein Können auch in den letzten und womöglich besten Teil der Reihe hineingebuttert: John Wick: Kapitel 4 ist ein Fass ohne Boden, wenn es um stylishe Locations, entfesselte wie fancy Farbenspiele und wummernde Rhythmen geht. Die Kamera liefert ein Comic-Panel nach dem anderen, mixt diese mit Sequenzen wie aus einem Videospiel, wenn minutenlang nur die Sicht von oben John Wicks Eskapaden zeigt. Es ist, als hätte der lakonische Killer mit der Lust am Töten, die man ihm aber seltsamerweise nicht übelnehmen kann, seine ersten Handlungen als Graphic Novel-Antiheld absolviert. So mutet der Streifen als verfilmter Comicstrip an, der gar keiner ist.

Da sich Stahelski auch von der obszönen Brutalität so mancher asiatischen Alleskönner fernhält, bleibt auch die Gewalt entrückt und irreal. Mitunter kommt es vor, dass Opfer auf wundersame Weise verschwinden, wenn sie eliminiert wurden. Realität spielt also keine Rolle mehr, was zählt ist das schillernde Pathos eines Krieges „Einer gegen Alle“. Zynisch, melancholisch und mitunter auch witzig – Action als theatralische Kunstform.

John Wick: Kapitel 4 (2023)

The Marksman – Der Scharfschütze

EIN MANN AN DER GRENZE

4/10


marksman© 2021 Leonine


LAND / JAHR: USA 2021

BUCH / REGIE: ROBERT LORENZ

CAST: LIAM NEESON, KATHERYN WINNICK, JACOB PEREZ, JUAN PABLO RABA, TERESA RUIZ U. A. 

LÄNGE: 1 STD 37 MIN


Langsam wird er zu alt für diesen Sch… oder doch nicht? Müsste vorliegender Actionkrimi die eingangs erwähnte Feststellung berichtigen, so hilft alles nichts: Liam Neeson geht die Luft aus. Kann aber auch sein, dass es ganz schlicht und einfach die Rolle erfordert, so dermaßen genug vom Leben zu haben. Oder vom Filmemachen. Die Zeiten von 96 Hours scheinen lange vorbei, auch sein letzter Film – Honest Thief – hat sich da schon etwas eingebremst. Ein Leisertreten also, vor all diesen bösen, nimmermüden Buben, die als stereotype Abziehbilder dem alten Haudegen in der Sonne stehen. Irgendwie hat´s da was. Dabei wäre die Rolle des Marksman – also des Scharfschützen – auch eine dank- und denkbare für den mittlerweile über neunzig Jahre alten Clint Eastwood gewesen. Fragt sich nur, ob er die paar Prügelszenen auch noch so hinbekommen hätte wie Neeson. Wenn’s nämlich drauf ankommt, kann er das noch. Doch danach, wenn der Gegner am Boden liegt, heißt es verschnaufen.

In diesem Verschnaufmodus plätschert auch Robert Lorenz‘ schlichter Flüchtlingskrimi dahin, der nicht rein zufällig so aussieht, als wäre er im Grunde für Clint Eastwood bestimmt. Lorenz ist in erster Linie Produzent, und zwar für niemand geringeren als für den zum Kult gewordenen Dollar-Cowboy, und das schon seit Mitte der Neunziger Jahre. Clint Eastwood hat diese Rolle vermutlich abgelehnt. Morgan Freeman wäre noch in Frage gekommen. Oder Tommy Lee Jones. Hätten diese alternden Charakterköpfe ebenfalls eine ähnlich schleichende Stimmung erzeugt wie Neeson? Dabei ist letzterer nach wie vor gern gesehen, seit Schindlers Liste bleibt der Ire stets der Gutmensch, so widerborstig und eigenbrötlerisch und vielleicht so brutal er auch sein mag.

Als Grenz-Western beschreibt The Marksman – Der Scharfschütze eine Geschichte, die auf ein Post-It passt. Neeson als pensionierter US-Marine Jim Hanson (wie sonst könnte er so kämpfen) beobachtet tagaus, tagein den Grenzzaun zwischen Arizona und Mexiko, bis ihm eines Tages eine Mutter mit ihrem Jungen in die Arme läuft. Hinter den beiden her: austauschbare Handlanger irgendeines x-beliebigen mexikanischen Drogenkartells. Die Mutter stirbt, vorher nimmt sie Jim noch das Versprechen ab, ihren Dreikäsehoch zu seinen Verwandten nach Chicago zu bringen. Das macht er doch glatt, er ist schließlich ein Gutmensch, obwohl er vorgibt, mit dieser Entscheidung zu hadern und lieber seine Ruhe haben möchte. Doch es wäre kein Roadmovie der konventionellen Art, wäre das nicht der Beginn einer väterlichen Freundschaft mit einem durchaus aufgeweckten und souverän aufspielenden Jungdarsteller mit dazwischen platzierten, bleihaltigen Intermezzi.

Man könnte in The Marksman ja zwischendurch mal einnicken, ohne viel zu versäumen, aber bitte nur dann, wenn Neeson ebenfalls die Müdigkeit übermannt. Schwer schleppt sich der kleine Film über die Straßen. Um das Ganze etwas zu verdichten, bemüht sich Vikings-Star Katheryn Winnick völlig leidenschaftslos und formelhaft in einer undankbar rausgekürzten Rolle als Jim Hansons Tochter.

Wenn schon ein später Neeson, dann zumindest lieber Honest Thief. Ich hoffe ja doch, dass im kommenden LKW-Abenteuer The Ice Road der Sympathieträger mit der markanten Nase wiedermal zur Hochform aufläuft. Sonst war´s das vielleicht mal bald.

The Marksman – Der Scharfschütze

Free Guy

EIN CODE MIT CHARAKTER

7/10


freeguy© 2021 The Walt Disney Company


LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: SHAWN LEVY

CAST: RYAN REYNOLDS, JODIE COMER, JOE KEERY, TAIKA WAITITI, UTKARSH AMBUDKAR, CHANNING TATUM U. A.

LÄNGE: 1 STD 55 MIN


Er ist zurück, obwohl ich dachte, er käme nicht mehr wieder: Mariah Careys Super-Soft-Pop-Klassiker Fantasy aus den Iden der Neunziger Jahre. Doch nein – an dieser streichelweichen Trällerei kommt, wer Free Guy sichtet, einfach nicht vorbei. Und Ryan Reynolds gefällt‘s. Es gefällt auch Jodie Comer, und der Song ist es auch, der beiden den Kopf verdreht. Das wirklich Fatale an der Sache: er geht mir schon seit Stunden nicht aus dem Kopf. Ein Ohrwurm par excellence. Ein Song-Revival durch die Hintertür. Und ja, im Nachhinein gefällt das nicht nur Reynolds und Comer, sondern auch mir – irgendwie. Weil es zum Film passt. Und dieser sich genauso knallbunt anfühlt wie die vielen hohen Töne Mariah Careys.

Sucht man einen Sommerhit, kann man natürlich Godzilla vs. Kong zu Rate ziehen. Es taugt aber auch Free Guy so ziemlich perfekt dafür. Auf den ersten Blick scheint das vielleicht nicht so zu sein. Denn unser Mr. Nice Guy oder nur Guy, der lebt in einer Welt, in der das Faustrecht regiert. Heißt also: Waffen und ihre Wirkung prägen das Stadtbild von Free City, Banküberfälle gehören zur Tagesordnung, Explosionen am Straßenrand ebenso und Guy wird das eine oder andere Mal gut und gerne durch die Luft geschleudert. Gamer wissen: das erinnert stark an Grand Theft Auto, kurz GTA. Ich weiß das nur vom Hörensagen. Womöglich wird´s so sein. Womöglich gibt´s noch jede Menge andere Referenzen, so wie in Ready Player One, die ich dort aber allesamt kannte, da die sich vermehrt auf Filme beziehen. In Free Guy wird also Ryan Reynolds – begnadet komisch – sein routiniertes Leben als Bankangestellter irgendwann zu schal. Da muss es noch mehr geben, denkt er sich. Vor allem eine bessere Hälfte. Und plötzlich wird aus einem NPC-Charakter jemand, der das Open-World-Game gehörig aufmischen wird. Hilfe bekommt er von Echt-Welt-Gamerin Milly, die sich bald mit dem als Blue Shirt Guy bekannten „Störenfried“ auf eine Mission begibt, um das Spiel und seine Bewohner zu retten. Ein Upgrade auf Free City 2 würde alles bisher Dagewesene nämlich auslöschen.

Man kann Ryan Reynolds wirklich nicht mehr ernst nehmen. Und das ist wohlwollend gemeint. Sobald er seine selbstironischen Attitüden ins Feld führt, ist das tatsächlich sehr komisch und obendrein noch wirklich sympathisch. Anders als der später völlig verstörte Jim Carrey in der Truman Show (womit dieser Film hier gern verglichen wird) wohnt in Reynolds Figurenseele eine einnehmend naive Lebensfreude, die alle möglichen Schwierigkeiten schon im Vorfeld abschwächt. Sei‘s drum ob Fake oder nicht, ob künstliche Intelligenz oder echter Mensch – Shawn Levy nimmt den Schrecken möglicher existenzieller Bedeutungslosigkeiten und macht den Moment zum einzig messbaren Faktor für das, was sich lohnt, real zu sein. Er setzt mit Eifer KI und Homo sapiens auf eine Stufe. Wo ein Wille, da Bedeutung. Bis sich diese rosige Philosophie manifestiert, gibt´s allerlei turbulentes Geschehen, und manchmal ist nicht ganz klar, wonach genau gesucht wird, doch es schert weder Reynolds Figur noch uns selbst. Zuzusehen, wie vor dem Bildschirm und dahinter eine Art Zeitenwende passiert, ist pure Unterhaltung (Highlight: das Franchise-Crossover im Showdown), auch wenn das Arsenal an Waffen aller Art keine Grenzen kennt. Aber so ist das in solchen Spielen. Gewaltverherrlichend sind sie, andererseits bieten sie die Möglichkeit, derartige Phantasien, schadlos für andere, auszuleben. Levys Trendist aber letzten Endes eindeutig ein pazifistischer. Der Friede kommt mit der Lebensfreude, und die ist genauso ansteckend wie Mariah Careys Fantasy-Song.

Free Guy

Cash Truck

NUR BARES IST WAHRES

7/10


CashTruck© 2021 Studiocanal GmbH


LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: GUY RITCHIE

CAST: JASON STATHAM, SCOTT EASTWOOD, HOLT MCCALLANY, JEFFREY DONOVAN, JOSH HARTNETT, LAZ ALONSO, RAÚL CASTILLO, NIAMH ALGAR, EDDIE MARSAN U. A. 

LÄNGE: 1 STD 59 MIN


Ein Mann übt Rache. Da schau her, doch so kreativ? Das kann einem im Grunde aber egal sein, denn Rache, die zieht immer. Und lässt sich auch im Bauchladen sämtlicher Billiproduzenten ganz ohne Déjà-vu-Effekt immer wieder auffüllen. Das ist der Stoff, auf dem die B-Movie-Schiene dahinfährt. Das ist auch der Stoff, der bereits im Jahre 2004 im französischen Thriller Cash Truck – der Tod fährt mit Verwendung fand. Müsste man theoretisch keinen Aufguss mehr machen. Aber Hollywood macht das immer. Weil Filme aus Übersee dortzulande einfach nicht funktionieren. Dabei kann der Stoff noch so billig sein, es kommt immer darauf an, was man daraus macht. Kleines Beispiel: Mehrere Künstler treffen sich in einem Atelier und malen eine inmitten des Raumes stehende, simple Vase, dabei dürfen sie ans Werk gehen, wie sie wollen. Bilder von Vasen, in denen Blumen stecken, gibt es viel zu viele, will doch keiner mehr sehen. Am Ende des Tages aber ist die Vase auf jedem Bild eine andere. Und Banales wird zu Besonderem. Dabei muss die narrative Basis nicht schon alle Stückchen spielen.

Dieses „Wie“ hat sich Guy Ritchie zu Herzen genommen. Filmfans kennen seinen persönlichen Stil: Erdig, kantig, lakonisch, hemdsärmelige Action und eine Vorliebe für das Actionkino der Siebzigerjahre, wo vorzugsweise im Tweed oder im grobem Textilsakko um die Ecke geschossen wird. Herumstehende Mannsbilder, mit markigen Textpassagen auf den Lippen. So funktioniert ein guter Ritchie, und trotz dieser banalen Vase als Kernstück seines Projekts hat dieser den plotmäßigen Ramsch so dermaßen gewieft aufpoliert, als hätten wir es mit einer völlig anderen und weitaus komplexeren Geschichte zu tun, als sie tatsächlich ist.

Das liegt auch an Ritchies Vergnügen, die Story nicht geradlinig ablaufen zu lassen, sondern zu zerschnipseln, irgendwo in der Mitte zu beginnen und die rätselhafte Bedeutung von Jason Stathams finsterer Figur langsam zu beleuchten. Keine Ahnung, ob das im Original auch so war. Ich jedenfalls würde vermuten, dass dieser dramaturgische Kniff neu ist. Ähnliches Muster gab es ja auch in seinem Vorgänger The Gentlemen, übrigens „der“ Geniestreich unter Ritchies Arbeiten. In Cash Truck (im Original: Wrath of Man) geht’s klarerweise und trotz des umgearbeiteten Scripts deutlich geradliniger zu. Und einsilbiger. Denn Jason Statham darf wieder mal, völlig spaßbefreit, die knallharte und bierernste Socke sein, die er immer gerne sein will. Das liegt ihm, wenn er nicht mit der Wimper zucken muss. Da weiß man schon: Bruder Mahlzeit, dieser Mann könnte im Alleingang alle Geldtransporer dieser Welt vor kriminellen Übergriffen schützen.

Das denkt sich die Firma, bei der Harry, genannt H, anheuert, bald ebenso. Schweigsam wie Chuck Norris und stoisch wie Statham eben selbst macht sich der Unbekannte in Arbeitskreisen bald einen Namen als Held und vor allem einer, der sich nichts gefallen lässt. Der mit griesgrämiger Miene ein finstere Vergangenheit mit sich herumträgt. Zeitgleich allerdings macht sich eine Bande Ex-Soldaten munter ans Werk: Ihr Plan ist es, nach mehreren Cash-Truck-Überfällen gleich das ganze Depot auszuräumen. Sie werden bald sehen, dass sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben. Denn H hat eine solche noch offen.

Das ist er, der ganze Plot. Doch schon allein der wummernde Score von Oscarpreisträger Christopher Benstead macht aus dem Actioner ein bisschen was Spezielleres. Die heftigen Töne, das grobkörnige Bild und ikonisch arrangierte Stills verleihen der Rachemär etwas Tragödienhaftes, ansatzweise gar ein Shakespeare’sches Drama, das den Noir-Charakter von Ben Afflecks Räuberballade The Town ebenso in sich trägt. Es wird schmutzig, blutig und pragmatisch. Sympathieträger gibt’s kaum, und wenn, dann nur für kurze Zeit. Etwas zu sagen hat in dieser Welt nur jener am Ende der kriminellen Nahrungskette. Es lässt sich erahnen, wer das ist. Und es überrascht wenig. Erstaunlich aber, wie aus wenig mehr werden kann.

Cash Truck