IN DER KOMFORTZONE DES MONSTERS
7/10
© 2024 20th Century Studios. All Rights Reserved.
LAND / JAHR: USA 2024
REGIE: FEDE ALVAREZ
DREHBUCH: RODO SAYAGUES, FEDE ALVAREZ
CAST: CAILEE SPAENY, DAVID JONSSON, ISABELA MERCED, ARCHIE RENAUX, SPIKE FEARN, AILEEN WU, DANIEL BETTS U. A.
LÄNGE: 1 STD 59 MIN
Aus dem Filmuniversum rund um den Terminator lässt sich nicht viel mehr lukrieren als jenen Content, den wir bereits aus James Camerons beiden Teilen kennen. In jener Welt, in welcher der Xenomorph sein Unwesen treibt, sieht das ganz anders aus. Das mag wohl daran liegen, dass selbst in Ridley Scotts Original nicht nur ein Monster die Besatzung eines Raumfrachters dezimiert, sondern gewisse Metaebenen wie jene eines dystopischen Konzerntotalitarismus als ungreifbare Zweitbedrohung für Unwohlsein sorgen. Exekutiert hat diesen evolutionären Kapitalismus ein Android namens Ash, der anfangs so schien, als würde er für das Gemeinwohl der Besatzung handeln, letztlich aber dafür verantwortlich war, dass alles so weit kam, wie es kommen musste, um jenen Horrorthriller in den Annalen des SciFi-Genres zu verankern, der dank des Scheiterns von Jodorowsky’s Dune sein Potenzial zu nutzen wusste. Der Schweizer H. R. Giger hatte dazu gleich ein künstlerisch hochwertiges Wesen geschaffen, daraus und in diesem Stil hunderte Spielarten einer gattungsgleichen Biologie in den Weltraum geschossen – immer auf Augenhöhe mit einer künstlichen Intelligenz, die stets eine Affinität für diesen gewissenlosen Organismus entwickelt, die voll und ganz dem darwin’schen Credo Survival of the Fittest folgt. Wer als größter Egoist im Universum keinerlei Skrupel hat, auf Kosten anderer Arten an die Spitze der Nahrungskette zu gelangen, hat gewonnen. Roboter helfen dabei. Konzerne wie Weyland-Yutami genauso. Das alles und noch viel mehr spielt in Alien eine große Rolle – und jene, die aufgrund dieser Tatsache ins Gras beißen müssen, sind nur der schnöde Beweis dafür, dass es funktioniert. Immer und immer wieder.
All diese Komponenten erneut zusammenzubringen, dafür hat Fede Alvarez (Don’t breathe, Evil Dead) einen Spagat gewagt, der auf verblüffende und wenig aufdringliche Weise so gut wie alles, was bisher im Dunstkreis der Aliens entstanden war, unter einen Hut bringt – oder anders formuliert: in eine verlassene Raumstation packt, wo Furchtbares passiert. Eine schönere Spielwiese im SciFi-Horrorgenre gibt es kaum. Wenn man aber vermutet, dass Alvarez gar Ridley Scotts beide Prequels einfach so ignoriert, um das Monster auf seine Essenz zurückzuwerfen, hat nicht verstanden, dass sich der perfekte Killer niemals mit sich selbst begnügt. Das wäre zu wenig. Die Symbiose mit Geburt, Fortschritt und Untergang der Menschheit wird dieses als Testimonial für Weltenumspannendes zu sehendes Ungetüm stets eingehen – das macht es so interessant, so faszinierend, ohne dass es dabei das rätselhaft Mythologische verliert, was ihm anhaftet.
Dass Alvarez dem Original in vielerlei Hinsicht huldigt, ohne es zu kopieren, ist offensichtlich. Ganz zu Beginn, in der Epilog-Szene des Films, könnten Puristen des Franchise feuchte Augen bekommen. Nahtlos knüpft Alien: Romulus am Ursprung an, ohne ihn zu verwässern. Sound, Setting, die Komposition aus Licht, Schatten und mit alarmierenden Countdowns einhergehende, blinkende Farb- und Lichtspiele – stilsicher schenkt Alvarez dem Alien seine Convenience-Zone und verlässt sie nur am Ende, um ganz andere Erzählfäden aufzugreifen, die man längst lose herumhängen gesehen hat. Diese Fäden zieht Alvarez straff – und schickt diesmal keine desillusionierte Arbeiterklasse oder abgestumpfte Soldaten ins Rennen, sondern Mittzwanziger-Kolonisten, deren Zukunft noch bevorstehen könnte, sofern sich die Parameter ändern lassen. Eine verlassene Raumstation im Orbit soll all das noch in petto haben, was fünf Freunde und ein Android benötigen würden, um das triste Leben auf ihrem Arbeiterplaneten hinter sich zu lassen. Nichts ahnend, dass dieser schmucke Kreisel, der alsbald mit den Ringen des Planeten kollidieren wird, darüber hinaus eine Forschungsstation für sonderbare Lebensformen gewesen sein mag, werden Caley Spaeney (Priscilla), Isabela Merced und Co alsbald mit den uns bekannten und beliebten Facehuggern konfrontiert, die nur der Anfang einer Metamorphose darstellen, die letztlich das Alien freisetzt.
Der Plot ist schnell umrissen, die Komplexität desselbigen entsteht aber durch eine Vielzahl grimmiger Hürden, die diese simple Struktur zu einem Survivalthriller aufmotzen, der allerlei technisch-physikalischen Herausforderungen unterliegt. Das Alien mag der Auslöser sein, doch ist es längst nicht alles. David Jonsson als ambivalenter Android legt eine exzellente Performance hin, die Ian Holm ebenbürtig scheint – sein Handeln beeinflusst vieles in diesem Film. Das Xenomorph selbst mag fast schon selbst mit dem technischen Wahnsinn dieser Raumstation zu hadern – frei nach dem Motto: Mitgehangen, mitgefangen. Womit Fede Alvarez aber überfordert zu sein scheint, ist die Wahrnehmung von Zeit – womit manche Logiklöcher entstehen, die man nicht näher hinterfragen sollte, will man sich die Laune an dieser bereichernden Episode nicht nehmen. Uncanny Valley-Effekte, die aufgrund dessen, ein altbekanntes Gesicht zurückholen zu wollen, in gruseliger Deutlichkeit etwas befremden – auch darüber lässt sich hinwegsehen. Der Brückenschlag zur Vorgeschichte eines Phänomens gelingt jedoch vorzüglich. Und so unterfüttert und festigt Alvarez mit künstlerischem Mehrwert und albtraumartig-fantastischen Bildern, die einen Zeichner wie Alfred Kubin mit Lovecraft’scher Leidenschaft ins Weltall katapultiert, in vielleicht gar nicht beabsichtigter Intensität das ganze Universum, in welchem noch so einiges zu holen ist.



