Rust – Legende des Westens (2024)

DIE SONNE UND DEN TOD IM RÜCKEN

7,5/10


© 2024 Splendid Film


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE / DREHBUCH: JOEL SOUZA

KAMERA: HALYNA HUTCHINS, BIANCA CLINE

CAST: ALEC BALDWIN, TRAVIS FIMMEL, PATRICK SCOTT MCDERMOTT, FRANCES FISHER, JAKE BUSEY, JOSH HOPKINS, DEVON WERKHEISER U. A.

LÄNGE: 2 STD 20 MIN


Für sein zweiteiliges Westernepos Horizon hätte sich Oscarpreisträger Kevin Costner vielleicht noch Kamerafrau Halyna Hutchins ans Set holen können. Mit diesen Bildern in petto wäre sein Werk wohl richtig veredelt worden – was nicht heisst, dass er (zumindest nach Sichtung des ersten Teils) nicht schon Anstrengungen genug unternommen hätte, um qualitativ zu punkten. Der etwas andere Film, nämlich Rust – Legende des Westens von Joel Souza, mag zwar nicht ganz so komplex wie Costners privat finanzierter Kraftakt sein, in welchem mehrere Handlungsfäden und die Schicksale unterschiedlichster Charaktere zusammenlaufen, kann sich aber in buchstäblichem Sinne wirklich sehen lassen. Hutchins hat dafür hart kontrastiere, dunkle Bilder geschaffen, auf denen die Sonne selten bis gar nicht im Zenit zu sehen ist. Schattenrisse vor Morgendämmerungen und hereinbrechenden Nächten, überhaupt bleibt anfangs das Konterfei von Alec Baldwin im Dunkeln, die Takes sehen aus wie Panels einer Graphic Novel. Und dann, wenn der weißbärtige Großvater aus dem Gegenlicht tritt: harte Gesichter, entsättigt, müde vom Leben, desillusioniert. Es sind Figuren, die einer wie Nick Cave wohl in seinen Balladen hätte. Melancholischer Nihilismus aus einer posttraumatischen Nachkriegszeit der USA, und dennoch nicht zynisch, resignierend, sondern immer noch aufmüpfig.

Die Tragik hinter der Tragik

Es ist, als wäre die Tragödie um die Entstehung von Souzas Film auch in den fertigen Film transmigriert. Und wir alle wissen: Rust – Legende des Westens ist aus einem einzigen Grund in die Filmhistorie eingegangen: Dem fahrlässig herbeigeführten Tod einer Kamerafrau durch das Abfeuern einer mit scharfer Munition geladenen Faustfeuerwaffe. Verteilt über den Film, wird gar nicht mal so viel geschossen, einige Szenen haben es aber in sich, da hagelt es Patronen, kreuz und quer, die Kamera immer nah dran. Es lässt sich ausmalen oder vermuten, wo denn das Unglück passiert sein könnte. Diese Erschütterung nimmt der Film letztlich mit sich, und lässt auch Baldwin keine sonderliche Freude mehr daran haben, hier seine Rolle weiterzuspielen. Doch genau das, diese Sehnsucht nach einem Ende der Verpflichtung, kommt dem Charakter seiner Figur entgegen – dieses vergrämte Bewusstsein und der Wunsch nach Absolution, hat er doch die Waffe, die Hutchins den Tod brachte, höchstselbst in Händen gehalten. Lieber hätte er die Kugel abbekommen, und nicht jemand anderes.

Dieses Mindset einer Opferbereitschaft nutzt der weißbärtige alte Shootist und Outlaw, der titelgebenden Namen trägt, nämlich Harland Rust, um seinen Enkel Lucas, gerade mal dreizehn Lenze, davor zu bewahren, aufgrund eines Jagdunfalls mit Todesfolge am Strick zu baumeln. Der Alte befreit den Jungen aus dem Kittchen, bald sind beide unterwegs Richtung Mexiko, um der Gerichtsbarkeit der Vereinigten Staaten zu entgehen. Dabei ist den beiden nicht nur das Gesetz in Gestalt des Marshalls und seiner Entourage auf den Fersen – auch ein Kopfgeldjäger in adrettem Schwarz und verstohlenem Blick, wie einst Lee van Cleef ihn hatte, folgt ihren Spuren. Den verkörpert der selten gesehene Vikings-Star Travis Fimmel mit Enthusiasmus, unterdrückter Aggression und zwielichtigem Kodex.

Dem Genre treu ergeben

Alles wird letztlich auf einen Showdown in klassischem Stil hinauslaufen. Bis dahin aber übt sich Souza in der Empfindung seines auf Stimmung setzenden Fluchtdramas, das sich in seiner Schwermut am wohlsten fühlt, die Enkel-Opa-Beziehung nicht übers Knie bricht, sondern unbewusst und fast unbeobachtet wachsen lässt. Dabei vergisst Souza auch nicht, die Befindlichkeiten der Verfolger zu beleuchten, zumindest in wenigen Details, die aber sind gut gewählt. Rust – Legende des Westens ist ein Western mit viel Gefühl und Sorgfalt, niemals überhastet, kontemplativ in der Betrachtung von Tag und Nacht.

Der Film wagt keine Hakenschläge, denn er weiß, welche Ambitionen er sich leisten kann. Es sind die weiten Landschaften als Spiegel einer ruhelosen Einsamkeit, einer Sehnsucht nach Verantwortung. Und das Tilgen von Versäumnissen. In diesem Fall vor und hinter der Kamera.

Rust – Legende des Westens (2024)

Freakier Friday (2025)

SICH SELBST MIT ANDEREN AUGEN SEHEN

6/10


© 2025 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: NISHA GANATRA

DREHBUCH: JORDAN WEISS

KAMERA: AMIE DOHERTY

CAST: JAMIE LEE CURTIS, LINDSAY LOHAN, JULIA BUTTERS, SOPHIE HAMMONS, MANNY JACINTO, MAITREYI RAMAKRISHNAN, ROSALIND CHAO, CHAD MICHAEL MURRAY, MARK HARMON, VANESSA BAYER, CHRISTINA VIDAL MITCHELL, HALEY HUDSON U. A.

LÄNGE: 1 STD 51 MIN


„Ich bin alt!“ Eine kleine Sternstunde der Situationskomik war das damals, als Jamie Lee Curtis vor dem Spiegel es nicht fassen konnte, wie sie aussah. Dazu muss man wissen, dass in ihrem Körper die siebzehnjährige Lindsay Lohan steckte, zumindest im Drehbuch war das so vorgemerkt, dass beide – Mama und Tochter – über Nacht ihrer eigenen physischen Hülle verlustig wurden und stattdessen die der jeweils anderen bekamen. Jetzt, mehr als zwei Dekaden später, ist Mark Waters launiger Erfolg von 2003 eine Prachtkuh, die man, wenn es nach dem Disney-Konzern geht, der stellvertretend für Hollywood steht, immer noch melken kann. Der Trend der Aufgüsse, Remakes und Sequels reißt nicht ab. Viele Projekte tauchen an den 2000ern vorbei bis tief in die Achtziger – zuletzt fand man dort Die nackte Kanone, demnächst Running Man oder gar Spaceballs. Rick Moranis soll wieder vor die Kamera. Das glaube ich erst, wenn ich es sehe. Hier allerdings, in Freakier Friday, genießt die wunderbare Jamie Lee Curtis nach ihrem Oscar für Everything Everywhere All at Once ihren zweiten Karrierefrühling und macht das Beste daraus.

Meiner Meinung nach verhält es sich dabei so: Wenn Curtis draufsteht, ist Curtis drin, und wir wissen, sie ist eine Vollblutkomödiantin, da gibt es aus meiner Sicht kein Wenn und Aber. In ihr steckt diesmal nicht die Tochter, sondern die zwangsbeglückende Patchwork-Schwester von Lohans leiblicher Tochter. 22 Jahre kann viel Veränderung bringen – und ja, die gute Lindsay ist nun kein kindlicher Teenie mehr, sondern eine erwachsene Karrierefrau, die die Dosierung ihres Lip-Fillers besser einschätzen kann als Nicole Kidman. Sie verliebt sich in Manny Jacinto (u. a. in The Acolyte als Antagonist zu sehen), der ebenfalls eine Tochter hat. Beide gehen an die selbe Schule, und beide können sich nicht ausstehen. Wenn dieser Patchwork dann auch noch mit einem Bodyswitch doppelt vernäht wird, ist das Chaos perfekt. Schließlich steckt die Tochter wieder in der Mutter und umgekehrt. Turbulenzen, Missverständnisse und jede Menge cringe Situationskomik, die entsteht, wenn das Mindset der Älteren mit der agilen Physis der Jüngeren gesegnet wird, lassen sich in einem maßgeschneiderten Drehbuch finden, das nichts dem Zufall überlässt. Im Film ist das eine sichere Bank für ein Publikum, das bekommen will, was es sich erwartet und keinerlei Überraschungen duldet. Freakier Friday ist Familiencomedy, Teenie-Turbulenz und Generationen-Clinch, dazu ein Hauch Mystery und die übliche Mechanik, die leise Sitcom-Melancholie mit gehetztem Wohlstands-Klamauk verbindet. Angenehm vertraut kommt einem das Ganze vor, tatsächlich so wie damals, als Curtis und Lohan die einzigen waren, die ihre Diskrepanzen miteinander hatten.

Da Nisha Ganatra (Late Night mit Emma Thompson und Mindy Kaling) den Plot von damals mehr oder weniger dupliziert, muss vieles in dieser Komödie auch parallel laufen. Ab und an verliert man dabei den Überblick und hetzt von der einen Notlage zur anderen. Irgendwie schafft es Ganatra aber doch, die Verwirrung im Zaum zu halten. Wenn man sich darauf konzentriert, wer nun wer ist, macht das Guilty Pleasure doppelt Spaß, und es lässt sich dabei auch gut erkennen, wie gut oder weniger gut manche Besetzung ihren Bodyswitch auch umsetzen kann.

Frei nach dem Motto „Versetz dich mal in meine Lage“ setzt Freakier Friday den Blickwechsel zum besseren Miteinander als emotionale Ebene ein, auf welcher der durchaus herzliche Spaß seine Ausdauer probt. Unterm Strich weiß man mit einer erfrischend engagierten Lohan und natürlich der prächtigen Curtis so einiges auf der Habenseite. Ob da noch ein Teil in Aussicht steht, liegt wiedermal am Einspiel. Kino ist schließlich ein Geschäft ohne Risiko. Vielleicht aber sollten sich die Studios mal in die Rolle des Publikums versetzen, denn das Klingeln der Münzen ist nicht alles. Neuer Input wäre umso mehr.

Freakier Friday (2025)

Für immer hier (2024)

LÄCHELN GEGEN DEN TERROR

6,5/10


© 2024 Polyfilm


ORIGINALTITEL: AINDA ESTOU AQUI

LAND / JAHR: BRASILIEN, FRANKREICH 2024

REGIE: WALTER SALLES

DREHBUCH: MURILO HAUSER, HEITOR LOREGA

CAST: FERNANDA TORRES, SELTON MELLO, FERNANDA MONTENEGRO, ANTONIO SABOIA, VALENTINA HERSZAGE, MARIA MANOELLA, LUIZA KOSOVSKI, BÀRBARA LUZ, CORA MORA, GUILHERME SILVEIRA, MARJORE ESTIANO U. A.

LÄNGE: 2 STD 15 MIN


Familie ist wirklich alles, das weiß auch Walter Salles, brasilianischer Filmemacher und seit Central Station längst bekannt als Beobachter eines jüngeren Südamerika zwischen Individualität und biographischen Notizen, zwischen stillem Aufbegehren und der Charakterbildung einer Revolution, wie sie Che Guevara salonfähig machte (Die Reisen des jungen Che), und zwar so weit, bis sie einging in die Popkultur. Weniger bekannt ist aber das Schicksal und Leben der Menschenrechtsaktivistin Eunice Paiva, die, bevor sie sich als Aktivistin eines Namen machte, als fünffache Mutter das Familienglück in Rio de Janeiro am Laufen hielt: Die malerische Bucht inklusive Jesus stets vor Augen, das strahlende, heiße tropische Wetter, der immerwährende Sommer auch in den Gemütern der Kinder und des Ehemannes Rubens (Selton Mello), ehemaliger Kongressabgeordneter und Kritiker des Militärregimes von Brasilien Anfang der 70er Jahre.

So ein Verhalten, das hätte Rubens wissen müssen, weckt irgendwann den Argwohn der Mächtigen. Hinter der Fassade einer glücklichen Familie, deren Zuversicht man kaum fassen kann, brodelt der kleine Widerstand. Es gibt Botengänge unter der Hand, die dem Regime sicher nicht in die Hände spielen. Irgendwann klopfen die Schergen der Regierung an die Tür des trauten Heims und nehmen Papa kurzerhand mit, um ihm „ein paar Fragen zu stellen“. Aus der Zusage, Rubens wäre bald wieder in der Obhut seiner Liebsten, wird nichts. Die Familie aber, sie bricht nicht auseinander. Eunice versucht, alles zusammenzuhalten, wird sogar selbst verschleppt und landet im Verhörgefängnis an einem unbestimmten Ort, muss Qualen erleiden und um ihre Kinder bangen.

Desaparecidos nennt man jene Menschen, die der Staatsapparat verschwinden lässt. Vor dem Hintergrund dieser grauenhaften Ereignisse, die sich scheinbar zur selben Zeit am ganzen Kontinent abspielen, errichtet Walter Salles das sehr intime und subjektive Portrait einer Familiengemeinschaft mit Mutter Eunice als jemand, der erhobenen Hauptes der Tragödie trotzt. Europa ist dabei weit entfernt von der Geschichte eines Kontinents, der nicht mal ansatzweise seinen Weg in die Schulbücher findet und auch sonst und vorallem angesichts der eigenen tragischen Geschichte nicht viel Platz im Bewusstsein der alten Welt einnimmt. Filme wie diese tun da ihre Pflicht und setzen ein künstlerisch definiertes Ausrufezeichen, machen aufmerksam auf etwas, dass passiert sein mag, das man hierzulande aber maximal zur Kenntnis nimmt als etwas, das genauso nicht hätte sein dürfen wie das Nazi-Regime. Hinzu kommt eine Familie, die, so scheint es, gerne unter sich bleiben würde und sein Publikum nur pflichtbewusst ins Innere blicken lässt.

Anfangs fällt Salles fast schon ungefragt mit der Tür ins traute Eigenheim und stiftet Verwirrung inmitten einer Großfamilie samt unzähliger Freunde und Bekannter, die wir alle nicht kennen. Dieses Bildnis des satten Wohlstands tangiert wenig, es wird gefeiert, und das nicht zu kurz. Der Mittagstisch biegt sich, es gibt Soufflé, dann geht es an den Strand, auch dort eine geschlossene Gesellschaft. Für immer hier lässt sich ordentlich Zeit, um sein Publikum mit dieser Familie bekanntzumachen. Statt Effektivität verliert sich Salles Film aber in einem langwierigen Anlauf. Schon klar, die intakte Gemeinschaft darzustellen, dafür benötigt es Zeit und erzählerischen Raum. Die Methode geht vorerst nach hinten los. Nach einer zähen halben Stunde redundanter Alltagsdarstellungen geht das Drama in den Absprung über – und setzt die oscarnominierte Fernanda Torres als erschütterte, aber stets erhobenen Hauptes lächelnde Matriarchin groß in Szene, umringt von ihren Töchtern und Söhnen. Langsam nähert man sich auch emotional dem ganzen Desaster, spürt die Bedrohung, empfindet Verlust und Sehnsucht nach einem geliebten Menschen, der fortan eine große Lücke bei allen Anwesenden hinterlassen wird.

Die Zeit heilt in Für immer hier niemals alle Wunden. Salles konzentriert sich dabei auf den Mikrokosmos, auf das Einzelschicksal und wechselt niemals die Perspektive. Nicht das Regime, das Konstrukt der Familie ist die eigentliche Politik, das eigentliche System, das funktionieren muss. Je stärker sich Salles fokussiert, umso besser wird der Film, bis nur noch Torres übrigbleibt, die die Flucht nach vorn wählt und den Entschluss fasst, sich für jene einzusetzen, die ähnlich gelitten haben wir ihr Ehemann. Dann aber folgt ein großer Zeitsprung – Für immer hier spart den Werdegang von Eunice Paiva ebenfalls aus wie das Dokumentarische hinter dem Psychodrama. Ob sich Salles hier nicht mit den Prioritäten etwas vertan hat, mag man als Frage in den Raum stellen. Klar ist: Gegen Ende sind die Gefühle groß, wächst die Einheit der Familie umso mehr. Das sind die geglückten Szenen eines melodramatischen Films, der nicht zu allem den nachfühlbaren Zugang gewährt. Und vorallem dann punktet, wenn man Parallelen zur eigenen Familiengeschichte entdeckt.

Für immer hier (2024)

Bad Boys: Ride or Die (2024)

IM TAGESGESCHÄFT DER BALLERMÄNNER

5/10


Will Smith (Finalized);Martin Lawrence (Finalized)© 2024 CTMG, Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: ADIL EL ARBI & BILALL FALLAH

DREHBUCH: CHRIS BREMNER, WILL BEALL

CAST: WILL SMITH, MARTIN LAWRENCE, JACOB SCIPIO, VANESSA HUDGENS, ALEXANDER LUDWIG, RHEA SEEHORN, PAOLA NÚÑEZ, ERIC DANE, IOAN GRUFFUDD, MELANIE LIBURD, TIFFANY HADDISH, JOE PANTOLIANO, TASHA SMITH U. A.

LÄNGE: 1 STD 56 MIN


Welcome to Miami. Das hat Will Smith bereits in den Neunzigern gesungen. Das war, kurz nachdem dieser seinen Einstand als Detective Mike Lowery feiern konnte – unter der Regie von Hochglanz-Sprengmeister Michael Bay, der auch im dritten Aufguss wieder seinen Cameo hat. An seiner Seite Ulknudel Martin Lawrence, beide damals noch jung und schlaksig und so richtig böse Buben, die aber für das Gute kämpften und gerne zu zweit aus der Deckung ballerten. Miami ist auch nun wieder das heiß umkämpfte Pflaster, auf denen Drogenkartelle ihre Interessen vertreten und die Polizei nicht in den Everglades, sondern im Korruptionssumpf watet. Dieser Nährboden ist das Tagesgeschäft der beiden aufeinander eingeschworenen Seelen (mit oder ohne Gemächt), im Grunde also alles nicht neu und nur sich selbst wiederholend. Diesem Umstand kann einer wie Will Smith nur gegensteuern, indem er seine Therapeutin heiratet und Buddy Markus Burnett davon abhält, nach einem Herzinfarkt nicht gleich vom Dach des Krankenhauses zu springen. Ja, das Leben hinterlässt so seine Spuren. Und dennoch versuchen Adil El Arbi und Bilall Fallah (Bad Boys for Life), ein bewährtes Anti Detox-Konzept anzuwenden, mit welchem versucht wird, den immer genau gleichen oder zumindest auffallend ähnlichen Einheitsbrei einer Buddy-Actionkomödie so lange aufzuwärmen, bis er gerade noch nicht angebrannt schmeckt. Bei Bad Boys: Ride Or Die ist das verkokelte Sahnehäubchen zwar kaum noch wahrzunehmen, aber man merkt, dass die Sache endlich mal ausgelöffelt sein will. Wenn man so will, könnte man es ja fast als eine Art dreiste Geste ansehen, eine Thrillerkomödie mit massig Action zu produzieren, die es nicht darauf anlegt, ihr Publikum mitfiebern zu lassen, weil es von vornherein sonnenklar ist, wer überleben, wer sterben und wer sich letztlich als Verräter outen wird.

Mit dieser abgedroschenen Agenda im Rücken, müssen Will Smith und Martin Lawrence tun, was sie eben tun müssen. Letzterer legt sich dafür besonders ins Zeug, denn mit seiner Mission, diesem ganzen mauen Aufguss einen ganz besonderen komödiantischen Anstrich zu verleihen, steht und fällt der ganze Erfolg. Tatsächlich macht sich Bad Boys: Ride or Die an den Kinokassen ganz gut. Vielleicht ist es das feuchtheiße Miami, das so besondere Vibes versprüht. Und natürlich eben Lawrence, der als jemand, der das Licht gesehen hat, nur noch recht verschrobene Verhaltensweisen an den Tag legt. Dazu zählt sein Heißhunger auf Süßkram aller Art sowie ungesundem Fast Food, dann wieder mäht er im Alleingang eine ganze Gang nieder, um dann mit Eselsallegorien seinen Buddy komplett vor den Kopf zu stoßen. Will Smith ist dabei nur Erfüllungsgehilfe – sein erster Kinofilm nach King Richard (abgesehen von Emancipation, der auf AppleTV+ erschien) und dem berüchtigten Bühnen-Eklat lässt ihn auf Bewährtes zurückgreifen. Den Charakter des Mike Lowery auszubauen, dafür reicht die Energie nicht. Beide folgen einem mauen Krimiplot, der jene beglückt, die zumindest noch rudimentär in Erinnerung haben, was in den letzten Teilen so passiert ist. Die, die diese Fähigkeit des filmischen Langzeitgedächtnisses nicht haben, warten während dieses formelhaft konstruierten Plot-Leerlaufs auf Actionszenen und Ballerorgien, die sich nur wenig von bereits Gebotenem unterscheiden. Natürlich sind sie gut gemacht, und das ganze fährt auch besser, wenn Inner Circle ihren titelgebenden Kult-Hit zur Verfügung stellen.

Bad Boys: Ride or Die hat also erbärmliche Längen, vor allem ist nicht jeder, sondern ganz besonders dieser Anfang ein schwerer, geschwätzig und von fake-familiärem Geplänkel gequält. Bis es so richtig losgeht, dafür braucht man Geduld. Mitunter fetzt es dann gewaltig, doch das hätte auch irgendein anderer Film sein können.

Bad Boys: Ride or Die (2024)

Tótem (2023)

DER TROST VON TIEREN

7/10


totem© 2023 Limerencia Films


LAND / JAHR: MEXIKO, DÄNEMARK, FRANKREICH 2023

REGIE / DREHBUCH: LILA AVILÉS

CAST: NAÍMA SENTÍES, MONTSERRAT MARAÑÓN, MARISOL GASÉ, SAORI GURZA, TERESITA SÁNCHEZ, MATEO GARCIA ELIZONDO, JUAN FRANCISCO MALDONADO, IAZUA LARIOS, ALBERTO AMADOR U. A.

LÄNGE: 1 STD 35 MIN


Geburt und Tod – die beiden Eckpfeiler unserer Existenz, die unverrückbar Anfang und Ende unseres Zeitstrahls markieren, dazwischen kann sich jede Menge abspielen, von Glückseligkeit über Erfolg, von der Niederlage bis hin zur Tragödie. Von Gesundheit über Krankheit zur Genesung. Diese beiden Eckpfeiler bringt die mexikanische Autorenfilmerin Lila Avilés zusammen. Es ist, als würde sie den Raum krümmen, um die beiden auseinanderklaffenden Ereignisse näher zusammenzubringen und sie zu verschmelzen zu einer Medaille mit naturgemäß zwei Seiten. Das bekommt man hin, wenn der Geburtstag eines todkranken Menschen ins Haus steht. Von einem, dessen Tod am Horizont bereits zu sehen ist, der aber anhand eines Festes daran erinnert werden soll, als jemand geboren worden zu sein, der niemandem egal war. Es ist Tona (Mateo García Elizondo), Künstler und Vater des siebenjährigen Mädchens Sol (Naíma Senties) – wie die Sonne. An diesem einen Tag, auf den Avilés Film seine Kamera richtet, wird so Einiges passieren, doch nichts davon ist für sich alleine dramatisch genug, um daraus eine eigene Geschichte zu erzählen.

Tótem beginnt, als Sol zu ihren Tanten gebracht wird. Die wohnen mitsamt dem alten Vater und eben dem kranken Tona in einer stattlichen Hazienda mit vielen Räumen, jeder davon birgt eigene Episoden der Vorbereitung auf ein großes Fest, an dem alle zusammenkommen sollen – Familie, Freunde, einfach alle, die den Lebensweg Tonas begleitet haben. Sol ist von Anfang an irgendwie fehl am Platz. Sie ist zwar Teil der Familie, hält aber Distanz zu allen anderen. Der, zudem sie will, nämlich zu ihrem Vater, bleibt unerreichbar. Starke Schmerzen erleidend, muss dieser sich auf seinen letzten Auftritt vorbereiten, mithilfe einer sich aufopfernden Pflegerin namens Cruz, die als einzige eine gewisse Nähe zu Sol aufbauen kann, die wiederum lieber mit den Tieren interagiert, die sich im Garten versteckt halten. Diese anderen Lebewesen, die haben für das Mädchen eine besondere Bedeutung. Vielleicht jene eines Tótems – eines Wesens, das in seiner Art und Weise einzelne Personen oder die ganze Sippe symbolisiert.

Viel mehr Handlung gibt es kaum in diesem innigen Portrait einer aus dem Häuschen befindlichen Familie, einer fast unzählbaren Gruppe an Kindern und Erwachsenen, die jede und jeder für sich sowohl in heller Aufregung vor dem kommenden Fest in ihrer Geschäftigkeit sich selbst überholen oder nicht wissen, wohin. Und dann das unterschwellige Gefühl des Abschieds. Was also soll gefeiert werden? Das Leben oder der Tod? Oder ist nicht beides ein und dasselbe? Freude und Trauer, Lachen und Weinen, Haare färben, Duschen, Kuchen backen. Dazwischen der Auftritt eines Mediums, welches das Haus von bösen Geistern befreien soll. Irgendwo am Rande Sol, die sich ein Fort aus Kissen baut. Die nur auf ihren Vater wartet, einen Goldfisch geschenkt bekommt und letztlich in die Flammen der Kerzen auf der Geburtstagstorte starrt – vielleicht, um die Sphäre des Diesseits mit ihren Blicken zu durchdringen.

Was Avilés in ihrem Ensemblefilm so übermäßig gut gelingt, ist, ein aus vielen kleinen, alltäglichen Miniaturen ein vollständiges Puzzle zu legen. Anfangs fällt es einem selbst schwer, sich in dieses quirlige Chaos an Planen, Vorbereiten und Durchführen irgendwie zurechtzufinden. Man fühlt sich wie Sol, man geistert durch eine hektische Betriebsamkeit, ohne Halt zu finden. Avilés Werk ist somit ein Film, durch den man sich treiben lassen muss – und beobachten. Die Puzzleteile werden mehr, bald lernt man all die Verwandten kennen, und anhand ihrer kleinen Szenen aus Charakterstudie, Verhaltensmuster und sozialer Interaktion entsteht tatsächlich sowas wie Vertrautheit, die sich immer mehr steigert, als wäre man schlussendlich selbst Teil dieser Familie, die einem so seltsam bekannt vorkommt. Es liegt an der Natürlichkeit in diesen Szenen, an diesem fast intuitiven, vielleicht gar improvisierten Spiel, das fast den Charakter eines Stegreifstücks hat, denn nichts davon wirkt einstudiert und scheint nur aus einer spontanen, einmaligen Empfindung heraus entstanden zu sein. Das macht Tótem so lebendig, niemals langweilig, geradezu saukomisch und in seinen stillen Momenten metaphysisch genug, um die Hoffnung auf mehr als nur dieses Leben wie die Kerzen auf der Torte am Brennen zu halten.

Tótem (2023)

Blue Beetle (2023)

DIE EHRENRETTUNG DES PILLENDREHERS

4/10


bluebeetle© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: ANGEL MANUEL SOTO

DREHBUCH: GARETH DUNNET-ALCOCER

CAST: XOLO MARIDUEÑA, BRUNA MARQUEZINE, SUSAN SARANDON, RAOUL TRUJILLO, DAMIÁN ALCÁZAR, GEORGE LOPEZ, ELPIDIA CARRILLO, HARVEY GUILLÉN U. A. 

LÄNGE: 2 STD 7 MIN


Zac Snyders großes Superheldenkino ist leider Geschichte. Zugegeben, ich war und bin ein Fan seines Stils. Snyders Zugang zu den Heroen von DC ist nach wie vor und aus meiner Sicht der treffsicherste. Vor allem jener, der den Comics aus vielerlei Hinsicht am gerechtesten wird. Da mag der düstere Batman von Matt Reeves vielleicht gar zu viel in den Abgrund geblickt haben – im Snyder Cut der Justice League oder eben auch im Extended Cut von Dawn of Justice findet das auf die Leinwand gewuchtete Superman-Universum genau die richtige Balance zwischen opernhafter Schicksalssymphonie und Teamgeist.

James Gunn will nun alles anders machen. Es soll bunter, lustiger, schräger werden. Für die Suicide Squad hat das perfekt gepasst. Für andere Superhelden-Genesen womöglich weniger. Wie für Blue Beetle zum Beispiel. Denn bunter, lustiger, schräger ist nicht gleich unverkrampft. Wer auf Teufel komm raus dem Konkurrenten Marvel nacheifern will – auch wenn dieser schon längst in einer Identitätskrise steckt – wird niemals einen eigenen Stil zustandebringen. Snyder hatte ihn. Nach ihm waren DC-Filme, mit wenigen Ausnahmen, nur noch eine Irrfahrt, insbesondere bei Black Adam. Bei Blue Beetle schwebt überdies noch der Anspruch über allem, dem ungeliebten Nachbarn Mexiko einen Comic-Actionfilm zu schenken, der das Temperament der Lateinamerikaner feiern und den Charme typischer Telenovelas versprühen soll. Stellt sich die Frage: Wie geht die Tragikomik einer politkritisch angehauchten Sozialkomödie mit den Prinzipien eines kunterbunten Actionfilms um?

Die Blue Beetle zugrundeliegende Tragik, die von einer lebenslustigen mexikanischen Familie aus der Halbvolles-Glas-Perspektive betrachtet wird, ist jene einer zutiefst verschuldeten und sozial benachteiligten Unterschicht, deren letzte Hoffnung im Studienabschluss des nun erwachsen gewordenen Sohnemanns liegt. Der kehrt vom Auslandsstudium wieder in die heimischen Gefilde zurück, nur um die Hiobsbotschaften seiner Liebsten zu vernehmen, die vom Herzinfarkt des Vaters und vom baldigen Verlust des Hauses erzählen. Die Zukunft von drei Generationen liegt also auf den Schultern von Jaime Reyes, dessen Ausbildung auch nicht dazu beiträgt, einen besseren Job zu ergattern als den einer Haushaltshilfe bei Victoria Kord (Susan Sarandon – nach langer Leinwandabstinenz wieder da und kein bisschen gealtert). Uns sagt der Name wohl nichts – im DC-Universum ist die Dame oberste Chefin eines den Stark Industries verwandten Rüstungskonzerns. Deren Nichte Jenny steht mit ihr auf Kriegsfuß, und als Jaime dann ein paar Tage später in den Heiligen Hallen des Konzerns reinschneit, um seine Karrierechancen zu verbessern, drückt ihm die junge, hübsche Konzernerbin eine Burger-Box in die Hand, mit der Bitte, dessen Inhalt mit dem eigenen Leben zu beschützen. Die Neugier ist zwar ein Hund, aber diesmal ist Bello eher ein Käfer, der sich vor den Augen der ganzen Familie auf Jaimes Rücken schnallt. Bald ist die finstere Victoria nicht nur hinter unserem Helden, sondern auch hinter dessen Familie her. Und Familie ist, wie wir alle wissen, das höchste Gut, dass es zu verteidigen gilt.

Neu ist das Ganze nicht. Die ethnisch diverse Familienbande mit Improvisationstalent – die unterschätzte Oma, die gerne zu Großkalibrigem greift; die schnippische, aber herzensgute Schwester. Und der Auserwählte, der nicht weiß, wie ihm geschieht. Bei Disney+ schildert die Genese von Ms. Marvel genau die gleiche Geschichte. Der einzige Unterschied: Ein raffgieriger Rüstungskonzern mit skrupellosen Schema F-Schreckschrauben, die alle Macht an sich reißen wollen – Gähn. Blue Beetle erzählt hier ein Abenteuer, dass so vorhersehbar ist, dass man sich sehnlichst wünscht, mit seinen Prognosen danebenzuliegen. Wenn dann eintritt, was zu erwarten war, lähmt der mangelnde Unterhaltungswert die bereits ungesunde Haltung im Kinosessel, Augenrollen inklusive.

Was bei Blue Beetle vielleicht funktioniert, ist die liebenswerte, aber schrecklich naive Figur von Xolo Maridueña. Seine anfängliche Verwirrung, wenn sich extraterrestrische Technik, die an Iron Man erinnert, Venom-gleich in den Körper gräbt und die Kontrolle übernimmt, ist das Launigste an einem Film, der seine ernstzunehmenden Ambitionen missachtet und die trivial-kitschige Fernsehkultur eines Landes, ausgerichtet für ein Massenpublikum, als As im Ärmel missversteht. Der 80er-Synthiesound, die Neon-Graffiti-Graphik im Vorspann – eine Liebesmüh, die sich nicht rentiert. Wenn der Held in seiner dunkelsten Stunde ins Jenseits schielt, um Verstorbene zu treffen, dann ist das nicht so reizend und authentisch wie in Coco – Lebendiger als das Leben. Dann ist das so kitschig wie so manche Illustration aus den Lebensratgebern endzeitaffiner Religionsgemeinschaften. Wenn der Held durch Hass und Wut, und durch sonst nichts das Schicksal für sich entscheiden kann, lacht sich anderswo der Imperator ins Fäustchen.

Blue Beetle ist das Schwächste, was DC seit langem produziert hat. Ein zuckersüßer Mischmasch ohne eigene Ideen und einer Sozialkritik, die nur alibihalber ins Skript kam. Wäre die Gewichtung vielleicht eine andere, würde der Film seine Landsleute auch ernst nehmen, hätte der Film gar das Zeug zu einer vielleicht kontroversen, volksnahen Identitätsfindung.

Blue Beetle (2023)

Finch

LOVE, DOGS AND ROBOTS

6/10


finch© 2021 Apple TV+


LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: MIGUEL SAPOCHNIK

CAST: TOM HANKS, CALEB LANDRY JONES U. A.

LÄNGE: 1 STD 55 MIN


Hätte Will Smith in I am Legend ein bisschen mehr technisches Verständnis an den Tag gelegt – wäre er gar ein technophiler Bastler gewesen, hätte er sich einen Roboter bauen können, der nicht nur ihn, sondern auch seinen Hund beschützt. Wir wissen, es lief anders. Und Tom Hanks, der weiß es wieder besser. Denn der ist einer von den ganz Guten, einer mit Herz für Mensch und  Tier. Und für Roboter. Im brandneu auf Apple TV+ erschienenen dystopischen Streifen Finch tüftelt nämlicher Einzelgänger tief unter der Erde in einem sagen wir mal Labor an einem Meilenstein technischen Fortschritts – ein humanoider Droide mit dem eingespeisten Wissen der Welt soll in Zukunft auf Finchs Hund aufpassen. Persönliche Gründe sind nicht wichtig, denn einen Freund braucht Finch keinen, lebt der doch sowieso lieber allein, was angesichts der Weltlage keine Kunst ist. Wir schreiben eine nicht allzu ferne Zukunft und durch eine Sonneneruption hat sich fast die ganze Ozonschicht verabschiedet. Die Folge: unsägliche Hitze und eine UV-Strahlung zum Krankwerden. Dennoch muss Finch aus dem Bunker raus und nach Westen ziehen, wo es sich vielleicht noch leben lässt. Ist der Roboter mal fertig, wird das Nötigste eingepackt und schon brettert ein Wohnwagen im Mad Max-Look durch eine atemberaubend verwüstete Landschaft.

So eine Endzeit hat schon was Faszinierendes. Nicht, dass man in ihr leben würde wollen, das ganz und gar nicht. Aber von außerhalb und geborgen vor dem Bildschirm mit dem Kühlschrank in Reichweite, da lässt sich die Verheerung zwischen pittoresken Sandverwehungen und desolaten Fahrzeugen durchaus genießen. So eine Endzeit hat etwas Melancholisches, direkt Melodisches. Dazu kann man sich gut Chris Reas Road to Hell vorstellen. Tom Hanks hört aber lieber vergnüglichere Klassiker wie American Pie. Aber gut, immerhin dürfen die Talking Heads Road to Nowhere über die KFZ-Boxen schmettern. Passt auch besser zu einem sehr melancholischen Tom Hanks, der James Stewart der Gegenwart, wie immer äußerst souverän und dezent im Spiel. Noch dazu unrasiert und stets verschwitzt, was auch keinen wundert, denn es hat stets um die 60 Grad Celsius. Fragt sich nur, was für eine großartige Klimaanlage dieser Van haben muss, und woher Finch diesen grenzenlosen Vorrat an Wasser hat. Wieso eigentlich diese enorme Hitze weder Hund noch Mensch nicht noch mehr in Mitleidenschaft zieht. Dem von Caleb Laundry Jones im Motion Capture-Verfahren dargestellten Roboter kann das egal sein – der träumt nur wie ein Mensch, spürt aber sonst nichts. Miguel Sapochnik, Regisseur von Repo Men mit Jude Law und mit einem Emmy ausgezeichnet für die Serie Game of Thrones, innerhalb dieser er einige Folgen inszeniert hat, weiß, wie man eine Robinsonade mit optischer Brillanz veredeln kann. Dabei wäre zu überlegen, Sapochnik nicht doch auch mal für Star Wars zu verpflichten. Oder für Netflix‘ Anthologieserie Love, Death and Robots. Wäre Finch um zwei Drittel kürzer, wäre die Science-Fiction-Solonummer ein idealer Kandidat dafür. Überraschenderweise wäre das sogar möglich, denn den Plot, den bekommt man auch in einer knappen halben Stunde unter. Dadurch lässt sich vieles, was redundanten Leerlauf genießt, einfach streichen und die Dreiecksgeschichte zwischen Mensch, Roboter und Hund ordentlich straffen. Ich bin mir sicher, die Stimmung behält der Film auch so, und die ist ja ganz gut. Vor allem dank Tom Hanks, der längst weiß, wie es ist, wenn man in kargen Zeiten alles selbst machen muss. Nur diesmal sind es keine Kokosnüsse und Fische, sondern Hundefutter und Schmieröl.

Finch