Die My Love (2025)

JENNIFER LAWRENCE STECKT FEST

5/10


© 2025 MUBI / Polyfilm


LAND / JAHR: VEREINIGTES KÖNIGREICH, USA 2025

REGIE: LYNNE RAMSAY

DREHBUCH: LYNNE RAMSAY, ALICE BIRCH, ENDA WALSH, NACH EINEM ROMAN VON ARIANA HARWICZ

KAMERA: SEAMUS MCGARVEY

CAST: JENNIFER LAWRENCE, ROBERT PATTINSON, LAKEITH STANFIELD, SISSY SPACEK, NICK NOLTE, SARAH LIND, GABRIELLE ROSE, VICTOR ZINCK JR., DEBS HOWARD U. A.

LÄNGE: 1 STD 58 MIN


Laut dem Portal gesundheit.gv.at äußern sich die Anzeichen für eine postnatale Depression wie folgt so: Andauernde getrübte Stimmung, Ängste, Schlafstörungen, Störungen der Konzentration, Grübeln, Zweifel am Selbstwert und Verlust von Interessen. Letzteres Symptom ist bei Jennifer Lawrence ganz stark ausgeprägt: Die junge Mutter, die mit dem neugeborenen Sohn und ihrem Ehemann ins leerstehende Haus von dessen Onkel zieht, der sich, wie sich später herausstellt, mit der Schrotflinte umgebracht haben soll, findet sich in Lynne Ramsays neuestem Film in einem festgefahrenen Zustand wieder, der mit der Überdrüssigkeit gleichgesetzt werden kann, nicht schon wieder all die Stereotypen einer kinderpflegenden Hausfrau zu übernehmen, die nur darauf wartet, dass der geldverdienende männliche Part endlich heimkommt, um dann in die bereits bereitgestellten Hauspantoffeln zu schlüpfen, die ihn geradewegs an den Mittagstisch bringen, wo das mit Liebe zubereitete Essen auf die Minute genau vor sich hindampft.

Wenn Rollenbilder langweilen

Grace, diese zutiefst gelangweilte Mutter, will das nicht. Es kotzt sie an, es quält sie Tag für Tag, es unterfordert sie, ihren geliebten Sohn, dem sie für all das nicht die Schuld gibt, im natürlichen Rhythmus der Monotonie beim Heranwachsen Gesellschaft zu leisten. So was machen Mütter eben? Mittlerweile längst nicht mehr. Doch Robert Pattinson kommt nicht auf die Idee, diese Rollenbilder neu abzuwägen, obwohl er ganz genau weiß, dass Grace sehr wohl Ambitionen hat, als Schriftstellerin Karriere zu machen. In diesem ländlichen Amerika bringt die Verweigerung eines solchen Umdenkens vielleicht eine Art Rosenkrieg. Letztes Jahr auf der Viennale lief ein ähnlicher Film, weitaus komödiantischer, der sich mit den verteilten Rollen innerhalb eines familiären Mikrokosmos auf phantastische Weise auseinandersetzt: Nightbitch. Während Amy Adams den Determinismus der Mutterfigur auf archaische Weise hinterfragt, will Jennifer Lawrence einfach nur dieser Stasis entkommen.

Auf der Stelle rotieren

Doch Jennifer Lawrence steckt fest. Weil Lynne Ramsay feststeckt. Die My Love, basierend auf dem schwarzhumorigen Roman Mátate, amor der Argentinierin Ariana Harwicz, will Lawrence spielfilmlang die Möglichkeit geben, in mannigfaltiger Ausdrucksweise Symptome der Langeweile und der Antriebslosigkeit darzustellen. Da fällt ihr vieles ein – was man eben so tut, wenn man sich zu nichts überwinden kann, wir kennen so einen Zustand zumindest temporär und ohne klinischer Diagnose mehr als gut. Da gibt es Tage, da hat man zu gar nichts Lust. Jennifer Lawrence hat das zwei Stunden lang. Vorzugsweise kriecht sie dabei wie ein Tier auf allen Vieren durchs kniehose Gras vor dem Haus. Depressiv wirkt sie dabei nicht, eher auf pauschalisierte Weise durchgeknallt, was nun weniger ein Krankheitsbild darstellt als die Möglichkeit, ungehemmt zu schauspielern. Wonach genau sie sich dabei orientiert? Ihre Rolle gibt keine Richtung vor, nur den Unwillen für alles, den Willen des Ausbruchs überspielend. Robert Pattinson ist die ganze Zeit zwar auch zugegen und gleichzeitig aber auffallend abwesend, als hätte er gegen das exaltierte Spiel seiner Schauspielkollegin sowieso keine Chance.

Rockstar der Psychose

Das sieht auch Ramsey so und interessiert sich kaum für alles Periphere in diesem Psychogramm des Stillstands, das lediglich eine Ausgangssituation für etwas beschreibt, was die ganze Zeit nicht kommt. Immer und immer wieder das gleiche, immer und immer wieder die indisponierte Jennifer Lawrence zwischen kindlicher Überdrehtheit und an den Wänden hochgehender Fadesse, stets auf eine Weise angekündigt, die den großen, abgründigen, gespenstischen Psychothriller verspricht, und dann aber nur Zaungast der ersten Reihe die rockstarähnliche Aufbäumung einer Psyche anhimmelt, die in einer saftigen Krise steckt. Mehr wird das Ganze nicht, und irgendwann ist nicht nur Jennifer Lawrence langweilig, sondern auch mir, dem Zuseher, der hinter all der Verhaltensauffälligkeit einen hohlen Kern vermutet.

Filmische Psychogramme, die Krankheitsbilder geschickt in einen Thriller verpacken, mögen mitunter gelingen, so wie Roman Polanskis nihilistisches Paranoia-Drama Ekel mit Catherine Deneuve, die auf eine Weise dem Wahnsinn verfällt, da läuft es einem kalt den Rücken runter. Suspense trifft auf Psychose – den Suspense lässt Die My Love nicht durch die Tür.

Die My Love (2025)

No Hard Feelings (2023)

EIN KÖDER FÜR DEN MILCHBUBEN

4/10


Jennifer Lawrence (Pending);Andrew Barth Feldman (Finalized)© 2023 CTMG, Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE: GENE STUPNITSKY

DREHBUCH: JOHN PHILLIPS, GENE STUPNITSKY

CAST: JENNIFER LAWRENCE, ANDREW BARTH FELDMAN, MATTHEW BRODERICK, LAURA BENANTI, NATALIE MORALES, SCOTT MCARTHUR, EBON MOSS-BACHRACH U. A.

LÄNGE: 1 STD 44 MIN


Genug von bedeutungsschwerem Betroffenheitskino. Genug der Tribute, genug der Ensemblefilme eines David O. Russel. Jennifer Lawrence will nun endlich Komödie. Und zwar so eine, wie es sie früher gegeben hat. So eine, wie sie Bill Murray oder Sean Penn groß gemacht haben. Ein Stück des American Pie solls sein, aber nur so viel, dass man nachher noch sittenvoll dinieren kann. Was es gar nicht sein soll, ist eine Sexklamotte im Fahrwasser von Eis am Stiel. Lieber ein Mix zischen John Hughes Young Adult-Kino und Leichter Frivolität, die maximal so weit geht, dass pubertierende Kids mit ihren Eltern sich gerade mal nicht fremdschämen müssen, wenn sie gemeinsam im Kino sitzen sollten.

Dabei wünscht man sich, dass all die fiktiven Begebenheiten im Film nicht den realen des Publikums entsprechen. Im Film wird die in Geldnöten befindliche Maddie nämlich von den Eltern des 19jährigen Percy rekrutiert, um dem in Liebesdingen uninteressierten Schlaukopf das ABC heterosexueller Intimitäten beizubringen. Dabei muss das ganze mal mit einem Date beginnen, doch so einfach ist das nicht. Percy hat gewisse Wertvorstellungen, was Sex anbelangt – Maddie hat die nicht. Sie denkt nur an den Gratis-Buik, den sie bekommen wird, sollte sie ihre Mission erfüllen.

Als Familienfilm geht No Hard Feelings (auf Deutsch: Nichts für ungut) gerade noch durch – das bisschen vulgäre Sprache möge man verzeihen oder am besten im Nachhinein gar nicht kommentieren. Worüber man aber reden könnte, ist der beharrliche Willen eines über die Maßen verdienenden Stars, in seinem mitproduzierten Film all das umgesetzt zu bekommen, was ihm so vorschwebt. Das ist zum Beispiel eine Nacktszene am Strand, in welcher sich Lawrence prügelt, als wäre sie eine Martial Arts-Ikone. Schließlich will sie sich nicht nachsagen lassen, übertrieben prüde zu sein. Alle anderen Szenen aber, die Nacktheit logischerweise erfordern würde, sind dann aber außen vor. Wie auch immer: konsequent ist das nicht.

Konsequenz lässt sich auch sonst vermissen. Gene Stupnitsky, der in seiner Bubenkomödie Good Boys stets einen gewissen komödiantischen Rhythmus beibehält, ohne in übertriebenen Klamauk auszuschlagen oder ins Melancholische abzukippen (wozu es auch niemals einen Grund gegeben hätte), will natürlich allen Anforderungen gerecht werden, verkrampft sich aber bei seinem Spagat zwischen sozialkritisch angehauchter Melodramatik und komödiantischen Slapstick-Szenen, die fast schon an Bobby Farrellys Grotesken erinnern – mit dem einzigen Unterschied, dass sie kaum jemals unter die Gürtellinie treffen. Das wäre auch nicht das Niveau von Jennifer Lawrence, doch ein bisschen Pikantes geht immer. Dabei weiß sie selbst auch nicht, wie sie ihre Figur anlegen soll. Als promiskuitives Gelegenheitsflittchen, als hemdsärmeliges Prügelmädel? Als eine von Jugend auf traumatisiertes Sozialopfer, das ihr Leben nicht im Griff hat? Eine ruhige Hand, um ihre Rolle glaubhaft zu formen, hat Lawrence nicht. Da spielt sie Andrew Barth Feldmann in seinem Debüt fast schon an die Wand.

Klamaukige Liebeskomödien, die gerne auch nachdenklich sein wollen, haben es sichtlich schwer, weil sie einerseits nicht vorhersehbar sein wollen, und andererseits den Übergang zwischen Laut und Leise wiederholt hinbekommen wollen. In No Hard Feelings geht der Plan nicht auf. Selten passen die aufeinanderfolgenden Szenen in ihrer Tonalität zusammen. Man weiß nach den ersten fünf Minuten, wie der ganze Spaß enden; man weiß auch, dass die Situationskomik sehr bald nur noch in Outtakes vorhanden sein wird. Aus einem vielversprechenden, durchaus witzigen Beginn, der manche Klischees auch verdreht, lähmt die moralische Ordnung und der Wille zum auserzählten Happy End jegliche Inspiration. Lawrence und Feldmann haben sich eigentlich nichts zu sagen, tun es aber trotzdem. Und das ist dann meistens langweilig.

No Hard Feelings (2023)

Causeway

FLUCHT ZURÜCK NACH VORNE

5/10


causeway© Apple TV+


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: LILA NEUGEBAUER

CAST: JENNIFER LAWRENCE, BRIAN TYREE HENRY, LINDA EDMOND, JAYNE HOUDYSHELL, FRED WELLER, NEAL HUFF U. A.

LÄNGE: 1 STD 32 MIN


Mit einem tristen Indie-Drama wurde die Welt auf sie aufmerksam – zu einem tristen Indie-Drama kehrt Jennifer Lawrence nun zurück. Causeway ist ihr jüngstes Werk, und es erscheint in den dunklen Wintermonaten zeitgerecht auf dem Streamingdienst Apple TV+, denn dieser hat anscheinend ein Faible für Filme wie diese, die in unterschiedlicher Qualität einmal wirklich beeindrucken (wie das Sci-Fi-Drama Schwanengesang) oder lieber lethargisch bleiben, wie eben in diesem Fall. Ein Stück erarbeitete Lebensweisheit wie diese kann mitunter nur so tun, als hätte sie mehr auszusagen als ein kommerziell orientierter Comic-Blockbuster, denn diese sind ja schon allein aufgrund ihres Schwerpunkts auf Schauwerte gleich vorverurteilt, was Tiefe anbelangt. Sieht man allerdings genauer hin, können introvertierte Dramen wie dieses ihre wahre inhaltliche Ratlosigkeit auch nicht mehr kaschieren. Da kann Jennifer Lawrence noch so traumatisiert und emotional verkümmert ins Narrenkästchen blicken – der Film wird dadurch nicht griffiger oder gehaltvoller. Er bleibt zumindest inhaltlich von so geringer Spannkraft wie die Wasserspiegel der vielen Swimmingpools im feucht-tropischen Süden der USA, die Jennifer Lawrence alle reinigen muss. Doch warum nur tut sie das?

Lawrence spielt Lindsay, eine körperlich wie neuronal in Mitleidenschaft gezogene US Army-Ingenieurin, die bei einem Routineeinsatz in Afghanistan aufgrund eines Hinterhalts der Taliban schwer verletzt wurde. Der Unfall führte zu einer Gehirnblutung, die wiederum zur körperlichen Beeinträchtigung, die nur nach langen Monaten der Reha wieder so einigermaßen in den Griff zu bekommen war. Die Bilder des Schreckens von damals mindert das nicht – umso schwerer ist es, sich selbst genug zu motivieren, um, wieder daheim, zumindest vorübergehend ein neues Leben anzufangen, bis es wieder an die Front gehen kann. Denn das will sie, trotz oder gerade wegen dieser erschütternden Erlebnisse, die ein ziviles Dasein fast schon unmöglich machen. Dummerweise muss sie sich bei Muttern einquartieren – das Verhältnis zwischen den beiden pendelt zwischen zerfahren und vorsichtiger Annäherung, wobei schon einiges zu viel im Argen liegt, um länger in der Obhut der Vergangenheit bleiben zu wollen. Wie es der Zufall so will, trifft Lindsay auf den Mechaniker James (Brian Tyree Henry, zuletzt gesehen als Killer Lemon in Bullet Train), der ein ähnliches Schicksal mit sich herumträgt.

Klar wird aus dieser Begegnung mehr. Und auch aus der neuerlichen Zusammenkunft zwischen Mutter und Tochter. Causeway ist ein Aufarbeiten des Vergangenen und eine Suche nach einem Neuanfang. Für einen Indie-Film wie diesen klingt der Plot mittlerweile etwas abgenutzt und reicht gerade mal für eine Ausgangssituation, um unterschiedliche Ansätze darin zu entdecken. Das eindringliche Antikriegsdrama Brothers, ob als dänisches Original oder Remake mit Tobey Maguire und Jack Gyllenhal, ist ähnlich akzentuiert, entwickelt aber eine bedrohliche Eigendynamik. Die Tragikomödie Red Rocket von Sean Baker hat zwar keine traumatischen Kriegserlebnisse zu bieten, erzählt aber ebenfalls von Vergangenheit und Neuanfang auf erfrischend spitzbübische Weise. Familien spielen dabei immer eine Rolle, ob dysfunktional oder Geborgenheit bietend. Was Lila Neugebauer in ihrem ersten Langfilm daraus macht, scheint ein bisschen sehr gedankenverloren. Natürlich, Lawrence nimmt sich zurück und gibt sich ganz ohne Schminke und sonstige Accessoires bemüht natürlich. Brian Tyree Henry ist da schon chargierender, spontaner in seinen Emotionen, auch glaubhafter. Doch beide sind souverän in ihrer Arbeit, treten aber in der Entwicklung ihrer Figuren fast bis zuletzt auf der Stelle.

Für Langeweile sorgt Causeway aber dennoch nicht, was den beiden Darstellern geschuldet ist. Schauspielkino also für einen ruhigen Filmabend, der wenig Erhellendes bietet, seine Zuseher aber wissen lassen möchte, mit anscheinend viel Schwermut auch genug Gehaltvolles kommuniziert zu haben. Das lässt sich schnell glauben – in Wahrheit bringt das Thema für einen Langfilm viel zu wenig ins Rollen.

Causeway

Don’t Look Up

DER BLICK AUF’S WESENTLICHE

6/10


dontlookup© 2021 Netflix


LAND / JAHR: USA 2021

BUCH / REGIE: ADAM MCKAY

CAST: LEONARDO DICAPRIO, JENNIFER LAWRENCE, MERYL STREEP, CATE BLANCHETT, ROB MORGAN, JONAH HILL, MARK RYLANCE, TIMOTHÉE CHALAMET, RON PERLMAN, ARIANA GRANDE, HIMESH PATEL, MELANIE LYNSKEY U. A. 

LÄNGE: 2 STD 18 MIN


Heute, am letzten Tag des Jahres 2021, ist der Titel des auf Netflix veröffentlichten Star-Vehikels wohl der falsche Imperativ. Heute gilt wohl eher die Devise, rund um den Jahreswechsel gen Himmel zu blicken, um das eine oder andere illegal von der Leine gelassene Stadtfeuerwerk aus sicherem Abstand mitzuerleben. Dann, ja dann kann man gerne wieder die Häupter senken, zum Tagesgeschäft übergehen und sich mit Eitelkeiten aufhalten. Der Blick fürs Wesentliche läuft dann zumindest nicht Gefahr, überanstrengt zu werden.

In Don’t Look Up, Adam McKays neuem Film, wäre es allerdings an der Zeit, die eigene Existenz in gesundem Maße zu hinterfragen und herauszufinden, worauf es im Leben wirklich ankommt. Denn in einer alternativen Realität, in welcher ein weiblicher Donald Trump in den USA die Fäden zieht, scheint der Menschheit das zu widerfahren, was den Dinos vor 65 Millionen Jahren passiert ist: die Vernichtung durch einen Kometen. Der ist nach Schätzungen von Astronom Dr. Randall Mindy sogar noch größer als das Exemplar von Yukatan. Was jetzt gilt, ist schnelles Handeln. Das setzt wiederum voraus, diese wirklich schlechte Nachricht an die richtige Frau oder den richtigen Mann zu bringen, damit geschieht, was geschehen muss. Doch das ist gar nicht leicht. Die Menschheit ist mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Mit Geld und Gier und sozialen Medien. Mit Ruhm und Trends und Gossips. 

So bequemt sich zumindest das amerikanische Volk (ein anderes bekommen wir nicht zu Gesicht) mit den Verführungen des Technologiezeitalters und der NLP-Message Control einer dekadenten Politik, während die Kacke am Dampfen ist und die Katastrophe alles, nur das nicht ist, was gerade in zu sein scheint. Für Mindy und seiner wissenschaftlichen Kollegin Kate Dibiasky ist das zum Haareraufen. Vielleicht wäre alles einfacher gewesen, hätte es da nicht diesen wirren Charaktermix aus Steve Jobs, Bill Gates und dem Computerguru aus Ready Player One gegeben, der weiß, dass, geht es der Wirtschaft gut, wohl allen gut gehen wird. Falsche Prämissen, die offene Türen einrennen.

Michael Bay hat damals, in der Actiongurke Armageddon, auf High-Tech und coole Sprüche gesetzt. So einer wie Bruce Willis fehlt in diesem galligen Szenario, dafür aber haben wir den Haudegen Ron Perlman, der gerne so sein will wie Chuck Norris, und den der Komet garantiert nicht lebend bekommen wird. Gabs bei McKays Politzynismus Vice – Der zweite Mann noch fein gesponnene realsatirische Spitzen, knotzt sich der Autorenfilmer lieber zu Greta Thunberg an die Hausmauer, um als Aktivist an vordester Front für mehr Selbstverantwortung angesichts unserer Planetenlage zu plädieren. Mit nichts anderem lässt sich das besser veranschaulichen als mit einem heranrasenden Trümmerstück aus der Oortschen Wolke. Der Klimawandel gibt zu wenig her, die kausalen Zusammenhänge mit Unwetter und menschengemachter Sauwirtschaft sind auch nicht eindeutig genug, um nicht auch hier Verschwörungstheoretiker auf den Plan zu rufen. Wäre Corona ein Komet, gäbe es diese aber immer noch. Und das so lange, bis der Mensch endlich sieht, was er glauben muss. Der Mensch, so Adam McKay, ist ein Wesen voller Widersprüche und Meister egozentrischen Handelns. In einem Film wie diesem wird klar, in welchem selbstgemachtem Korsett unser Verstand steckt. Mehr als notwendig, um unsere Art zu erhalten, können wir auch nicht tun. Zumindest noch nicht.

Dabei ereifern sich allerlei namhafte Star, von Leonardo DiCaprio über Jennifer Lawrence bis zu Timothée Chalamet (in einer entbehrlichen Rolle), um sich in das Gewissen der zusehenden Massen zu spielen. Mit einmal mehr, einmal weniger cholerischen Ausrastern. Dabei ist DiCaprio wieder ganz vorne mit dabei – sein Mut zum teigig-konservativen „Christian Drosten“ für die Apokalypse sei ihm hoch angerechnet, und auch Jennifer Lawrence erdet ihren Charakter mit dem Nonkonformismus einer Anti-Ikone. Dazwischen brilliert Cate Blanchett im Lifting-Look. Sie alle tragen ihr Scherflein dazu bei, im übertragenen Sinne die Weltlage zu erklären. Doch beileibe hat das nichts mit der ganzen Welt zu tun. Adam McKay tut so, als hätte sich die USA den Erdball vollständig unter den Nagel gerissen, und als wäre sein Land nun endlich die Supermacht Nummer eins, angesichts derer eine Institution wie die UNO zum beliebten Kartenspiel reduziert wird. Ist das Absicht, oder vergisst McKay auf den Rest der Welt, weil er der Leidenschaft für die ambivalente Politik der Vereinigten Staaten unterliegt? Das globale Problem ist ein Amerikanisches, was mitunter etwas arrogant erscheint. Auch pfeift sich die Geschichte rund nach der Hälfte selbst auf die Ersatzbank, und bis das bereits arg Vorhersehbare eintritt, geht dem Katastrophenfilm die Luft aus.  

Doch immerhin: Desastermovie geht auch anders, könnte anders gehen, aber kaum subtiler als es einer wie Roland Emmerich selbst zu Wege bringen kann.

Don’t Look Up

X-Men: Dark Phoenix

ALLE(S) IN DER SCHWEBE

6,5/10

 

x-men-phoenix© 2019 20th Century Fox

 

LAND: USA 2019

REGIE: SIMON KINBERG

CAST: SOPHIE TURNER, JAMES MCAVOY, JENNIFER LAWRENCE, MICHAEL FASSBENDER, NICHOLAS HOULT, JESSICA CHASTAIN, TYE SHERIDAN U. A.

 

Die Apocalypse wurde abgewandt. Das war aber angesichts dieses vor drei Jahren über die Leinwand gestelzten blauhäutigen Schnösels mit unreflektierten Allmachtsfantasien a la Steppenwolf (siehe Justice League) wohl keine allzu große Hexerei. So wenig charismatisch und furchteinflößend, wie Oscar Isaac mit offensichtlich aufgepinselter Maske eigentlich war, so hohl war das effektgeladene Getöse um ihn herum. Versucht wäre man gewesen, den viel zu hoch gegriffenen Nickname Apocalypse gegen etwas handzahmeres zu tauschen, eventuell vielleicht gegen Dark Phoenix – aber der ist schon vergeben, nämlich an die gute Jean Grey, die doch eigentlich, zumindest in den ursprünglichen Teilen, mit dem Raubein Wolverine liiert war. Doch von der wandelnden Adamantiumklinge ist weit und breit keine Spur mehr. Diesen von James Mangold inszenierten Abgesang in Farbe oder Schwarzweiß (Sie haben die Wahl!) kann keiner mehr toppen, das war Comic-Kino vom Feinsten, nämlich bis in den letzten Klingenschliff hinein so dermaßen handelsunüblich, das wohl kein anderer Filmemacher ähnliches wagen würde.

Und so ist es auch. James Kinberg lehnt sich bei seinem Zapfenstreich für eine ganze Generation Superhelden natürlich nicht weiter aus dem Fenster wie vom Gesamtkonzept des bereits existierenden, generischen X-Men-Universums vorgesehen. Das muss doch alles zusammenpassen, und keine Wege führen an Apocalypse vorbei, das heißt, hier muss angeknüpft werden. In der Optik, im Erzählstil, und überhaupt. Das hat schon seine begrüßenswerte Stringenz, da wünsche ich mir tatsächlich keinen Logan, das darf schon so bleiben, dass es aussieht, als hätten wir es mit einer hochbudgetierten Streamingserie zu tun (TV-Serie sagt man ja eigentlich nicht mehr, oder?), die so wie bei Avengers: Endgame oder Game of Thrones alles zu einem erträglichen Ende führen will, ohne bei der Fangemeinde allzu viel Sodbrennen zu verursachen. Nun, bei den X-Men ist die Fangemeinde nicht ganz so verbissen und dogmatisch wie bei Game of Thrones oder Star Wars. Drehbuchentscheidungen beim Mutantenpatchwork können gar nicht so sehr den Erwartungen quergebürstet sein, um Kontroversen zu entfachen. Da ist es eher egal, wie es endet, zumindest meinem Eindruck nach. Und auch X-Men: Dark Phoenix erleidet Verluste in den eigenen Reihen, die filmische Finals einfach mit sich bringen müssen, das sagt der gute Ton eines Schlussakkords. Kein Ende ohne Schrecken.

Dabei schreckt mich in X-Men: Dark Phoenix positiv betrachtet eigentlich gar nichts. Das letzte Kapitel rund um Sophie Turners Levitationen ist ein gestrafftes, direkt schon betriebsinternes Teambuilding, das sich den Kick fürs kommende Tabula Rasa aus dem extraterrestrischen Raum holt. Und dort gibt es ja bekanntlich jede Menge Intelligenzen, die einfach nicht an Gaja vorbeikommen können oder wollen, weil wir Menschen vielleicht doch etwas Einmaliges sind, vielleicht einmalig, weil wir uns so sehr mit uns selbst beschäftigen, dass Eroberungen jenseits des Sol-Systems noch lange nicht zur Debatte stehen. Das dürfte richtig niedlich sein, für all die eroberungswütigen Aliens. Und so lockt sie eine amorphe Energie in den Dunstkreis des blauen Planeten, die bei einer Rettungsmission unseres Mutantenkorps großen Gefallen an einer Telepathin findet, die gegen ihren Willen eine recht interdisziplinäre Begabungsförderung genießen wird. Entstehen wird Dark Phoenix, die verdrängte Traumata durchleben und sich entscheiden muss, wo ihre Skills wohl am Besten aufgehoben sind. Weiters im Mittelpunkt: der gute oder weniger gute Charles Xavier, der sich ebenfalls zu etwas durchringen muss, was seinem profunden Allgemeinwissen zwangsläufig zuwiderlaufen wird. Da ist das schauspielerische Können eines ganzen Ensembles gefragt, und Kinberg erreicht in dieser Hinsicht Qualitäten, die wir bislang fast nur von Joss Whedon kennen. Das Buffy-Mastermind kennt sich mit Teamgeist am besten aus, und Kinberg macht es ihm nach, mit sichtlichem Erfolg. Hier kommt keiner der Helden zu kurz, weder Beast noch Raven noch der fahrige Teleporter Nightcrawler, der überhaupt seine formschönsten Auftritte hat, vor allem in der Weltraumszene zu Beginn des Films.

Was zu kurz kommt, das ist die Geschichte dahinter, die den Stein der X-Men-Neuordnung überhaupt erst ins Rollen bringt. Die unbekannten Agressoren aus den Tiefen des Alls verkommen zu einer Variablen, die der Einfachheit halber so wie in gefühlt jeder Kino-Invasion Gestaltwandler sind. Das ist banal, und auch der Allmachtsdrang a la Apocalypse von Seiten der Antagonisten wenig durchdacht. Doch die Supervision der X-Men braucht dringend ein Handlungsgerüst, egal welches. Für dieses stellt sich Jessica Chastain als schlupflidriges Powerwesen in aschblondem Haar gerne zur Verfügung. Sophie Turner hat damit nebst ihren eigenen inneren Dämonen eine relativ ebenbürtige Gegnerin, ohne großen Background zwar, aber mit bekanntem Konterfei. Dem zuzusehen, und so, wie sich der wilde Haufen einer kraftvollen Elite zusammenrauft, das ist deutlich attraktiver als beim letzten Mal, spart sich am Ende auch langes Gesülze und muss niemandem die Liebe mal 3000 gestehen. Das ist recht pragmatisch, dafür aber auch ohne viel Verzettelung zu Ende erzählt. Vielleicht auch, weil Disney-Marvel schon ungeduldig in den Startlöchern scharrt, um auch diese Heldenclique schleunigst in das Cinematic Universe zu transferieren. Was dann folgen mag, ist vielleicht wieder ein kompletter Neuanfang, vielleicht sogar wieder mit Wolverine, der sich erneut in eine Jean Grey verguckt, die wir dann zum dritten Mal neu kennenlernen müssen.

X-Men: Dark Phoenix

RED SPARROW

DEN SPATZ IN DER HAND

5,5/10

 

redsparrow© 2018 Twentieth Century Fox

 

LAND: USA 2018

REGIE: FRANCIS LAWRENCE

MIT JENNIFER LAWRENCE, JOEL EDGERTON, MATTHIAS SCHOENAERTS, JEREMY IRONS, CHARLOTTE RAMPLING U. A.

 

Wenn ich als feierabendlicher TV-Channelsurfer an den SWR denke, dann fällt mir erstmal unweigerlich der Südwestrundfunk ein. Dass mit diesem Kürzel aber auch der russische Auslandsnachrichtendienst gemeint ist, erschließt sich mir erst nach Sichtung des neuen Films von Panem-Macher Francis Lawrence. Red Sparrow heißt sein Agententhriller, und natürlich hat Namensvetterin Jennifer womöglich schon vor Vorlage des Drehbuchs zum Film ihre Rolle als fix in ihrer Agenda gehabt. Francis hätte aber auch Charlize Theron besetzen können – die hat aber bereits für Atomic Blonde zugesagt. Mit seiner ehemaligen Darstellerin der Katniss Everdeen ist Francis Lawrence aber sowieso auf der publikumswirksameren Seite. Lawrence zählt zu den bestverdienenden Stars und hat auch weit über ihr schauspielerisches Können hinaus im weltweiten Celebrity-Pool ihre Hände mit im Spiel. Red Sparrow wird also wohl vor allem wegen Jennifer Lawrence sein Geld einspielen, keine Frage. Noch dazu, wenn bei Erwartung einer im Vorfeld angekündigten ungezügelten Nabelschau Erinnerungen an Sharon Stone wach werden. Dass zumindest zeitweilig die Zugriffe auf die unwillkommenen Nacktfotos der jungen Dame weniger werden, kann auf taktisches Kalkül zurückzuführen sein.

In Red Sparrow, nach dem Roman des Ex-CIA-Agenten Jason Matthews, der sicher mit reichlich Erfahrungen aus der Branche authentisches Gebaren hinter den Kulissen illustriert, führt der SWR also so etwas Ähnliches wie ein Bootcamp für reizorientierte Kampfmätressen, genannt die Spatzenschule, unter der Fuchtel einer steingesichtigen Charlotte Rampling, die einen seltsamen Haufen junger Russinnen und Russen zur Schamlosigkeit erzieht. In dieses zweifelhafte Etablissement wird die Ex-Ballerina Dominika Egorova von ihrem zwielichtigen Onkel Wanja – da war wohl Matthews ein Liebhaber Anton Tschechows – gekarrt. Doch wenn ich Dominika Egorova wäre, würde ich, sofern ich die Wahl hätte, absichtlich aus der Schule fliegen wollen. So elitär und effektiv, wie angekündigt, ist diese knochentrockene Erziehungseinrichtung, die irgendwie an das Internat Romy Schneiders aus Mädchen in Uniform erinnert, längst nicht. Zumindest gelingt es Francis Lawrence kaum, die angebliche Relevanz der Vorgeschichte unseres roten Spatzen zu rechtfertigen. Die sogenannten Geheimnisse der Verführung und Manipulation, die dort weit jenseits des Kamasutras beigebracht werden, scheinen auch als Online-Tutorial auf Youporn seinen Zweck erfüllen zu können. Und die Erkenntnis von Jennifer Lawrence, dass sexuelle Nötigung meist mit Machtgehabe zu tun hat – das ist jetzt nicht so die Aha-Erkenntnis, die sie wohl meint erlangt zu haben.

Hat man die zumindest in der Synchronisation im unfreiwillig komischen, russischen Dauerakzent sprechende Meisterin aller Klassen in die freie Wildbahn der Agenten und Spione entlassen, beginnt das Spiel um Information, Täuschung und Taktik überhaupt erst interessant zu werden. Da ist aber schon rund die Hälfte des Filmes um. Sei´s drum, das war bei Atomic Blonde auch so. Da hat das Genre des Agentenfilms generell das Problem, die Gesamtsituation für das Publikum in viel zu langen Erklärungen überhaupt erst erfassbar werden zu lassen. Bei Atomic Blonde und Red Sparrow zeigt das Drehbuch zur ersten Halbzeit deutliche Schwächen – leicht zu dramatisieren ist so eine Romanvorlage sicher nicht. Hut ab, wenn es zumindest halbwegs gelingt. Dann aber wird das Gefühl, schon viel zu viel Zeit in Red Sparrow investiert zu haben, deutlich schwächer. Jennifer „Dominika“ Lawrence, die trotz ihres barbusigen, aber dennoch verhaltenen Teasings wie kaum eine andere junge Filmdiva so sehr ihre Keuschheit an die vorderste Front schickt, hat in Joel Edgerton zumindest einen Filmpartner gefunden, der seine Reize zum Glück nicht vortäuschen muss. Der stets verkniffen dreinblickende, gestandene Charaktermime hat schon Charisma, während Matthias Schoenaerts wie der jüngere Bruder von Vladimir Putin Todesdrohungen wie Tombolapreise verhökert.

Man bemerkt mitleidig, dass der rote Spatz immer noch gerne Ballerina hätte sein wollen. Von Professionalität keine Spur, vielmehr fallen die scheinbar unerwarteten Umstände in der Agentin aufreizenden Schoß. Improvisation ist wohl mehr ihr Ding  – oder ist alles nur Fassade? Spätestens jetzt sollte ich damit das Interesse meiner Leser wecken, denn je näher wir zum Ende kommen, umso mehr schlägt der Thriller seine notwendigen Kaninchenhaken, um als durchaus spannender Geheimtrip – nicht Tipp – zwischen Moskau, Budapest und Wien in Erinnerung zu bleiben. Und der Wiener Michaelaplatz könnte zumindest für Fans, die sich getrost wieder JLa´s Nacktfotos widmen, eine völlig neue Bedeutung erlangen.

RED SPARROW

Passengers

GEMEINSAM STATT EINSAM

* * * * * * * * * *

passengers

Lesung aus dem Buch Avalon: Am Anfang war der Mechaniker Jim Preston, der neue Adam für Homestead II, einem bewohnbaren erdähnlichen Planeten, rund 120 Jahre unter halber Lichtgeschwindigkeit von der guten alten Erde entfernt. Dieser erweckt nach einjähriger Isolation Aurora, die neue Eva. So oder ähnlich könnte die neue Entstehungsgeschichte des Exodus einer neuen Menschheit beginnen. Und jede neue Welt braucht einen Mythos, oder einen Anfang, der einer blutjungen Gemeinschaft eine eigene Identität verleihen kann.

Der Norweger Morten Tyldum, der mit dem grandios-gnadenlosen Reißer Headhunters erstmals auf sich aufmerksam machte und sich mit der Enigma-Biografie The Imitation Game mit frischem Wind unter die Exportgrößen Hollywoods einreihen durfte, hat ein romantisches, reduziertes Weltraum-Kammerspiel geschaffen, das nicht mit enormen visuellen Reizen geizt und die Schöpfungsgeschichte der westlichen Erdenwelt in einem Zwei-Personen-Kammerspiel um Vertrauen und Abhängigkeit gehörig abstrahiert. Wobei man diese Analogien zu Beginn erst mal kaum bis gar nicht wahrnimmt. Viel mehr steht die interstellare Robinsonade im Mittelpunkt – und die muss Chris Pratt anfangs leider ziemlich alleine stemmen. Wobei wir spätestens seit Jurassic World wissen, dass der schmerbäuchige Otto Normalverbraucher mit dem Allerweltsgesicht schauspielerisch nicht gerade die besten Karten in der Hand hat. Seine einjährige Wartezeit an Bord des innen wie außen atemberaubend gestalteten Raumschiffes namens Avalon bekommt eine unfreiwillige Komik, die fast schon an John Carpenters Dark Star erinnert, vor allem, wenn Pratt nackt mit unechtem Rauschebart durch die sterilen Gänge des Schiffs torkelt.

Zum Glück steht ihm Roboter Arthur zur Seite – ein aufs Wesentliche reduzierter Android mit der Illusion eines humanoiden Zuhörers, punktgenau dargestellt von Michael Sheen. Zum Glück reizt Tyldum Pratt´s Solo-Performance nicht bis zur Nervigkeit aus und stellt ihm rechtzeitig Jennifer Lawrence zur Seite. Die attraktive Blondine aus Die Tribute von Panem hat weitaus mehr Talent, wobei sie auch diesmal wieder, ähnlich wie in ihrer Paraderolle als Katniss Everdeen, zur Hysterie neigt. Wobei ihr Gefühlsausbruch nur logisch ist. Wie würde man selbst reagieren, wenn jemand anderer, vor allen Dingen ein Wildfremder, den Rest deines Lebens bestimmt. oder deine Zukunft determiniert. Alles nur aufgrund der Tatsache, nicht allein bleiben zu wollen. Einsamkeit und die Sehnsucht nach Nähe sind die Motoren, die die Handlung dieses „Roadmovies“ vorantreiben. Gemeinsam statt einsam oder Partnersuche im All – man kann die Romanze für abgedroschen oder oberflächlich betrachten. In Wahrheit aber ist sie das nicht. Während der Zeit an Bord der Avalon durchleben die beiden Gestrandeten die unterschiedlichsten zwischenmenschlichen Emotionen. Um sich letzten Endes ihrer Abhängigkeit voneinander bewusst zu werden. Und der zwangsläufig auferlegten Verantwortung, die Gründung einer neuen Welt zu garantieren. Aus diesem Blickwinkel heraus ist die Odyssee dann doch noch mehr als die Summe ihrer Teile. Nämlich die Geburt eines neuen Mythos, der an das Finale der neu aufgelegten Battlestar Galactica erinnert.

Gegen Ende des Filmes entsteht dann tatsächlich noch sowas wie fesselnde Spannung, wenn es um Alles oder Nichts geht. Sei es um die Verdammnis zur Isolation oder dem Fortbestand einer neuen Menschheit. Exzellent bebildert, wird aus dem utopischen Beziehungsdrama ein knallhartes Space-Abenteuer im Fahrwasser von Gravity, und Lawrence Fishburnes Gastauftritt als todkranker Deckoffizier bereichert die Szenerie noch zusätzlich mit dem Bewusstsein der allgegenwärtigen Vergänglichkeit. Wäre Tyldum noch nach dem spannend-feurigen Höhepunkt des Films weiterhin konsequent geblieben, wäre uns der Dornröschen-Twist erspart geblieben. So aber kippt sein sonst dichtes Kammerspiel doch noch in Richtung Schnulze – was er mit Leichtigkeit vermeiden hätte können. Vielleicht gibt es aber auch hier noch einen Directors Cut mit anderem Ende? Selten hat ein Film so dermaßen zu Spekulationen über alternative Storylines eingeladen wie Passengers. Ob das ein gutes Zeichen ist? Selbst die Überlegung, in einer Fortsetzung die Ankunft der erwählten 4998 Passagiere zu erzählen, macht mich neugierig.

Morten Tyldum ist eine durchaus faszinierende, wenn nicht ganz logische Science-Fiction gelungen, die weitaus tiefer in den Kosmos vordringt als in die menschliche Seele und sich zu plakativem, märchenhaften Romantizismus hinreißen lässt. Die Schönheit der unendlichen Weiten zelebriert der Film aber dennoch – mitsamt einem Hauch von Ewigkeit.

 

Passengers