Touch Me (2025)

EIN HIP-HOP-JESUS GEGEN DEN KLIMAWANDEL

7/10


© 2025 WTFilms


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE / DREHBUCH: ADDISON HEIMANN

KAMERA: DUSTIN SUPENCHECK

CAST: OLIVIA TAYLOR DUDLEY, LOU TAYLOR PUCCI, JORDAN GAVARIS, MARLENE FORTE U. A.

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


War Jesus vielleicht ein Außerirdischer? So krude Gedanken wie diese gibt es womöglich tatsächlich, und in Anbetracht der Leichtgläubigkeit der menschlichen Spezies bei gar nicht so wenigen Individuen. Wie sonst könnte man sich diese wundersamen Heilsmethoden erklären, die der Sohn eines Zimmermanns alleine schon durchs Handauflegen erfolgreich praktizieren konnte. Und manchmal, war da nicht mal das vonnöten? Gehe hin in Frieden, erwache von den Toten, bewege deine Beine – du bist nicht mehr gelähmt. Eine Macht hatte der, das lässt mitunter manch kritische Stimme nicht verstummen, die den Bergprediger als ein Wesen verdächtigt, das nicht von dieser Welt sein muss. Im Grunde steht auch genau das als direkte Rede im Testament. Also warum nicht?

Das Heil in den Tentakeln

Und warum nicht eine Geschichte entwerfen, in der die fleischgewordene christlichsoziale Heilsverkündung wie Jared Leto aussieht, der wiederum manchmal so aussieht wie eines der kitschigen Heiligenbilder, die in bäuerlichen Schlafzimmern hängen, direkt über dem Kopfende, und wo das flammende Herz expositioniert vor sich hin wabert. Dieser Mann, nicht Jared Leto, ist kein menschliches Wesen, sondern ein Außerirdischer, der in Wahrheit ganz anders aussieht. Ein bisschen was lässt sich anfangs schon vermuten, wenn dieses Individuum seine Tentakel ausfährt, um irdischen Glückbedürftigen einen Gemütszustand zu bescheren, den man normalerweise erst dann erlangt, wenn man wie Siddhartha jahrelang meditiert hat. Den mentalen Genuss einer sorgenfreien Weltsicht, ohne der Schwere vergangener Traumata, die man wie einen nicht abnehmbaren Fallschirm nach der Landung auf hartem Grund hinter sich herzieht, wollen schließlich alle – und da kommen Joey und Craig ins Spiel – zwei Freunde, die bisher nicht ganz so sehr auf die Sonnenseite des Lebens gefallen sind. Mit dem feschen Brian haben beide wohl das große Los gezogen, so scheint es. Denn Sex mit einem Alien, was Besseres gibt es nicht. Da mögen dessen Ambitionen, rotlaubige Bäume gegen den Klimawandel zu pflanzen, bereitwillig akzeptiert werden, wobei diesen Umstand zu hinterfragen wohl dringender nötig gewesen wäre als auf den nächsten Austausch von Körperflüssigkeiten zu warten.

Wie viel Good Will steckt in einem Alien?

Filme, in denen Aliens über uns Menschen das uneigennützige Heil bringen, und zwar vorwiegend bei älteren Semestern, das gabs in den Achtzigern mit dem erquickend sentimentalen Klassiker Cocoon. Das Bad im Pool wurde, angereichert durch die Energien eines extraterrestrischen Eis, für vulnerable Pensionisten zum Jungbrunnen. Doch anders als Ron Howards humanistischer Diskurs übers Altwerden klingt das Wunschkonzert aus dem All in Touch Me nach schiefen Tönen – die sich der Mensch gerne schönhört, weil er will, dass alles gut wird.

Wenn Brian – dieser Jared Leto-Jesus-Verschnitt – mit textilfreiem Oberkörper seinen gymnastischen Morgentanz hinlegt, lukriert das eine Menge Lacher aus dem Publikum. Denn diese Performance wirkt dann so, als wäre man in einem Aerobic-Video der Achtziger gelandet, unfreiwillig komisch und ohne jemals die Chance, ernstgenommen zu werden. Das wiederum passt perfekt zu einem der ungewöhnlichsten und auch wagemutigsten Features im Rahmen des Slash Filmfestivals – denn Touch Me ist eine clevere Satire auf so manches, was den nach Glückseligkeit und Eintracht strebenden Menschen nicht nur auszeichnet. Addison Heimann, der seinen Film selbst präsentierte und auch für Q&As wortreich zur Verfügung stand, spiegelt die Umtriebigkeit und Craziness seiner Arbeit wider – für alle, die seinen Film nicht mögen würden, sendet er vorab schon mal ein sympathisches „Fuck you“. So überdreht und ausgetickt Heimann wirkt, so überdreht und ausgetickt ist Touch Me, der durchwegs auch in die düsteren Tiefen eines gespenstischen Thrillers mündet, um dort wieder emporzusteigen als handgeschnitzter Bodyhorror voll praktischer Geht ja-Effekte und jeder Menge Schleim. Das wiederum hätte ich im Laufe des Films auch nicht erwartet, doch was davon lässt sich hier auch wirklich absehen?

Aus den besten Freunden werden Feinde, Missgunst, Abhängigkeit und verschenktes Vertrauen an das Gute sind nur einige menschliche Eigenschaften, die Heimann in seinem Fast-Schon-Kammerspiel seziert – gespickt mit Wortwitz und einem vom Regisseur höchstpersönlich projizierten Elan, der irritiert, manchmal zu Brei schlägt, was hätte erhalten werden können, aber im Ganzen dazu beiträgt, dass die abgefahrene Science-Fiction-Mär ihre Gleichung ganz gut löst. Und Heimanns „Fuck You“ muss ich letztlich dann doch nicht auf mich beziehen.

Touch Me (2025)

Together – Unzertrennlich (2025)

SCHMELZPUNKT LIEBE
6/10


© 2025 Leonine Studios


LAND / JAHR: AUSTRALIEN, USA 2025

REGIE / DREHBUCH: MICHAEL SHANKS

KAMERA: GERMAIN MCMICKING

CAST: ALISON BRIE, DAVE FRANCO, DAMON HERRIMAN, JACK KENNY, SUNNY S. WALIA, KARL RICHMOND, TOM CONSIDINE U. A.

LÄNGE: 1 STD 42 MIN


In Liebe vereint kann so romantisch klingen. Zwei Herzen im Gleichklang, oder gar: Ein Herz und eine Seele. Was aber, wenn man diese melodischen Phrasen wörtlich nimmt? Wenn diese willentliche Vereinigung zum physischen Phänomen wird, zum kreatürlichen Mysterium einer Abhängigkeit? Der semiromantische Beziehungs-Horror Together – Unzertrennlich will das austesten. Und hebelt dabei körperliche Grenzen aus.

Die Beziehung wird zum gemeinschaftlichen Schengenraum der Liebe, die zur Selbstaufgabe strebt. Das aber, so Regisseur und Autor Michael Shanks, nur widerwillig. Denn Dave Franco und Alison Brie (GLOW, Mad Men) sind immer noch Personen ihrer eigenen Biografie, und nur bedingt Bestandteil der jeweils anderen. Millie scheint mit sich selbst im Reinen und ihre Profession als Grundschulpädagogin wirklich zu lieben. Tim hingegen schleppt so allerhand familiäre Traumata mit sich herum, die, so erfahren wir im Laufe der Geschichte, bei weitem nicht ohne sind. Das hat letztlich dazu geführt, dass der von Dave Franco (u. a. The Disaster Artist) verkörperte Möchtegern-Musiker so gut wie nichts auf die Reihe bekommt und mit seinen Minderwertigkeitskomplexen, die mit egozentrischem Selbstmitleid den Dreivierteltakt üben, Alisons Bries Toleranzgrenze kitzelt. So richtig gesund wirkt die Beziehung nicht – ein Tapetenwechsel und Umzug aufs Land könnte da Abhilfe schaffen. Von Horrorfilmen aber wissen wir: Umzüge aufs Land haben oftmals einen Haken, siehe unter anderem: The Conjuring. Hier aber ist es eine mysteriöse Höhle unweit der neuen eigenen vier Wände, in die die beiden während eines abenteuerlichen Spaziergangs hineinstürzen. Franco trinkt, geplagt vom Durst, aus einer Quelle und verwandelt sich dabei zwar nicht in ein Reh so wie bei Brüderchen und Schwesterchen aus Grimm’schem Märchenschatz, sondern entwickelt einen Beziehungsmagnetismus, der unschöne Symptome zeigt.

Das ist aber erst der Anfang. Alison Bries Körper wird zum Gravitationszentrum für Franco, alles scheint er von seiner besseren Hälfte absorbieren zu wollen, und zwar so lange, bis die bessere Hälfte zur der seinen wird. Bald ist es auch umgekehrt, und man kann getrost sagen, dass sich hier die Gegensätze anziehen, nämlich Mann und Frau, zwei unterschiedliche Komponenten, der Plus- und der Minuspol. Michael Shanks bringt die störrische Liebesbeziehung zu ihrem neuen Schmelzpunkt, und es wäre vielleicht nur akkurater Body-Horror im Spiel, der kurios erscheint, würde Shanks nicht auch das eine oder andere mal Momente beängstigenden Grusels heraufbeschwören, die aber nur peripher mit der eigentlichen Parabel über Einheit, Abhängigkeit und Individualismus zu tun haben. Ganz besonders die nur aus dem Augenwinkel betrachtete Kindheit von Francos Figur, die in schauderhaften Jumpscare-Träumen verarbeitet wird, verläuft im Sand, ganz ohne nennenswerte Relevanz. Hätte Shanks dieses Element noch mehr in seine Story verwoben, wäre der Schocker perfekt – so aber führt uns Together bald auf erwartbare Pfade ohne Richtungswechsel. Das Unvermeidliche ist in dieser mehr oder weniger als Drei-Personen-Stück definierten Romantik-Groteske bald absehbar, das Gewebe-Crossover manchmal recht plump, das nächtliche Ziepen an den Haaren von Alison Brie hingegen wieder ein Gänsehautmoment, der gelingt.

Man kann Beziehungen eben auch anders analysieren – und den Optimal-Zustand einer Paar-Existenz in plakativen Monstrositäten hinterfragen. Eine Challenge, die Together gerne annimmt, auch ordentlich Spaß daran hat und sich nicht davor scheut, die Spice Girls akustisch mit ins Boot zu holen, die auf nichtsahnend prophetische Weise die Mystery des Films längst vorweggenommen haben. Die Pointe sitzt am Ende dann doch, während auf dem Weg dorthin das eine oder andere Mal die Anziehungskraft auf das Publikum gelegentlich nachlässt.

Together – Unzertrennlich (2025)

Final Destination 6: Bloodlines (2025)

DETERMINISMUS MIT SIPPENHAFTUNG

6/10


© 2024 Warner Bros. Pictures, Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: ZACH LIPOVSKY, ADAM B. STEIN

DREHBUCH: GUY BUSICK, LORI EVANS TAYLOR, JON WATTS

KAMERA: CHRISTIAN SEBALDT

CAST: KAITLYN SANTA JUANA, TEO BRIONES, RICHARD HARMON, OWEN JOYNER, RYA KIHLSTEDT, ANNA LORE, BREC BASSINGER, TONY TODD, GABRIELLE ROSE, APRIL TELEK, ALEX ZAHARA U. A. 

LÄNGE: 1 STD 50 MIN


Grüß Gott, ich bin der Tod: Wenn Gevatter dich auf dem Kieker hat, reicht es womöglich nicht, wenn man ihm, ganz so wie die legendäre EAV es besingt, einen Jagatee kredenzt. Doch der Sensenmann macht sich in Wahrheit gar nichts aus Hochprozentigem, dafür aber will er, dass die ganzen hundert Prozent derer, die auf seiner Liste stehen, auch über die Klinge springen. In der Horrorfilm-Reihe Final Destination hat der Tod auch nie ein Gesicht. Das, was die ganze Zeit so aussieht, als wären es unglückliche Zufälle, scheint eine höhere Macht, die das Leben und Ableben steuert. Der freie Wille ist nur Illusion. Diesem Determinismus zu entgehen, der uns alle gefangen hält, mag ein Ding der Unmöglichkeit sein. Das geht nur dann, wenn man Gevatter austrickst. Wie die alte Frau in ihrem Häuschen – wir alle kennen den Witz – die, auf die Tränendrüse drückend, einen Deal mit ihrem Schicksal eingeht und den Tod auch schwören lässt, er soll sie doch erst am nächsten Tag nochmal holen. Zur Erinnerung heftet sie den Vertrag an die Tür – und lebt womöglich heute noch.

Damals, 25 Jahre ist es her, sorgte der Horrorthriller Final Destination für schweißnasse Hände – der vorausgeahnte Flugzeugcrash ist mir in Erinnerung geblieben. Diese Katastrophe, vom Schicksal so vorausgeplant, bildete im Jahr 2000 den Auftakt für allerlei bizarre Ideen, wie ein Mensch auf die noch so absurdeste Art und Weise das Zeitliche segnen kann. Dabei zeichnete sich bereits ab: Hat man wohl einen Teil dieser Filmreihe gesehen, kennt man alle. Somit haben wir es hier mit reinstem Effektkino zu tun, das aber auch dazu steht, nichts anderes zu wollen außer den Effekt, den Kick, die blutige Schadenfreude, die Sensation, wenn junge Menschen abnippeln und dabei nicht selten den Kopf, das Rückgrat oder alle Extremitäten verlieren. Zumindest beim Original war die Idee eines vorbestimmten Plans einer alles steuernden Entität ein prickelndes, auch unbequemes Gedankenspiel. Doch was anfangs schon durch war, dient wohl des Weiteren kaum als inhaltliches Füllmaterial. Macht aber nichts. Filme, in denen der Zweck des garstigen Entertainments die Mittel heiligt, und wenn sie auch immer ähnlich sind, taugen zumindest so viel wie eine Achterbahnfahrt am Rummel. Auch die will man immer und immer wieder genießen, sofern schwindelfrei.

Nicht ganz so schwindelfrei mag wohl der eine oder andere Besucher eines dem Donauturm ähnlichen, schicken Luxus-Restaurants sein, genannt Skyview Tower. In den Sechzigern lässt sich Iris von ihrem Freund Paul zur Eröffnung dieser sensationellen Lokalität liebend gerne einladen, mulmiges Gefühl beim Einsteigen in den Fahrstuhl hin oder her. Und natürlich hat die junge Dame sogleich die Vision einer verheerenden Katastrophe, ausgelöst durch eine Münze, die in den Lüftungsschacht gerät. Wie Zach Lipovsky und Adam B. Stein die Materialschlacht mit zahlreichen Todesopfern inszenieren, kann sich sehen lassen. Das beste dabei: Wenn man glaubt, spektakulärer wird es wohl nicht, braucht man sich nur vorstellen, was passiert, wenn ein MRT-Gerät im nächstgelegenen Krankenhaus verrückt spielt. Das tut weh, höllisch weh. Abermals durften sämtliche kreative Köpfe im Ideenpool plantschen, damit es auch diesmal wieder Unfälle gibt, die man so noch nicht gesehen hat. Es verhält sich wie mit den Filmen der Saw-Reihe: Selbes Prinzip, selbes Muster, auch hier sollte sich bestenfalls keine der Foltermethoden wiederholen.

Final Destination 6: Bloodlines meldet sich also nach Jahren wieder zurück aus dem Scheintod und will diesmal auch mehr Story liefern. Mit Bloodlines ist sowieso schon alles gesagt: Folglich trifft es diesmal die Erben der dem Tode Entwischten. Auf kuriose Weise ist das nur logisch und auch durchdacht, wenngleich die Stringenz dabei im Laufe der Handlung verlorengeht und der Tod bald selbst seine eigenen Regeln nicht mehr befolgt. Anyway, bei Filmen wie diesen ist das egal. Blut muss fließen, Schädel müssen brechen, und Baumstämme sind schwer. Dass das ganze mehr zum körpersaftigen Hoppala-Overkill mutiert als zum unheilvollen Horror ausartet, ist auch kein Geheimnis. Wer’s mag, ist hier nicht fehl am Platz. Gesehen, schadenfroh grinsend geekelt und vielleicht vergessen. Es sei denn, man muss bald zum MRT.

Final Destination 6: Bloodlines (2025)

The Ugly Stepsister (2025)

RUCKE DI GU, BLUT IST IM SCHUH

7,5/10


© 2025 capelight pictures / Marcel Zyskind


ORIGINALTITEL: DEN STYGGE STESØSTEREN

LAND / JAHR: NORWEGEN 2025

REGIE / DREHBUCH: EMILIE BLICHFELDT

CAST: LEA MYREN, THEA SOFIE LOCH NÆSS, ANE DAHL TORP, FLO FAGERLI, ISAC CALMROTH, MALTE GÅRDINGER, RALPH CARLSSON, ADAM LUNDGREN, KATARZYNA HERMAN, CEILIA FORSS U. A.

LÄNGE: 1 STD 49 MIN


Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land? Sorry, falsches Märchen. Obschon allerdings sowohl bei Schneewittchen als auch bei Cinderella (oder Aschenputtel oder Aschenbrödel) ein über die Jahrhunderte kolportierter Glaubenssatz im Vordergrund steht: Eine Frau muss schön sein, im besten Falle die Schönste im ganzen Land, schöner noch als die böse Königin, am besten tausendmal schöner. Der Prinz muss nicht wirklich über das Wesen seiner Zukünftigen Bescheid wissen, es interessiert ihn gar nicht, es reicht hier der Male Gaze, um das weibliche Geschlecht in die sexistische Schublade zu werfen, in welcher sich auch Schneeweißchen und Rosenrot und all die anderen atemberaubenden Schönheiten wiederfinden, nicht aber Cinderellas Stiefschwestern, denn die sind laut den Gebrüdern Grimm hässlich, und diese Hässlichkeit spiegelt sich auch in ihrem Verhalten wieder. Wer nicht schön sein kann, der leidet, weil die Gesellschaft nun mal eine ist, die sich an Äußerlichkeiten orientiert. Wer schön sein will, leidet auch, und weiß dabei gar nicht mehr so recht, ob der Prozess zur Vervollkommnung nicht auch Tücken mit sich bringt.

In der sehr freien Märcheninterpretation The Ugly Stepsister, einer opulent ausgestatteten und explizit bebilderten Groteske, übt die Norwegerin Emilie Blichfeldt unverhohlene Kritik an die viel zu selten hinterfragten gesellschaftlichen Standards, die eine Frau notgedrungen erfüllen muss. Frausein wird hier zum unrühmlichen, schmerzlichen Wettbewerb, zum schrillen Manifest gegen Gefallsucht und Körperdiktat. Statt Schneewittchen sonnt sich die fesche Cinderella im Licht ihrer Schönheit, während sie heimlich den Stallburschen liebt. Wenn der Prinz allerdings zum Stelldichein winkt, zum Ball der Bälle, an welchem er bekanntlich zur späten Stunde den für andere viel zu kleinen Schuh aufsammeln wird, zählt nur das Prestige und der Zwang, als Frau gut einzuheiraten. Betrachtet man die Grimm’schen Märchen an dieser Stelle noch einmal, sind sie auch nicht besser als Hatschi Pratschi Luftballon. Die transportierten Rollenbilder, die jede Selbstbestimmung ausräumen, lassen sich kaum mehr kommentarlos vorlesen. Aus diesem Grund ändert Blichfeldt ihre Perspektive und schubst nicht das erniedrigte, aber schöne Stiefkind ins Rampenlicht, sondern ihre Stiefschwester.

In diesem Film hier nennt sie sich Elvira, hat eine krumme Nase, schiefe Zähne, Glupschaugen und eine unvorteilhafte Frisur. Sie ist pummelig, unbeholfen, doch bei Weitem kein schlechter Mensch. Sie liebt die Gedichte des Prinzen, insofern schmachtet auch sie und schafft es gar, sich auf die Einladungsliste des gar nicht so edelmütigen Königssohns zu setzen. Bis zum höfischen Event ist es ein weiter Weg, und den wird Elvira gehen müssen, will sie als Frau etwas zählen. Dass dieser Pfad ein dorniger werden wird und letztlich dazu führt, dass, um was auch immer in der Welt und egal um welchen Preis, der eine Schuh auch passen muss, zeigt Blichfeldt mit entfesselter Liebe zum ekligen Detail.

Dabei ist die Ausstattung so prächtig wie bei Yorgos Lanthimos (bestes Beispiel: The Favourite), die Antithese zum Schönheitswahn wie schon bei Coralie Fargeats futuristischer Body-Horror-Ekstase The Substance ein blubberndes Becken malträtierter Körperteile, die dank Blichfeldts Lust an der physischen Zerstörung die Kinoleinwand füllen. Ob unreine Haut, gehackter Nasenrücken oder eingenähte Wimpern: Lea Myren als die hässliche Stiefschwester gibt sich die volle Dröhnung des Gipfelsturms zur Vollkommenheit, und wo bei manchem Bezwinger eiskalter Achttausender die Zehen das Zeitliche segnen, fällt hier wie das Beil einer Guillotine im furios-blutigen Höhepunkt die grimm’sche Lektion zu Neid und Niedertracht. Doch den märchenbedingten Moralfinger zu defizitären Wesenheiten lässt The Ugly Stepsister außen vor. Was bleibt, ist die ungeschönte Wahrheit hinter all diesem Kitsch: Das psychosoziale Portrait einer Gemarterten und Verlachten. Die Kränkung sitzt tief wie manche Wunde. Das Rollenbild allerdings auch.

The Ugly Stepsister (2025)

Wolf Man (2025)

FAMILIE SCHAFFT MONSTER

6/10


© 2025 Universal Pictures


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: LEIGH WHANNELL

DREHBUCH: LEIGH WHANNELL, CORBETT TUCK

CAST: CHRISTOPHER ABBOTT, JULIA GARNER, MATILDA FIRTH, SAM JAEGER, BENEDICT HARDIE, BEN PRENDERGAST, ZAC CHANDLER U. A.

LÄNGE: 1 STD 43 MIN 


Wie man die Essenz eines phantastischen Universal-Horrors aus dem verstaubten Kämmerlein holt, ohne es lächerlich und unzeitgemäß werden zu lassen, erfährt man, wenn man Der Unsichtbare sichtet. Leigh Whannell hat es vor fünf Jahren geschafft, wissenschaftliches Heureka mit Metoo und Fortschrittsverrohung in Verbindung zu bringen. Zwei Aspekte, die gesellschaftspolitisch relevant sind und relevant bleiben werden. Jetzt gibt es die Horror-Ikone Nummer Zwei frisch aufgeputzt und produziert von Blumhouse, denn dort gehören Stoffe wie dieser hin – und abermals von Whannell nicht nur aufs Papier, sondern auch auf die Leinwand gebracht. Wolf Man ist das neueste Kaliber rund um geheimnisvolle Metamorphosen vom Mensch zu irgendetwas anderem, in diesem Falle zum Tier. Und dieser Mythos, der ist so alt, da lässt sich Adäquates bereits im alten Ägypten finden, nur statt eines Wolfskopfes trug Anubis den eines Schakals. Mischwesen müssen aber per se nicht bösartig sein, vielleicht nur instinktgetrieben, weil sie andauernd zwischen kognitiver Erinnerung und tierischen Bedürfnissen mal in diese, mal in jene Richtung gezerrt werden. Mensch-Tier-Hybride sind bemitleidenswerte, arme Kreaturen, von denen man meinen würde, dass das Beste für sie nur noch der Gnadenschuss wäre. So bemitleidenswert sind nicht mal Zombies, denn die ringen selten um das letzte bisschen Zivilisiertheit, das sie vielleicht noch verspüren. Da weiß man: Vernichtet man sie, ist das immer noch die beste Methode, jenem Menschen, der dieser Zombie einmal war, durch den Tod das letzte bisschen an Würde zu wahren.

Das Werwolf-Dasein ist wie das Zombie-Dasein eine Krankheit. Folgt man den kulturgeschichtlich tief verankerten Symptomen, so quält den Infizierten lediglich zu Vollmondnächten das Animalische. Joss Whedon hat diesen gutmütigen Werwolf in sein Buffy-Franchise eingeflochten, auch das Potterverse besitzt mit Remus Lupin – Nomen est Omen – den Wolfsmensch. Zum Animagus ist es dann nicht mehr weit: Das sind Menschen, die sich, wann immer sie wollen, schmerzfrei in Tiere verwandeln können. Aber genug der Ausflüge in die artfremden Gefilde der massentauglichen Fantasy. Whannell hat nicht im Sinn, den Fluch des Werwolfs auch nur irgendwie erträglich zu machen oder gar salonfähig. Sein fürsorglicher Familienvater, gespielt von Christopher Abbott (It Comes at Night, Possessor und zuletzt in Kraven the Hunter als The Foreigner), weiß anfangs gar nicht, was er sich und seiner Familie antut, als er jenen Bescheid in Händen hält, der seinen vor Jahren in den Wäldern Oregons verschollenen Vater für tot erklärt. Die einsame Immobilie mitten im Nirgendwo ist dann auch das Erbe mit all seiner Verdammnis, das Blake nun anzutreten gedenkt. Um die Bude zu entrümpeln, lädt er Frau und Kind dazu ein, in der gottgegebenen Wildnis Nordamerikas ein bisschen Auszeit zu erlangen. Gerade Ehefrau Julia Garner würde eine Pause von ihrem Business-Trubel richtig gut tun. Doch aus dem trauten Miteinander wird nichts: Einem Autounfall folgt die Attacke einer obskuren, röchelnden Kreatur, halb Mensch, halb Tier – Blake wird verletzt und merkt schon bald so manche Veränderung an seinem Körper und in seiner Wahrnehmung. Der Geruchssinn wird stärker, Zähne fallen aus. Es ist, als hätte David Cronenberg seiner Fliege ein dickes Fell verpasst, wenngleich Abbotts Figur auch noch das Haupthaar ausfällt.

Wolf Man ist wohl weniger eine erfrischend grimmige Rotkäppchen-Neuinterpretation mit Verve, sondern vielmehr eine in deterministischer Finsternis herumrudernde Familientragödie mit sattem Drama und dem Horror des Ausgeliefertseins. Whannell hält seine Geschichte überschaubar – nicht nur schauplatzmäßig, sondern auch inhaltlich. Bescheiden folgt er der Metaphysik vererbbarer Obsessionen und unausgesprochener familiärer Konflikte, die er in die metaphorische Wildheit eines Monsters legt. Dafür braucht es jede Menge Make Up, analoges Creature Design wie schon bei John Landis‘ American Werewolf und jede Menge Prosthetics. Weg von CGI und animierter Effizienz hin zum Handwerklichen als Qualitätsmerkmal.

Wolf Man ist also, was es ist: Die niemals hakenschlagende Origin-Story eines klassischen Grusel-Archetyps mit Fokus auf Verwandlung und dem Aushebeln familiären Zusammenhalts. Wenn das wichtigste soziale Gefüge auseinanderbricht, mag das Horror genug sein für all jene, die sich auf Stabilität und Liebe verlassen. Die animalisch röchelnde Kreatur mag da nur ein Symptom sein – um es besser begreifen zu können, im wahrsten Sinne des Wortes.

Wolf Man (2025)

Nightbitch (2024)

EIN JAMMER MIT DER MAMA

4,5/10


nightbitch© 2024 Searchlight Pictures. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE / DREHBUCH: MARIELLE HELLER

CAST: AMY ADAMS, SCOOT MCNAIRY, MARY HOLLAND, JESSICA HARPER, KERRY O’MALLEY, ZOE CHAO U. A.

LÄNGE: 1 STD 38 MIN


Das alles ist schneller vorbei als uns Eltern lieb ist: Kaum sind unsere Schützlinge auf der Welt, steuern sie der Abnabelung zu. Die Phase des Kleinkindalters fühlt sich zwar wie eine Ewigkeit an, doch rückblickend war es nur ein Moment voller Entbehrungen für einen guten Zweck, nämlich das, was man über alles liebt, für ein ungeschriebenes Leben vorzubereiten. Wenn es hochkommt, sind es nur ein paar Jahre, dann kann sich der kleine Knopf schon selbst orientieren. Es geht schließlich ums Gesamtpaket einer werdenden Persönlichkeit, da sind schlaflose Nächte und kaum eigene Freizeit nur etwas, das man fürs große Ganze opfert. In dieser Zeit – und gegen alle Bemühungen, die Rollen neu zu verteilen – ist nach wie vor das „Muttertier“ aus dem gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Leben vorübergehend ausgeschlossen, schließlich geht es rein biologisch betrachtet um die Arterhaltung der Spezies Mensch. Als solcher will man schließlich alles haben – Karriere, Freunde, Freizeit, und nebenbei ein Kind. Geht doch. Betreuungen sind ohnehin buchbar, wenn es das Budget erlaubt. Wozu hat man dann aber Kinder? Aus Prestigegründen? Um sich selbst zu beweisen, alles hinzubekommen? Oder, um sich dem natürlichen zweck des Daseins zu besinnen?

In einer immer noch und leider Gottes patriarchalen Gesellschaft, die mit Trumps Wahlsieg wohl wieder mal erstarken wird, ist die Frau immer noch jene, die ungefragt zuhause bleibt. Schließlich ist sie Mutter, und daher wichtiger fürs Kind? Eine falsche Prämisse, die Amy Adams als wochentags alleinerziehendes Paradebeispiel einer Frau am Rande der Selbstaufgabe langsam erkennt. Der in sich zerrissenen, ehemaligen Künstlerin wird auch klar, dass Selbstverwirklichung kein Thema mehr sein darf, dass Ich-AG, Selbstfürsorge und Interessenspflege erst dann zum Zug kommen, wenn die Familie mal durch ist. Das jedoch findet nie statt. Unzufriedenheit macht sich breit, trotz Liebe zum Nachwuchs. Mama muss sich neu orientieren, neu justieren. Dem Ehemann in seinen veralteten Ansichten zur Ressourcenverteilung mal ordentlich die Leviten lesen. Und das innere, urtümliche Muttertier entdecken, die Wahrheit hinter dem ganzen Dilemma, ein Kind großzuziehen.

Dass die Amis auch Filme machen können, die der deutschen Wohlstandskomödien-Kinowelt entsprungen sein könnten, beweist Marielle Heller (Can You Ever Forgive Me?) mit dem Mutterschafts-Lamento Nightbitch – dem letzten Film aus meiner persönlichen Viennale-Auswahl. Amy Adams tut dabei alles, um an den Rand der Erschöpfung zu gelangen. Natürlich ist es anstrengend, entbehrungsreich, eine Grenzerfahrung – und obendrein nicht neu. Nightbitch liefert Erkenntnisse, die an einen Werbefilm für elterliche Gleichberechtigung erinnern. Es darf auch mal Papa zuhause bleiben, wie wäre es mit Väterkarenz? Und so weiter und so fort. Inspirierend ist das nicht, inspirierend ist vielleicht in Ansätzen jene fantastische Ebene, die womöglich nur in den Vorstellungen von Amy Adams Figur existiert. Der Werwolf-Mythos stellt sich ein, ein dick aufgetragener, eher plumper Symbolismus für ein animalisches Gefühl, das Schwangerschaft, Entbindung und die ersten Jahre eines neuen Lebens umspannen, und das Frau nicht verdrängen sollte. Ist es also mütterliche Pflicht, sich selbst aufzugeben, um zum Muttertier zu werden? Was genau will Heller mit ihrer satirischen Komödie uns normalsterblichen Eltern mit auf den Weg geben?

Dass die Gebärende lediglich gebärt, während der Rest des ganzen Projekts auch auf das Vatertier übertragen werden kann? Die Zugänge zu gleich mehreren Ansätzen sind schulmeisterlich bis banal. Binsenweisheiten und eine missglückte Metaebene, die gleichzeitig Freiheit vor den Konventionen und Rückbesinnung auf die Urtümlichkeit bedeuten. Nightbitch kann als archaisches, aber haareraufend unschlüssiges Familienabenteuer mit herkömmlicher Problemstereotypie betrachtet werden. Der radikale Rundumschlag, die mutige Avantgarde, sie bleiben verwehrt. Vielleicht auch, weil der Film unbedingt will, dass das Publikum sich wiederfindet. Mehr als Themenkabarett ist das manchmal aber nicht.

Nightbitch (2024)

The Shrouds (2024)

ÜBER LEICHEN GEHEN

5,5/10


theshrouds© 2024 Viennale

LAND / JAHR: KANADA, FRANKREICH 2024

REGIE / DREHBUCH: DAVID CRONENBERG

CAST: VINCENT CASSEL, DIANE KRUGER, GUY PEARCE, SANDRINE HOLT, ELIZABETH SAUNDERS, JENNIFER DALE, ERIC WEINTHAL, JEFF YUNG U. A.

LÄNGE: 1 STD 56 MIN


Sind die Horror-Eskapaden auf Leinwand und Bildschirm nach den Halloween-Feierlichkeiten längst Geschichte, rücken Filme in den Fokus, die zur wohltuend vernebelten, melancholisch verstimmten Zeit des Novembers passen. Bevor uns das Genre des Weihnachtsfilms alle Jahre wieder die Zuckerstange um die Ohren haut, haben die Friedhofsfeiertage noch einiges an Content in petto, der noch aufgearbeitet werden will, denn schließlich sollte man auch nicht von einem Tag auf den anderen all die lieben Verstorbenen keines Gedankens mehr würdigen. Die Endlichkeit ins Bewusstsein zu rufen ist auch angesichts funkelnder Straßenbeleuchtung kein Fehler. Das lässt sich mit Werken wie Almodóvars The Room Next Door zelebrieren, oder eben, falls man die Gelegenheit am Schopf gepackt hat, zu den Filmfestspielen der Viennale den neuen Cronenberg auf die Liste zu setzen, mit The Shrouds.

Im Business-Englisch taucht diese Vokabel wohl eher selten auf, es sei denn, man mischt im internationalen Bestattungs-Business mit. Shroud heisst übersetzt so viel wie Leichentuch, und natürlich kommt mir jenes mysteriöse Artefakt in den Sinn, das eine Zeit lang im Dom vor Turin Gläubige in seinen Bann gezogen hat: Das Leinen mit dem Antlitz Jesu Christi. Doch um dieses mittlerweile als Fälschung enttarnte Webstück geht es hier nicht, obwohl es zumindest einmal erwähnt wird. David Cronenberg inszeniert sich in diesem merkwürdigen Mysterydrama mehr oder weniger selbst, dafür castet er den unverwechselbaren Vincent Cassel mit weißem Bürstenhaarschnitt, der um seine verstorbene bessere Hälfte trauert. Diese wiederum darf als Diane Kruger unter der Erde vor sich hin verwesen, während – und jetzt haltet euch fest – andere dabei zusehen können. Schließlich ist der Zerfall eines leblosen menschlichen Körpers nichts, was man nicht auch noch mit der lieben Familie teilen könnte. Als eher unästhetischer, aber der Natur unterworfener Prozess ist Verwesung laut Cronenberg fast schon so etwas wie eine nicht festgeschriebene, stets neu improvisierte, visuelle Symphonie. Für all jene, die es gerne morbid mögen.

Cronenberg tut das. Er mag auch Narben, Nähte und Amputationen. In seinem vorletzten, nicht minder mysteriösen Crimes of the Future sind Operationen und Transplantationen aller Art der letzte Schrei – im wahrsten Sinne des Wortes. In The Shrouds schreit niemand mehr, da schreit nicht mal das Publikum, denn Zombies, die keine sind, sondern brav unter der Erde liegen, wie es sich gehört, lassen niemanden hinter dem Grabstein hervorkommen. Dieser ist schließlich ebenfalls State of the Art in einer nicht näher definierten Zukunft, ist die Steinmetzarbeit doch ausgestattet mit allerhand High-Tech, über die man den lieben Verstorbenen noch ein letztes Mal in die Augenhöhlen blicken kann. Diesen elitären Garten der Toten verwaltet Cronenberg oder eben Vincent Cassel als Unternehmer Karsh schon allein deswegen, weil die eigene Gattin Kundin sein darf. Mag sein, dass diese bizarre Idee, den Toten nahe zu sein, in manchen Kreisen auf Widerstand stößt. Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Vandalismus in diesem Friedhof um sich greift. Karsh ist entsetzt und investigiert. Dabei bezieht er seine Schwägerin mit ein, ebenfalls gespielt von Kruger, mit der ihn bald mehr verbinden wird als ihm lieb ist. Und den Computerspezialisten Maury (Guy Pearce), der Karsh dabei helfen soll, die wahren Täter ausfindig zu machen.

Wir haben hier das Szenario eines Near-Sci-Fi-Krimis, deutlich mit Tendenz zum autobiografischen Lamento eines Alter Egos des Künstlers, der auch tatsächlich mit diesem Streifen den Verlust seiner Ehefrau verarbeitet sieht. Das Herkömmliche steht Cronenberg jedoch ganz und gar nicht, wobei das Monströse und Pietätlose geduldig im Hintergrund verharrt. Viel lieber darf The Shrouds deutlich augenzwinkernder erscheinen, weniger knochentrocken (was für ein passendes Adjektiv), dafür mit Hang zur unfreiwilligen Parodie eines ganzen Subgenres, das Cronenberg im Alleingang mit denkwürdigen Werken gepflastert hat. The Shrouds gehört nicht ganz dazu, nicht unbedingt wird man sich gerade an dieses obskure Spiel mit der Vergänglichkeit erinnern, da haben andere Arbeiten Vorrang. Das Drama gibt nur vor, einer komplexen Krimihandlung zu folgen, tatsächlich treiben so Dinge wie Verlust und Loslassen einen Typen wie Cassel durch einen unwegsamen, luxuriösen Trauerprozess, bei welchem die Toten für Bodyhorror kaum eine Verwendung finden. Außer es sind Zombies. Doch mit so etwas Trivialem gibt sich der intellektuelle Querdenker nicht ab.

The Shrouds (2024)

Else (2024)

MATERIE IM WANDEL

7,5/10


Else© 2024 WTFilms


LAND / JAHR: FRANKREICH, BELGIEN 2024

REGIE: THIBAULT EMIN

DREHBUCH: THIBAULT EMIN, ALICE BUTARD & EMMA SANDONA

CAST: MATTHIEU SAMPEUR, ÉDITH PROUST, LIKA MINAMOTO U. A.

LÄNGE: 1 STD 40 MIN 


Filme wie dieser sind der Grund, warum ich Events wie das Slash Filmfestival oder das deutsche Fantasy Filmfest (an welchem ich selbst noch nie war, dessen Programm sich aber mit dem Wiener Pendant überschneidet) so liebe. Um es mit den Worten des oft zitierten Forrest Gump zu sagen: Mehr noch als anderswo hat man es hier mit einer gut gefüllten Schachtel unterschiedlichster Pralinen zu tun, deren Geschmack sich erst offenbart, wenn man reingebissen hat. Denn im Genre des Phantastischen muss man den Schritt ins Unbekannte wagen. Jenseits dieser Schwelle gibt es Welten, die es real nicht gibt, die unserer Welt zukünftig ähneln könnten und in einen narrativen Kontext bringen, was wir uns in unserem präfrontalen Kortex alles ausdenken. Dabei gelingt es immer wieder, scheinbar festgefahrene Themenkreise wie das Ende der Welt, Vampire oder Zombie-Pandemien aus ihrem klischeebehafteten Dämmerschlaf zu holen. Neue Vibes braucht diese Art Kunst schließlich immer wieder.

Hier, im Filmcasino in Wien, können Pioniere, Debütanten und völlig autarke kreative Köpfe ihre Erstlingswerke präsentieren oder – ungeachtet des Zaumzeuges eines durch Marketingzwecke eingeschränkten Studios – Nischiges und höchst Sonderbares, Groteskes und Fürchterliches auf das interessierte Fanpublikum loslassen. Eines dieser Highlights auf der Reise in unmögliche und inspirierende Welten ist Else, ein Endzeitdrama der so gut wie gar nicht herkömmlichen Art, wobei sehr wohl erwähnt werden muss, dass der Umstand eines unkontrollierbaren Virus zumindest etwas ist, was der Film vielleicht mit anderen dieser Art gemeinsam haben könnte. Diese Seuche oder was immer das ist scheint zumindest höchst ansteckend, und aus diesem Grund lässt ein Lockdown ein junges Liebespaar in ihren vier Wänden verweilen – genauer gesagt sucht die quirlige Cassandra ihre Partybekanntschaft Anx auf, ein eher introvertierter Einzelgänger, der sich in der Wohnung seiner an Krebs verstorbenen Mutter verbarrikadiert hat. Beide biegen die Tage mehr recht als schlecht hin, doch dass sich bei dieser Katastrophe die Gefahr im Draußen bannen lässt, ist eine Illusion. Und das ist das Ungewöhnliche und regelrecht Absurde und kaum Vorstellbare in Else: irgendetwas auf diesem unserem Planeten bringt Materie dazu, miteinander zu verschmelzen. Dazu zählt der menschliche Körper, und je länger dieser mit den Gegenständen um ihn herum in Berührung verharrt, umso mehr gehen diese in den atmenden Organismus über. Der Mensch wird zur Wand, zum Lacken oder zum Tisch. Alles, was greifbar ist, greift ineinander, in mehreren Phasen – diesem Dilemma lässt sich nur entgehen, wenn man stets die Position wechselt. Eine Challenge, die keiner auf Dauer bestehen kann. Und so kommt, wie es kommen muss: Leblose Materie wird zum lebenden Organismus und umgekehrt. Wie Filmemacher und Virtuose Thibault Emin dieses Szenario auf die Leinwand bringt, ist ein immersives, eigenwilliges, doch letztlich atemberaubendes Erlebnis.

Kein anderer Film hat im Rahmen des Festivals meine Neugier so geweckt wie dieser – wie lässt sich ein solcher metamorpher Wahnsinn ohne Millionenbudget und großem Studio im Rücken umsetzen? Zu welchen Mitteln greift Regisseur Emin? Letztes Jahr hatte eine ähnlich gelagerte Endzeitvision seine Premiere – und zwar Animalia. Hier war es nicht tote Materie, sondern die Tierwelt, die ihre Gene mit jenen der Menschen vermischt hat. Herausgekommen sind diverse Hybride, formschön, elegant und mit hohem computertechnischem Aufwand umgesetzt. Effekte, die Wētā oder ILM wohl nicht besser hinbekommen hätten. In Else sind ganz andere Innovationen am Start. Vor allem Bodypainting und Make-up sind eine Sache, die andere findet ihre Umsetzung sehr wohl auch in animierten Bildern. Beides gemeinsam macht die Katastrophe immens greifbar. Doch das ist nicht alles: Während vor der ersten Phase der Verschmelzung die Welt noch in Farbe erscheint, ändert sich dies in Phase Zwei und Drei, Emin filmt nun in Schwarzweiß und lässt dadurch die Begrifflichkeit einer Welt, wie wir sie kennen, noch mehr verschwinden und verschwimmen. Bei Betrachtung der ersten halben Stunde des Films lässt sich niemals ausmalen, was letztlich folgen oder welches Ausmaß dieser Paradigmenwechsel erreichen wird. Den Wandel der Materie in dieses irgendetwas – eben Else – in einen einzigen, großen Organismus aus allem, was sich greifen lässt, beschreibt das surreal-abstrakte Drama wie eine Symphonie – das Bemerkenswerteste ist das dabei Zurückdrängen des kognitiven Bewusstseins, um instinktivem Empfinden Platz zu machen. Letztlich könnte die Wandlung einen Planeten neu gebären, der dem aus Stanislaw Lems Solaris gleicht. Einem komplexen himmelskörpergroßen, kollektiven Bewusstsein.

Diese Was wäre wenn-Idee auch wirklich umgesetzt zu haben, und zwar so, dass sie nicht lächerlich oder bemüht wirkt, sondern aus einem souveränen Selbstbewusstsein und einer Vision heraus entstanden ist, dafür gebührt Thibault Emin größer Respekt. Mit diesem Debüt hat der Franzose etwas Verblüffendes geschaffen, andererseits aber auch etwas, worauf man sich einlassen muss. Ein inspirierendes Werk, neuartig und pioniergeistig.

Else (2024)

She Loved Blossoms More (2024)

DR. WHO IM DROGENRAUSCH

5/10


She Loved Blossoms More© 2024 Yellow Veil Pictures


LAND / JAHR: GRIECHENLAND, FRANKREICH 2024

REGIE: YANNIS VESLEMES

DREHBUCH: YANNIS VESLEMES, DIMITRIS EMMANOUILIDIS

CAST: PANOS PAPADOPOULOS, JULIO GIORGOS KATSIS, ARIS BALIS, SANDRA ABUELGHANAM SARAFANOVA, ALEXIA KALTSIKI, DOMINIQUE PINON U. A.

LÄNGE: 1 STD 26 MIN


Dieser Film ist vieles, aber nichts wirklich konkret. Und ja, es ist keine Übertreibung, zu behaupten, She Loved Blossoms More des Griechen Yannis Veslemes, der sein Werk per Videobotschaft genauso wenig enthusiastisch gehostet hat wie seine Protagonisten letztlich die Sache in dieser Geschichte angehen werden, ist wohl eines der unzugänglichsten, aber auch unzulänglichsten Kuriositäten, die ich, auf Slash-Schiene fahrend, bisher sehen konnte. Da hatte selbst der verrückte The Belgian Wave noch einen roten Faden, während man sich in einem Tagtraumzustand wie diesen, der mit anderen Dimensionen kokettiert, einfach nur verlieren kann. Das ist aber nicht im positiven Sinn gemeint. Verlieren kann man – oder sollte man sich gar in einem Film als inhärenter Teil der Geschichte ohne aktive Funktion. Bei She Loved Blossoms More verliert man sich, als stünde man des Nächtens auf einem unberuhigten Verkehrsknotenpunkt in einem sogar noch alphabetisch fremden Land und müsste seinen Weg nachhause finden. Das Einzige, was als Fixpunkt herhalten kann, ist das weitläufige, düstere, holzwurmstichige Herrenhaus der Familie, bewohnt von drei Brüdern, die ihr Dasein irgendwo in naher, tropisch feuchter Zukunft am Rande von Athen mehr oder weniger bekifft und zugedröhnt bestreiten – verfilzt, antriebslos, gekleidet in verwaschenen Bademänteln und zwischendurch mal die tote Mutter betrauernd, die vor dem Haus begraben liegt. Im Wintergarten steht ein Schrank aus dem Jugendstil, eine Art „Tardis“, innen ausgepolstert und dazu da, Portale in andere Dimensionen zu öffnen. Genaugenommen soll keine Zeitreise, sondern ein Trip ins Jenseits unternommen werden, um das Projekt des abgängigen Vaters (Dominique Pinon, Delicatessen, Alien – Die Wiedergeburt) zu Ende zu führen und die allerliebste Mama zurückzubringen. Dabei testen sie die innovative Gerätschaft zuerst mal mit Schweinen und Hühnern – beides misslingt auf seine Art und hinterlässt einerseits grässliche, andererseits verblüffende Mutationen.

Und so geht es weiter, unter dampfenden Nächten und matthellen Tagen, immer im und ums Haus herum, später gibt’s Damenbesuch – die promiskuitive Griechin wird dann schließlich ebenfalls in den Schrank gesteckt – und ab da an wird es richtig konfus und so, als hätte Yannis Veslemes rein intuitiv und assoziativ inszeniert, denn was seinem Film schließlich fehlt, ist eine Richtung, ein Rhythmus, eine Stringenz in all dem Hokuspokus. Kaum glaubt man, es gehe etwas weiter, kehrt der bizarre Müßiggang wieder zu seinen Anfängen zurück, es ist wie Rutschbahn und Leiter, und andauernd erwischt es die Rutschbahn, die man auf grünem Schleim hinuntergleitet. Dieser Schleim zieht sich dann auch durch den Film, womöglich ist es Dimensionsschleim, keiner weiß es so genau, nicht mal der Regisseur und schon gar nicht seine Darsteller. Als würde Fear and Loathing in Las Vegas eben nicht in Las Vegas spielen und nur auf der Stelle treten, ein halbes Huhn am Schoß und den Kopf der Freundin, pittoresk gespalten, im oberen Schlafgemach. Surreales und Wundersames sind Veslemes Spezialität, sein Rätselspuk wäre ja vielleicht ganz reizvoll, hätte er wohl mehr darauf verzichtet, die Stadien unterschiedlicher Wahrnehmungszustände alle gleich aussehen oder die Brüder nicht andauernd dumm aus der Wäsche gucken zu lassen. Ein bisschen enerviert das Ganze, wenngleich die Bildsprache, die an Jean-Pierre Jeunets Frühwerke erinnert, und so manche verrückte Idee für sich durchaus ihre Berechtigung haben, ja geradezu verblüffen, hätte man sich erzählerisch am Riemen gerissen als nur das in Stichworten niedergeschriebene Protokoll eines Brainstormings als Film umgesetzt. Kann man machen, alles ist möglich, gerade im Phantastischen. Ob es funktioniert, steht auf einem anderen Blatt. Oder findet sich in einer anderen Dimension.

She Loved Blossoms More (2024)

The Substance (2024)

WAHRE SCHÖNHEIT KOMMT VON INNEN

7/10


THE SUBSTANCE© 2024 Universal Pictures


LAND / JAHR: VEREINIGTES KÖNIGREICH, USA, FRANKREICH 2024

REGIE / DREHBUCH: CORALIE FARGEAT

CAST: DEMI MOORE, MARGARET QUALLEY, DENNIS QUAID, HUGO DIEGO GARCIA, GORE ABRAMS, MATTHEW GÉCZY, DANIEL KNIGHT, PHILIP SCHURER U. A.

LÄNGE: 2 STD 21 MIN


Nur nicht alt werden! Dabei ist laut Johann Nestroy Altern die einzige Möglichkeit, länger zu leben. Und die Sache mit dem Jungbrunnen, von welchem die Kosmetikbranche verspricht, dass man darin baden könne, erschließt sich auch nicht ganz. Somit bleibt die Sehnsucht nach ewiger Jugend, einem knackigen Körper und dem daraus resultierenden Wohlwollen einer Gesellschaft, die sich aus Bequemlichkeit ihrem Konservativismus hingibt und somit auch Werte weiterträgt, die längst schon obsolet sein sollten. Wie die des schlanken, makellosen Frauenbildes, auch wenn manche Konzerne in ihrem Marketingplan ein Herumrudern in eine liberalere Richtung versuchen. Allein: es wirkt nur bedingt. Zumindest das Showbiz ist hier gnaden- wie rücksichtslos. Und füttert die Dysmorphophobie, wo es nur geht.

The Substance ist ein Schreckgespenst für alle jene, die ihr Äußeres nicht für gut genug befinden. Das muss nicht zwingend mit dem Alter zusammenhängen, doch Coralie Fargeat (Revenge) sieht das größte Problem darin, den eigenen, der Entropie unterworfenen Körper nicht mehr lieben zu wollen. In ihrer Angst bestätigt würden sich Betroffene mit The Substance wohl nicht sehen, dafür macht sich das Werk allzu plakativ über Körperlichkeiten lustig und den unbeholfenen Drang, gefallen zu müssen. Der Mediengesellschaft einen Spiegel vorzuhalten, und zwar in der freakigen Gestalt einer grenzenlos überzogenen Groteske, das könnte gelingen. Und tut es auch. Ein ganz klassisches Cannes-Highlight ist Fargeats Film schließlich geworden, erinnernd an Titane, nur gleich in mehreren anderen Genres wütend, während Titane viel schwieriger einzuordnen ist als dieses durchgetaktete und stampfenden Gym-Rhythmen unterworfene Gerangel zwischen altem und jungem Ich in ein und derselben Person, dargestellt durch die lange auf der Leinwand abstinente Demi Moore und Beauty Margaret Qualley. Ein leidenschaftlicheres Duo hätte Fargeat nicht finden können. Leidenschaftlich und auch bereit, sich in gewisser Weise aufzuopfern für eine Agenda, die schon Robert Zemeckis in den 90er verfolgt hat: dem Schönheitswahn eins auszuwischen.Der Tod steht ihr gut nannte sich die kecke Komödie mit Meryl Streep und Goldie Hawn, die ebenfalls dank einer Substanz die Möglichkeit der ewigen Jugend am Schopf packen. Bruce Willis als schwächelnder Männlichkeit blieb da nur, hilflos zuzusehen, wie gewiefte Spezialeffekte die Leiber der beiden Star-Ikonen ramponierten.

Nun beweist Demi Moore, wie sehr sie die Kunstfertigkeit von State of the Art-Maskenbildner über sich ergehen lassen kann – während Qualley mit strahlendem Sex-Appeal im Aerobic-Einteiler die Popbacken zucken lässt und das männliche Publikum dazu bewegt, ihren Male Gaze auszupacken. Anders als die beschwingte Screwball-Kritik von damals malt The Substance den Teufel an die Wand und bannt das Hässliche in ihre grell bebilderte, höchst freie Interpretation eines ganz anderen Stoffes: Oscar Wildes Dorian Gray durchläuft eine ähnliche Läuterung wie Elisabeth Sparkle aka Sue, die mit sich selbst, ihrem Äußeren und ihrem Erfolg niemals zufrieden sein kann. Man sieht: Neu sind Fargeats Überlegungen alle nicht, aber ernüchternderweise immer noch zeitgemäß und fürchterlich akut. So gibt sich Demi Moore eben dank der Empfehlung eines Unbekannten die volle Dröhnung okkulter Mittelchen, und noch ehe der Ex-Medienstar den Verdacht äußern kann, man hätte es hier mit Homöopathie zu tun, schält sich ein jüngeres Ich aus der in Stasis befindlichen Älteren, um für sieben Tage auf den Spuren längst vergangener Erfolge zu wandeln. Danach wechselt Alt gegen Jung und so weiter und so fort. Die Rechnung würde aufgehen, würde Sue (eben Qualley) nicht mit dem Gedanken spielen, ihr älteres Ich hinzuhalten – immer mehr und immer länger. Die Folgen sind absehbar, die Moral von der Geschichte tadelt die Gier nach Jugend in drastischen Bildern und wunden Details.

Irgendwann, nachdem The Substance längst ihren Höhepunkt erreicht und Demi Moores Körper alle möglichen Stadien des Verfalls durchgemacht hat, erreicht der Film einen Moment, wo er hätte enden können, denn schließlich ist alles erzählt, jede Metaebene angekommen. Die Sache liegt klar auf der Hand, der Twist ein erwartbar expliziter. Doch Fargeat gibt sich damit nicht zufrieden. Genauso wenig, wie ihre Figuren nicht wissen, wann sie aufhören sollen, weiß es die Regisseurin. Ganz im Sinne des Exploitation-Genres treibt sie das Jungbrunnen- und Schönheitsdilemma wie eine gesengte Sau durchs Dorf, nach dem Bodyhorror ist vor dem Bodyhorror, Carpenters The Thing lässt grüßen. Die Extreme nehmen zu, haben aber nur noch wenig Mehrwert. Der Rest der Groteske macht den Catwalk frei für eine zum Selbstzweck verkommenen Freakshow, um noch eins und dann noch eins draufzusetzen. Im Kino, im Film, da ist alles möglich, da muss man keinen Schlussstrich ziehen, vielleicht ist die vollständige Überdrehung ins Surreale letztlich das Mokieren über gesellschaftliche Parameter, die niemand ändern will.

Für schwache Mägen ist The Substance nicht geeignet. Wer mit Deformierungen nicht klarkommt und David Cronenbergs Fliege als bereits auf die Spitze getrieben betrachtet, wird hier eines Besseren belehrt. Merkwürdig ist die andauernde Reminiszenz an Stanley Kubrick, fraglich auch die wenig ausgearbeitete Rolle von Dennis Quaid, der als platter Männerwitz die Pointe nicht findet. Wer nicht nur den Exzess sucht, sondern durch unorthodoxen Kino-Expressionismus so sehr erfrischt werden will, dass er die althergebrachte Conclusio im besten Sinne herrlich verstört mitträgt, wird diese Filmerfahrung zu schätzen wissen. Als Auftakt für das Slash-Filmfestival ein idealer Blockbuster.

The Substance (2024)