Ich bin dein Mensch

DIE SIMULATION DER ZWEISAMKEIT

7/10


IchBinDeinMensch© 2021 Majestic Filmverleih


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND 2021

REGIE: MARIA SCHRADER

CAST: MAREN EGGERT, DAN STEVENS, SANDRA HÜLLER, HANS LÖW, WOLFGANG HÜBSCH, ANNIKA MEIER U. A. 

LÄNGE: 1 STD 48 MIN


Es ist menschlich, sich was vorzumachen. Mit der eigenen zurechtverdrängte Realität lässt sich doch gut leben. Warum sollte man also da aufhören, wo es vielleicht am schönsten wäre? Bei der Partnerschaft. Manchmal reicht da einfach nur eine Stimme, um sich zu verlieben. Jean Cocteau hatte die Stimme am Telefon. Für Joaquin Phoenix in Spike Jonzes Her war Scarlett Johannsons Organ zu einer nicht körperlichen KI mehr als genug, um sich zu verlieben. Wenn dann aber ein attraktiver Mann mittleren Alters, augenscheinlich aus Fleisch und Blut, jeden Wunsch von den Augen abliest, kann das nur ein Erfolgsmodell werden. Damit nämlich rechnet eine in Berlin ansässige Robotik-Firma und hat bereits Eurozeichen in den Augen, als nur noch eine einzige Hürde überwunden werden muss, bevor die Innovation auf den Markt kommt: die Testung in privatem Haushalt. Für so etwas wird die Archäologin Alma mehr oder weniger zwangsverpflichtet. Sie muss den Partner-Androiden Tom für 3 Wochen mit zu sich nach Hause nehmen und auf die Frage Eignen sich Roboter als Partner-Ersatz? ein so gut es geht objektives Gutachten verfassen. Alma hat wenig Lust dazu, steckt sie doch bis über beide Ohren in einer Studienveröffentlichung zum Thema Keilschriften. Doch da muss sie durch – und nimmt den etwas hölzern wirkenden Charmebolzen mit in die eigenen vier Wände. Dieses Gekünstelte, so meint Tom, gibt sich bald – er muss seinen Algorithmus nur noch perfektionieren. Was aus diesen nächsten Wochen daraus entstehen mag – es ist nicht vorherzusehen. Und das ist schon mal eines der schönen Dinge, die diesen Film als etwas sehr Interessantes klassifizieren.

Ich bin dein Mensch ist ein Science-Fiction-Film, der noch weniger als Her visuellen Futurismus auch nur irgendwie nötig hat. Niemals blickt man in das Innere von Tom, niemals auch nur sind scheinbar schwebende Displays, Kabeln oder Knöpfe jemals relevant. Maria Schrader schlägt mit ihrem durchdachten Beitrag zum Informationszeitalter eine ganz andere Richtung ein. Dabei ist es, im Gegensatz zu ebenfalls recht durchdachten Filmen aus dem Roboter-Genre, auch nicht gerade die Frage der Ethik, die hier im Vordergrund steht. Für sie ist der Umstand, oder die Möglichkeit, alsbald einen Mensch-Ersatz menschlichem Willen zu unterwerfen, ein Umstand, der genauerer Betrachtung bedarf. Ein sozialpsychologisches Problem also. Eine ganz eigene Studie, die Maria Schrader hier betreibt, und für die sie mit Maren Eggert eine ebenso kritische wie leidenschaftliche Verfasserin gefunden hat. Vor ihr der charmante, ein bisschen als eine Mischung aus Anthony Perkins und James Stewart empfundene Gesellschafter – Dan Stevens (u. a. Die Schöne und das Biest, Downton Abbey) schafft als grüblerischer und gutmütiger Android mit britischem Akzent einen brillanten Balanceakt zwischen Star Trek´s Data und einem menschlichen Superhirn wie Sheldon Cooper, dazwischen aber gelingen ihm verblüffend menschliche Züge, bei welchen man als Zuseher fast schon selbst vergisst, dass dieser Tom eigentlich ein Roboter ist. Dabei zählen seine durchaus logisch nachvollziehbaren Handlungen, die enormes komödiantisches Potenzial entfalten, zu den wirklich witzigen Höhepunkten des Films.

Ich bin dein Mensch ist aber nur zum Teil Komödie. Im Grunde ist Schraders Film eine Gewissensfrage – an den Menschen im Zustand erdrückender Isolation und an ein künstliches Wesen, das vorgibt, alles zu verstehen. Die Simulation der Zweisamkeit allerdings kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein, ist sie doch darauf ausgerichtet, die Grundmotivation der Lebenden, nämlich das Streben nach unerfüllten Wünschen, vorwegzunehmen. Doch andererseits… was weiß man.

Diese nachdenkliche, spitzzüngige und enorm pointierte Komödie über ein gesellschaftliches Grundproblem unserer Zeit schlägt zwar klar einen Kurs ein, lässt aber trotzdem alle Fragen offen. Und das in einer Zeit der vermeintlichen Fortschritte und anmaßenden Gewissheiten.

Ich bin dein Mensch

Die Mitchells gegen die Maschinen

ALEXA LÄUFT AMOK

6/10


mitchells© 2021 Netflix / Sony


LAND / JAHR: USA 2021

BUCH / REGIE: MICHAEL RIANDA, JEFF ROWE

MIT DEN STIMMEN VON (ORIGINAL): DANNY MCBRIDE, MAYA RUDOLPH, ABBI JACOBSON, OLIVIA COLMAN, ERIC ANDRÉ, JOHN LEGEND U. A. 

LÄNGE: 1 STD 54 MIN


Seit geraumer Zeit macht sich ein gewisser Trend bemerkbar. Romantische Cinderella-Geschichten sind mehr und mehr out, komödiantische Hetero-Herzblattshows zumindest im familientauglichen Mainstream-Kino angesichts einer immer liberaleren Beziehungswelt längst nicht mehr der universelle Plot. Da war Die Eiskönigin noch eine Art Relikt, bevor die mutigen Coming-Of-Age Heroen (vorwiegend weiblich) aus Mulan, Raya und der letzte Drache oder Die bunte Seite des Monds nicht um ihre Liebe, sondern um die Familie und überhaupt um den ganzen Erhalt einer harmonisch funktionierenden Gesellschaft kämpfen. Wobei Familie in Hollywood sowieso immer schon wichtig war. Und vor allem auch bei Disney: mal in penetranten Soll-Lettern, und dann wieder auf einer gepflegten Meta-Ebene. Sony findet da auch seinen Weg.

In Die Mitchells gegen die Maschinen ist zumindest keiner der Familienmitglieder – vorzugsweise der Eltern – eines außertürlichen Todes gestorben. Meist ist auch diese Schablone bei Jugendfilmen gern gesehen, um die oder den Protagonisten vom übrigen Co-Cast klarer abzugrenzen. Hier, in der von Sony produzierten und animierten Komödie, die mangels möglicher Kinoauswertung an Netflix verkauft wurde, haben wir es anfangs mit einer Allwerweltsfamilie zu tun, die sich selbst sehr schräg vorkommt – insbesondere Tochter Katie, die ihre Leidenschaft für Filme in selbstgemachten Videos zelebriert und kurz davorsteht, in einer Filmschule neu durchzustarten. Zwischen Vater und Tochter hängt da leider der Haussegen schief, und um die Beziehung wieder in richtige Bahnen zu lenken, entscheidet sich Papa Rick, seine Tochter höchstpersönlich an den neuen Schulort zu geleiten – per Automobil und der ganzen Familie, versteht sich. Das kann ja heiter werden. Und wird es auch, da ziemlich zeitgleich eine künstliche Smartphone-Intelligenz a la Alexa die Weltherrschaft an sich reißen will und dafür ganze Roboterarmeen aussendet, um Homo sapiens einzufangen. Dieser böse Plan geht auch auf – nur hat die K.I. nicht mit der Schlagfertigkeit der letzten freien Familie gerechnet, die ihre Diskrepanzen überwindet, um den Planeten zu retten.

Da ein Szenario wie in H.G. Wells Krieg der Welten wohl fürs Familienpublikum undenkbar wäre, werden wir, die Menschen, kurzerhand einfach nur eingesammelt. Das funktioniert und schafft damit dennoch eine wohlig beklemmende Endzeitstimmung, die auch den jüngst geeigneten Nachwuchs nicht dazu nötigt, bei den Eltern einzuschauen. Abgesehen davon ist diese schrille, vierköpfige Familie samt Hund viel zu situationskomisch, um hier die positiven Vibes nicht abzukriegen. Die Mitchells gegen die Maschinen fühlt sich an wie Pixars Die Unglaublichen – nur ohne Superhelden-Attitüde und statt Baby gibt’s den Mops, der für die meisten Lacher sorgt, nebst des grobschlächtigen Vaters, dessen Charakter am schönsten beschrieben wird. Klar, es gibt jede Mange hyperaktives Chaos, Geplärre und Hektik – das hätte Pixar womöglich um einige Dezibel runtergeschraubt. Allerdings nimmt sich das von Chris Lord und Christopher Miller (Oscar für Spider-Man: A New Universe) produzierte Abenteuer gerade anfangs erstaunlich viel Zeit, um die liebe Familie mit all ihren Eigenheiten und eingebettet in ihren Alltagsrhythmus vorzustellen. So macht man das, bei Endzeit- oder Katastrophenfilmen, auch wenn sie animiert und kindertauglich sind.

Den völlig aus dem Ruder laufenden Overkill hätte es am Ende zwar nicht gebraucht, aber dennoch: dieser Genremix unterhält. Dank der kleinen, originellen Details, die geschickt in die Handlung eingeflochten sind – und diese auch vorantreiben. Denn wer hätte gedacht, dass es mal gut sein kann, einen Vierkant-Schraubenzieher mit rutschfestem Griff dabeizuhaben. Ja, gut, MacGyver vielleicht…

Die Mitchells gegen die Maschinen

Upgrade

EIN KREUZ MIT DER TECHNIK

7/10

 

upgrade© 2018 Universal Pictures Germany

 

LAND: AUSTRALIEN 2018

REGIE: LEIGH WHANNELL

CAST: LOGAN MARSHALL-GREEN, MELANIE VALLEJO, HARRISON GILBERTSON, CHRISTOPHER KIRBY, BENEDICT HARIE U. A. 

LÄNGE: 1 STD 40 MIN

 

Meine Bewunderung an alle Experten der IT – mit einer mir nicht aufbringbaren Engelsgeduld leiern diese Unglaubliches aus den digitalen Synapsen eines künstlichen Speichermediums. In Zeiten drängender Entwicklungen ein Know-How mit Jobgarantie. Mir als End-User geht aber bereits schon das Geimpfte auf, wenn sich auf meinem Apple die kunterbunte Semmel des Todes dreht, als würde mich der Rechner persönlich beleidigen. Weil ich diese gefühlte Launenhaftigkeit einfach nicht verstehen kann. Aus diesem Mysterium heraus lässt sich wutentbrannt in die Zukunft fabulieren und philosophieren: Zu welchen Schandtaten Computertechnik denn noch fähig wäre. Kombiniert mit Biomechanik: zu sehr vielen. Allerdings auch für den Zweck einer physischen Assistenz, wie wir seit Paul Verhoevens Robocop wissen. 

In diesem bereits auf Streamingplattformen zum Kultfilm avancierten Science-Fiction-Thriller ist das stählerne Outfit einem Implantat gewichen, das als Zweithirn an der Wirbelsäule sitzt. Medizinisch betrachtet ein Quantensprung: Querschnittgelähmte könnten so wieder all ihre Extremitäten bewegen, da das kleine, insektenartige Teil als Access-Point zwischen Hirn und Bewegungsapparat fungiert. Der mit Analogem sympathisierende Automechaniker Grey (ein Typ wie Tom Hardy: Logan Marshall-Green) bekommt nach einem sabotierten Autounfall mit anschließendem Mordanschlag auf dessen Gattin von einem recht abgehobenen High-Tech-Priester namens Eron Keen die Chance, durch dieses noch unbekannte Implantat wieder ein neues Leben zu beginnen. Der nimmt an, geht´s Grey doch nur darum, den Mord an seiner Frau zu rächen. Bald aber ist unser Held nicht mehr allein – denn der kleine Computer am Kreuz, der scheinbar alles kann, beginnt zu sprechen. Erinnert ein bisschen an Venom? Ja das tut es, vor allem weil Logan Marshall-Green auch so aussieht wie Tom Hardy. Nur statt Venom ist das subkutane Wunderteil kaum sichtbar – und auch nur dann, wenn es die Kontrolle über den menschlichen Körper übernimmt. Bald ist Grey hinter einer ausgemachten Verschwörung her, hinter Grey die Polizei und natürlich der High-Tech-Priester, der gar nicht will, das sein Baby für Rachegelüste zweckentfremdet wird.

Leigh Wannell, der vor Corona die Neuinterpretation vom Unsichtbaren in die Kinos und dann ins Heimkino brachte, hat 2018 einen brachialen Cyberpunk-Reißer inszeniert, der wortwörtlich ans Eingemachte geht. War Robocop schon ein knochenhartes Stück Actionkino, ist Upgrade tatsächlich ein Upgrade dessen, da sieht Peter Weller in der wehrhaften Karosserie eines plumpen Transformers direkt alt aus. Whannells Film macht wenig Gefangene, und wenn, dann ist ihr Dasein befristet. Das Kuriose an der Sache: wenn Grey mit seinem altklugen Zweithirn kommuniziert, bekommt der Film eine ironische Note. Und wenn Grey seinen Technical Support beim Schlagabtausch mit den ganz fiesen Jungs freie Bahn lässt, gehören diese Haudrauf-Szenen zum Bizarrsten, was handgreifliche Action bislang zu bieten hatte. Andererseits aber ist die Technik letzten Endes für Whannell, der auch das Drehbuch schrieb, einfach nur ein Hund: seit Skynet ist klar, dass künstliche Intelligenzen irgendwann zur Macht greifen wollen. Und der Mensch wird zur hilflosen, völlig unzulänglichen Kreatur ohne Aussicht auf nur die geringste Chance. Mit schmerzhaftem, dystopischem Nihilismus lässt Upgrade die Kehrseite der Medaille den strahlenden Benefit sklavischer Technik in Dunkelheit tauchen. Die Unterjochung bricht sich Bahn. So radikal und letzten Endes verstörend war selten ein Film aus diesem Genre.

Upgrade

Terminator: Dark Fate

EIN FRANCHISE WIDER WILLEN

5,5/10

 

terminatordarkfate© 2019 Twentieth Century Fox Deutschland

 

LAND: USA 2019

REGIE: TIM MILLER

CAST: MACKENZIE DAVIS, NATALIA REYES, LINDA HAMILTON, ARNOLD SCHWARZENEGGER, GABRIEL LUNA U. A. 

 

Alles begann mit einem ultrabrutalen, schnellen Actionthriller, der wie aus der Pumpgun geschossen das Publikum von den Kinostühlen schmiss. So einen Blockbuster will man als Studio natürlich nicht schubladisieren, sondern die Kuh melken, bis sie keine Milch mehr gibt. Für die Fortsetzung des Erstlings aus den Achtzigern hat James Cameron sieben Jahre verstreichen lassen. Es wäre wegen den Effekten gewesen – die dann auch noch die Benchmark der perfekten Illusion neu setzten. Cameron hat die relativ trashige, geradlinige Story in einer ebensolchen geraden Linie (Oscar für das komplexe Drehbuch gibt es keinen) zu einer geschmeidigen Fortsetzung und auch zu einem Ende geführt, welches im Extended Cut noch eines draufsetzt, sodass keiner mehr an dem Terminator-Mythos herumfriemeln kann. Ich war selbst recht verwundert, als ich zur Einstimmung für Terminator: Dark Fate diese Schnittfassung vor den Latz geknallt bekam. Und mit ansehen musste, wie mehrere Dutzend Jahre später Sarah Connor als rüstige Oma ihrem Sohnemann am Rande eines Spielplatzes dabei zusieht, wie er sich mit seinem Nachwuchs vergnügt. Ende der Geschichte. Ein paar sinnige Worte aus dem Off und das Franchise rund um den Terminator hätte mit diesem eher kitschigen Ausklang wirklich ins Archiv aufgenommen werden sollen. Gut, dass womöglich kein geringer Prozentsatz der Zielgruppe nicht weiß, dass es dieses Ende überhaupt gibt. Die Verwirrung wäre groß. Und tatsächlich wurde dieses seltsam kitschige Ende, wie auch aktuell Teil III, IV und V, einfach ignoriert. Womöglich besser so, denn das Terminator-Universum ist gelinde gesagt das beste Beispiel dafür, wie man ein Franchise tüchtig vermurksen kann. Bislang ist das Ganze zu einem Herumgepansche geworden, das für seinen Story-Mix wohl nicht ohne Golden Raspberry den Saal verlässt. Nichts passt mehr irgendwo zusammen, das reinste Patchwork, unvernäht bis in die Deckenfransen. Also Schlussstrich und anknüpfen an Teil 2.

Gesagt getan – entstanden ist im Grunde genommen ein Reboot derselben Geschichte. Wieder fallen zwei kybernetische bzw. teilkybernetische Rivalen in blitzezuckenden Energieblasen vom Himmel. Wieder sind sie nackt, und wieder jagt der eine, während die andere beschützt. Ja, auf der Beschützerseite ist diesmal eine Frau (die Terminatrix aus Teil 3 hatten wir schon, aber die hat es ja nach aktuellem Kanon nie gegeben), gespielt von der faszinierenden Mackenzie Davis, der man von Herzen danken muss dafür, dass Terminator: Dark Fate zumindest schauspielerisch kein totales Verlustgeschäft geworden ist. Ihre Figur der burschikosen Grace hat eine einnehmend gehetzte, verbissene Aura, wandelt von totaler Erschöpfung bis zur Raserei. Alleine dafür ist der offizielle sechste, aber insgeheim dritte Teil durchaus einen Kinogang wert. Was man am wenigsten von Linda Hamilton sagen kann. Aber die in ansehnlicher Würde herangereifte Dame sorgt für einen Effekt, den normalerweise Stargäste bei der Comic Con haben: Ikonen aus vergangenen Jahrzehnten haben den Kult auf ihrer Seite, auch wenn sie ewig nichts mehr gedreht haben. Mit dem Schauspielern tut sie sich rotzdem schwer. Arnold Schwarzenegger auch, aber der hat nur das mimische Soll eines T800 zu erfüllen. Was die beiden in diesem Film eigentlich verloren haben? Eigentlich nichts, denn erzählt wird ein ganz anderes, komplett neues Szenario. Und dieses Aufeinandertreffen der alten und neuen Riege fühlt sich ungefähr so an wie damals, als Jean-LucPicard auf den altehrwürdigen Captain Kirk in Star Trek VII traf. Dabei ist es halt rührend, jene, die uns in Jugendzeiten fasziniert haben, noch mal aufspielen zu sehen. Extended Cameos, würde ich sagen – die Story bringen sie nur bedingt weiter. Die hat Mackenzie Davis im Griff. Und Deadpool-Macher Tim Miller, der natürlich und völlig erwartet eine ordentliche Materialschlacht mit vorwiegend fahrbaren Untersätzen vom Stapel lässt. Fast & The Furious? Mad Max? Ja, ein bisschen. Und mittendrin der altbekannte Killerroboter mit stierem Blick, unzerstörbarer denn je. Dieses Hin und Her einer Hetzjagd ist genau das, was das Terminator-Franchise vorne und hinten abgrenzt. Die Zukunft, die Vergangenheit, irgendeine biographische Storyline von John Connor – will keiner sehen. Weil Terminator das ist, was es ist – ein Killerthriller aus den Achtzigern, der sich nicht ausbauen lässt, und wenn, dann nur mit dem Verblüffungsfaktor von flüssigem Metall.

Letzten Endes aber bekommt ein relativ vorhersehbares Krawallszenario tatsächlich noch soweit die Kurve, indem das Kaputtkriegen des Antagonisten zu einer Kraftanstrengung sondergleichen wird. Selten ist die Zerstörung von etwas geradezu Vollkommenen so eine Mordsdrumm Kraftarbeit – wirklich, das muss man gesehen haben. Aber mehr dann auch wieder nicht. Und es wäre jetzt gerade richtig, mit diesem filmischen Epilog die Sache einfach abzuschließen. Bevor sich wieder jemand die Energiekugel gibt.

Terminator: Dark Fate

Blade Runner 2049

DIE TOTALE ERINNERUNG

6/10

 

bladerunner2049© 2017 Sony Pictures / Quelle: filmstarts.de

 

LAND: USA 2017

REGIE: DENIS VILLENEUVE

MIT RYAN GOSLING, HARRISON FORD, AMY DE ARMAS, ROBIN WRIGHT U. A.

 

Nun, was haben wir denn heute Schönes geträumt? Auch wenn ich mich noch so bemühe, ich kann mich nicht erinnern. Elektrische Schafe waren es keine. Das muss etwas anderes gewesen sein. Doch was? Denken Roboter eigentlich über ihre Träume nach, die aus ihren Erinnerungen erwachsen? Erinnerungen, die als Erfahrung beständig bleiben und dem Denken und Handeln vorausgesetzt sind? Nur die Emotion hinter einer Erinnerung garantiert Wahrhaftigkeit. Eine Einsicht, die im düsteren Erdenjahr 2049 für wohlgeordnete Erkenntnisse sorgen soll. Erkenntnisse über das eigene Ich. Über die Existenz einer Seele. Und über den Wert der Persönlichkeit.

In der nebelverhangenen Finsternis von 2049 sucht ein einsamer Anti-Held, ein Blade Runner namens „K“, nach solchen Wahrheiten. Und er wird beileibe nicht alle, aber so manche Geheimnisse lüften. Vor allem mithilfe der Erinnerung. Ein Thema, welchem sich der Frankokanadier Denis Villeneuve bereits in seinem Meisterwerk Arrival angenommen hat. In diesem philosophischen und wohl einem der besten Science-Fiction Filme der letzten Jahre spielt Zeit und Erinnerung eine ganz andere Rolle. Das Gestern und Morgen ist nicht mehr linear in eine Richtung gerichtet. Und so können Erinnerungen auch jene an eine mögliche Zukunft sein. Dank der genialen Vorlage von Autor Ted Chiang war und ist Arrival eine Bereicherung im Kosmos der anspruchsvollen Filme mit Hang zum Fabulieren und des Um-die-Ecke-Denkens.

Um die Ecke denken auf Kosten der Erinnerung wollte Denis Villeneuve auch bei der heiß ersehnten und von Fans lange erwarteten Fortsetzung von Blade Runner. Einem wegweisenden, visionären Klassiker nach dem Buch von Philip K. Dick aus dem Jahr 1982, wohl Ridley Scotts anspruchsvollster Film und längst Kult. Über den Inhalt und die Bedeutung des Originals brauche ich hier nicht mehr viele Worte verlieren. In der Zukunft einer überbevölkerten Erde und expandierenden Menschheit ist die Unberechenbarkeit der Androiden Marke Nexus 6 eine Bedrohung für den Weltfrieden. Dabei ist die Unberechenbarkeit in einem Menschen biologischen Ursprungs sogar viel stärker inhärent als bei einer künstlichen Intelligenz. Und während Batty alias Rutger Hauer über das Leben philosophiert, kann Rick Deckard nur wortlos zuhören. Also wen gilt es jetzt zu jagen? Mensch oder Maschine? Gejagt werden jene mit falscher Erinnerung. Die echten, totalen Erinnerungen; Gefühle, abstraktes Denken und das Vermögen, fiktive Szenarien zu imaginieren, garantieren die Unversehrtheit. Möchte man anfangs meinen. Im schwermütigen Sequel der urbanen Science Fiction kann man aber eines Besseren belehrt werden.

Generell – die Fortsetzung eines Kultfilms ist immer eine haarige Sache. Ein künstlerisch hochwertiges Heiligtum anzurühren ist fast so, als würde man die Rückenansicht von Mona Lisa malen wollen. Oder ihr Profil. Dabei stellt sich die Frage: stimmt man in den stilistischen Kanon der Vorlage mit ein – oder löst man sich davon los? Fans will man nicht verkraulen, man will aber auch nicht kopieren und das selbe Musikstück noch einmal neu auflegen. Das Problem hatte bereits Ridley Scott bei Alien: Covenant. Und ja, auch J.J. Abrams bei Star Wars: Das Erwachen der Macht. Villeneuve, kein Anhänger von Sequels, hat versucht, die Geschichte an sich weiterzuerzählen. Und ja, auch den stilistischen wie akustischen Parametern von Blade Runner zu folgen. Also alle Fliegen mit einer Klappe. Sowas gelingt meist nur bedingt. Da muss man schon großer Fan sein, um darüber hinwegsehen zu können, dass die Anpassung an das Original einfach zu gewollt ist. Und die inhaltliche Entfernung davon ebenso. Mit nichts zufrieden zu sein ist aber auch keine Lösung. Also gestehe ich Blade Runner 2049 zu, dass die monströse Zukunftsoper zumindest, was den Plot angeht, halbwegs neue Einsichten liefert und die Geschichte rund um Mensch und Replikant bereichert. Wer aber die Neuauflage der SciFi-Serie Battlestar Galactica kennt, wird von alldem, was in Blade Runner 2049 passiert, nicht mehr überrascht sein. Die 5staffelige Serie mit Origami-Künstler Edward James Olmos in der Hauptrolle hat sich mit der Frage nach der Gleichheit von Android und Mensch bereits intensivst auseinandergesetzt und Dick´s Ideen konsequent weitergeführt. Villeneuve tut nichts anderes. Zumindest nichts Neues. Aber dennoch – Gewichtigkeit hat seine erzählerische Erkenntnissuche trotzdem.

Zu erkennen ist in der düsteren, vergifteten Atmosphäre einer zerrütteten Welt aber nur wenig. Dieses diffuse, flächendeckend bebaute und beackerte, technologisierte Nordamerika dominiert über ausgewalzte zweieinhalb Stunden lang in teils atemberaubenden, gigantomanischen Kulissen, Bauwerken und Bildern das kunstbeflissene Machwerk. Kameramann Roger Deakins leistet Meisterliches. Wenn man so will, kann man den Bilderstürmer, der auch für Filme wie Skyfall, Prisoners und Sicario verantwortlich zeichnet, mit Villeneuve als Regisseur auf eine Stufe setzen. Was Blade Runner anno 82 schon visuell fabelhaft gemeistert hat, wird aber in 2049 über die Maße aufgeblasen. Da reicht es nicht, mit beeindruckenden Kamerafahrten durch düstere Häuserschluchten zu gleiten und damit Akzente zu setzen. Die Akzente werden zum Grundtonus und ziehen sich nicht ganz mühelos durch den Film. Langsam, schleppend, wie eine getragene Wagner-Oper. Riesige Statuen, Schiffswracks und immobile Bauwerke ragen aus dem staubbeladenen Dunst. Die Welt, eine Reise in die Tiefsee, als wäre man weit unter dem Meer. Damals hat Vangelis dazu einen akzentuierten Soundtrack geliefert. Hans Zimmer hat den Stil nun beibehalten, überlagert den Film aber zu oft mit sphärischen Klängen und Donnerschlägen aus dem Synthesizer, welche die unheilvolle, getragene Szenerie fast schon prätentiös wirken lassen. Prätentiös ist auch Jared Leto als Leander Wallace. Seine Szenen im fahlen Licht im Inneren der ehemaligen Tyrell-Pyramide tragen den Charakter einer Burgtheater-Inszenierung. Mit einer Brise unfreiwilliger Komik, die er sich mit Harrison Ford teilt. Der alternde Star findet sich in dem Film zwar irgendwie zurecht, wirkt aber etwas bemüht.

War es ein Fehler, vorher nochmal das Original zu genießen? Oder hätte ich das vermeiden sollen? Hätte mir Blade Runner 2049 dann besser gefallen? Ich hätte zwar vielleicht nicht alle Details verstanden, aber vielleicht wäre mir die ambitionierte Nachahmung all der Qualitäten von Blade Runner nicht so sehr aufgefallen. Villeneuve, der von sich sagt, er versuche sein Ego außen vor zu lassen, begibt sich erst recht auf einen Egotrip, der sich, je weiter der Film voranschreitet, immer mehr verlangsamt. Schleppend und träge zieht sich die Handlung dahin, durchsetzt mit Bedeutungsschwere, die plakativ bleibt und die ansonsten fein nuancierte Geschichte selten unterstützt. Und nach der sitzfleischfordernden Zeit im Dunklen festigt sich die Erkenntnis, dass Kultfilme selten gelungen fortgesetzt werden können. Wenn, dann unmittelbar danach. Aber nicht 30 Jahre später. Notwendig wäre das stilistisch perfekte Blade Runner 2049 nicht gewesen, aber welche Fortsetzung ist das wirklich? Bleibt zu hoffen, dass von Blade Runner 2079 die Finger gelassen werden. Sonst haben wir womöglich ein neues Matrix Revolutions.

Blade Runner 2049

Blade Runner

GOLEMS WIEDERKEHR

9/10

 

bladerunner© 1982 Warner Bros. / Quelle: bitterempire.com

 

LAND: USA 1982

Regie: Ridley Scott

Mit Harrison Ford, Rutger Hauer, Sean Young, Edward James Olmos u. a.

 

„Sie gehen durch eine Wüste. Vor ihnen liegt eine Schildkröte am Rücken. Sie drehen die Schildkröte nicht um. Was empfinden Sie dabei?“ Nur eine von vielen Fragen, die im Rahmen eines Roboter-Tests einen Replikanten vom Menschen unterscheiden soll. Replikanten, das sind den Homo sapiens perfekt imitierende Androiden, deren Aufstände auf intergalaktischen Kolonien zu einem Aufenthaltsverbot auf der Erde geführt haben. Dabei wäre die Bezeichnung „Roboter“ geradezu beleidigend. Nichts unterscheidet den künstlichen Menschen von seinem Vorbild aus Fleisch und Blut. Nur die Dauer der Existenz. Die ist mit nur vier Jahren für eine synthetische Intelligenz unerhört kurzgefasst. Was tun mit vier Jahren Lebenszeit? Wohin mit all den Erfahrungen, Gefühlen und Träumen? Träumen Replikanten überhaupt? Wie nehmen sie ihre Umgebung wahr?

Lang, sehr lange ist es her, seitdem ich Blade Runner zum ersten Mal gesehen habe. In der handelsüblichen, offiziellen Kinofassung und dem versöhnlichen Ende. Einem Ende, das Ridley Scott so nie gewollt hatte, war und ist das Werk doch sein künstlerisch bedeutendster Film, wenn nicht überhaupt sein bester. Damals, als ich Blade Runner gesehen habe, hat es einen Directors oder Final Cut überhaupt noch nicht gegeben. Der Directors Cut entzieht sich bis heute meiner Kenntnis. Der Final Cut allerdings hat sich mir jetzt erst erschlossen. Und mehr noch als damals hat mich die Verfilmung von Philip K. Dicks Roman Träumen Androiden von elektrischen Schafen? in vielerlei Hinsicht überzeugt.

Blade Runner war für das Genre des dystopischen Science-Fiction Films und überhaupt des modernen Kinos tatsächlich ein Paradigmenwechsel. Und hat nach 35 Jahren nichts von seiner visuellen wie dramaturgischen Kraft verloren. Es verhält sich fast so wie mit Stanley Kubricks 2001. Der 1968 entstandene Film ist von zeitlosem Charakter. Blade Runner erreicht mit ähnlichem Phänomen ebenfalls den Status eines Kultfilms. Alleine schon die Ouvertüre ist von einer wuchtigen Sogwirkung, nicht zuletzt aufgrund der Klänge von Vangelis und dem hypnotisch langsamen Gleitflug über den Moloch Los Angeles, einer sowohl beängstigenden wie majestätischen Megacity, welche die Wiege einer expandierenden Menschheit verkörpert, die sich selbst und das Wesen des Menschseins verraten hat. Dann kommen die Gebäude der Tyrell Corporation ins Bild – mächtige Pyramiden, gigantischen Mausoleen gleich. Zur Huldigung einer neuen Gottheit. Oder einer Gottlosigkeit. Gott ist aber bei Blade Runner kein Thema. Die Götter – das sind die Menschen selber. Und die werden gestürzt. Durch eine Rasse, die dasselbe Leben leben will wie ihre Erbauer. Philip Dick´s literarisches Oeuvre ist durch die Bank geprägt von einer paranoiden Angst vor einem alles überwachenden System, vor einer diktatorischen Oligarchie, vor der es kein Entrinnen gibt. Und von Visionen einer Gesellschaft, die sich selbst nicht mehr unter Kontrolle hat und die sich außerstande sieht, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Eine auf Gier und Machtstreben fußende Bürde, die ein Eigenleben entwickelt. So geschehen in der Epoche des Kolonialismus. Eroberung und Ausbeutung haben zu Armut, Flucht und Terror geführt. Symptome, die sich bis heute bemerkbar machen. Diese Symptome sind im Jahre 2019 als Replikanten anzusehen. Die nichts anders wollen, als Teil des großen Ganzen zu sein. Die nicht weniger menschlich sind, nur weil sie künstlich sind. Denn wenn auch der menschliche Körper organischen Ursprungs ist, scheint er nicht weniger mechanisch zu sein. Ein Zusammenspiel der Funktionen. Biochemische Prozesse, die Fühlen und Denken erzeugen. Wenn alles Leben schon Chemie ist, dann sorgt die Chemie auch im Inneren eines künstlichen Menschen für allerlei Fragen nach dem Woher und Warum. Dick stellt den Menschen und die Maschine auf eine Ebene. Lässt ihn statt schwächer stärker werden. Wie Rabbi Löw´s Golem. Nur effizienter und zielgerichteter. Und ohne böser Absichten. Die hat selbst Rutger Hauer alias Roy Batty nicht. Doch die Politik der Zukunft stellt den Replikanten ins kriminelle Eck, lässt ihn verzweifelt philosophieren – und dementsprechend handeln.

Wenn Android Batty im nächtlichen Regen über das Leben nachdenkt, ist das eine nachhaltige Szene, die den düsteren Thriller in seiner Essenz berührt. Blade Runner ist im Grunde ein klassischer Film Noir. Schon allein Harrison Fords Rolle als abgehalfterter Replikantenjäger Rick Deckard und seine Beziehung zur mysteriösen Rachael weckt Erinnerungen an Humphrey Bogart und Lauren Bacall. Doch statt Oldtimer und schummrige Bars sind es fliegende Taxis, haushohe Neonreklamen und grelle Scheinwerfer, deren stets in Bewegung befindliches Licht durch die Jalousien schmutziger Fenster in dunkle Wohnräume kriecht. Überhaupt ist die Bildsprache und Symbolik des Films prägend für viele spätere Klassiker des Kinos und kann oder wird sogar als wegweisendes Lehrbeispiel für Filmschaffende dienlich sein. Wenn Ridley Scott Licht und Schatten komponiert, dann ist das Filmkunst vom Feinsten. Seine perfekt in Szene gesetzten Bilder und Settings finden ihren Höhepunkt in der Wohnung des Biomechanikers J.F.Sebastian, in der es die Punk-Androidin Daryl Hannah mit Deckard aufnimmt. Assoziationen an Andrej Tarkovskij und Terry Gilliam werden wach. Es könnte sogar sein, dass Gilliam, der 1985 mit Brazil ein weiteres Meisterwerk rund um orwell´sche Fantasien auf die Leinwand brachte, überhaupt erst mit der Sichtung von Blade Runner Tür und Tor für seine eigene unverwechselbare Bildsprache aufgestoßen hat.

Blade Runner ist ein visionäres Werk, das in seinen Details mehr ist als in deren Summe. Es lässt sich sogar verstehen, warum der futuristische Psychokrimi erst ein Flop gewesen war, bevor er zum Kultfilm avancierte. Anders als Star Wars oder Indiana Jones ist Blade Runner bei Weitem kein Blockbuster oder Stoff für die breite Masse. Blade Runner ist eigentlich ein kleiner Film. Kein Epos oder Spektakel, sondern Arthouse-Kino für anspruchsvolle Cineasten. Sperrig, metaphorisch, irrlichternd. Ein grimmiger, regennasser Diskurs über so vieles, was den urbanen Menschen ausmacht – und über das, was ihn verführt und geißelt.

Blade Runner