The Electric State (2025)

TECHNO-DYSTOPIE ALS KASPERLTHEATER

5/10


© 2025 Netflix Inc.


LAND / JAHR: USA 2025

REGIE: ANTHONY & JOE RUSSO

DREHBUCH: CHRISTOPHER MARKUS, STEPHEN MCFEELY

CAST: MILLIE BOBBY BROWN, CHRIS PRATT, STANLEY TUCCI, GIANCARLO ESPOSITO, KE HUY QUAN, WOODY NORMAN, MARTIN KLEBBA, WOODY HARRELSON, ANTHONY MACKIE, BRIAN COX, JENNY SLATE U. A.

LÄNGE: 2 STD 8 MIN


Vom melancholisch-dystopischen Roadmovie zum versöhnlichen Robotermärchen: Der Weg von Simon Stalenhågs illustriertem Kultroman The Electric State zum Netflix-Möchtegern-Blockbuster, inszeniert von den Russo-Brüdern, denen die besten Werke des MCU gelungen sind, ist weit und verschlungen, sodass sich nicht mehr erkennen lässt, von wo der Film gestartet sein mag. Beide Werke haben fast nichts mehr gemeinsam, außer vielleicht so manches Bild, vor allem auch die schnabelförmigen VR-Helme, die der Menschheit den endgültigen Rest geben. Eine der wohl teuersten Netflix-Produktionen verschlang sage und schreibe 320 Millionen Dollar. Ordentlich viel Kohle für ein im Grunde seines Wesens wenig innovatives Werk, das eigentlich auch kein Interesse daran zeigt, Stalenhågs Vision einer untergegangenen Welt aufzugreifen. Wie Stalenhåg wohl selbst auf die Verfilmung seines Kunstbuches reagiert haben mag? Eine Stellungnahme hat der Schöpfer dystopisch-metaphysischer Roboterwelten noch nicht abgegeben. Ob im Kaufvertrag zu den Lizenzrechten zu The Electric State wohl eine Klausel vorgesehen ist, die ihm verbietet, sich vielleicht unmutig zu äußern? Vielleicht ist er auch mehr als glücklich darüber, dass die Russos und vorzugsweise die Drehbuchautoren Christopher Markus und Stephen McFeely, die auch das Skript zu Avengers: Infinity War vollbrachten, es geschafft haben, dieses ganze Roboterzeitalter aus der dunstigen Tristesse eines heftigen technologischen Hangovers zu schälen, um ein bisschen Mehr „Friede Freude Eierkuchen“ zu feiern.

In Anbetracht der Skepsis zum tsunamiartigen Fortschritt künstlicher Intelligenz-Tools scheint The Electric State in Filmform einen Weg gefunden zu haben, wieder dort anzuknüpfen, wo schon Steven Spielberg war, und zwar lange, lange Zeit vorher, genau genommen knapp ein Vierteljahrhundert, nämlich 2001. Sein Film A.I.: Künstliche Intelligenz, den Stanley Kubrick zu Lebzeiten noch verfilmen wollte, hat vieles, was The Electric State neu aufwärmt, zum Thema. Hier wie dort lautet die Frage: Wie menschlich sind Roboter? Ab wann ist KI als ein vollwertiges Bewusstsein und somit auch als vollwertige Person zu betrachten. Und wenn sie das ist, träumt sie dann von elektrischen Schafen? Womit wir bei Philipp K. Dick wären und seiner erwachsenen Welt rund um den Blade Runner. Isaac Asimovs Robotergesetze habe ich auch noch nicht erwähnt. Da kommt The Electric State reichlich spät, vor allem wird Russos Film wohl eher zum kauzigen Kasperletheater voller Merchandising-Testimonials, überdimensionalen Katzen und wandelnden Peanuts, mit dabei auch ein Baseball-Roboter und die gelbe Smiley-Grinsekatze Cosmo. Mit dem Winkelzug, die Welt Stalenhågs in den frühen Neunzigern zu verorten, mag die rostige Vintage-Technologie auch in das stilistische Konzept des Films passen. Jedoch nicht in jene des Buches.

Dort ist die Welt eine düstere, verlorene und verlassene. Nebel, wolkenverhangene Himmel, kein Sonnenstrahl dringt durch das gespenstische Grau. Gigantische Wracks kauern im Brachland, das industrielle Licht der Energiespeicher, die den Menschen ihren letzten Eskapismus gönnen, machen das Grauen komplett. Hätte sich Gareth Edwards statt seines durchwachsenen The Creator dieses Projektes angenommen, wäre etwas Bahnbrechendes entstanden. Etwas, das womöglich an Edwards Monsters erinnert, nur eben mit Robotern. Die Russos hingegen verpassen ihrem Werk den Stempel eines generischen Science-Fiction-Abenteuers, in welchem sich das Übel als Person manifestiert.

Stanley Tucci gibt einen von persönlichem Gram getriebenen Verschnitt aus Elon Musk und Jeff Bezos – einen Techno-Oligarchen, der den Menschen die virtuelle Welt schenkt, während sie alle vor die Hunde gehen. Nach einem kurzen Roboterkrieg, den Tuccis Figur gewonnen hat, steckt der wandelnde Schrott in einem Reservat, aus dem es kein Entkommen gibt. Das Mädchen Michelle, das ihrem verstorbenen Bruder nachweint und im Grinse-Roboter Cosmo den Geist ihres Bruders entdeckt, wagt natürlich das Abenteuer, in die Welt hinauszugehen, um des Bruders Körper zu finden, was sie in die verbotene Zone bringt, wo die Russos sich visuell dann auch austoben können. Schön anzusehen ist das Ganze, die idealisierte Story verliert aber so gut wie fast alles, was Stalenhågs Vision ausmacht. The Electric State mag trivial sein, kitschig und vorhersehbar, er hinterlässt aber wider Erwarten idealisierte Zwischentöne, welche die Hoffnung auf eine Koexistenz zwischen KI und Mensch erträumen. Dieses Versöhnliche wabert nach, diesen Mood kann man sich mitnehmen.

TV Media hat The Electric State als katastrophal in jeder Hinsicht beschrieben. Anders als die austauschbaren generischen Agenten-Actionfilme, die sich untereinander nicht mehr unterscheiden lassen, hat dieser Film hier zumindest eigene Bildwelten, wenn schon die Geschichte selbst die Chance auf ein progressives Filmerlebnis verschmäht und sozialphilosphischen Konzepten der Zukunft gnadenlos hinterherhinkt. Viel eher zu empfehlen ist statt The Electric State die auf Amazon Prime erschienene Stalenhåg-Verfilmung Tales from the Loop. Mysteriöse Kurzgeschichten, die von einer Technologie erzählen, die längst die Dimensionen sprengt. Ansehen!

The Electric State (2025)

Guardians of the Galaxy Vol. 3

DER WASCHBÄR HAT FAMILIE

7/10


GUARDIANS OF THE GALAXY VOL. 3© 2023 Marvel


LAND / JAHR: USA 2023

BUCH / REGIE: JAMES GUNN

CAST: CHRIS PRATT, ZOE SALDANA, DAVE BAUTISTA, BRADLEY COOPER, VIN DIESEL, KAREN GILLAN, POM KLEMENTIEFF, SEAN GUNN, WILL POULTER, CHUKWUDI IWUJI, ELIZABETH DEBICKI, SYLVESTER STALLONE, NATHAN FILLION U. A. 

LÄNGE: 2 STD 30 MIN


Ooga-Chaka Ooga ooga Ooga-Chaka. Mit Blue Swedes unverkennbarem One-Hit-Wonder Hooked on a Feeling wurden wir Marvel-affine Kinogeher erstmals mit den Guardians of the Galaxy bekanntgemacht. Im Teaser-Trailer zum Kick-Off der illustren Bande kombinierte James Gunn zeitlose Musikgeschichte mit dem multikulturellen Charme von Star Wars und allen anderen Trittbrettfahrer-Produktionen der Achtziger: Eine neue Gang war geboren, die Underdogs des Weltenraums, ein bisschen Lone Star mit seinem Waldi, aber nicht so infantil. Dafür mit zeitgemäßem Leck mich-Humor ausgestattet, den eben nur einer wie James Gunn seinen Antihelden genussvoll in den Mund legen konnte.

Der Form- und Farbenreichtum eines Marvel Cinematic Universe weit jenseits der seriösen Agentenfilm-Analogien rund um Captain America geht nun in die dritte und letzte Runde. Schön wars, könnte man sagen – ein Vergnügen oder gar ein Volksfest. Wenn Groot alle lieb hat, Waschbär Rocket (der kein Waschbär sein will) auf dessen Schultern in die Runde ballert oder die schwarzäugige Mantis ihrem Busenfreund Drax wieder mal die Welt erklären muss, da dieser alles wörtlich nimmt – wenn dieser Haufen von Zufallsbekanntschaften, die nicht mehr auseinandergehen, alles retten wollen, was es zu retten gibt, dann fühlt man sich sauwohl. Diese schrägen Vögel, die manches gut können und anderes wiederum nicht – die dazu stehen, wie sie sind: die haben unser Verständnis. Diese Sympathie mit improvisationstüchtigen Außenseitern gestand James Gunn schon bei Super – Shut up Crime! – einer blutig-witzigen Underground-Komödie über Superhelden aus der dritten Reihe. Anders als in seinem Suicide Squad-Hammer rund um Idris Elba als Bloodsport sind die Guardians aber wirklich einander wichtig. Und sie halten zusammen.

So angenehm synergetisch fühlt sich eben auch Guardians of the Galaxy Vol. 3 an. Obwohl wieder mal der ganze Haken an der Sache ein Narrativ darstellt, dass seine erstarkten Antagonisten nur grob skizziert. In diesem Fall ist es ein gewisser High Evolutionary, ein wirklich nervtötender Besserwisser, der die ideale Gesellschaft kreieren will. Dazu gehört, im Rahmen seiner Agenda, die rasche Evolution von Tieren zu humanoiden Individuen. Das war vor einiger Zeit, als ein kleiner Waschbär im Labor des eifrigen Fieslings für allerhand Experimente missbraucht worden war. Was aus diesem kleinen Räuber geworden ist, wissen wir: Rocket. Jetzt aber will dieser High Evolutionary sein „Eigentum“ zurück – keine Ahnung, was ihn da nach so langer Zeit auf die Idee gebracht hat, jetzt plötzlich aktiv zu werden. Aber es ist nun mal so. Und Adam Warlock, ein güldener Sovereign (siehe Guardians of the Galaxy Vol. 2), gelingt es fast, des kleinen Sonderlings habhaft zu werden. Mit bitteren Folgen. Rocket liegt im Sterben, und die Guardians müssen nun tun, was getan werden muss, um den felligen Freund zu retten.

Wie in allen anderen Episoden auch geht’s diesmal ganz viel um Familie, Vergangenheit und dem Aufräumen nachhängender Traumata. Das ist die inhaltliche Stärke dieser Filmreihe – die Zeichnung der Charaktere, ihr Hadern und Reflektieren von dem, was sie tun. Ihr musketierisches Aufopfern für den anderen. Ja, sogar Nebula (herrlich schnoddrig: Karen Gillan) wird plötzlich nächstenliebend. Hinzu kommt ein Set-Design, dass wirklich den Atem raubt. Wenn unsere Helden in pastellbunten Raumanzügen über eine biotechnische Raumstation hopsen, ist das herrliches Retro-Kino im Stile von Mondbasis Alpha Eins. Dann wieder rührt Rockets Schicksal wie eine düstere Erwachsenenepisode aus Winnie Poohs Welt fast schon zu Tränen. Vermischt mit einem Artenreichtum, den nur Star Wars kennt, und ausgefeilter Situationskomik entsteht so ein kaum gehetztes Abenteuer, dass die bisherige Guardians-Storyline stilistisch souverän fortsetzt, mittlerweile aber eine gewisse Routine erkennen lässt. Dazu gehört auch, Peter Quills Awesome Mix nochmal neu aufzulegen. Und ja – es fetzt.

Der große Wurf ist diese finale Episode aber nicht, das große, packende Aha-Erlebnis noch weniger. Es ist, als wäre Gunn mit diesen Helden so ziemlich fertig. Als hätte er noch auserzählt, was er an Notizen dazu noch hatte. Geschmeidig ist das allemal, und ja, diese paar grundverschiedenen Typen sind zumindest mir ein bisschen ans Herz gewachsen. Guardians of the Galaxy Vol. 3 ist also wieder so ein Fall, bei dem man gerne gehabt hätte, dass sich die Dinge nicht ändern. Das alles so bleibt wie es ist. Und Yondu, mein absoluter Favourite, aus irgendeinem Grund doch noch zurückkehrt.

Guardians of the Galaxy Vol. 3

The Guardians of the Galaxy Holiday Special

SCHENKEN IST WAS SCHÖNES

6,5/10


guardiansholiday© 2022 Marvel Studios / Disney+


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: JAMES GUNN

CAST: DAVE BAUTISTA, POM KLEMENTIEFF, CHRIS PRATT, KEVIN BACON, SEAN GUNN, KAREN GILLAN, BRADLEY COOPER, VIN DIESEL, MICHAEL ROOKER U. A.

LÄNGE: 45 MIN


Sie sind zwar kein Must-See, aber das Guilty Pleasure für jedes Franchise: Holiday Specials. Dem Star Wars-Ableger aus den Siebzigern habe ich mir bis heute verkniffen, doch als leidenschaftlicher Fan sollte ich mich vor Fremdscham nicht fürchten. Kevin Feige hat da schon alle Peinlichkeiten umschifft, denn mit James Gunn auf dem Regiestuhl sind Albernheiten so salonfähig wie nie zuvor. Jener Künstler, der das DC-Universum mit The Suicide Squad aus der pathetischen Schwermut eines Zack Snyder erretten konnte und dort nun auch als kreatives Mastermind die neue Richtung vorgibt, will seine Guardians, die er von der ersten Stunde an mit der nötigen Umsichtigkeit durchs Universum gesteuert hat, natürlich nicht aus der Hand geben. Das Ende kommt früh genug, und es soll nächstes Jahr passieren, mit dem Abschluss einer Trilogie, die so formschön, bunt und praktisch daherkommt wie Weltraum-Fantasy eben auszusehen hat. Bevor wir aber alle eine Träne verdrücken ob des Nimmerwiedersehens mit dem schrägen Haufen an Menschen und Aliens, gibt es noch ein kleines Stelldichein exklusiv für Abonnenten der Disney+-Schiene. Wer Marvel-Fan sein will, darf an diesem Streamingdienst nicht vorbeisparen – es geht nicht anders. Viele zu viele Extras warten dort auf den Nerd, und will man Weihnachten mit Marvel verbinden, muss auch das Holiday Special der Guardians her.

Dort, in der Schädel-Zuflucht Nowhere irgendwo in den Weiten des Alls, sinnieren der drollige Drax und die süße Mantis darüber nach, wie sie Star Lord eine Freude bereiten können, trauert der doch seit Endgame seiner Geliebten Gamora nach. Da kommt ihnen das irdische Weihnachten in den Sinn, das anscheinend gerade vor der Tür steht. Dieses Fest dürfte in den Weiten des Alls ein Exklusivrecht haben oder gar schon zu den physikalischen Grundgesetzen zählen. Vielleicht sind es die Werte aus Liebe, Freundschaft und Zusammenhalt, die universell erscheinen. Das erkennt sogar die zynische Nebula, einst Antagonistin unter dem Zepter des finsteren Thanos. Mantis und Drax planen also, dem guten Peter Quill ein Geschenk zu machen. Aber eines, das lange nachhält, das nicht ausgepackt und weggelegt wird. Wie wärs mit einer Ikone aus dessen Jugend? Wie hieß das Musical noch mal, von welchem der kleine Peter so ein Fan war? Footloose. Und sein Star? Kevin Bacon. Also nichts wie rüber nach Terra, den gut gealterten Schauspieler mitnehmen und bestenfalls gleich einpacken lassen. Klar, dass dieser so einiges dagegen hat und den beiden Gutmensch-Aliens sogar die Polizei auf den Hals hetzt.

Die ulkige Naivität des pink tätowierten Hünen, gespielt von Dave Bautista, sorgt immer noch für Schmunzeln – hinzu kommt das nicht weniger einfach gestrickte Gemüt der Halb-Celestial Mantis: Und schon haben wir sowas wie Dick und Doof des MCU, die in ihrem von Nächstenliebe motivierten Eifer für Slapstick, Chaos und skurrile Momente sorgen. James Gunn weiß, wo er ansetzen und wo er aufhören muss, damit das Ganze nicht lächerlich oder bemüht wirkt. Mit dem Faktor Kevin Bacon bewegt er sich dennoch manchmal aufs Glatteis und wirkt in seinen Bemühungen etwas einfältig, doch wir Zuseher sind die Charaktere schließlich alle schon gewohnt, und sowieso war es längst an der Zeit, bei Groot, Rocket und Co nochmal vorbeizuschauen, bevor das Jahr zu Ende geht. Dass Gunns liebevoll errichteter Punsch-Stand an kauzigen Details und musikaffinen Aliens ungefähr so viel Mehrwert hat wie ein Besuch am Adventmarkt, dürfte bei einem Holiday Special klar sein. Der Dreiviertelstünder fühlt sich an wie der kostspielige Pop-Up-Weihnachtsgruß vom Dienstleister, in schmucker CI und mit allerlei Branding. Damit man sich daran erinnert, dass das MCU noch vieles hat, was gerne gut verkauft werden will.

Vergnüglich bleibt das Special aufgrund rockig-smoother Weihnachtssongs, von denen sogar Bacon höchstselbst eines zum Besten gibt. Und aufgrund der kuriosen Details am Rande. Knuffig, wenn sich Drax einen aufblasbaren Elf wünscht. Oder die Guardians ihre Bescherung erleben. Das ist witzig, versöhnlich und irgendwie auch wehmütig, wenn man an den guten alten Yondu denkt.

The Guardians of the Galaxy Holiday Special

Thor: Love and Thunder

ALTE LIEBE ROSTET NICHT

6/10


thorloveandthunder© 2022 Marvel Studios / The Walt Disney Company


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: TAIKA WAITITI

CAST: CHRIS HEMSWORTH, NATALIE PORTMAN, TESSA THOMPSON, CHRISTIAN BALE, TAIKA WAITITI, RUSSELL CROWE, KIERON L. DYER, CHRIS PRATT, SEAN GUNN U. A.

LÄNGE: 1 STD 59 MIN


MCU-Mastermind Kevin Feige hat zwar jetzt noch alles im Griff – die Tendenz aber, welche die neue Phase des MCU gerade anstrebt, könnte zum Problem werden. Denn all die Figuren, Helden und Antagonisten, die da so antanzen, streben danach, ihr eigenes Ding zu drehen und nicht, wie in der letzten Phase bis zum Endgame, einem gemeinsamen, alles verbindenden roten Faden zu folgen. Moon Knight, derzeit wohl das beste aus dem ganzen Kosmos, hat keinerlei Bezugspunkte mehr zu einem gemeinsamen Nenner. Genauso wenig Ms. Marvel (abgesehen von Idol Carol Denvers) – und jetzt noch weniger: Thor: Love and Thunder. Selbst Dr. Stephen Strange setzt nun, wie man aus der Post Credit Scene seines letzten Abenteuers herauslesen kann, das Multiversum nicht mehr so sehr auf die Agenda seiner Dienste, sondern viel eher die Bekämpfung eines zukünftig wohl mehr in Erscheinung tretenden Herrschers der dunklen Dimension – Dormammu. Mal sehen, wie es weitergeht.

Bei Thor: Love and Thunder jedenfalls sind die Taue gekappt, es geht durchs Universum an Bord des Schiffes der Guardians of the Galaxy. Seit Endgame sind einige Jahre her. Der Gott des Donners muss sich, während er gemeinsam mit der streitlustigen Gang Welten vor Aggressoren rettet, erstmal neu erfinden und letzten Endes, wie alle anderen auch in diesem neuen MCU, einen eigenen Weg gehen. Die Guardians, deren knackiges Cameo bereits anfangs für gute Laune sorgt, finden wir dann wohl in einem anderen Abenteuer wieder, während Thor den Bewohnern des auf der Erde gegründeten Neu-Asgards zu Hilfe eilt. Dort treibt Gorr, ein in Linnen gewandeter, glutäugiger Extremist sein Unwesen, der es auf alle Gottheiten des Uni(nicht des Multi-)versums abgesehen hat. Die Erfolgsquote ist Dank eines bestimmten magischen Schwertes relativ hoch, und so fürchten auch die nordischen Heiligen um ihre Existenz. Während Thors proaktivem Einsatz gegen den Schurken und seine Schattenmonster läuft ihm seine alte Flamme Jane (nicht Jodie) Foster über den Weg, die ganz genauso aussieht wie er, nur eben weiblich. Sie schwingt obendrein noch Mjöllnir, während Thors Axt auf beleidigt tut. Klar, dass beide die Challenge auf sich nehmen und sogar dem griechischen, etwas dekadent gewordenen Gottvater Zeus (passend: Russell Crowe) begegnen, um Hilfe von ihm zu erbeten.

Ja, es darf auch in Taika Waititis zweitem Ausflug durch die knallbunte Phantastik eines überbordend diversen Kosmos geschmunzelt und manchmal gelacht werden, selten jedoch mitgefiebert. Der Neuseeländer, dessen infantil-lockerer Erzählstil bei Thor: Tag der Entscheidung einschlug wie eine Bombe und frischen Wind in das Franchise blies, fühlt sich auch bei Love and Thunder so siegessicher wie noch nie. Was ihm vielleicht ein bisschen wie ein Knüppel zwischen die Beine fährt. Statt als Gott des Donners gibt Chris Hemsworth den Gott der Selbstironie – alles ist nur noch mit Augenzwinkern zu genießen; und falls nicht, dann gleicht Buddy Korg (Taika Waititi) mit seiner naiv-ehrlichen Art allfällige Defizite aus. Auf der finsteren Seite: Christian Bale in seinem Marvel-Einstand. Eine eindrucksvolle Gestalt, präzise ausformuliert – millelalterlich, episch und vom Grimm überwältigt. Und ernstzunehmend. Dazwischen weiß Natalie Portman nicht so recht, wie sie denn ihre Figur anlegen soll? Ironisch, ernsthaft, spaßig? Kleine Ahnung. Die Dame aus dem Charakterfach tut sich sichtlich schwer, für ihre Rolle Leidenschaft zu empfinden. Denn nebst Waititis ausgelassenem Weltraumfasching zwischen Flash Gordon und dem Best of Guns N‘ Roses hängt die Dramatik ziemlich durch.

Natürlich sind Schauwerte und Effekte deluxe – ein Film, den man, wenn überhaupt, im Kino gesehen haben muss. Doch Waititi greift zur Blaupause seiner bewährten und lobend besungenen Versatzstücke, während der Plot (entführte Kinder, wie oft noch?) verblüffend ideenlos bleibt. Über echte Empfindungen macht sich Waititi alsbald lustig, additive Charaktere bleiben flach, abgedroschene Floskeln über Liebe – sei sie väterlicher oder partnerschaftlicher Natur – bemühen das müde Auge und das abgekaute Ohr. Aber immerhin: Wir haben fetzigen Hard Rock, übertrieben oft eingesetzte Freeze Frames, die Thor wie Winnie Puuhs Freund Tigger als Springinsfeld über spinnerte Invasoren hereinbrechen lassen. Und ein Götter-WhoisWho, das zumindest allen irdischen, spirituellen wie folkloristischen Ansätzen ihre Legitimität erlaubt.

Dieses Mal hat sich der Gott des Donners neu erfunden – das nächste Mal wird’s wohl Taika Waititi selbst sein müssen, der seine filmischen Prioritäten gerne neu ordnen darf.

Thor: Love and Thunder

Jurassic World: Ein neues Zeitalter

UND EWIG LOCKT DER THEMENPARK

6/10


jurassicworld_dominion© 2022 Universal Studios and Amblin Entertainment. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: COLIN TREVORROW

CAST: BRYCE DALLAS HOWARD, CHRIS PRATT, ISABELLA SERMON, LAURA DERN, SAM NEILL, JEFF GOLDBLUM, DEWANDA WISE, CAMPBELL SCOTT, MAMOUDOU ATHIE, OMAR SY, SCOTT HAZE U. A.

LÄNGE: 2 STD 28 MIN


Es ist auch schon wieder knapp dreißig Jahre her, seit Laura Dern, Jeff Goldblum und Sam Neill vor dem heranpirschenden Tyrannosaurus rex im offenen Jeep das Weite gesucht hatten. Steven Spielberg konnte mit diesem Einstand tatsächlich das Kino verändern, allein dafür zählt er zu den wichtigsten Regisseuren der Filmgeschichte. Die Dinos im Kino waren ein Erlebnis – und sind es noch. Das kitzelt das Kind in jedem Manne hervor, und man schalt sich selbst dafür, die eigenen Plastiksaurier irgendwann mal billig auf dem Pfarrflohmarkt verhökert zu haben. Als Kind hätte man sich gewünscht, dass Urzeitriesen tatsächlich noch existieren würden – in friedlicher Nachbarschaft mit uns Menschen, die nicht auf dem Speiseplan sämtlicher Prädatoren stünden.

So eine ähnliche Vision ist nun, im sechsten Teil der ganzen Franchise, Wirklichkeit geworden, und John Hammond, der kauzige DNA-Weihnachtsmann mit Gehstock, hätte wohl die Hände zusammengeschlagen, wenn er noch gesehen hätte, was sein wissenschaftlicher Ehrgeiz letzten Endes losgetreten hat und vor welchem ökologischen Supergau die Welt heute steht, irgendwo in einem alternativen Universum, in dem passiert ist, was eben passieren muss, sofern wir der Chaos-Theorie laut Dr. Ian Malcolm Glauben schenken wollen: Die Natur findet seinen Weg. So viele Faktoren, die ineinandergreifen und sich gegenseitig bedingen, können vom noch so statistisch versierten menschlichen Superhirn gar nicht allesamt berücksichtigt werden. Statt Corona sind es nun die Urzeitechsen aus allen Epochen des Mesozoikums, die sich parthenogenetisch fortpflanzen und so ihr Überleben sichern, vielleicht gar das Überleben über die Existenz des um Kontrolle ringenden Menschen hinaus.

Mit dieser Dystopie – oder Utopie (je nachdem von welchem Blickwinkel aus man es betrachtet) konnte Regisseur und Drehbuchautor Colin Trevorrow gut arbeiten. Was Jurassic World: Ein neues Zeitalter hier grundlegend zeigt, ist das Was wäre wenn-Szenario einer unmöglichen Koexistenz. So sehr dem ganzen Konzept auch aus wissenschaftlicher Sicht der Boden unter den Füßen weggezogen werden kann (und das war, wenn man es genauer betrachtet, von Anbeginn an so), lässt dieses tendenziell triviale Wünschdirwas für Saurierfans sein Publikum erst dann so richtig staunen, wenn in einen für uns gewohnten Alltag plötzlich die Erdgeschichte bricht, unter tonnenschwerem Gestampfe und leider nervigem, weil unentwegtem Brüllen. Denn die Dinos in Jurassic World sind Attraktionen und selten lebendiger Teil eines nicht mehr vorhandenen Ökosystems – Pop-Ups mit Event-Knopf auf einem Themenpark, dessen Pforten seit 1993 immer noch offen stehen. Dieser Film hier zieht einen vorläufigen Schlussstrich unter einer so langen Zeit des Rennens, Rettens und Flüchtens. Alles, was gut und brauchbar war, findet hier wieder sein aufgedröseltes Ende, eben auch die gut in Form gebliebenen Altstars und die Helden Bryce Dallas Howard und Chris Pratt.

Da das Franchise sehr stark darauf ausgerichtet ist, die Masse zu begeistern, gibt’s auch keine vielen Überraschungen. Alles passiert abermals. Mit „more of the same“ bereiten zweieinhalb Stunden Abenteuer durchaus Vergnügen, auch wenn der Bonbon bis zum weichen Kern durchgelutscht scheint. Vom Wow-Moment aus Spielbergs Erstling sind wir meilenweit entfernt, doch zum Abklatsch verkommt das Grande Finale dann doch auch nicht. Die Liebe zum Stoff steckt eben im Detail. Wenn Pratt und Howard den maltesischen Schwarzmarkt fürs Dinos entern, findet Jurassic World: Ein neues Zeitalter zivilisationskritische, ja durchaus düstere Bilder und gelangt zu einer knackigen dramaturgischen Dichte, die an Mission: Impossible erinnert, nur mit dem Unterschied, dass hier nicht ab Abzüge, sondern Raptoren klicken.

Jurassic World: Ein neues Zeitalter

The Tomorrow War

DIE ZUKUNFT KOMMT VON DEN STERNEN

6/10


the-tomorrow-war© 2021 Amazon Prime Video


LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: CHRIS MCKAY

CAST: CHRIS PRATT, YVONNE STRAHOVSKI, BETTY GILPIN, J. K. SIMMONS, SAM RICHARDSON, EDWIN HODGE U. A. 

LÄNGE: 2 STD 20 MIN


In die Zukunft zu schauen ist ein ambivalenter Umstand. Zum einen meist Humbug, ganz viel Astrologie, und jede Menge Häuser in Konjunktur mit diversen Planeten, die das Glück des Tages bestimmen. Zum anderen ist es durchaus legitim, wenn’s um Dinge wie den Klimawandel geht. Dem Planeten ist das egal, uns aber könnte es bald wegschwemmen, austrocknen oder davonblasen. Zum nochmal anderen gibt’s die Zukunft, die sich kein bisschen abzeichnet, über die sich manche aber dennoch den Kopf zerbrechen. Sorge dich nicht, lebe!, sagte einst schon Dale Carnegie in seinem gleichnamigen Bestseller. Was juckt mich, wenn morgen der Komet kommt? Wenn mir morgen der obligate Ziegelstein auf´s Haupt fällt oder wenn sich Aliens in meine Wade verbeißen? Genau an dieser Stelle wird „Star Lord“ Chris Pratt Einspruch erheben.

In seinem neuen Actionkracher, welchen er stolz und mit Clint Eastwoods kennerhaftem Kneifblick anzuführen vermag, ist es möglich, per Zeitreise für rosige Aussichten zu sorgen. Aber nur, wenn alle bereit sind, für ihr Wohl zu kämpfen. So viel Einsatz würde man gern nach Greta Thunbergs Ansprachen sehen. Doch das Klima ist kein greifbares Monster. Die White Spikes hingegen, die in naher Zukunft ganz plötzlich die Erde überrennen, und anders als in A Quiet Place alle Sinne beieinander haben, sind handfeste Bioinvasoren erster Güte und jagen sich an die Spitze der Nahrungskette, während der Mensch zum Zwischenglied verkommt. Deswegen reisen bis an die Zähne bewaffnete Krieger in die Vergangenheit, um alles, was noch gerade laufen kann, für den Endkampf zu rekrutieren. Teil der zusammengewürfelten Miliz ist Dino-Dompteur Chris Pratt, der zumindest als Ex-Soldat sowas wie Kampferfahrung hat. Klarerweise sieht er sich in der Pflicht, busselt seine Familie zum Abschied und fort ist er – für eine Woche. Vorausgesetzt, er landet nicht am extraterrestrischen Buffet.

Ein bisschen konfus ist dieser Alien-Actioner schon und viel weniger präzise ausformuliert als John Krasinskis Gehör-Knaller. Während ich mich bei letzteren noch ordentlich wundern musste, warum der hochtechnologisierte Mensch es nicht auf die Reihe bekommt, instinktgetriebenen Kreaturen, die noch dazu akustisch leicht zu manipulieren sind, Herr zu werden, erscheint in diesem exklusiv auf amazon veröffentlichten Wohnzimmer-Blockbuster allein die Menge der wütenden Viecher jegliche Strategie im Keim ersticken zu können. Diese Plausibilität kann The Tomorrow War im Gegensatz zu A Quiet Place für sich verbuchen. Was der Film nicht kann, ist, das individuelle Schicksal empfindbar darzustellen. Das liegt in erster Linie an Pratt, dem es sichtlich schwerfällt, Gefühle zu zeigen. Das liegt auch an den stereotypen Charakteren, die wohl eher in den Filmen eines Roland Emmerich zu finden sind: Independence Day mit Zeitreise also, was ja mitunter auch seine als treffsichere Boni zu verortenden Vorzüge hat. Doch sieht man von der Grundidee eines Multiversums mal ab, in dem, wie seit Loki bekannt, alles erlaubt und möglich zu sein scheint, hapert es bei unserem gewissenhaften Helden am Grundverständnis, was kausale Zusammenhänge bei Zeitreisen betrifft. Auf Basis dieses kruden Missverständnisses gerät die Vater-Tochter-Geschichte zum Blindgänger. Rundherum aber ergötzt sich der Science-Fiction- und Monsterfan an wiederholten Großaufnahmen aufgesperrter, geifernder Monstermäuler, garstigen Vierbeinern, die wie in Zhang Yimous The Great Wall die Barrikaden stürmen und am Verheizen sowieso totgeweihter Erdenbürger als astreines Kanonenfutter. Etwas zynisch, dieser Krieg. Wobei – das sind sie sowieso alle.

The Tomorrow War

Onward: Keine halben Sachen

(FAST) GANZ DER PAPA

8/10

 

ONWARD© 2019 Disney/Pixar. All Rights Reserved.

 

LAND: USA 2020

BUCH & REGIE: DAN SCANLON

MIT DEN STIMMEN VON (ORIGINAL): TOM HOLLAND, CHRIS PRATT, OCTAVIA SPENCER, JULIA-LOUISE DREYFUS U. A. 

 

Nicht dass sich Pixar jetzt auf seinen Oscar-Lorbeeren für Toy Story 4 auszuruhen gedenkt – mitnichten. Onward: Keine halben Sachen ist gleich das nächste Werk, und qualitativ auf Augenhöhe mit bereits etablierten Klassikern des Genres. Die abenteuerliche Fantasykomödie, die in einer von zwei Monden beleuchteten Welt mitsamt aller phantastischen Kreaturen aus der europäischen Sagenwelt und jener Tolkiens spielt, ist tatsächlich ein weiteres Vorzeigemodell dafür, wie kluges, knallbuntes Entertainment mit Niveau funktionieren kann, ohne knapp oberhalb der Gürtellinie zu kalauern und nur das Auge zu bedienen. Onward ist die Überraschung nach dem Preisregen, und aus mehreren Gründen einer der besten Filme aus dem Repertoire.

Zu Beginn erinnert das Szenario ein bisschen an Shrek. Märchenfiguren durch den Kakao gezogen? Das findet sich auch hier. Die mediävale Welt von damals, mit Zauberern, Rittern, Drachen und dergleichen, die ist am Fortschritt genauso wenig vorbeigekommen wie die unsrige. Das Heute sieht genauso aus, wie wir es kennen. Nur streiten obdachlose Einhörer um weggeworfene Speisen oder hat so mancher Mantikor lieber ein Fastfood-Franchise übernommen als sich auf seine traditionellen Werte zu besinnen. Smartphones hat ein jeder, und der Alltag ist frei von Abenteuern jeglicher Art, für die solche Wunderwesen wie hier eigentlich bestimmt sind. Den Elfenbrüdern Ian und Barley geht’s genauso – Schule, lernen, Schikanen von unliebsamen Kollegen, pubertäre Schüchternheit. Kein Wunder, Ian ist ohne Vater aufgewachsen, die Sehnsucht nach einem Papa als Leitfigur und Halt im leben ist groß. Aber wie durch ein Wunder ergibt es sich, dass der Vermisste für einen Tag greifbar werden könnte – durch einen Zauber. Der aber im wahrsten Sinne des Wortes nur halb gelingt. Papa erscheint nur bis zum Hosenbund. Wollen Vater-Sohn-Gespräche geführt werden, muss auch der Rest her, also auf durchs Zauberland zur Problemlösung, denn nach 24 Stunden ist Papa wieder fort – so will es das Jenseits.

Leben, Tod und Älterwerden: Themen, die bei Pixar immer wieder auftauchen. Begegnungen damit verlaufen ungewöhnlich leichtfertig. Zugegeben, phrasische Gewichtigkeit wie Familie und Zusammenhalt und Glaub an dich und wie sie alle heißen sind mittlerweile bei vielen Filmen aus diesem Genre auch nur mehr Schablone, um Situationskomik zu transportieren. Und ja, auch Onward begibt sich zumindest ansatzweise auf diese Pfade, doch wie gewohnt bei den kreativen Köpfen dahinter lässt sich das turbulente, auf Zeitdruck gambelnde Buddy-Movie auch von anderen Eindrücken inspirieren: Es ist die Beziehung unter Brüdern, ist es die Verantwortung füreinander, die entdeckt und erklärt werden will. Da entspinnt sich eine unglaublich fein gezeichnete Doppelconference, ein warmherziges Miteinander, niemals Gegeneinander. Zwischen den beiden: eine halbe Vaterfigur, irgendwie nur noch die Idee einer Verantwortung, eines Kümmerns und Behütens. Und der Imperativ, an einem Strang zu ziehen.

Obwohl Onward deutlich schriller ist als andere Pixar-Filme, obwohl hier vermehrt auf die grellen Eskapaden von Illuminations geschielt wird, behält der Film dennoch seine narrative Sicherheit und verkommt in seinen Szenen nie zum Selbstzweck einer visuellen, turbulenten Attraktion. Vorrangig sind Konzept und Story. Der Rest, so fühlt es sich zumindest an, kommt einfach von selbst. Selbsterkenntnisse drehen auf kuriosen Metaphern und manch kultverdächtigen Slapstickeinlagen ihre Kreise zum Anfang einer mitreissenden, szenenweise wirklich spannenden Geschichte hin. Kurioserweise wird Onward gar gegen Ende, eben weil hier die Zeit als Knüppel zwischen den Beinen vieles zum Straucheln bringt, zum richtigen Nägelbeißer. Die Reise ins Unbekannte hat oftmals nicht unbedingt das zum Ziel, was man vorhat. Auch das ist ein schöner, tröstender Gedanke wider ein durchgeplantes Leben, das so nicht funktionieren will. Das ist brillant herausgearbeitet, die Message hat Drive und bleibt mit all seinem Fingerspitzengefühl des Erzählens ganz weit vorne. Onward eben.

Onward: Keine halben Sachen

The Kid – Pfad der Gesetzlosen

DIE KINDER AN DER BACKE

4,5/10

 

thekid© 2019 Splendid Film

 

LAND: USA 2019

REGIE: VINCENT D’ONOFRIO

CAST: DANE DEHAAN, JAKE SCHUR, ETHAN HAWKE, CHRIS PRATT, VINCENT D’ONOFRIO, LEILA GEORGE, ADAM BALDWIN U. A.

 

Wer klopft da an die Himmelstür? Wieder einmal Billy The Kid, der von Pat Garrett gejagt wird. Das hatten wir schon mal, vor einigen Jahrzehnten, da hat Schusswechsel-Virtuose Sam Peckinpah den beiden (Anti)-Helden mit Pat Garrett jagt Billy the Kid ein bleihaltiges Denkmal gesetzt, und nicht nur ihnen, sondern auch Bob Dylan, der mit seiner transzendenten, wehmütigen Ballade Knockin‘ on Heavens Door Musikgeschichte geschrieben hat. Das war Anfang der 70er, und da war noch James Coburn hinter einem in der Blüte seines Lebens stehenden Kris Kristofferson her. Das war natürlich ein episches Erlebnis, ein Geschichtswestern über Freund- und Feindschaft, über das Wechseln der Seiten und über die Essenz steckbrieflich motivierter Menschenjagd. Billy the Kid ist natürlich ein Mythos, eine Kultfigur sondergleichen, die Mutter aller Outlaws. Ein Verbrecher natürlich, aber verklärt bis zur Ikone. Pat Garrett längst nicht so, der hat ja im Endeffekt seinen ehemaligen Busenfreund auf dem Gewissen, die Sympathie liegt da eindeutig bei dem umtriebigen Jungpistolero, und der hat auch in der aktuellen Verfilmung des Stoffes das Händegeklapper auf seiner Seite, denn Dane DeHaan, der ist im Regiedebüt von Vincent D’Onofrio, womöglich selber Fan von Peckinpahs Klassiker, treffsicher besetzt.

Mit dem so bezeichnenden wie doppeldeutigen Titel The Kid – Pfad der Gesetzlosen bewegt sich der bis zur Behäbigkeit routinierte Western erstmal nicht auf direktem Wege auf den biographischen Trampelpfaden der beiden Charaktere, sondern nähert sich auf Umwegen über ein fiktives verwaistes Geschwisterpaar, das vor den Gewaltfantasien ihres Onkels quer durchs Land flüchten muss. Zufällig fallen die beiden in die Hände von Billy The Kids Gang, der aber längst nicht so ein schlimmer Finger ist, wie manche glauben mögen, sondern vor allem mit dem Jungen so etwas Ähnliches wie  Freundschaft schließt.

Pat Garrett – relativ eintönig dargeboten von Ethan Hawke – bekommt den straffälligen Idealisten unter seine Fittiche und muss ihn der Justiz überstellen. Das ist ein breiter Weg durch gefällige Westernkulissen, und nicht nur dieses Kind hat Garrett an der Backe, auch die beiden anderen, flüchtigen Teenies schleppt er mit. Das zieht sich im wahrsten Sinne des Wortes etwas dahin, und auch wenn der böse Onkel („Star Lord“ Chris Pratt als vollbärtiger Tunichtgut) hinter jeder Ecke lauern könnte, schert sich D´Onofrios Film eher weniger um mögliche Shootouts, die da im Raum stehen, sondern um die Leidensgenossenschaft des völlig realitätsfernen Billy the Kid und des halbwüchsigen Rio, Vatermörder wider Willen, der anscheinend genauso eine verlorene Kindheit sein eigen nennt wie der berühmte Revolvermann, der laut D´Onofrios Film eigentlich Opfer all der Umstände ist und gar nicht anders hätte können als er getan hat. Das sind die stärksten Momente dieses Westerns. Und überhaupt scheint jeder prädestiniert zu sein, indem, was er darstellt und tun muss.

Die Aufarbeitung einer Legende aus der Sicht Außenstehender wirkt sonst aber  uninspiriert und etwas zögerlich. Da wirkt Dane DeHaan (Life, Valerian), trotzdem er wie schon erwähnt den Mythos mit zylinderförmigem Hut und juvenilem Äußeren glaubhaft verkörpert, so, als hätte er alleine die Aufgabe, den routinierten Film am Laufen zu halten, und gar ein bisschen Angst davor. Für ein Regiedebüt ist das zu manieristisch, zu wenig eigenes Ding. Weiters fehlt The Kid die Atmosphäre, die Klassiker wie zum Beispiel Erbarmungslos so auszeichnen und zu etwas Besonderem machen. Da sind die Sattel dieses traditionellen „Horsemovies“ schon etwas durchgewetzt, und nebst all dieser historischen Fakten, mal ungeachtet der widersprüchlichen Chroniken über Billy the Kids Tod, manövriert sich das Drama rund um die fiktiven Geschwister Cutler durch klassische Vorhersehbarkeiten, die ein amerikanischer Western nun mal des Öfteren hat und wo ein Genrefilm wie dieser auch gar nicht anders will. Kann man also sehen, diesen Streifen rund um Gesetz, Faustrecht und Anarchie. Muss man aber nicht.

The Kid – Pfad der Gesetzlosen

Jurassic World: Das gefallene Königreich

DINOS UNCHAINED

7/10

 

jurassicworld2© 2017 Universal Pictures International Germany GmbH

 

LAND: USA 2018

REGIE: J. A. BAYONA

MIT BRYCE DALLAS HOWARD, CHRIS PRATT, JAMES CROMWELL, JEFF GOLDBLUM, TED LEVINE, TOBY JONES, GERALDINE CHAPLIN U. A.

 

Ich wünschte, der Vulkan auf Isla Nublar wäre um einige Jahre früher ausgebrochen. Zumindest vor 2015. Denn da durfte nämlich Universal seinen brandneuen Beitrag rund um T.Rex und Konsorten vom Stapel gelassen. Wäre der Vulkan 2014 ausgebrochen, wäre mir die wirklich misslungene Kopie von Steven Spielberg´s Original erspart geblieben. Nichts gegen all jene Raptoren und Sauropoden, auch nichts gegen all die Karnivoren und sonstigen Vogelbecken- und Echsenbeckensaurier. Ich liebe sie alle heiß, und das soweit ich zurückdenken kann. Was mich nicht davon abgehalten hat, Jurassic World kopfschüttelnd Daumen runter zu diagnostizieren. Das lag vor allem an den unsympathisch affektierten Schauspielern, und am erschreckend einfallslosen Plot. Der künstliche Supersaurier Indominus rex hat dem ganzen dann noch die Krone der verzichtbaren Trümpfe aufgesetzt. Als würden sich die sowieso schon genetisch modifizierten Spezies von damals nicht längst anders verhalten. Und als wäre die Ehrfurcht vor der ganzen prähistorischen Artenvielfalt nicht ohnehin schon das höchste der Gefühle. Da ich aber wie schon erwähnt all die leicht- und schwergewichtigen, gefiederten und gepanzerten Kreucher und Fleucher wahnsinnig gerne nicht verpassen will, stand Jurassic World: Das gefallene Königreich aben auf meiner Watchlist. Auch weil der Trailer so richtig Schmackes hatte und mit seinem Einblick in animierte Naturgewalten zumindest so getan hat, als würde er mir das Graue vom aschebewölkten Himmel versprechen. Pyroklastische Ströme inbegriffen.

Also knotze ich auch diesmal mit kesser 3D-Brille bestenfalls Mitte Mitte im Kinosaal, habe relativ niedrige Erwartungen, freue mich aber auf die da kommenden hereinbrechenden Schauwerte. Wie eine Insel explodiert, das sieht man nicht alle Tage. Und bei Krakatau anno 1883 war ich auch nicht live dabei. Obwohl dessen Folgen über Jahrzehnte hinweg sichtbar gewesen wären. Davon ist bei Jurassic World 2 nichts zu sehen. Auch ist diee Größe der Isla Nublar einem unberechenbaren JoJo-Effekt unterworfen. Hat Michael Crichton diese Insel in seinem Buch noch relativ überschaubar angelegt, ist sie im Film mal von regenwaldgrünen Schluchten durchzogen, und mal wieder so groß wie ein Vulkankegel. Natürlich bleibt bei letztgenannten Parametern von der Insel nicht viel übrig, wenn mal der Magmaschlot nicht mehr kann. Andererseits aber gäbe es theoretisch genug Rückzugsmöglichkeiten für zumindest einige Exemplare unserer geliebten Retorten-Dinos. Da hätte auch Chaostheoretiker Ian Malcolm zugestimmt, ohne wieder einmal gottspielend eingreifen zu müssen. Das hat er ja schon anno 1993 kritisch beäugt. Und ist knapp mit dem Leben davongekommen. Jeff Goldblum´s Anhörungs-Cameo ist dann schon eine liebevolle Reminiszenz. Ich wünschte er hätte mehr Sendezeit bekommen. Doch wo hätte das hingeführt? Er hätte Bryce Dallas Howard und „Star Lord“ Chris Pratt ohnehin die Show gestohlen. So sehr sich die beiden auch im 5. Abenteuer zusammenreißen. Und ich muss ihnen zugute halten – sie bemühen sich diesmal wirklich, weder als kreischender Kathleen Turner-Verschnitt noch als tumber Möchtegern-Grzimek die Show zu vermasseln. Nein, diesmal engagieren sie sich auf der richtigen Seite. Und das liegt vermutlich am dramaturgisch geschickten Händchen von J. A. Bayona, der sich ja prinzipiell mit Naturkatastrophen bestens auskennt (The Impossible) und auch Dramatisches mit Irrealem gut verbinden kann (Sieben Minuten nach Mitternacht, Das Waisenhaus). Klar erkennbar, der Mann weiß, welche Richtung das Franchise wieder einschlagen muss. Auf seinem Spickzettel: Plotmäßig bitte nichts mehr von Bewährtem, dafür aber gerne mehr aus der alten Spielberg-Schule und wenn wir schon so weit sind, tackern wir die evolutionäre Möbius-Schleife an einer Stelle zusammen, an der es kein Zurück mehr gibt. Und denken wir doch einfach die Perversion eines kolossalen Rippenbruchs in Sachen Genetik zu Ende. Natürlich so, wie sich das der kleine Max vorzustellen hat. Nichts kognitiv wirklich Herausforderndes, Fortschrittskritik von seiner simpelsten Sorte. Aber wer braucht schon wissenschaftliche Genauigkeiten, das Ganze ist ohnehin schon so absurd. Ein bühnentaugliches Gedankenspiel mit erhobenem Zeigefinder, den wir zum Takt feuchtfröhlicher Kataklysmen tanzen lassen. Zuzusehen, wie das Königreich zerfällt, macht somit tatsächlich Spaß und gefällt unerwartet gut.

Bayona setzt vielmehr auf Suspense als sein Vorgänger und hat sich sichtlich an Steven Spielberg´s Methoden erinnert. In Jurassic World: Das gefallene Königreich gibt es keine einstürzenden Hochschaubahnen mehr, aus dem Ruder läuft aber so gut wie alles. Das taktisch kluge Drehbuch von Colin Trevorrow und Derek Connolly zieht dort die Zügel an, wo sich mehr Spannung aufbauen lässt und grenzt seine Spielwiesen räumlich ab. Bot die Isla Nublar noch so viele Fluchtmöglichkeiten wie eine brennheiße Herdplatte im Nirgendwo, verwüsten die Radaubrüder aus dem Jura in Folge ein herrschaftliches Gemäuer, das aus einem Haunted House-Grusler entsprungen sein könnte. Wenn der hochgezüchtete wie blitzgescheite Indoraptor einem Nosferatu gleich im Blitzlicht eines tosenden Gewitters bedrohliche Schatten auf die Wände des Kinderzimmers wirft, wenn ein aufgestachelter Pachycephalus im Alleingang ein Auditorium raffgieriger Dino-Verschacherer aufmischt, hat Jurassic World: Das gefallene Königreich seine besten Momente. Der grundtriviale Spaß nimmt sich niemals wirklich ernst und setzt charakterlich auf harte Kontraste, schlägt aber manchmal auch übermütig über die Stränge Richtung Klamauk. Die Attraktion fest im Griff hat der Film aber trotzdem und führt seine durchaus spannende und kurzweilige Saurier-Entfesselung konsequent zu einem vorläufigen Ende. Entfesselung trifft es übrigens ziemlich genau, dabei könnte ich mir fast vorstellen, wie es wäre, würde Tarantino mal die Natural Born Monsters aus der Sklaverei befreien. Viel fehlt nicht mehr, Blut spritzt ohnehin schon in diesem schadenfrohen Epos rund um gequirlte Erdgeschichte, Katastrophen und der Neuordnung sämtlicher Nahrungsketten.

Jurassic World: Das gefallene Königreich

Avengers: Infinity War

DER HERR DER STEINE

8,5/10

 

null© Marvel Studios 2018

 

LAND: USA 2018

REGIE: ANTHONY & JOE RUSSO

MIT ROBERT DOWNEY JR., CHRIS HEMSWORTH, ZOE SALDANA, JOSH BROLIN, CHRIS EVANS, BENEDICT CUMBERBATCH, MARK RUFFALO, CHRIS PRATT, SCARLETT JOHANSSON, PETER DINKLAGE U. A.

 

Was hätte Sauron wohl gemacht, hätte er den Ring, „sie zu knechten, sie alle zu finden“, schlußendlich auch noch an seinen Finger gesteckt? Hätte er sich neue Ziele gesucht? Oder hätte er einfach alle viere gerade sein lassen? Was würde Thanos tun, der Gigant vom Planeten Titan, würde er alle Infinity-Steine sein Eigen nennen? Klar, Thanos hat einen Plan. Wäre der erfüllt, meint er, würde er auf der Veranda vor seinem Haus den Sonnenuntergang genießen. Interessante Frage, die all die Jahrzehntete des Kinos der Guten und der Bösen viel zu selten gestellt wurde. Was macht ein Antagonist, wenn er gewinnt? Marvel hat den Gierschlund mit der ausgeprägten Sammelleidenschaft für Mineralien besonderer Art hinter den stählernen Fronten seiner Kriegsschiffe hervorgeholt und um Antwort gebeten. Thanos – das klingt wie die Superlative des Bösen, eben wie Sauron oder Darth Vader. Der Nachtkönig aus Westeros oder der Beelzebub himself. Doch Thanos ist ein Wesen wie jedes andere. Bärenstark, das schon. Und besessen. Ein Heerführer des Wahnsinns, aber ohne klischeehafter Attitüden. Der orkähnliche Kreaturen um sich schart, gehörnt wie Dämonen, ausgestattet mit schier unbezwingbaren telekinetischen Fähigkeiten oder bis an die Zähne bewaffnet. Wilde Meuten, die über afrikanisches Grasland breschen. Und der Fehdehandschuh als Symbol einer akkurat dämonischen Machtpolitik, die das ernährungshygienische Programm von FDH – Friss die Hälfte – auf die Völker der Galaxie überträgt. Sind alle fünf Steine in den vom Zwergenvolk der Schmiede Nidavellir gegossenen Handschuh eingepasst, hat der Träger dieser Steine die Kontrolle über Macht, Raum, Zeit, Realität, Seele und Gedanken.

Viele der uns wohlbekannten Marvel-Helden stehen angesichts der neuen Bedrohung aus dem All wie die Kuh vor dem Tor. Dabei wollte Thanos schon einmal an die Steinchen ran, mitsamt seinen fliegenden Trilobiten – wir erinnern uns an das Jahr 2012, als Joss Whedon die erste große Gruppendynamik der Avengers vom Zaun gebrochen hat. Seitdem ist viel passiert, und wer sich im Marvel Cinematic Universe gut auskennt, und zum Beispiel die fulminante Episode Thor: Ragnarok oder Black Panther noch frisch im Gedächtnis hat, wird bei Avengers: Infinity War nahtlos anknüpfen können. Und dieser Thanos, der ist zwar kein alter Bekannter, aber eine Visage, die man schon irgendwo gesehen hat. Stimmt – in Guardians of the Galaxy. Das MCU, wie es genannt wird, ist also eine hochkomplexe Spielwiese. Wenn man so will, ist das MCU eine epische Serie, die statt auf der Mattscheibe daheim breit ausgelegt in der vierten Dimension auf großer Leinwand läuft und seinen roten Faden bereits von Anfang an, also seit 2008, als der Erstling Iron Man den Startschuss für eine Erfolgsgeschichte gab, immer wieder weitergesponnen hat. Bis heute, bis zum Auftakt des Grande Finale der ersten Epoche einer galaktisch-phantastischen Oper, die 2019 ihr vorläufiges Ende finden wird. Und dabei ist der Anfang vom Ende eigentlich das Beste, das bekanntlich zum Schluss kommt, und kein Auge trocken sowie keine Wünsche offenlässt.

Avengers: Infinity War ist das Ergebnis einer schweißtreibenden Gratwanderung zwischen dem Anspruch, das Crescendo und den gemeinsamen Nenner aller bisherigen Filme in Gewandung eines märchenhaften Spektakels an mehreren Fronten Ausdruck zu verleihen, und der waltenden Vorsicht, nichts zu überstürzen, nichts zu überhudeln, und nicht der Versuchung zu erliegen, mit machtvollem Getöse den glosenden Keim des sternensystemübergeifenden Dramas zu ersticken. Joss Whedon wäre das bei Avengers: Age of Ultron fast passiert. Die Genese von Vision sowie die Einführung von Scarlett Witch ist für Avangers: Infinity War ein gut zu wissendes Prequel, markiert aber den schwächsten Ankerpunkt der Marvel-Filmreihe, wenngleich dies als Jammern auf hohem Niveau erscheint. Statt Whedon hat also Marvel die Gebrüder Anthony und Joe Russo ins Boot geholt und das Endspiel bereits für sich entschieden. Die Russos hatten damals mit The First Avenger: Civil War wohl einen der besten Filme überhaupt zustande gebracht. Für meinen Teil zählt Civil War zur inoffiziellen dritten Runde der Avengers-Teamfilme, geben sich neben den üblichen Rächern doch auch noch Spider-Man, Ant-Man und Black Panther den Debütantinnenball der agilen Maskenträger. Das Regie-Team hat damit also erstmals und auch längst bewiesen, dass Crowd-Directing zu ihren ganz speziellen Skills zählt. Die nicht jeder beherrscht, schon gar nicht angesichts eines so dicht gedrängten und drängelnden Aufgebots namhafter Stars, die alle zumindest nur mal kurz ihren Teil zum großen Sieg über Thanos beitragen wollen. In der Hoffnung, keinen Abgang zu machen, wenn es das Script verlangen sollte.

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Avengers: Infinity War ist Fantasy vom Feinsten. Ein Krieg der Welten mit Schauwerten, die die Fantasien des Publikums ein- und überholt. Mit Momenten theatralischen Dramas, starken Twists voller Emotionen und längst vertrauten Seelen, um die man bangt. Und das alles keine Sekunde zu lang und um kein Quäntchen zu viel. Dauerunker, die das in den Siebzigern mit Superman eingeführte Comic-Subgenre gerne als „Superheldenscheiß“ bezeichnen, werden aber auch aktuell schwer umzustimmen sein. Da sitzt die grundlegende Aversion bereits schon zu tief. Dabei wäre das Kino, gäbe es dieses Füllhorn an bildgewaltigem Entertainment nicht, um Einiges ärmer. Zwar nicht in erzählerisch-innovativer, aber im Hinblick auf eine Art Hochschaubahn-Magie, die entfesselt, was machbar ist, Benchmark steigend.

Die Benchmark – die ist mit Avengers: Infinity War, Teil 1, neu gelegt. Ich kann Teil 2 kaum erwarten, schon alleine, weil es so einfach nicht enden kann. Sagt der Nerd in mir, mit einem lachenden Auge, weil’s so viel Spaß gemacht hat, und einem weinenden, weil’s so gut, aber viel zu schnell aus war.

Avengers: Infinity War