Die Rosenschlacht (2025)

DIE MISSGUNST DES EITLEN EHEMANNES

4/10


© 2025 Searchlight Pictures All Rights Reserved.


ORIGINALTITEL: THE ROSES

LAND / JAHR: VEREINIGTES KÖNIGREICH, USA 2025

REGIE: JAY ROACH

DREHBUCH: TONY MCNAMARA

KAMERA: FLORIAN HOFFMEISTER

CAST: OLIVIA COLMAN, BENEDICT CUMBERBATCH, ANDY SAMBERG, KATE MCKINNON, NCUTI GATWA, JAMIE DEMETRIOU, ZOË CHAO, SUNITA MANI, BELINDA BROMILOW, DELANEY QUINN, OLLIE ROBINSON U. A.

LÄNGE: 1 STD 45 MIN


„Wuff!“, keift eine angriffslustige Kathleen Turner ihrem nichtsahnenden Ehemann Michael Douglas entgegen, der ein vortreffliches Essen serviert bekommt und gerne wissen möchte, was das Geheimnis hinter diesem kulinarischen Erlebnis wohl sein mag. Dass dabei der hauseigene Hund hat draufgehen müssen, mag stimmen oder nicht: Diese Perfidität schlägt so gut wie alles, was sich Jay Roach in seiner Wennesdennseinmuss-Neuauflage des Rosenkrieges aus dem Jahre 1989 überlegt hat. Denn die Angst namhafter Studios, einen Verlust einzufahren oder nicht genug von dem zu scheffeln, was in die Kassen flutet, ist so groß, dass nun auch schon moderne Klassiker herhalten müssen, die zeitlos genug erscheinen, um nicht neu verfilmt zu werden. Womöglich dauert es nicht mehr lange, und all die Experten für prognostizierten Profit vergreifen sich an Filmjuwelen, die zuletzt so mancher aus der Generation X Geborener am Samstagnachmittag als begleitende Erziehungsmaßnahme in sich aufgesogen hat. Da wären noch Manche mögen‘s heiß oder vielleicht gar Casablanca? Alles von Billy Wilder und so manches von Blake Edwards – letzteres ist ja bereits passiert.

Einen Peter Sellers konnte Steve Martin auch nicht ersetzen. Über seinen Auftritt redet niemand mehr, über den skurrilen Inspektor aus den Sechzigern allerdings schon, genauso wie über Zurück in die Zukunft oder eben Der Rosenkrieg – ein vernichtend komisches Stück Beziehungsdrama mit einem Filmpaar auf Augenhöhe, leidenschaftlich bis in die Unterkleider – wütend, gemein, verzweifelt. Und saukomisch. Während Marianne Sägebrecht als Haushälterin im bayrischen Akzent beschwichtigen will und nicht fassen kann was passiert, und Danny DeVito als juristischer Sidekick mit unterschwelliger Schadenfreude noch Öl ins Feuer gießt, feiert der boulevardeske Nihilismus einer Zweisamkeit ein wildes Spektakel ohne Atempausen. Was man von Die Rosenschlacht (Danke für diese ausgeklügelte Differenzierung, sonst könnte man ja meinen, man säße im alten Film) nicht sagen kann, denn die atmet streckenweise so tief durch, dass einem die Sternchen vor den Augen tanzen. Und damit meine ich nicht, dass Roachs Komödie so schillernd daherkommt. Wohl eher ist es gepflegte Langeweile, sind es ausufernde Anläufe, bis es endlich mal so weit ist, bis beide getrennt von Tisch und Bett sich gegenseitig die Hölle heiß machen. Um das zu erreichen vergehen gefühlt zwei weitere Filme, selbst Benedict Cumberbatch und Olivia Coleman fadisieren sich zusehends, weil die eskalierende Geschichte so dermaßen straight angelegt ist, als würde man stundenlang den Tamiami-Trail in Florida entlangfahren. Der Sekundenschlaf wäre da fast schon garantiert, würden Coleman und Cumberbatch nicht alle Register ihres komödiantischen Könnens ziehen.

Zugegeben: Ja, die beiden sind klasse. Sie tun, was sie können, in einem Film, der nicht tut, was er kann, sondern fast schon zu beliebig und nicht wirklich sehr von sich selbst überzeugt Danny DeVitos Prachtstück von Groteske nacherzählt, so als hätten andere die Pointe ihres Lieblingswitzes vergessen, aber ungefähr so lief dieser ab und durch die dabei entstehende Situationskomik darf man durchaus schmunzeln, wenn schon nicht lachen. Das Lachen nämlich, das blieb in den Achtzigern noch im Halse Stecken, weil es erschütternd und durchaus auch todtraurig gewesen war, zwei ehemals Verliebten dabei zusehen zu müssen, wie ein Leben in die Brüche geht. In der Neuauflage verschieben sich die Beweggründe für den Zwist, wird der Mann zum entmannten Neider und werden Rollenbilder einem Praxistest unterzogen, den Cumberbatchs Figur natürlich nicht besteht. So trägt Die Rosenschlacht deutlich mehr feministische Züge, was dem Krieg aber zu viele Hausaufgaben aufdrängt, die viel zu brav erledigt werden.

Statt messerscharfem Wortwitz übertüncht Roach so einiges mit derben Zoten und vulgären Ausdrücken, die damals gar nicht notwendig waren – ein Zeichen für eine gewisse Ohnmacht im Texteschreiben. Letztendlich ist man froh, wenn der häusliche Tumult losbricht, Ungesagtes gesagt wird und die bittere Erkenntnis in Cumberbatchs Mindset sickert. Doch da ist vieles schon egal, und die Frage nach der Notwendigkeit dieses recht desperat auf die Leinwand gehievten Remakes recht klar beantwortet.

Die Rosenschlacht (2025)

Der phönizische Meisterstreich (2025)

GESCHÄFTSGESPRÄCHE IM PUPPENHAUS

4/10


© 2025 TPS Productions, LLC. All Rights Reserved.


ORIGINALTITEL: THE PHOENICIAN SCHEME

LAND / JAHR: USA, DEUTSCHLAND 2025

REGIE: WES ANDERSON

DREHBUCH: WES ANDERSON, ROMAN COPPOLA

CAST: BENICIO DEL TORO, MIA THREAPLETON, MICHAEL CERA, SCARLETT JOHANSSON, TOM HANKS, BRYAN CRANSTON, MATHIEU AMALRIC, BENEDICT CUMBERBATCH, RUPERT FRIEND, RIZ AHMED, BILL MURRAY, CHARLOTTE GAINSBOURG, JOHANNES KRISCH, KARL MARKOVICS, IMAD MARDNLI U. A.

LÄNGE: 1 STD 45 MIN


Es kommt nicht oft vor, dass man abseits inszenierter Gala-Filmpremieren gemeinsam mit Schauspielern im Kino sitzt, die im gerade gezeigten Film vorkommen. Auch wenn der renommierte österreichische Schauspieler Johannes Krisch nur eine winzig kleine Nebenrolle bekleiden durfte, stach diese doch aufgrund ihres leuchtend roten Ornats aus mancher Szene heraus und zog die Blicke, die normalerweise Scarlett Johansson gegolten hätten, auf sich. Und nicht nur er stand auf der Ensembleliste von Wes Anderson, auch Karl Markovics war wieder mit dabei, versteckt in einer schwarzweißen Szene, die zwischen Leben und Tod einen Mann vorführt, der sich laut Andersons Drehbuch Zsa-Zsa Korda nennt und Zeit seines Lebens auf wüste Weise die Weltwirtschaft durcheinandergebracht hat, ungefähr so wie Donald Trump eben jetzt, nur vielleicht etwas charmanter, weniger Vorschlaghammer.

Dieser Zsa-Zsa steht in der Gunst der Schicksalsgötter, denn die lassen ihn auch nach zahlreichen Attentatsversuchen nicht und nicht über die Klinge springen. Was dieses Glück im Unglück aber bei diesem Mann von Welt ausgelöst hat, ist eine Art Besinnung, die ihn an seine wohl einzige Tochter denken lässt, eine Novizin namens Liesl, gespielt von Kate Winslets Tochter Mia Threapleton. Im Film darf sie das Erbe von Benicio del Toro antreten, allerdings nur probehalber. Was beide nicht wissen: Ein Vereinigung, die sich Excalibur nennt, will dem Geschäftsmann seinen wirtschaftlichen Erfolg madig machen, indem sie durch Preisabsprachen sämtliche Projekte in Phönizien sabotieren. Wer jetzt schon das müde Augen bekommt, kann sich gleich auch noch den Polster richten: Es wird noch viel unspannender.

Das Schwinden der Lust am Detail

Dabei geht es um ein Preisgefälle und eine gewaltige Finanzierungslücke. Investoren müssen umgestimmt und dazu bewogen werden, mehr zu zahlen. Und so weiter und sofort, alles natürlich in penibel arrangierten Puppenhaus-Settings, die auch im Hintergrund nichts dem Zufall überlassen. Diese Bildwelten kennen wir bereits zur Genüge, nur hier und da lässt sich Anderson zu einer bewegteren Bildsprache hinreissen. Anders als seine Kurzfilme (u. a. Ich sehe was, was du nicht siehst), die zu Pop-Up-Bilderbüchern erstarrt sind, ist Der phönizische Meisterstreich zumindest eine Arbeit, die an ihrem Anspruch zu ermüden scheint und längst nicht mehr so akkurat das Lineal durchs Bild zieht wie in anderen Werken. Asteroid City aus 2023 ist da noch pastelliges Manifest, da sehnt man sich mit Heißhunger nach harten Kontrasten. Dieser Film hier, so hat man den Eindruck, will aus seinem zur Genüge rezitierten Dogma ausbrechen, hin und wieder passiert das auch und rekapituliert frühere Filme wie Darjeeling Limited. Und dennoch: Worauf der Fankreis wartet, muss eintreten. Wes Anderson wird zu seinem eigenen, gefälligen Manieristen, der längst nicht so penibel alles einsortiert wie er selbst zu seinen besten Zeiten, als diese seine Welten ob des Vintage-Avantgardismus noch ein Staunen wert waren.

Immer noch stehen die Stars des Films alle Schlange wie an einem Sommertag vor dem hippen Bio-Eisladen mit fünf Euro pro Kugel. Von Tom Hanks über Bryan Cranston, Benedict Cumberbatch, Michael Cera, Matthieu Amalric und sogar Charlotte Gainsbourg sind sie alle da und geben sich die Klinke in die Hand für ulkige Kurzauftritte in einer Geschichte, die nicht viel mehr Reibung erzeugt als der frisierte Geschäftsbericht eines Superunternehmers. Wen interessieren schon Finanzierungsverhandlungen, auch, wenn sie bunt und schön und dekorativ ins Bild gesetzt werden? Mich jedenfalls nicht.

Der phönizische Meisterstreich (2025)

The End We Start From (2023)

HINTER MIR DIE SINTFLUT

5/10


the-end-we-start-from© 2023 Universal Pictures


LAND / JAHR: VEREINIGTES KÖNIGREICH 2023

REGIE: MAHALIA BELO

DREHBUCH: ALICE BIRCH, NACH DEM ROMAN VON MEGAN HUNTER

CAST: JODIE COMER, JOEL FRY, KATHERINE WATERSTON, GINA MCKEE, NINA SOSANYA, MARK STRONG, BENEDICT CUMBERBATCH, SOPHIE DUVAL U. A.

LÄNGE: 1 STD 42 MIN


Diese Woche soll es endlich wieder mal ordentlich regnen. Zumindest hier, im staubtrockenen, glutheissen Wiener Becken, waren all die verzweifelten Regentänze für die Fische. Unter solchen Umständen wandern Filme, die sich mit Klimawandel und noch dazu mit dem heiß ersehnten Niederschlag auseinandersetzen, die Watchlist höher. Eines dieser neuen Werke ist jener Streifen, der Jodie Comer als frischgebackene Mutter durch ein teilweise überflutetes und vollends dem Ausnahmezustand anheimgefallenes Großbritannien schickt. Durch das London an der Themse lässt sich nur noch per Boot manövrieren, zum Glück haben eine Frau ohne Namen und ihr Mann rechtzeitig Haus und Heim hinter sich gelassen, zum Glück hat diese Frau auch rechtzeitig ihr Baby zur Welt gebracht. Es scheint, als wäre das Schicksal dieser frischgebackenen Familie gewogen, denn Papas Eltern leben überdies in höhergelegenen Gefilden am Land, mit jeder Menge Vorrat, um gut durch die Krise zu kommen. Diese dauert aber länger als gedacht, es scheint, als wäre die Flutkatastrophe sowas wie einer Zombieapokalypse gewichen, nirgendwo gibt es mehr Nahrung, und selbst im Haus der Großeltern leert sich der Keller. Das Schicksal meint es also doch nicht gut, als ein Unglücksfall dem anderen folgt und Jodie Comers Charakter plötzlich ganz allein dastehen muss, den Säugling vor die Brust geschnallt und ums Überleben kämpfend. Die Suche nach Papa muss verschoben werden. Die Zukunft ist ungewiss.

Aus gefühlt jedem Katastrophenzustand wird im Kino gerne eine Endzeit generiert. Auf ein zivilisiertes Danach lässt sich in vielen Fällen einfach nicht mehr hoffen. Meist ist das Elysium ein am Horizont vage manifestierter Lichtblick, ein Ideal, ein Hoffnungsschimmer oder Motivator, der die hartnäckig Suchenden nicht resignieren lässt. The End We Start From ist nicht viel anders und fühlt sich an wie ein Spin Off von The Last of Us, nur ohne den toxischen Pilzsporen anheimgefallene Mutanten. Hier ist das Hochwasser schlimm genug, um die gesellschaftliche Ordnung aus den Angeln zu heben. Dass man in Zeiten wie diesen dann doch noch eine neue Generation in eine ungewisse, äußerst instabile Zukunft schicken soll, versucht der nach einem Roman von Megan Hunter inszenierte melodramatische Streifen zu illustrieren. Und lässt sich dabei zu einem mitunter elegischen Kaffeekränzchen für Mamas hinreissen, das mit einer Engelsgeduld, die der Zuseher vielleicht nicht hat, den pflegetechnischen Alltag von Jodie Comer und dann auch noch Katherine Waterston, die sich ebenfalls um ihr Kleinkind bemüht, in den Fokus nimmt. Das mutet in jedem Fall recht empathisch und gefühlvoll an, reizt die Thematik aber zu sehr aus, während sich der rote Faden in den Wirren der nicht näher beleuchteten Katastrophe verliert, die überdies das Gefühl vermittelt, nicht ganz schlüssig zu sein. Geht’s mal nicht um das Erfüllen mütterlicher Pflichten, setzt Mahalia Belo Jodie Comers Konterfei breitenwirksam in Szene – nachdenklich, rückblickend, sehnsüchtig. Und dann nochmal: nachdenklich, rückblickend, sehnsüchtig, vielleicht gar schwelgend in Erinnerungen mit Partner Joel Fry, der stets so aussieht, als würde er nicht nur in den Fluten, sondern auch im Selbstmitleid ertrinken.

Es ist schon gut erkennbar, worum es der Story um Mutterschaft angesichts extremer Umstände wohl gehen mag: Um den Verlust gesicherter Existenzgrundlagen und die Erschaffung neuer Parameter. Was es dafür braucht, ist letztlich die gesamte leidgeprüfte Familie. Mahalia Belo lässt sich mit dieser redundanten Erkenntnissuche aber viel zu viel Zeit, The End We Start From hat mitunter ermüdenden Leerlauf und fühlt sich dem Melodramatischen sehr zugetan. Ein Endzeitdrama light mag hier gelungen sein, für all jene, die The Road mit Viggo Mortensen als unzumutbar erachten, derweil ist dieser düstere Streifen einer der „schönsten“ und aufrichtigsten Filme um das Ende der Welt, die bisher gedreht wurden. The End We Start From weiß nicht so recht, wieviel es seinen Figuren zumuten will. Als Schonprogramm zwischen Krabbelstube und Existenzanalyse mag dieser gemächliche Paradigmenwechsel wie weichgespült wirken, auch wenn, wie es scheint, die Insel sich mutwillig selbst aufgibt.

The End We Start From (2023)

The Book of Clarence (2023)

UNGEHORSAM IM BIBLISCHEN HARLEM

5/10


the-book-of-clarence© 2023 Sony Pictures 


LAND / JAHR: USA 2023

REGIE / DREHBUCH: JEYMES SAMUEL

CAST: LAKEITH STANFIELD, RJ CYLER, BABS OLUSANMOKUN, JAMES MCAVOY, BENEDICT CUMBERBATCH, DAVID OYELOWO, ALFRE WOODARD, OMAR SY, CALEB MCLAUGHLIN, TEYANA TAYLOR, NICHOLAS PINNOCK, TOM VAUGHAN-LAWLOR U. A. 

LÄNGE: 2 STD 9 MIN


Alle Jahre wieder ist es Zeit, um Ostern herum dem Bibelfilm zu frönen. Wer alle möglichen Interpretationen und Klassiker bereits durch hat, kann entweder bereits Gesehenes nochmal reviewen oder sich auf brandneue Werke wie auf jenes von Jeymes Samuel stürzen, der ein paar Jahre zuvor das Genre des Western zu einem astreinen Black Cinema-Shootout hat werden lassen: The Harder They Fall mit Regina King als schwarzgekleidete Bandida und Eisenbahn-Piratin, stylish schwer in Ordnung, dramaturgisch noch ausbaufähig. Nun hat es den Bibelfilm erwischt, er wird zur Bühne für ein Gleichnis amerikanischer Missstände, Unterdrückung und schreckgespenstischem Weißer-Mann-Rassismus, wenn grindige Kolonialeuropäer in römischer Montur ihre sadistischen Freuden an eine jüdische Bevölkerung ausleben, die allesamt People of Color sind, darunter natürlich auch die zwölf Apostel und ein Möchtegern-Dreizehnter namens Clarence, der dem Wirken des Jesus von Nazareth nur neidvoll zusehen kann, ohne selbst etwas auf die Reihe zu bekommen. Nicht mal im Wagenrennen als Wettstreit mit einer martialischen Maria Magdalena, die wir in derartiger Interpretation noch nie zuvor zu Gesicht bekommen haben und die das Stereotyp eines zerbrechlichen weiblichen Jesus-Fans mit Schmacht-Faktor konterkariert. Clarence ist in seiner ihm gewidmeten filmischen Neo-Apokryphe ein Gelegenheitsgauner und Lebenskünstler. Einer, der bis über beide Ohren in Schulden steckt und diese nicht irgendwem zurückzahlen muss, sondern einem Patriarchen der Jerusalemer Unterwelt. Hat er die Menge an Schekel nicht in knapp 30 Tagen auf dessen Tisch gelegt, droht ihm Schlimmeres als nur eine Kreuzigung. Da Jesus gerade zur richtigen Zeit am richtigen Ort vorbeischneit und mit seinen Weisheiten beeindruckt, hat Clarence die Idee: Warum nicht auch predigen und Wunder vollbringen? Was der Nazarener zaubern kann, lässt sich sicher erlernen. Was der gute Lakeith Stanfield in einer Doppelrolle allerdings völlig übersieht: Rund um die Zeit der Passionsgeschichte waren selbsternannte Messiasse rote Tücher in den Augen der Römer. Ein solches Schicksal bleibt letzten Endes auch Clarence womöglich nicht erspart – ganz so wie dem guten alten, uns allen wohlbekannten Brian, der unter der Regie von Terry Jones nur dank einer großzügigen Spende von einem der Beatles das Licht der Leinwand erblickte und gar nicht wollte, dass andere ihm folgen, während Clarence hinter dem Eifer des Zusammenraffens spendabler Jünger unter anderem auch das nötige Kleingeld vermutet.

Um Betrug und Erleuchtung, um Trittbrettfahrerei und viel Gesellschaftspolitik geht es in The Book of Clarence, und anders als bei Das Leben des Brian wird bei Samuels Werk wohl keine sonstwie geartete Glaubensgemeinschaft einen Baum aufstellen, in dem sie „Skandal“ schreit. In Zeiten der politischen Korrektheit und woken Moral darf Jesus von Nazareth völlig ungeschoren plötzlich der sein, der letzten Endes gar nicht am Kreuz landet. Eine originelle Sichtweise, die der Film hier einnimmt. Mutig und vielleicht sogar radikal, wenn man genauer hinsieht. Wie es dazu kommt, ist eine Chronik an Verwechslungen und einem Ausleben an Stereotypen, die sich Farbige eben gezwungen sehen, kolportieren zu müssen. Es ist die Rapper-Coolness, der Konsum von Drogen und die schiefe Bahn. Es ist all das, was Cord Jefferson in seiner oscarnominierten Satire American Fiction zwar nicht durch den Kakao zieht, aber kritisch betrachtet, und zwar durch Jeffrey Wright, der sich davor scheut, dieses Narrativ zur massentauglichen Verbreitung seiner Schriftstücke anzuwenden. Jeymes Samuel tut das dennoch. Er gefällt sich in dieser Rolle; er liebt es, sein Ensemble in einer Opferrolle positioniert zu sehen. Kann das problematisch werden?

So viel Skandalpotenzial und kein Aufschrei der Kirche? Vielleicht, weil The Book of Clarence in erster Linie weder Parodie noch Satire ist, sondern vielmehr eine Versuchsanordnung zur Erörterung eines schwarzen neuen Testaments und der Frage, wie viel dieser kleine andere Umstand an der frohen Botschaft etwas ändert. Dennoch, und trotz dieses Mutes, vieles „umzufärben“, greift The Book of Clarence oft ins Leere und hält sich viel zu lange mit erlernten Verhaltensmustern auf, die Farbigen angedichtet werden. Es mögen mehrere Messiasse das Passionsspiel etwas verwirren, und es mögen gar illustre Namen wie Benedict Cumberbatch fast schon unter dem Radar laufen, weil so dermaßen lieblos auf die Seite gestellt. Viel Luft nach oben gibt es in manchen Szenen, die weniger Handlung setzen als vielmehr wortreich des neutestamentarischen Who is Who erörtern. Oft tritt der Film auf der Stelle, tut sich schwer dabei, voranzukommen oder frischen Wind durch die Gassen eines alternativen Jerusalem wehen zu lassen. Am meistern schmerzt die über den Kamm geschorene Schwarzweißmalerei, deren Plakativität gar nicht notwendig gewesen wäre und die letzten Endes welchen Jesus auch immer mit erhobenem Zeigefinger ans Kreuz nagelt.

The Book of Clarence (2023)

Ich sehe was, was du nicht siehst (2023)

WIR BLÄTTERN IM BILDERBUCH

5/10


The Wonderful Story of Henry Sugar© 2023 Netflix Inc.


ORIGINAL: THE WONDERFUL STORY OF HENRY SUGAR

LAND / JAHR: GROSSBRITANNIEN, USA 2023

REGIE: WES ANDERSON

DREHBUCH: WES ANDERSON, NACH DEN KURZGESCHICHTEN VON ROALD DAHL

CAST: BENEDICT CUMBERBATCH, RALPH FIENNES, DEV PATEL, BEN KINGSLEY, RUPERT FRIEND, RICHARD AYODE U. A.

LÄNGE: 39 MIN

LÄNGE VON DER SCHWAN, DER RATTENFÄNGER & GIFT: 17 MIN


Was diese Werke in der Produktion wohl kosten müssen? Wir alle kennen diese vorzugsweise aus früheren Zeiten stammenden Kinderbücher, die aus kaschierten, dicken Kartonseiten bestanden und nur relativ wenig zum Blättern hatten, die aber, jedes Mal, wenn man das Buch aufschlug, dieses eine dreidimensionale Welt aus ausgestanzten und hintereinander gereihten Kartonkulissen auferstehen ließ. Blickte man dann frontal und in Augenhöhe mit dem Umschlag auf das Kunstwerk aus Falt-, Falz und Kartonkunst, war das Wunderland nicht erst seit der Darbo-Werbung näher als einem lieb ist. Als Sahnehäubchen dienten da noch Kartonstreifen am linken und rechten Rand, die, wenn man sie zog oder schob, filigrane Figuren durch den Forst, durchs Schloss oder durchs Dorf wandeln ließen. Ach, wie herrlich war und ist doch der analoge Büchertrick – und tatsächlich erfährt diese Art der Buchkunst heutzutage wieder ein Revival. Da braucht es nur einen Besuch im einschlägigen Papierfachhandel – der nächste Pop-up-Overkill kann schon der eigene sein.

Mit solchen Werken muss auch Wes Anderson aufgewachsen sein. Und mit den Geschichten von Roald Dahl. Das Wunder des Puppentrickfilms passt da ebenfalls gut dazu, nicht grundlos entstand 2009 Andersons Werk Der fantastische Mr. Fox, natürlich Roald Dahl. Die Begeisterung für den britischen Schreiberling schlägt sich nun in einer Kurzfilmreihe nieder, die im Kino womöglich als Episodenfilm in einem Aufwaschen präsentiert worden wäre: Ich sehe was, was du nicht siehst – und weitere drei Erzählungen des Meisters, aus dessen Feder Charlie und die Schokoladenfabrik, Hexen hexen oder Sophiechen und der Riese stammen. Seine Kurzgeschichten sind da weniger kindertauglich – oder eben auch kindertauglich, nur nicht erste Wahl für eine Gutenachtgeschichte.

In Ich sehe was, was du nicht siehst liest der eitle und geldgierige Henry Sugar, dargestellt von Benedict Cumberbatch, in einem Büchlein über einen wundersamen älteren Herrn namens Imdad Khan (Ben Kingsley), der, ohne seine Augen zu benutzen, sehen kann. Als Attraktion einer Freakshow will dieser seine Performance unter ärztlicher Aufsicht zelebrieren. Und was Imdad Khan konnte, muss Henry Sugar doch auch können. Nun, man kann sich denken, dass dieser in seinem Ehrgeiz, Spielcasinos abzuzocken, diese Skills bald sein Eigen nennen wird. Doch zu welchem Preis? Kein Roald Dahl ohne Pointe. So erfahren wir auch in den weiteren, deutlich kürzeren Schrullen von knapp über jeweils einer Viertelstunde, wie es einem Jungen ergeht, der von vogelmordenden Rabauken malträtiert wird (Der Schwan), wie es in Der Rattenfänger einem Schädlingsbekämpfer gelingt, lästigen Nagern Herr zu werden. Und wir erfahren in Gift, ob Cumberbatch, starr im Bett liegend, letztlich von einer Schlange gebissen wird oder nicht.

Wes Anderson musste für seine geschmackvollen Miniaturen wohl nicht händeringend an die Türen seiner Stars klopfen – womöglich war‘s eher umgekehrt. Also gibt nicht nur Cumberbatch spielfreudig manch Dahl’sche Figure zum Besten, sondern auch Dev Patel (Slumdog Millionaire), Rupert Friend und Ben Kingsley. Als der Schriftsteller himself wetzt Ralph Fiennes im schmuck eingerichteten Autorenstübchen, vollgestopft mit Accessoires, seine Hauspantoffeln und gibt einleitende wie abschließende Worte zum Besten – ein Storyteller par excellence. Da fläzt man sich gern zu dessen Füßen, folgt vielleicht der ersten Geschichte mit genug Aufmerksamkeit, um all die Details aufzunehmen und auszuwerten, doch aufgrund der recht gleichförmig betonten, dichten Wortwolken, die da am künstlichen Firmament aufziehen, in einer Geschwindigkeit, wie man eben Kulissen auf die Bühne schiebt und von dort wieder weg, heften sich Augen und Ohren nicht mehr an die wesentliche Handlung, sondern driften auf nebensächliche, penibel platzierte Details ab. Es bleibt ein einziges Wundern über die obsessive Vorliebe des einstigen Werbefilmers für Setzkastenoptik und pittoresken Puppenstubenpanoramen, über die narrenhafte Vorliebe für 50ties-Gebrauchsgegenstände und einem analogen Damals. Vor diesen Bühnen dann bekannte Gesichter, die das Offensichtliche aussprechen und in direkter Rede sich selbst sprechen hören.

Anderson treibt seinen akribischen Bühnenkitsch endgültig auf die Spitze. Seine Filme werden immer unbeweglicher, statischer und standbildhafter. Natürlich hinterfragt er die Möglichkeiten des Kinos, in dem er diese einfach nicht nutzt, um das Medium der Bedeutung eines mobilen Ersatztheaters zuzuführen. Doch diese Philosophie dahinter haben wir längst verstanden. Es braucht bei Anderson einen frischen Wind, der durch die abgestandene und ausgebleichte Optik weht. Es braucht neue Impulse. Und weniger Schauspieler, die wie Figuren einer Spieluhr ihren exakt getimten Auftritt haben. Das ist, außer repetitiv zu sein, zu viel vom Gleichen, auch wenn Roald Dahls Geschichten als Perpetuum Mobile das Ringelreihe antreiben. Es wäre auch schon egal, ob Dahl oder sonst wer hier als Vorlage gedient hat. Hauptsache, die Bühne bringt‘s.

Ich sehe was, was du nicht siehst (2023)

Doctor Strange in the Multiverse of Madness

MAN LEBT NICHT NUR ZWEIMAL

7,5/10


drstrange_multiverse© 2022 Marvel Studios / Walt Disney Company


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: SAM RAIMI

CAST: BENEDICT CUMBERBATCH, ELIZABETH OLSEN, XOCHITL GOMEZ, BENEDICT WONG, RACHEL MCADAMS, CHIWETEL EJIOFOR, PATRICK STEWART, HAYLEY ATWELL, LASHANA LYNCH, JOHN KRASINSKI, ANSON MOUNT, BRUCE CAMPBELL U. A.

LÄNGE: 2 STD 6 MIN


Keine Sorge! Das, was leicht hätte passieren können, tritt zum Glück nicht ein. Nämlich, dass Kevin Feige bei der Planung seines MCU völlig den Faden verliert, was schließlich durch die Einbringung der Multiversum-Komponente verführerisch genug gewesen wäre. Nein, Kevin Feige zeigt sich besonnen. Und weiß, was für und wieviele Fäden er bereits in der Hand hält. Er weiß auch, dass es nicht ratsam wäre, wirklich viel Neues hinzuzutun. Er knüpft also mit den Fäden, die er hat, eine Reihe neuer Muster in seinen epischen Marvel-Wandbehang, auf dem schon so viele Helden und Antagonisten aus den Comics ihren unverrückbaren Platz besetzen. Mehr ist über manche von ihnen nicht mehr zu erzählen. Andere hingegen, die durch den Streamingdienst Disney+ auch in so mancher Serie gut weggekommen sind und noch etwas zu sagen hätten, finden wieder zurück auf die Leinwand. So zum Beispiel Wanda Maximoff aka Scarlett Witch, die wir als Scarlett Witch aber noch nicht kennengelernt haben, es sei denn, die originelle Mindfuck-Dramedy Wandavision kann bereits als gesehen ad acta gelegt werden. Und falls dem nicht so ist, und Doctor Strange in the Multiverse of Madness in den nächsten Tagen ansteht, empfehle ich, diese neun Folgen womöglich an einem Binge-Wochenende noch schnell von der Watchlist zu streichen, ist sie doch die einzig relevante Storyline zwischen all den anderen, die unterstützend dazu beiträgt, Elisabeth Olsens Handeln als Superhexe auch wirklich, in all seiner Dramatik, nachvollziehen zu können.

Die letzte Sache mit Spidey hoch 3 ist mehr oder weniger Geschichte. Dr. Stephen Strange erwacht  nach einem heftigen und sehr real anmutenden Alptraum in seinem Schlafzimmer irgendwann nach Spider-Man: No Way Home an einem normalen Tag im MCU Universum, wo gerade mal sonst nichts passiert – außer die Hochzeit seiner Ex Christine Palmer. Die Feier crasht ein einäugiges Tentakelmonster – womöglich der entfernte Verwandte von Starro, dem Eroberer aus Suicide Squad – das sich durch die Straßen wälzt und auf der Suche nach einem Mädchen namens America alles platt macht. Das mit speziellen Fähigkeiten ausgestattete Wunderkind ist Dr. Strange überdies im Traum erschienen, was folglich einige Fragen aufwirft. Was für Besonderheiten bringt Miss America mit sich? Wie relevant ist das für die Stabilität der Wirklichkeiten? Und warum mischt sich plötzlich Wanda Maximoff ein, hält sie doch ein Buch in ihren Händen, welches womöglich aus demselben Regal entnommen wurde wie H.P Lovecrafts Necronomicon oder eben das Naturon Demonto aus Tanz der Teufel, mit welchen wirklich fiese Dinge angestellt werden können.

Tanz der Teufel? Da wird jemand wie Sam Raimi hellhörig, hat der doch diesen Horrorschocker Anfang der Achtziger inszeniert. Womöglich hat sich der Altmeister gar nicht lange bitten lassen, in Anbetracht der Tatsache, abermals Dämonen und Untote umherbewegen zu dürfen. Aber Marvel und Horror? Geht das überhaupt zusammen? Dabei muss man die Definition von Horror neu überdenken. Horror kann tatsächlich jugendfreundlich sein, ohne groß zu verstören und dennoch zu vergnügen, ähnlich einer Geisterbahnfahrt am Rummel. In Doctor Strange in the Multiverse of Madness setzt Raimi auf Basis eines wirklich astrein überarbeiteten und von unnötigen Schnörkeln befreiten Skripts auf eine attraktive Balance zwischen den bewährten Franchise-Qualitäten, die alle State of the Art sind, und düsterer, aber erfrischend aufgeweckter Dark Fantasy, die in alten Mythen wie Dantes Inferno herumwühlt, liebevolle Hofknickse vor entschärften Evil Dead-Elementen macht und tatsächlich auch den Geist alter Roger Corman-Filmklassiker wie Der Rabe – Duell der Zauberer beschwört. Das Zitieren der coolen Anthologieserie What if… mit allerlei Alternativ-Helden hat überdies Schmackes; die Settings, Kreaturen und das intensive Aufspielen von Elizabeth Olsen ebenso, dagegen wirkt Rachel McAdams geradezu unbeholfen. 

Dieser neueste Beitrag in einer satten und bereits über mehrere Jahrzehnte kausal zusammenhängenden Welt unbegrenzter Möglichkeiten bremst sich dort ein, wo vieles aus dem Ruder hätte laufen können, und eröffnet nur gezielt neue Storylines für spätere Abenteuer. Andere könnten darin das Fahren mit Handbremse sehen, und zugeben muss man schließlich, dass der konveniente Erzählduktus des MCU so erwartbar schmeckt wie ein McDonalds-Burger egal wo auf der Welt. Raimis kluge Regie aber, und die Freude an den Möglichkeiten, auch die etwas dunkleren Seiten des Phantastischen zu bedienen, lassen das metaphysische und stellenweise packende Abenteuer irgendwie anders erscheinen – nur nicht als müden Zaubertrick.

Doctor Strange in the Multiverse of Madness

Die wundersame Welt des Louis Wain

KATZEN FÜRS VOLK

7/10


louiswain© 2022 Studiocanal GmbH / Jaap Buitendijk


LAND / JAHR: GROSSBRITANNIEN 2021

BUCH / REGIE: WILL SHARPE

CAST: BENEDICT CUMBERBATCH, CLAIRE FOY, ANDREA RISEBOROUGH, TOBY JONES, SHARON ROONEY, AIMEE LOU WOOD, HAYLEY SQUIRES, STACY MARTIN, PHOEBE NICHOLLS, TAIKA WAITITI, NICK CAVE U. A. 

LÄNGE: 1 STD 51 MIN


Die Katzen tanzen ließ nicht erst Andrew Lloyd Webber mit seinem erfolgreichen Musical Cats. Da hat schon einer viele Dekaden früher seine Hausaufgaben gemacht, um den Stubentigern jenes Publikum zu gönnen, dass sie anscheinend verdient haben. Denn vor der Schaffenszeit von Louis Wain, einem britischen Zeichner des neunzehnten Jahrhunderts, waren die Samtpfoten allemal dazu da, die hauseigenen Gehöfte vor mäuseartigen Umtrieben zu bewahren.

Damals hieß es: Katzen! Wieso soll man Katzen als Haustiere halten? Hunde: ja. Hunde gingen und gehen immer. Aber Katzen? Die zeigen ja nicht mal im Geringsten Anflüge von devoter Treue. Sie tun das, was sie wollen und gucken halt süß, mit ihren großen runden Augen und den kleinen rosa Näschen, und je jünger sie sind, desto niedlicher scheinen sie. Heutzutage sind Katzenfotos und -videos die ungeschriebene Essenz des Social Media – ihr Tortenboden, wenn man so will. Katzen entstressen, befrieden und bringen soziale Differenzen auf den gleichen Nenner. Einfach, weil man sie zuhause hat und ihnen dabei zusieht, wie sie sich selbst genügen und auf erbarmungswürdige Art ihre Futtergeber um den Finger wickeln. Wie gesagt: Louis Wain hat das überhaupt erst initiiert. Durch ihn wird die Katze zur schrägen, vermenschlichten Figur, als Karikatur oder Comicstrip. Ob gestiefelt oder das Wollknäuel herumstoßend. Plötzlich wollten alle Katzen haben, Katzen sehen und Katzen – moiiii! – einfach niedlich finden.

Wer dieser Louis Wain eigentlich war, und warum er sich dazu hinreißen ließ, die kulleräugige Mimik der kleinen, miauenden Vierbeiner salonfähig zu machen, das zeigt nun im Kino eine Biographie, die viel probiert, Dinge auf unterschiedliche Weise sehen will und einen Benedict Cumberbatch in den Mittelpunkt stellt, der in seiner Eigentümlichkeit und Verschrobenheit Typen wie Newt Scamander aus dem Harry Potter-Universum als biedere Gesellen erscheinen lässt. Doch manchmal ist bei Cumberbatch Vorsicht geboten – er tendiert dazu, das Verhalten seiner Figuren vor allem dann zu überzeichnen, wenn dies längst nicht mehr notwendig scheint. Abgesehen davon weiß er jedoch ganz gut, ohne Marvel-Franchise zurechtzukommen. Charaktere gibt’s für ihn genug, das kann alles sein. Eben auch eine so traurige, verschrobene Gestalt wie Louis Wain, dem aufgrund all der Katzen und den dadurch erzeugten Glückshormonen eigentlich die Sonne aus dem Allerwertesten scheinen sollte. Tut es aber nicht. Schon allein deswegen, weil dieser – so wie fast jede Künstlerin oder Künstler in ihren oder seinen Biografien – mit der Liebe so sein Unglück hat. Bei Wain wars das Ableben seiner großen Liebe, die ihn aus dem Konzept geworfen und jene Veranlagung offenbaren wird, die in der Familie liegt: Schizophrenie.

So ein Leben zu bebildern, scheint ein Fass ohne Boden an Stilmitteln, Farbkästen und experimentierfreudigen Huldigungen an eine mannigfaltige Kunststil-Ära zwischen Bürgerlichem Realismus, Impressionismus und der frechen Form eines britischen Biedermeiers des viktorianischen Zeitalters. Regisseur Will Sharpe wechselt in seiner Bildsprache zwischen kitschigen Gemälden, Kaleidoskop und Guckloch. Überraschenderweise erinnern seine Settings an die enorme Detailverliebtheit eines Wes Anderson, was auch noch durch das 4:3 Bildformat unterstrichen wird. Sharpe gelingt ähnliches, nur bei Anderson sind diese Tableaus statisch, während Louis Wain sich darin weniger formelhaft zu bewegen weiß. In Die wundersame Welt des Louis Wain irrt ein zutiefst trauriger Don Quichote durch einen pittoresken Katzen- und Bilderwahn, durch Alptraumvisionen und enge, dunkel vertäfelte Zimmer, die den Zeichner von jenem Horizont abhalten, den dieser vielleicht gerne gesehen hätte. In diesem filmischen Kokon bleibt der Künstler, dessen Tierportraits später immer abstrakter werden, unentwirrbar hängen. Ihm zuzusehen, wie er die Chance verspielt, mit seinem künstlerischen Erfolg ein existenzielles Fundament zu setzen, entlockt Mitgefühl. Aber auch jede Menge Verständnis für flirrende Geister wie diesem, der in einer akkuraten Weltordnung nur Chaos erkennt.

Die wundersame Welt des Louis Wain

Spider-Man: No Way Home

DIE SPINNE MUSS NACHSITZEN

7,5/10


spidermannowayhome©2021 CTMG. All Rights Reserved. MARVEL and all related character names: © & ™ 2021 MARVEL


LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: JON WATTS

CAST: TOM HOLLAND, ZENDAYA, JACOB BATALON, JON FAVREAU, MARISA TOMEI, BENEDICT CUMBERBATCH, ALFRED MOLINA, JAMIE FOXX, WILLEM DAFOE, ANDREW GARFIELD, TOBEY MAGUIRE, J. K. SIMMONS U. A. 

LÄNGE: 2 STD 28 MIN


Da kann selbst Dune nicht mithalten: Spider-Man: No Way Home ist wohl der am heißesten ersehnte Film-Blockbuster des Jahres, und das trotz keinerlei Verzögerung durch Corona, denn so ziemlich punktgenau zum vorübergehenden Ende des letzten Lockdowns darf der gelenke Kletterer diesmal so gut wie alles durcheinanderbringen. Kein Wunder, ist der Knabe doch noch relativ grün hinter den Ohren, erschreckend naiv und idealistisch. Da hätte er während der Zeit bei den Avengers doch lieber von den alten Hasen noch anderes lernen sollen als nur: wie bediene ich ein Nanotech-Suit. Da fehlt es Peter Parker leider noch an Erfahrung und gesunder Distanz. Manchmal muss man aber auch nicht ganz so populäre Entscheidungen treffen – eine Lektion, der selbst Politiker gerne aus dem Weg gehen. Diesmal ist Spider-Man dran, sich genau diese Erkenntnis hinter die Ohren zu schreiben. Und der Preis dafür wird hoch sein. So wie die Erwartungshaltung des Publikums.

Denn wir wissen ja: Spidey wird mit Dr. Strange gefährliche Sachen machen, die das Raum-Zeit-Kontinuum und überhaupt die Multiversum-Theorie einem Praxislehrgang unterziehen. Wer da nicht die Vorgeschichten zu diesem nun kommenden Spektakel kennt, wird sich relativ schwertun, den Überblick zu bewahren oder auch nur nachzuempfinden, welche Ausmaße das Ganze hat. Um Spider-Man: No Way Home richtig und schrankenlos genießen zu können, bedarf es profunder Kenntnis diverser Episoden, die noch vor der Gründung des Marvel Cinematic Universe zurückreichen und nämlich dort ansetzen, wo Sam Raimi seinerzeit mit dem populären Netzstrumpfhelden begonnen hat: Nämlich 2002, sechs Jahre vor dem MCU-Einstand mit Iron Man. Eigentlich müsste man wirklich interessierten Sehern, die diese ersten Spider-Man-Filme nicht kennen, dringend ans Herz legen, die Sichtung selbiger nachzuholen. Und nicht nur das: abgesehen von der Kino-Chronik aller Filme sind selbst die auf Disney+ erschienen Serien durchaus hilfreich, wenn man sie gesehen hat, insbesondere was die zweite Post-Credit-Scene betrifft (sitzenbleiben!). Hilfreich wäre auch, bereits Bekanntschaft mit Venom gemacht zu haben. Man sieht: alles kommt zusammen wie das Bündel Spinnenfaden, die Spider-Man so gerne und oft verschießt, um sich durch die Gegend zu schwingen.

Was wohl viele kennen werden, ist der letzte Auftritt von Tom Holland in Spider-Man: Far From Home. Da hatte er alle Hände voll mit Mysterio zu tun, der es wiederum geschafft hat, am Ende des Films die Identität des Superhelden alle Welt wissen zu lassen. Das wäre jetzt für (fast) alle anderen Kostümträger im MCU gar kein Problem, ist deren Klarname doch ohnehin allen bekannt. Fragt sich natürlich: warum muss gerade Spider-Man inkognito bleiben? Dem nachzugehen würde das Comic-Erbe hinterfragen und das kausale Grundgerüst zum Wackeln bringen, also nehmen wir die Tatsache einfach hin. So kommt es, dass alle Welt vergessen hat, dass auch Spider-Man im Infinity-War seinen Beitrag geleistet und die Welt vor Thanos gerettet hat. Dass einer wie Mysterio mehr Vertrauen genießt als die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft, bleibt ein weiteres Plot-Rätsel.

Peter Parker geht der Status Quo nun gehörig gegen den Strich, und so sucht er Dr. Strange auf, der ihm bitte schön helfen soll, Spider-Mans Identität erneut zu verschleiern. Der Zauber geht schief und der Magier muss das Ritual abbrechen – nichts ahnend, dass dadurch das Multiversum anklopft, aus welchem dimensionsfremde Superschurken über unsere eigene herfallen wollen. Strange und Spidey müssen diese Indifferenz wieder ins Lot bringen. Während Strange aber den Gesetzen der dimensionalen Logik folgen will und muss, ereifert sich Parker, all die Bösewichte eines Besseren belehren zu wollen, bevor er sie wieder „geheilt“ zurückschickt. 

Das Gute tun um jeden Preis: kann nicht funktionieren. Allen Menschen recht getan? Eine Kunst, die niemand kann. Mit Spider-Man: No Way Home hinterfragt Jon Watts die Reife junger Superhelden und lässt sie an ihrem Gutmenschen-Credo gnadenlos scheitern. Das Abenteuer schildert die Chronik eines  gut gemeinten Misserfolgs und gestaltet sich zu einer Parabel auf Selbstüberschätzung und eine aus idealistischer Verklärung entstandenen Dummheit. Dabei ist es nur gut und recht, Spidey dabei zuzusehen, wie er alles wieder gradebiegen will. Menschen und Superhelden machen gleichermaßen Fehler – das Universum in ihren Gesetzmäßigkeiten allerdings nicht. Und so entsteht ein spektakuläres Gerangel zwischen Inkompetenz und Metaphysik, mit Action satt, einem humorvollen, aber etwas zu verplauderten Triple-Feature und ganz viel Drama, dass sich manchmal selbst zu sehr leidtut. Alles in allem aber ist der dritte Soloauftritt von Tom Holland ein spezielles Guilty Pleasure für Kenner und Fortgeschrittene – alle anderen werden nur halb so viel Spaß haben. Doch auch dieses Quantum würde reichen, um sich gut unterhalten zu fühlen.

Spider-Man: No Way Home

The Power of the Dog

DIE EINSAMKEIT DES STARKEN COWBOYS

8/10


thepowerofthedog© 2021 Cr. KIRSTY GRIFFIN/NETFLIX


LAND / JAHR: NEUSEELAND, AUSTRALIEN 2021

BUCH / REGIE: JANE CAMPION, NACH DEM ROMAN VON THOMAS SAVAGE

CAST: BENEDICT CUMBERBATCH, JESSE PLEMONS, KIRSTEN DUNST, KODI SMIT-MCPHEE, THOMASIN MCKENZIE, KEITH CARRADINE, FRANCES CONROY U. A. 

LÄNGE: 2 STD 8 MIN


Wir kennen das vermutlich alle. Die bedrohliche Aura eines unangenehmen Menschen, dessen Präsenz so dominant ist, dass man sich selbst ganz klein vorkommt. Das ist ein Gefühl, als hätte alles, was man selbst zu Wege bringt, den falschen Ansatz. Als wäre man diesem einen Menschen, der dieses beklemmende Vakuum erzeugt, permanent Rechenschaft schuldig. Solche Leute gibt es, und bei diesen Leuten steckt oft etwas ganz anderes dahinter. Womöglich nämlich die Erinnerung an genauso ein Empfinden, das wir selbst in diesem Moment verspüren. So eine unangenehme Persönlichkeit ist der Cowboy Phil, interpretiert von Benedict Cumberbatch, der sich diesmal einen Film ausgesucht hat, der nicht vorrangig nur deswegen produziert wurde, um seinen Hauptdarsteller nach einem Oscar betteln zu lassen. Nein, diesmal ist Cumberbatch Teil eines Räderwerks mysteriöser, aber essenzieller Funktionen.

Phil also, ein unrasierter, ungewaschener, erdiger Typ mit Cowboyhut und ledernen Chaps, dazu Stiefel und stets eine Selbstgedrehte im Mund. Der Mythos schlechthin aus Lucky Luke und John Wayne. Die Arroganz von einem Mann, der alles weiß und alles andere verurteilt. Der kommt eines Tages, gemeinsam mit seinem ganz anders gesinnten, distinguierten Bruder George und einer ganzen Schar anderer Cowboys im Zuge eines Viehtreks an der Gaststätte Red Mill vorbei, in welcher die Witwe Rose gemeinsam mit ihrem Sohn Peter fürs leibliche Wohl der Reisenden sorgt. Schon da versprüht Phil enorme Dosen an Erniedrigungen und Verhöhnungen, vor allem was den schlaksigen Halbwüchsigen Peter betrifft, der in seiner Freizeit lieber Papierblumen bastelt als das Lasso schwingt. Anders George: der verliebt sich in Rose, und ehe man es selbst richtig merkt, sind die beiden verheiratet. Rose zieht in die Ranch, zum Leidwesen von Phil, der ebenfalls dort wohnt und keine Zeit verstreichen lässt, um dieser labilen Frau die Stimmung zu verderben. Da sind wir wieder, bei diesem eingangs erwähnten, beklemmenden Gefühl, dass das Zeug hat, sensible Personen in eine Depression zu stürzen. Doch Phil hat seine Rechnung ohne Peter gemacht, der als Studiosus in den Sommerferien zu Besuch kommt.

Und zwar in eine Gegend, die faszinierender und seltsamer nicht sein kann. Weite Ebenen, grasbewachsene Hügel, im Sonnenlicht gelbbraun und voller Schatten. Auf so einer Ebene ein einsames Bildnis von einer Ranch, wie ein monolithisches Denkmal ragt es aus dem Nichts. Dieser Western, mit dem sich Jane Campion nach langer Schaffenspause wieder zurückmeldet, scheint nicht von dieser Welt. Das sieht man allein an diesen Bildern und an den Einzug einer aufkommenden Industrialisierung in eine mythenbasierte Nostalgie, wie sie Chloé Zhao in The Rider ähnlich beschrieben hat. Nur: The Power of the Dog ist artifizieller, konzentrierter, symbolhafter. Campion erreicht beinahe die Intensität ihres oscarprämierten Klassikers Das Piano. Wobei hier nicht nur die ikonenhafte Darstellung des aus der Zeit gefallenen Cowboys so sehr fasziniert, sondern die mustergültige Fähigkeit und das unfehlbare Gespür für Andeutungen, die mit feiner Klinge formuliert sind und kaum mit Worten so gut wie alles erzählen. In diesem Erahnen der Umstände geben sich Cumberbatch, Kirsten Dunst und Kodi Smit-McPhee (bekannt aus Alpha und X-Men) gegenseitig genug Raum zur Zeichnung ihrer Figuren. Und keine nimmt so sehr Form an wie die des Cowboys Phil. Der Brite schafft das nachvollziehbare Bild eines einsamen, seines Glückes beraubten Mannes, und das mit allen Zwischentönen und Widersprüchlichkeiten.

Widersprüchlich, und daher menschlich und greifbar, sind auch alle anderen Gestalten, die in diesem hermetischen Mikrokosmos eines entfremdeten Montanas (gedreht wurde in Neuseeland) gefangen sind. Stereotypen haben bei Jane Campion nichts verloren, bewährte Formeln ebenso wenig. The Power of the Dog schafft es, ein differenziertes, indirektes, aber freies Spiel unterschiedlicher Kräfte zu erzeugen, die mal wie ein Thriller, ein episches Drama oder queeres Psychogramm funktionieren. Bei letzterem gelingt Campion der Ansatz am besten, und was Ang Lee in Brokeback Mountain spielfilmlang recht ungelenk transportiert hat, weiß dieser Film nur in wenigen Minuten ungleich intensiver und ernsthafter darzustellen.

Obwohl es The Power of the Dog anfänglich nicht leicht macht, in die Geschichte hineinzufinden – letzten Endes ist das Unausgesprochene und zwischen den Zeilen Befindliche verantwortlich dafür, dass mich diese Regiearbeit vom Feinsten in ihren Bann gezogen hat.

The Power of the Dog

Der Mauretanier

KUBAKRISE 2.0

6,5/10


mauretanier© 2021 TOBIS Film GmbH.


LAND / JAHR: USA, GROSSBRITANNIEN 2021

REGIE: KEVIN MACDONALD

CAST: TAHAR RAHIM, JODIE FOSTER, SHAILENE WOODLEY, BENEDICT CUMBERBATCH, ZACHARY LEVI, COREY JOHNSON U. A.

LÄNGE: 2 STD 10 MIN


Es kommt immer darauf an, wie Message Control ihre Arbeit leistet: Außen hui, innen pfui. Nach Filmen wie Judas and the Black Messiah oder eben Der Mauretanier ist das Bild von den (ehemals) selbsternannten Wächtern der Welt das eines durchtriebenen Heuchlers, der westliche Werte predigt, und selbst aber zu Mitteln greift, die schon in der spanischen Inquisition irgendwann später als überholt galten. Die Rede ist vom Foltern, bis das Geständnis kommt. Statt Streckbank und Daumenschrauben gibt’s in Guantanamo Waterboarding, Schlafentzug und sonstige Abscheulichkeiten, die den Gefangenen brechen sollen. Mit diesen Methoden ist es ein Leichtes, alle möglichen Geständnisse zu erzwingen, und seien es auch jene, die zugeben, mit sowas Abstraktem wie dem Teufel im Bunde zu sein oder den Hexensabbat zu tanzen. Unterzeichnete Wahrheiten, die nichts wert sind. Doch zumindest befriedigt es die Wähler, denn die wollen einen Sündenbock für das 9/11-Verbrechen, und da ist einer, der über mehrere Ecken mit Bin Laden zu tun hatte, gut genug.

Dieser Jemand ist Muhamedou Ould Slahi, eben ein Mauretanier, der früher mal auf Seiten der Amerikaner und der Al Kaida gegen die kommunistischen Invasoren in Afghanistan gekämpft hat. Der wird eines Nachts, kurz nach dem 11. September, ganz einfach einkassiert, zuerst in den Nahen Osten verschleppt, dann in Guantanamo inhaftiert – und folglich immer wieder verhört. Zuerst noch auf humane Weise, später dann auf die harte Tour. Klar sieht man das in diesem Film, manche Szenen wirken so, als wären sie aus der Horrorreihe The Purge oder aus einem anderen perfiden Psycho-Murks. Tatsächlich waren das Methoden des US-Militärs. Von dieser Schande erfuhr die Öffentlichkeit erst einige Zeit später, und das dank einer liberalen, sozial engagierten Anwältin, die sich Slahi annimmt, einfach, um einen fairen Prozess auf Schiene zu bekommen – und den Verdächtigen mangels Beweisen freizubekommen. Das gebärdet sich natürlich schwieriger als gedacht.

Das Beeindruckende an diesem Politdrama von Kevin McDonald, der in Sachen Menschenrecht und Politik schon mit Der letzte König von Schottland verstört hat, sind die im Abspann zu sehenden, echten Aufnahmen des ehemals Gefangenen. Slahi wirkt wie eine unerschütterliche, lebensbejahende und enorm sympathische Person. Wie einer, der es geschafft hat, dank seines Glaubens an Gott diese 14 gestohlenen Jahre zu überstehen. Tahar Rahim versucht, diesem Gemüt ebenfalls zu entsprechen – und bekommt das szenenweise wirklich gut hin. Dieses Verschmitzte, Zuversichtliche, diese direkte Art, aber auch dieses Unbeugsame: eine stilsichere Performance. Dagegen bleibt Jodie Foster angespannt und blass, der Golden Globe für diese Rolle wurde womöglich aus reiner Sympathie vergeben. Der Fokus liegt also eindeutig auf Rahim, der übrige illustre Cast bleibt nicht mehr als solide, was man von der eigentlichen Inszenierung allerdings auch sagen kann. Schwierig, so einem brisanten Thema gleichzeitig den Schrecken zu lassen und andererseits aber ein chronologisch akkurates Geschichtskino zu bieten. Sehr wohl gelingt das, und auch schafft MacDonald den Schulterschluss mit vergeltungsaffinen, skeptischen und humanitär veranlagten Parteien. Dadurch bekommt Der Mauretanier eine überlegte Nüchternheit – doch was nebenbei den stärksten Effekt erzielt, ist die erfolgreiche Nutzbarkeit eines festen, inneren Glaubens, in diesem Fall dem des Islam, der in seiner reinen, von kulturellen Geboten entkoppelten Beschaffenheit genauso wie das Christentum Geist und Seele schützen kann.

Der Mauretanier