Small Engine Repair

WOZU HAT MAN FREUNDE?

7,5/10


smallenginerepair© 2021 Vertical Entertainment


LAND / JAHR: USA 2021

BUCH / REGIE: JOHN POLLONO, NACH SEINEM THEATERSTÜCK

CAST: JOHN POLLONO, JON BERNTHAL, SHEA WIGHAM, SPENCER HOUSE, JORDANA SPIRO, CIARA BRAVO, JOSH HELMAN U. A.

LÄNGE: 1 STD 43 MIN


Nicht alle Bühnenstücke eignen sich zur Verfilmung fürs Kino. Dieses hier schon. Womit also kein Grund besteht, Small Engine Repair unter dem Radar fliegen zu lassen. Das Theaterstück von John Pollono, der in vorliegendem Film auch Regie geführt und die Hauptrolle übernommen hat, entwickelt sich so unerwartet, dass man lange Zeit eigentlich nicht weiß, womit man es zu tun hat. Mit einem gediegenen Melodram rund um Freunde und die Zeit, die an diesem sozialen Gefüge nagt? Oder mit einem sich langsam anbahnenden Thriller, dessen Ursprung lange im Verborgenen liegt und in so manchen Dialogzeilen, ohne dass es so recht bewusst wird, bereits vorweggenommen werden kann. Zu viel über Small Engine Repair zu verraten, kann leicht passieren und wäre auch zu schade. Dieser kleine, hemdsärmelige Film kommt durch die Hintertür an den Schauplatz einer schmucken Werkstatt und füllt die mit dem Duft von Schmieröl und halbdurch gebratenen Steaks durchzogenen vier Wände mit topaktueller Relevanz.

Für dieses besondere Werk konnte Pollono zwei durchaus namhafte Schauspieler verpflichten: Jon Bernthal, der bärig-sympathische Kumpeltyp auch fürs Grobe und vielleicht nicht ganz so Legale – und Shea Wigham, betont abgemagert und blass, stets mit Mütze und nerdigem Knowhow. Beide geben jahrelange Freunde von Frank Romanowksi (John Pollono), der Schwierigkeiten hat, seine Impulse unter Kontrolle zu behalten. Da kann es schon mal passieren, dass die Hand ausrutscht – und sich nicht mehr stoppen lässt. Gewalt ist sein Problem, und das führt dazu, dass der Freundeskreis zerbricht – bis Jahre später all die damals Vergraulten zu einem Grill- und Männerabend in Franks Werkstatt gerufen werden, um Vergangenes auszusprechen und sich wieder zu versöhnen. Das tun sie dann auch, es wird umarmt, gescherzt, Anekdoten aus den letzten Jahren preisgegeben, Bier getrunken und sogar Gras geraucht, das ein Kerl vorbeibringt, der seltsam distanziert, ja gar arrogant wirkt, der sich aber dazu überreden lässt, bei dieser kleinen Party auch sonst so mitzumischen. Mit diesem Kerl hat Frank aber etwas vor. Und genau dafür braucht er seine Freunde.

Es gibt Garagenbands, und es gibt Garagenfilme. Dieser ist einer davon. Ein Film für kleine Bühnen. Doch mehr braucht man oft nicht. Pollono statuiert mit seinem unter Anspannung sozialisierenden Männerdrama ein Exempel für Verantwortung und Achtsamkeit. Wie weit, lässt er auch fragen, geht das Einstehen für den anderen, wenn der andere ein Freund ist, der den Rückhalt entsprechend verdient? Es wird Abend, dann wird es Nacht rund um diese Werkstatt, das Neonlicht taucht den Verschlag in ein graugrünes Versuchslabor aus Wut, Sorge und Vergeltungsdrang. Irgendetwas ist hier im Argen, und wie Pollono dieses Arge aus dem bemüht versöhnlichen Beisammensein herauskitzelt, bleibt unvorhersehbar und nicht minder verblüffend. Die Wendung mag brillant sein, kann aber auch für andere vielleicht ein bisschen zu aufgesetzt wirken, zu gewollt globale Probleme erörternd, die auf diese Art hier vielleicht gar nichts zu suchen hätten, weil es die derbe Schulterklopfromantik gestandener Typen konterkariert. Doch genau das ist das Irre an dieser so schmerzvollen wie improvisierten Geschichte, die so plötzlich über einen lauen Herbstabend hereinbricht wie ein frühes Wintergewitter.

Small Engine Repair

City of Lies

RAP AND REVENGE

4,5/10


cityoflies© 2021 Koch Films


LAND / JAHR: USA 2018

REGIE: BRAD FURMAN

CAST: JOHNNY DEPP, FOREST WHITAKER, TOBY HUSS, DAYTON CALLIE, SHEA WIGHAM, LOUIS HERTHUM U. A. 

LÄNGE: 1 STD 52 MIN


Dass man Schauspieler tatsächlich aufgrund ihrer relativ privaten Beziehungsquerelen so dermaßen fallen lässt – ich dachte, über diese Methoden ist das Showbiz längst hinweg. Welch ein Irrtum: Nach dem Schmutzkübel- und Rosenkrieg mit Amber Heard ist einer wie Johnny Depp nicht mehr derselbe. Von der Planke seiner Black Pearl stößt man ihn ebenfalls – der nächste Blockbuster wird wohl noch etwas dauern. Leute wie Bruce Willis und Nicholas Cage haben damit keine Probleme, die beiden genießen ihren Wanderpfad durchs Low Budget-Dickicht. Depp hingegen bemüht sich redlich, seinem Plan B zu entgehen und wird zumindest noch für Filme engagiert, die gewisse inhaltliche Qualitäten aufweisen. The Professor zum Beispiel, oder Warten auf die Barbaren – ein Historienfilm, in welchem der Star so richtig fies sein darf. In City of Lies ist er an der Seite eines auffallend erschlankten Forest Whitaker zu sehen und gibt einen Detektive, der mit den Morden an den Rappern Notorious B.I.G. und Tupac Shakur zu tun hat.

Man muss kein Afficionado in Sachen Rapmusik sein – da reicht das musikalische Allgemeinwissen. Denn Notorious B.I.G. und Tupac Shakur, die waren zwar in ihrem Genre halbgottgleiche Kapazunder, traurigen Weltruhm erlangten sie allerdings erst durch ihren gewaltsamen Tod. Beide starben im selben Jahr fast zur selben Zeit an unterschiedlichen Orten durch mehrere Schüsse. Der oder die Täter wurden nie gefasst. Ein kriminalistisches Mysterium. Und zwar eines, das aufgrund seiner mittlerweile im Schlepptau befindlichen Legenden- und Verschwörungen ähnlich wie beim Kennedy-Attentat allerhand Theorien für möglich hält. Auf Basis eines Tatsachenromans von Randall Sullivan mit dem (von mir verkürzten) Titel LAbyrinth verfilmt Brad Furman (u. a. The Infiltrator, Der Mandant) die Nachforschungen des Ermittlers Russel Poole (Johnny Depp), der gemeinsam mit einem Journalisten den Spuren der Mörder so nahe wie bislang möglich kommt, ohne Beweise allerdings niemanden jemals belangen wird können. Ob das so eine gute Idee war, sich dieser Ansammlung an Fakten zu bedienen, um daraus statt einer Dokumentation einen Spielfilm zu machen, ist eine gute Frage. Denn in die Gänge kommt diese nüchtern dargebotene Kriminalchronik leider wirklich nicht.

In ungesund graugelbem Farbton gehalten, offenbart sich die investigative Arbeit als ein Kommen und Gehen wenig greifbarer Gestalten, und überhaupt scheint Johnny Depp im Gegensatz zu Whitaker, der als einziger ein bisschen aufs Gas steigt, von seiner Rolle und auch vom Filmstoff selbst durchaus gelangweilt. Esprit entwickelt er keinen. Vielleicht erfordert das auch die Rolle des schon ewig auf diesem Fall herumkauenden Ermittlers, der noch dazu in Rückblenden zu sehen ist, die den ganzen Verschwörungskrimi die Attraktivität eines aus Zeitungsschnipseln zusammengetragenen Sammelalbums verleihen. Was überbleibt, ist das ergänzte Allgemeinwissen um die Schicksale zweier Musiker. Mehr aber auch nicht.

City of Lies

Death Note

AUF DIE SCHWARZE LISTE

5,5/10


deathnote© 2017 Netflix


LAND / JAHR: USA 2017

REGIE: ADAM WINGARD

CAST: NAT WOLFF, KEITH STANFIELD, MARGARET QUALLEY, WILLEM DAFOE, SHEA WIGHAM, MASI OKA U. A. 

LÄNGE: 1 STD 41 MIN


Dem bleibenden Eindruck folgend, welchen Godzilla vs. Kong bei mir hinterlassen hatte, musste ich mal in Erfahrung bringen, was denn Regisseur Adam Wingard sonst noch so Filmisches fabriziert hat. Dabei stieß ich neben dem Found Footage-Sequel Blair Witch auf die finstere Manga-Verfilmung Death Note, die derzeit auf Netflix abrufbar ist. Eine, wie es scheint, pechschwarze Final Destination-Variante, die allerdings den einzigen Unterschied hat, dass nicht der Tod höchstpersönlich manch Auserwählten ins Gras beißen lässt, sondern ein ganz normaler Mensch. Eins sei dabei angemerkt: dieser ganz normale Mensch, in diesem Fall Schauspieler Nat Wolff, kommt auch nicht aus heiterem Himmel auf die Idee, vor lauter Langeweile andere Menschen sterben zu lassen. Klar wünscht man ab und an rein impulsiv unangenehme Gesellen zum Teufel, doch damit, dass diese schnell erdachten Stoßflüche Wirklichkeit werden, rechnet niemand.

Wirklich nicht? Die seltsame Gottheit namens Ryuk schon, ein metaphysisches Wesen mit joker´schem Dauergrinser und finsterer Igelmähne, schwarz wie die Nacht und mit Augen wie glühende Kohlestückchen. Erdacht wurde diese phänomenale Kreatur von den Künstlern Tsugumi Ohba und Takeshi Obata für ihren titelgebenden Shōnen, einer Art japanischen Comic für männliche Young Adults – die am meisten verbreitete Art künstlerischer Bildergeschichten in Ostasien. Ergänzt mit Willem Dafoes sonorem Organ entsteht so eine den wortkargen Sensenmann in den Schatten stellende Spukgestalt, die so nervig, verführerisch und gleichermaßen erschreckend ist, dass von ihr eine Faszination ausgeht, der sich nicht nur Nat Wollf kaum entziehen kann. Ryuk, obwohl ein Todesgott, erfüllt hier die Ansprüche eines literarisch volkstümelnden Teufels. So wie bei all den anderen Gleichnissen, die von Pakten mit dem Antichrist berichten, denen ein ambivalent zu betrachtender Eigennutz zugrunde liegt, der nicht selten mit den sieben Todsünden korreliert, hat auch Death Note einen moralischen Anspruch zu verlieren.

Diesem Jungen also, Light Turner, fällt buchstäblich ein alter Schinken in die Hände, halb voll gekritzelt mit unzähligen Namen und Todesursachen. Bald darauf erscheint dem völlig verstörten Turner der uns bereits bekannte, nach Äpfeln gierende Shinigami, der ihm alsbald über seine Macht aufklärt. Eine Woche lang ist Turner, wenn er will, Herr über Leben und Tod. Sobald er einen Namen, dessen zugehöriges Konterfei er kennen muss, ins Buch schreibt und dazu noch die Art und Weise, wie derjenige umkommen soll, hat der Tod freie Bahn. Klar, dass so viel Verantwortung einen Otto Normalverbraucher überfordert. Aus wütendem Gelegenheitskiller wird moralischer Ritter. Kann das lange gut gehen? Es wäre kein Fantasyhorror wie dieser, würde das Universum unter diesen Voraussetzungen nicht aus dem Lot geraten.

Aller Anfang ist zumindest mal beeindruckend: Man wähnt sich bereits in einem morbiden Märchen voller explizit dargestellter Blut- und Beuschel-Tode, im Hintergrund der hämisch gackernde Riesenkobold, der seinen Senf dazu gibt. Da es sich hierbei um die Verfilmung eines Mangas handelt, ist es mit einem geradlinigen Plot aber nicht getan. Die ermittelnden Behörden kommen dazu. Einer von ihnen: ein dem Zucker verfallener Hoodie-Träger, der nicht schlafen, eine diabolische Freundin, die ihrem Loverboy das Buch abspenstig machen will. Das alles verstrickt und vertrackt sich zu einem ausladenden und folglich konfusen Mindfuck, der über seine eigenen Regeln stolpert; der sich schwertut, den Blick auf das Wesentliche zu behalten. Das mit dem Buch letzten Endes viel mehr möglich ist, als es scheint, ermattet zusätzlich die Ambition, allen Details folgen zu wollen. Mangas sind generell enorm komplex. Verfilmungen selbiger hinken dabei gerade mal so hinterher. Jüngstes Beispiel: der chinesische Fantasyfilm Animal World rund um eine tödliche Schere-Stein-Papier-Challenge. Auch hier bleibt man stellenweise ratlos zurück. Bei Death Note bleibt nur Ryuk selbst seinen Modi treu, während all das Getöse um Leben und Sterben lassen recht viel an Dynamik verliert.

Death Note

Machete

REVOLUTION IM BAHNHOFSKINO

6/10


machete© 2010 Sony Pictures Germany


LAND / JAHR: USA 2010

REGIE: ROBERT RODRIGUEZ, ETHAN MANIQUIS

CAST: DANNY TREJO, JESSICA ALBA, MICHELLE RODRIGUEZ, JEFF FAHEY, ROBERT DE NIRO, STEVEN SEAGAL, DON JOHNSON, SHEA WIGHAM, LINDSAY LOHAN U. A. 

LÄNGE: 1 STD 45 MIN


Gegen Danny Trejos Visage ist jene von Charles Bronson ja geradezu glatt wie ein Babypopo. So auszusehen ist entweder Zufall oder jahrelang frequentierte Solarien. So ein Aussehen lässt sich mitunter auch auf exzessiven Alkohol- und Drogenkonsum zurückführen. Keine Ahnung was Trejo in seinen Jugendjahren alles gemacht und nicht gemacht hat, jedenfalls saß der Mann immer wieder mal hinter Gittern. Dieses bullige Gehabe und eben dieses unverwechselbare Aussehen hat ihm letzten Endes eine Karriere im Filmbiz beschert. Und die hat er nicht bekommen, weil er gut schauspielern kann. Sondern weil er von der langen Mähne bis zu den Stiefeln unter Copyright steht. Danny Trejo ist eine Marke, die kann man buchen. So wie das zum Beispiel Robert Rodriguez für seine Grindhouse-Eskapaden getan hat.

Machete heißt der Film, der als Reminiszenz auf das Exploitationkino der 60er bis 70er gedacht ist. Filmkenner wissen, was das heißt. Sex und Gewalt mit dem Vorschlaghammer. Wer eignet sich da nicht besser als Trejo für die Figur des Ex-Geheimagenten Machete Cortez, der lieber mit scharfen Klingen aller Art hantiert, im Notfall aber auch aus allen Rohren feuert. Fun Fact am Rande: die Figur des Actionhelden stammt ursprünglich aus Rodriguez´ Kinderabenteuer Spy Kids, wurde dann als Fake-Trailer vor dem Zombie-Trash Planet Terror zum Kult – und bekam als Folge des Erfolgs seinen eigenen Film. Und zwar einen, den man nicht unbedingt gesehen haben muss. Der aber auf gewisse Weise ganz interessant ist, da er, wäre Donald Trump anno 2010 bereits Präsident gewesen, als antirepublikanischer Aufstand geprobt werden kann. Als Anti-Trump-Film schlechthin. Mehr Anti geht nicht. Und mehr Staraufgebot ebenso wenig.

Für diese Schandtat von Film war wohl halb Hollywood bereit, mitzuwirken, und sei die Rolle auch noch so sinnlos. Lindsay Lohan zum Beispiel. Als ballernder Nackedei im Nonnengewand hat die junge Frau gerade noch Trash-Geschichte geschrieben, bevor sie von der Bildfläche gänzlich verschwand. Und wer hätte gedacht ich würde nochmal Steven Seagal zu Gesicht bekommen (an dessen strahlender Erscheinung ich tatsächlich live bei der Comic Con 2019 teilhaben durfte), und zwar in einem Film? Ein Action-Haudegen der späten 80er, der hier nochmal so richtig unsympatheln darf. Ihn auf Augenhöhe mit Robert de Niro zu sehen hat aber was. Der wiederum hat eine gar nicht so verschwindende Rolle – als erzkonservativer Senator paktiert er mit – haltet auch fest – good old Don Johnson, der als Warlord der Bürgerwehr illegalen Immigranten das Leben schwer macht. Ein tete-a-tete selten oder lang nicht mehr gesehener Gesichter ist das.

Rodriguez Verbeugung vor dem Bahnhofskino ist natürlich nichts für Feinschmecker oder Freunde nuancierter Filmkunst. Die bewusst heillos überzeichnete und gottseidank selbstironische Schlachtplatte mit kuriosen Gore-Elementen hat aber auf seine eigentümlich triviale Art sehr wohl was im Hinterstübchen – nämlich ein glasklares Statement gegen Nationalismus und Xenophobie.

Machete

Joker

DAS LACHEN, DAS IM HALSE STECKT

9/10

 

joker-1© 2019 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved. TM & © DC Comics

 

LAND: USA 2019

REGIE: TODD PHILLIPS

CAST: JOAQUIN PHOENIX, ZAZIE BEETZ, ROBERT DE NIRO, BRETT CULLEN, FRANCES CONROY, SHEA WHIGHAM U. A.

 

Lachen ist die beste Medizin, ist Arbeit für den Körper (mehr als 100 Muskeln sind daran beteiligt, von der Gesichts- bis zur Zwerchfellmuskulatur – alle Achtung!) und Balsam für die Seele. Mit Lachyoga lassen sich Depressionen oder andere seelische Erkrankungen mildern, was aber wissenschaftlich noch nicht ganz zu beweisen war. Aber Lachen muss doch vom Herzen kommen, oder nicht? Muss empfunden werden. Arthur Fleck empfindet es nicht. Der Mann, der später mal die Nemesis für Batman werden soll, ist, so könnte man sagen, am Lachen erkrankt. Eine neurologische Störung vermutlich, doch so gut kommt das fehlplatzierte Gelächter nicht wirklich an, nicht in der Gesellschaft, und nicht in Situationen, wo es eigentlich um Leben und Tod geht. Lachen wird dabei so richtig ungesund. Und hinterlässt den Beigeschmack des Irrsinns. Todd Phillips, Macher der Hangover-Filmreihe (wer hätte das gedacht!?) wechselt also von derben Lachnummern zum Lachen als Bürde und Anfall, der den Atem raubt. Sein Joker ist ein Film über die Be Happy-Insistenz des Lachens, so gellend wie bei Edgar Allan Poe oder so fratzenhaft wie bei Victor Hugos lachendem Mann. Über den karitativen Mehrwert von Cliniclowns und der subjektiven Auslegung von Humor. Tod Phillips hat zwar die Seiten gewechselt, aber es sind immer noch die Seiten der selben Medaille. Dabei gerät Joker nicht nur zur Kehrseite der Komödie, sondern auch zur Kehrseite des DC-Universums. Arthur Fleck bezeichnet sein Leben irgendwann nicht mehr als Tragödie, sondern als Komödie. Und seine Witze, die würde ohnehin keiner verstehen. Ist also Joker eine Komödie? Ist Humor nicht sowieso das schwierigste Werkzeug der Unterhaltung, und derselbe Witz sowohl gut als auch schlecht, je nachdem wen man fragt? Diese Grauzone scheint so nebulös zu sein wie das „patscherte“ Leben dieser geschundenen, traumatisierten Kreatur, die in ihrer aussichtslosen Existenz das Schlimmste noch verdrängt hat. Wen würde es da nicht den Boden unter den Füßen wegreißen? Arthur Fleck wird irgendwann schwerelos, weil er nichts mehr zu verlieren hat. Das ist, trotz aller Bemühungen, witzig zu sein, ein Kreuzweg in eine alternative, archaische Freiheit, die sich allen Paradigmen einer geordneten Gesellschaft widersetzt.

Die Paradigmen könnten sich mit Todd Phillips´ Joker im Blockbuster-Universum des Kinos ebenfalls einer radikalen Neuordnung hingeben. Kann sein, dass das Publikum mit Effektbomben wie Age of Ultron oder Man of Steel längst gesättigt ist. Kann sein, dass die Zielgruppen eigentlich das wollen, was auch im Horror-Genre so gut funktioniert: Weg vom CGI-Getöse, was manche Filme wirklich übertrieben haben, hin zur Auseinandersetzung mit den inneren Dämonen. Hin zum Hinterfragen der eigenen Werte und der Deckungsgleichheit des eigenen Ichs mit der Inszenierung für die anderen, die ja laut Sartre bekanntlich die Hölle sind. Das sieht auch der spätere Joker so, dem einfach keiner zuhört, den man schmäht oder im Stich lässt. Kränkung ist das Schlimmste, was einem psychisch labilen Menschen widerfahren kann. Was daraus erwächst, lesen wir wöchentlich in der Zeitung. So in etwa entsteht auch die Ikone des diabolischen Spaßmachers, der „Sympathy for the Devil“ schürt, und der eigentlich will, was sowieso jeder von uns will: Selbstbestimmung. Selten wurde ein Antagonist von der Pike auf so fein seziert, selten hatte die Metamorphose in einen Verbrecher so viel Bühne. Vielleicht ist die in der Ruhe liegende Kraft die neue Action auf der Leinwand. Vielleicht sind es die inneren Grabenkämpfe, ist es der Fokus auf Ursache und Wirkung in einem abgegrenzten Kosmos, in diesem Falle der urbane Horror namens Gotham. Und ja – Joker ist im DC-Universum inhärent, ist also eindeutig ein Comicfilm, er lässt sich nur schwer nur als Psychothriller abkoppeln, das wäre zu wenig, sondern kann sehr wohl und im Besonderen als die erste Episode für etwas betrachtet werden, das noch kommen und den Mythos Batman noch mehr auf die Realität herunterbrechen wird als es bereits Christopher Nolan getan hat.

Joker ist tatsächlich von den frühen Grunge-Thrillern Martin Scorseses inspiriert. Alles versinkt im Dreck, jeder boxt sich durch. Eine Stadt als Moloch. Inmitten dieser fahlgrünen Neon- und flackernden U-Bahn-Lichter eine groteske, gekrümmte Gestalt, morbide Fantasien in sein Notizheft kritzelnd und in entrückten Traumtänzen seinen bis auf die Knochen abgemagerten Körper verrenkend. Speziell in diesen Szenen erinnert Joker sehr wohl auch an die Filme von David Cronenberg, insbesondere Spider mit Ralph Fiennes, ein expressives schizophrenes Szenario, ungut bis dorthinaus. Oder an Brad Andersons Der Maschinist – da war Christian Bale derjenige, der als Hungerleider den Irrsinn gepachtet hat, alles im Schein schimmlig-kalten Lichts. So wie Joaquin Phoenix, der sich selbst in der Interpretation dieser popkulturellen Figur nichts schenkt, uns aber alles: So nuanciert, so verpeilt und so trotzig, so dämonisch und gleichzeitig in so verklärender Apotheose in den Olymp der Genugtuung – Phoenix serviert uns Schauspielkunst vom Feinsten, er fasziniert und fordert zugleich. Er zieht den Blick auf sich, doch am Liebsten will man nicht hinsehen. Wie er zum Joker wird, ist atemberaubende Charakterstudie und Erfüllung aller Erwartungen zugleich. Todd Phillips hat seinen Film in einen optisch erlesenen Reigen überhöhter Altarbilder verwandelt – nahezu jedes einzelne Take ist in Farbe, Licht und Form ein ikonisches Panel, das zu einem perfekt getimten Stück zermürbenden, vielschichtigen, mitunter auch blutigen Charakterkinos verschmilzt, unterlegt mit dröhnenden Klängen, dazwischen ertönt Frank Sinatra. Und es sei gesagt, obwohl man keine Vergleiche ziehen sollte – für mich kann es ab heute nur einen geben: und das ist Phoenix´ Joker.

Joker