BESTER FREUND MIT SECHSTEM SINN
7/10
© 2025 Polyfilm
LAND / JAHR: USA 2025
REGIE: BEN LEONBERG
DREHBUCH: BEN LEONBERG, ALEX CANNON
KAMERA: WADE GREBNOEL
CAST: INDY, SHANE JENSEN, LARRY FRESSENDEN, ARIELLE FRIEDMAN, STUART RUDIN, ANYA KRAWCHECK U. A.
LÄNGE: 1 STD 12 MIN
Der Horror ist längst auf den Hund gekommen. Stephen Kings Cujo ist kein schlechtes Beispiel. Oder Underdog, die Dystopie des Ungarn Kornél Mundruczó, wohl eher eine gesellschafsphilosophische Zukunftsvision als blutiges Gemetzel. Der Hund ist dabei stets der Antagonist, der Aggressor, die sprintende Gefahr. Nicht so in dieser kleinen, feinen, höchst innovativen Hommage an alle Vierbeiner mit Köpfchen, die selten bellen, viel lieber zuhören und ihrem Lebensmenschen bis überallhin folgen, auch durch die Hölle, auch durch die schwierigsten Lebenslagen, die viel zu früh mit dem Tod enden. Dabei wird der Begriff des Tierhorrors gänzlich anders betrachtet.
Auf Augenhöhe mit dem Tier
Hunde sind tatsächlich die besten Freunde, das weiß auch Ben Leonberg, als er sich dazu entschlossen hat, seinem eigenen Hund Indy, einem Nova Scotia Duck Tolling Retriever, seinen ganz eigenen Film zu schenken und ihn darin zum Schauspieler zu befördern. Hundefilme mit vierbeinigen Helden gibt es zur Genüge, die muss ich hier gar nicht aufzählen, Lassie drängt sich da am stärksten auf. Doch auch diese Helden sind nicht vergleichbar mit diesem hier, mit diesem gewieften, empathischen Tier, dass die menschliche Spezies außen vorlässt. Wie das gemeint ist? Nehmen wir die Cartoons über Tom & Jerry her. Erzählt werden diese Episoden ausschließlich auf Höhe der Tiere, der Mensch ist maximal ein zeterndes Etwas, sichtbar nur bis zum Torso, der Blickwinkel ist jener der knuffig-frechen Katzen, Hunde und Mäuse, kein Zweibeiner soll ihnen die Show stehlen. So ist auch hier die Sicht des Hundes die Kerninnovation dieser atmosphärischen Besonderheit, während die Gesichter der Menschen, wenn überhaupt mal zu sehen, dann nur indirekt oder im Dunkeln bleiben.
Sehen, was der Mensch nicht sieht
In Good Boy (nicht zu verwechseln mit dem Psychohorror Good Boy aus 2022, indem es zwar auch um Hunde geht, aber auf eine destruktive, höchst menschliche Art) ist Indy ist hier nicht nur ein sympathischer Sidekick, sondern ihm gehört der Film, voll und ganz. Stolz präsentiert der knuffige Hauptdarsteller eine erstaunliche Palette an Mimiken, und wie selten bis noch gar nicht in dieser Konstellation jemals zu sehen gewesen kommt das Grauen hier, empfänglich für den sechsten Sinn eines Tieres wie dieses, auf leisen, schaurigen Sohlen herbei.
Das Unheimliche liegt vor allem darin, dass Indy anfangs ganz dezenten, aber unwohlig unnatürlichen Umtrieben gewahr wird – bizarren Geräuschen, dunklen Schatten, einer körperlosen Präsenz. Die neugierigen wie skeptischen Blicke des Tieres sprechen Bände, mehr noch als die schattenhaften Gestalten, die es vielleicht gar nicht gebraucht hätte, die aber wohldosiert eine Furcht im Nacken erzeugen, so unerklärlich, wie sie sind. Indys Mensch nimmt das ganze gar nicht wahr, ist schließlich todkrank, spuckt Blut, hustet und keucht vor sich hin. Was er allein mit seinem Hund im Hause seines Großvaters macht, in dem es, wie die Familie längst weiß, nicht mit rechten Dingen zugeht? Nach einem Spitalsaufenthalt will sich Todd auskurieren. Wie das gehen soll, bei all dieser dunklen Geschichte? Den Opa hat das Haus in den Abgrund getrieben, sein Hund, ebenfalls ein Retriever derselben Rasse wie Indy, verschwand auf unerklärliche Weise. Allein in der Wildnis, bei kaltem Regenwetter und düsteren Vorahnungen, ist der „gute Junge“ auf sich allein gestellt, um das Geheimnis hinter dem Grusel zwar nicht zu lüften, seinen Lebensmensch aber vor dem Schicksal zu bewahren.
Wir Menschen wollen den Horror, das Unerklärliche stets lüften. Ein Hund will das nicht, geht es ihm doch nur um das Wohl seines Begleiters, den es zu schützen gilt. Good Boy bleibt daher angenehm rätselhaft und völlig diffus, surreale Albträume von Indy selbst streuen effektive Jumpscares, im Grunde aber bleibt die Tonalität eine subtile, morbide, durch das treffsichere Spiel des Tieres so wärmend wie bedingungslose Treue.





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