Barbarian (2022)

DAS KLEINGEDRUCKTE BEI AIRBNB
7/10


© 2022 Vertigo Entertainment / Disney+


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE / DREHBUCH: ZACH CREGGER

KAMERA: ZACH KUPERSTEIN

CAST: GEORGINA CAMPBELL, BILL SKARSGÅRD, JUSTIN LONG, MATTHEW PATRICK DAVIS, RICHARD BRAKE, JAYMES BUTLER, KATE BOSWORTH, SARA PAXTON, KATE NICHOLS U. A.

LÄNGE: 1 STD 42 MIN


Mitunter oberste Regel, die man wissen muss, wenn das Seepferdchen-Abzeichen auf dem Schwimmsuit eben erlernte H2O-Skills bestätigen soll: Spring niemals in unbekannte Gewässer! Mitunter oberste Regel, wenn das AirBnB-Schmuckkästchen temporär gemietet wird: Gehe niemals in den Keller, vorallem nicht, wenn Gänge hinter Geheimtüren im Dunkel liegen und von dort, aus dem Nichts, seltsame Geräusche zu hören sind. In der Realität wäre das Anwesen, verortet in einem berüchtigten Viertel von Detroit, wo nicht mal mehr der Fuchs dem Hasen Gute Nacht sagt, ohne ihn vorher auszuweiden, längst von seinem Fluch befreit worden, denn in der Realität würde Georgina Campbell nicht ohne begleitender Exekutive tiefer in das unheimliche Gewölbe vorgedrungen sein.

Das Genre des Horrorfilms interessiert sich aber nicht für vernünftige Vorgehensweisen. Dort sind die Protagonisten gemäß des Spruches „Neugier killt die Katze“ immer jene, die auch zu Weihnachten Santa Claus auf die Finger schauen oder das Christkind inflagranti ertappen wollen. Es sind jene, die gerne in die Dunkelheit vordringen, ohne sich vorher überlegt zu haben, was sie denn dem Unbekannten entgegenzusetzen hätten, sollte es ungemütlich werden. In Barbarian wird es schließlich sehr, sehr ungemütlich. Und eigentlich will man gar nicht wissen, was so manche Leute in ihren Kellern treiben oder gar getrieben haben. Da muss man nur an die jüngere österreichische Kriminalgeschichte denken, um sich mit Schauder und Ekel abzuwenden. Das Undenkbare ist vor allem in beschaulichen Siedlungen durchaus möglich, wenngleich das, was in Barbarian passiert, als üppige Geisterbahn-Version manches davon potenziert.

Das Grausame ist bei Zach Cregger das unter den Teppich Gekehrte, das hinter der Fassade Dahinmodernde. Viel plakativer als bei David Lynch, in dessen Vorgärten man gelegentlich ein Ohr finden kann. Viel weniger subversiv und entlarvend als bei Ulrich Seidl zum Beispiel, dem österreichischen Enfant Terrible, der mit seiner Episoden-Doku Im Keller gar manchen Abgeordneten in die Bredouille brachte und genau das zeigen musste, was man eigentlich gar nicht sehen will, dann doch aber wieder muss, weil schließlich nicht nur die Katze daran glauben soll, sondern auch wir, die wir nicht ohne finaler Erkenntnis der Dinge abnippeln wollen.

Der Keller im Keller

Das Haus in Barbarian offenbart ganz geschmeidig und fast schon subversiv seine wahre Identität, es scheint fast so, als wäre man amfangs in einer leicht mysteriösen Romanze gelandet, wenn Bill Skarsgård und Georgina Campbell miteinander einen netten Abend verbringen, nachdem letztere enttäuschend hat feststellen müssen, dass ihr gemietetes Airbnb-Etablissement gleich doppelt gebucht wurde. Skarsgård, dem diesmal seine Pennywise-Diabolik überhaupt nicht in den Sinn kommt, gibt sich jovial und hilfsbereit und holt die im Regen stehen Gelassene ins Haus. Mangelndes Klopapier und eine offene Kellertür führen tags darauf dazu, dass Georgina Campbells Charakter namens Tess an Orte gelangt, die niemand wirklich sehen will. Als Bill Skarsgård – im Film der nette Keith – die durchaus verstörte und aufgeregte Tess beruhigen und sich die Sache selbst ansehen will, verschwindet er. So, als wäre er von einem noch tieferen Keller verschluckt worden. Und ja, den gibt es.

Stimmungskiller als Stilmittel

Je tiefer, desto dunkler. Desto perverser und verstörender. Wer den Höhlenhorror The Descent gut durchgestanden hat, ohne um jeden Gully einen Bogen zu machen, kann auch mit Georgina Campbells Handytaschenlampe eine Gegend erkunden, die keinen erquickenden Mehrwert bietet. Der Horror kommt bald ans Licht, schön subversiv, erschreckend, pointiert, während Cregger sich ganz plötzlich etwas einfallen lässt, was herkömmlichen Filmen dieser Art nie in den Sinn kommen würde, da es die mühsam etablierte Stimmung killt. Denn plötzlich scheint es, als wäre man im falschen Film. Auftritt Justin Long, im roten Cabrio unterwegs, die Sonne scheint, die Hintergrundmusik dudelt, alles ist eitel Wonne. Das Kontrastieren des Erzählstils, das Einbinden völlig neuer Tonalitäten, darf man durchaus als Geniestreich bezeichnen. Cregger, mit frischen Ideen im Handgepäck, sampelt seinen scheinbar vorhersehbaren Suspense-Horror mit völlig anderer Melodik. Das ranzige Dunkel weicht dem Licht, schale, schmutzige Farben weichen buntem Pseudo-Perfektionismus, der einhergeht mit veränderter Optik. Der Bruch erfrischt den Horror ungemein, macht ihn augenzwinkernd und lässt ihn frech werden. Doch ganz klar: Wenn sich am Ende das Innere nach außen kehrt, fährt Cregger nur mehr Vollgas eine Spur. Nichts anderes hätte man sich letztlich wünschen wollen. Selbst die Katze will dann nur noch weg.

Barbarian (2022)

Together – Unzertrennlich (2025)

SCHMELZPUNKT LIEBE
6/10


© 2025 Leonine Studios


LAND / JAHR: AUSTRALIEN, USA 2025

REGIE / DREHBUCH: MICHAEL SHANKS

KAMERA: GERMAIN MCMICKING

CAST: ALISON BRIE, DAVE FRANCO, DAMON HERRIMAN, JACK KENNY, SUNNY S. WALIA, KARL RICHMOND, TOM CONSIDINE U. A.

LÄNGE: 1 STD 42 MIN


In Liebe vereint kann so romantisch klingen. Zwei Herzen im Gleichklang, oder gar: Ein Herz und eine Seele. Was aber, wenn man diese melodischen Phrasen wörtlich nimmt? Wenn diese willentliche Vereinigung zum physischen Phänomen wird, zum kreatürlichen Mysterium einer Abhängigkeit? Der semiromantische Beziehungs-Horror Together – Unzertrennlich will das austesten. Und hebelt dabei körperliche Grenzen aus.

Die Beziehung wird zum gemeinschaftlichen Schengenraum der Liebe, die zur Selbstaufgabe strebt. Das aber, so Regisseur und Autor Michael Shanks, nur widerwillig. Denn Dave Franco und Alison Brie (GLOW, Mad Men) sind immer noch Personen ihrer eigenen Biografie, und nur bedingt Bestandteil der jeweils anderen. Millie scheint mit sich selbst im Reinen und ihre Profession als Grundschulpädagogin wirklich zu lieben. Tim hingegen schleppt so allerhand familiäre Traumata mit sich herum, die, so erfahren wir im Laufe der Geschichte, bei weitem nicht ohne sind. Das hat letztlich dazu geführt, dass der von Dave Franco (u. a. The Disaster Artist) verkörperte Möchtegern-Musiker so gut wie nichts auf die Reihe bekommt und mit seinen Minderwertigkeitskomplexen, die mit egozentrischem Selbstmitleid den Dreivierteltakt üben, Alisons Bries Toleranzgrenze kitzelt. So richtig gesund wirkt die Beziehung nicht – ein Tapetenwechsel und Umzug aufs Land könnte da Abhilfe schaffen. Von Horrorfilmen aber wissen wir: Umzüge aufs Land haben oftmals einen Haken, siehe unter anderem: The Conjuring. Hier aber ist es eine mysteriöse Höhle unweit der neuen eigenen vier Wände, in die die beiden während eines abenteuerlichen Spaziergangs hineinstürzen. Franco trinkt, geplagt vom Durst, aus einer Quelle und verwandelt sich dabei zwar nicht in ein Reh so wie bei Brüderchen und Schwesterchen aus Grimm’schem Märchenschatz, sondern entwickelt einen Beziehungsmagnetismus, der unschöne Symptome zeigt.

Das ist aber erst der Anfang. Alison Bries Körper wird zum Gravitationszentrum für Franco, alles scheint er von seiner besseren Hälfte absorbieren zu wollen, und zwar so lange, bis die bessere Hälfte zur der seinen wird. Bald ist es auch umgekehrt, und man kann getrost sagen, dass sich hier die Gegensätze anziehen, nämlich Mann und Frau, zwei unterschiedliche Komponenten, der Plus- und der Minuspol. Michael Shanks bringt die störrische Liebesbeziehung zu ihrem neuen Schmelzpunkt, und es wäre vielleicht nur akkurater Body-Horror im Spiel, der kurios erscheint, würde Shanks nicht auch das eine oder andere mal Momente beängstigenden Grusels heraufbeschwören, die aber nur peripher mit der eigentlichen Parabel über Einheit, Abhängigkeit und Individualismus zu tun haben. Ganz besonders die nur aus dem Augenwinkel betrachtete Kindheit von Francos Figur, die in schauderhaften Jumpscare-Träumen verarbeitet wird, verläuft im Sand, ganz ohne nennenswerte Relevanz. Hätte Shanks dieses Element noch mehr in seine Story verwoben, wäre der Schocker perfekt – so aber führt uns Together bald auf erwartbare Pfade ohne Richtungswechsel. Das Unvermeidliche ist in dieser mehr oder weniger als Drei-Personen-Stück definierten Romantik-Groteske bald absehbar, das Gewebe-Crossover manchmal recht plump, das nächtliche Ziepen an den Haaren von Alison Brie hingegen wieder ein Gänsehautmoment, der gelingt.

Man kann Beziehungen eben auch anders analysieren – und den Optimal-Zustand einer Paar-Existenz in plakativen Monstrositäten hinterfragen. Eine Challenge, die Together gerne annimmt, auch ordentlich Spaß daran hat und sich nicht davor scheut, die Spice Girls akustisch mit ins Boot zu holen, die auf nichtsahnend prophetische Weise die Mystery des Films längst vorweggenommen haben. Die Pointe sitzt am Ende dann doch, während auf dem Weg dorthin das eine oder andere Mal die Anziehungskraft auf das Publikum gelegentlich nachlässt.

Together – Unzertrennlich (2025)

Parthenope (2024)

DIE EINSAMKEIT DER SIRENEN

8,5/10


© 2024 Polyfilm / Gianni Fiorito


LAND / JAHR: ITALIEN, FRANKREICH 2024

REGIE / DREHBUCH: PAOLO SORRENTINO

CAST: CELESTE DALLA PORTA, SILVIO ORLANDO, LUISA RANIERI, PEPPE LANZETTA, ISABELLA FERRARI, GARY OLDMAN, DANIELE RIENZO, DARIO AITA, SILVIA DEGRANDI, STEFANIA SANDRELLI U. A. 

LÄNGE: 2 STD 16 MIN


Der gute alte Odysseus – Christopher Nolan wird nächstes Jahr den antiken Helden aufs Mittelmeer hinausjagen – lässt sich an den Schiffsmast binden, um dem Gesang der Sirenen zu lauschen, natürlich ohne sich dabei ins Verderben zu stürzen. Eine davon – Parthenope – gefiel das gar nicht. Aus Verzweiflung, den Herren von Ithaka nicht angelockt zu haben, stürzt sie sich todessehnsüchtig ins Meer – um an die Küste des heutigen Neapel angespült zu werden. Dank ihres Leichnams trägt die Metropole am Vesuv nicht nur diesen mythischen Namen, die atemberaubend schöne Sängerin ist von daher auch Stadtgöttin dieses italienischen Ecks der Welt – ein Ort, dem Filmemacher Paolo Sorrentino einiges abgewinnen kann. Für ihn dürfte Neapel Fluch und Schicksal, Wiege und Inspiration sein. Neapel sehen, sich verlieben und dann sterben. Schmerz und Freude, Ekstase und Trauer. Dieses Neapel bietet laut Sorrentino alles, was man fühlen kann. Und dennoch entscheidet eine wie Parthenope, ein mythologisches Wesen, reinkarniert in eine atemberaubende, betörende, ewige Schönheit, das Leben der Anderen und gleichsam ihr Glück. Dem Künstler ist das zu wenig, er will Parthenope nicht als ein ätherisches Etwas in ungreifbarer Entrücktheit das über mehrere Dekaden reichende Treiben am westitalienischen Ufer beobachten lassen. Er will die Göttin vermenschlichen und lässt sie zu Beginn seines neuen Films aus dem Wasser steigen, fast so wie Aphrodite, aber eben nicht ganz, weil Parthenope, und das werden wir im Laufe des Films erfahren, nichts darauf gibt, mit ihrer makellosen Schönheit diesen einen, und zwar ihren ganz eigenen, Lebensweg zu bestreiten.

Und so perlt das Wasser von ihrer makellosen Haut, ihr makelloses Lächeln unter der heißen, fast schon tropisch feuchten, mediterranen Sommersonne, angehimmelt vom Sohn der Haushälterin, geliebt vom eigenen Bruder, und zwar so, wie man sich unter Geschwistern nicht lieben sollte. Parthenope aber bleibt unerreichbar, unberührbar, ein Mysterium für eine ganze Familie und dem Comandante, der als kuriose Mafioso-Parodie im weißen Dreiteiler und Sonnenbrille symbolisch für ein ganzes Syndikat agiert, das mit Neapel so verwoben ist wie die Gezeiten mit dem Mond. Jeder, der Sorrentino kennt, weiß, welcher Bildertraum das Publikum einholen wird. Antike Statuen, goldene Kutschen, das blaue Meer, der weißgraue Fels, wehende Vorhänge, dazu melancholische italienische Klänge eines verliebten Schlagers. Wenig später ein versoffener Ernest Hemingway, der die Schönheit des Lebens nicht kennt und sehnsüchtig nach ihr verlangt – Gary Oldman stattet dem Film einen bittersüßen Besuch ab. Parthenope fühlt sich von dieser Antithese eines schönen Lebens angezogen, sie will überhaupt verstehen, was das ist, dieses Menschsein, diese Lehre vom Homo sapiens, kurzum: Die Anthropologie. Sorrentino scheint es selbst nicht zu wissen, denn er nimmt die atemberaubende Celeste Dalla Porta, die erstmals in einem Spielfilm wie diesen zu sehen ist, an der Hand, um sie durch die Stadt zu geleiten, um etwas zu suchen, was die ganze Zeit schon begriffen werden will: Den Grund und den Zweck von Schönheit, deren Relativität und den Tribut, den man dafür zollen muss. Es ist aber nicht nur das, was Sorrentino mit auf die Reise nimmt. Es sind Themen, die ihn immer wieder beschäftigen, die er als philosophische Miniaturen aneinanderreiht, darunter Vergänglichkeit, Suizid, die katholische Kirche mitsamt ihrer sakralen Wunder, die dunklen Kehrseiten der Lebenslust, die Metaphysik der Lichter und des Glanzes von Preziosen, der verfallene Räume ehemals prunkvoller Palastbauten erhellt. Immer ist es diese Dualität, der Schmerz des Schönen. In diesem Fall ist es die Schöne, der Sorrentino eine ganze fiktive Biografie schenkt.

Was denkst du gerade? Das fragen all jene, die Parthenopes Leben begleiten. Was treibt sie um, diese anziehende, weibliche Person, die sich vom Sexismus befreien will? Die ihren Verstand und nicht ihre Anmut einsetzt; die prickelnde Gespräche mit dem alten, eremitischen Professor an der Universität führt, der ihr wiederum lehrt, was man tun muss, um hinzusehen. Um die Essenz dessen wahrzunehmen, was die Schönheit nicht nur einer Person, sondern des Lebens bedeutet. Und ob es diese überhaupt gibt, nach unserem Verständnis.

La Grande Belleza, The Hand of God, Ewige Jugend – all diese Werke Sorrentinos drehen sich, neue Aspekte suchend, um dieselben Themen, doch müde wird der Reigen der Bilder und der Erkenntnisse dabei nie. Parthenope ist dabei ein am besten auf den Punkt gebrachter, einziger großer Aphorismus. Kunstvoll, aber nie gekünstelt. Arrangiert, aber gleichzeitig unerwartet erfrischend. Überstilisiert, aber gleichsam natürlich und nahbar. Ein prickelnder, betörender Kunstfilm ist Parthenope geworden, in den man sich fallen lassen kann. Der langsam voranschreitet, doch keinerlei Längen hat. Sorrentino hat seine Erzählweise dabei perfektioniert, bleibt üppig, jedoch niemals überladen. Über allem strahlt Celeste Dalla Porta und diese Stadt, die man nie satt hat. Dieses Italien, prächtig und ewig suchend.

Parthenope (2024)

Die Farbe aus dem All (2019)

ALLES SO SCHÖN BUNT HIER

7/10


diefarbeausdemall© 2019 Plaion Pictures


ORIGINAL: COLOR OUT OF SPACE

LAND / JAHR: USA 2019

REGIE: RICHARD STANLEY

DREHBUCH: SCARLETT AMARIS, RICHARD STANLEY, NACH DER KURZGESCHICHTE VON H. P. LOVECRAFT

CAST: NICOLAS CAGE, JOELY RICHARDSON, TOMMY CHONG, MADELEINE ARTHUR, BRENDAN MEYER, JULIAN HILLIARD, ELLIOT KNIGHT, Q’ORIANKA KILCHER U. A.

LÄNGE: 1 STD 53 MIN


In Wahrheit ist die Welt unbunt. Das merkt man vor allem nachts, wenn das, was wir gerade noch wahrnehmen können, in diffusem Grau versinkt. Das Licht gibt den Dingen dann ihre farbige Besonderheit, je nachdem, wie dieses von der Materie reflektiert wird. Doch selbst dann ist es längt nicht selbstverständlich, das satte Spektrum von Grün und Rot und Blau auch wahrzunehmen. Schließlich gibt es auch Farben, die wir gar nicht sehen können, andere Lebewesen aber schon. Und dann gibt es Farben, zumindest in der Literatur und in den Köpfen dem Phantastischen zugeneigter Kunstschaffender, die, wie der Tscheche Leo Perutz, im Krimi Der Meister des jüngsten Tages exzentrisches Coleur wie das sogenannte Drometenrot erschaffen, das alle in den Wahnsinn treibt, sobald man es erblickt. Der Schriftsteller H. P. Lovecraft gibt sich in seiner Kurzgeschichte Die Farbe aus dem All ebenfalls einem Farbenrausch hin, der weitaus mehr bewirkt, als nur Menschen um den Verstand zu bringen. Näher benannt wird dieses rosarote Leuchten nicht, dafür fehlt den Betroffenen schier die Zeit und die Lust, angesichts des eskalierenden Dilemmas auch noch das Kind des Grauens beim Namen zu nennen.

Lovecraft ist längst Kult, und nicht weniger als Edgar Allan Poe. Der gerade mal 47 Jahre alt gewordene Amerikaner – es starb an Krebs – gilt als der Begründer des Kosmischen oder gar Lovecraft’schen Horrors, dessen Bedrohung sich aus höheren, unerklärlichen und unergründbaren Mächten speist. Der Cthulhu-Mythos, einhergehend mit dem fiktiven Buch namens Necronomicon, wird zum Beispiel eines frühen Franchise, zum erschaffenen Themen-Universum, dem sich zahlreiche Werke unterordnen. Und wenn einem der Name des Buches bekannt vorkommt: Jawohl, dee Schmöker aus Tanz der Teufel heisst ganz genauso – und zweckentfremdet wurde dieser ja auch nicht ganz, denn was das Buch entfesselt, wissen wir.

In Die Farbe aus dem All gibt es kein Buch und kein näher bestimmtes Artefakt. Doch es gibt einen Meteoriten, der mit Karacho in den Garten der fernab urbanen Trubels lebenden Familie Gardner kracht und dabei einen kaum übersehbaren Krater hinterlässt, dem diese eigentümliche, geschmackvolle, rosarote bis lila Farbe entströmt, die alles durchdringt, bedeckt und zu höherem und andersgeartetem Wachstum antreibt. Es mutiert die Botanik, es mutieren die Alpakas in der Scheune. Man darf erwarten, dass das seltsam strahlende Licht so einiges im Bauplan mehrzelligen Lebens durcheinanderbringt. Wie das geht, ist nicht von Belang. Die Frage nach dem Wie und Warum stellt sich nicht. Stattdessen ist Schadenbegrenzung die oberste Agenda von Nicolas Cage, der zusehen muss, wie seine Liebsten bizarren Metamorphosen unterworfen werden – nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Klar ist Papa nicht immun gegen diesen ganzen Zauber. Das Overacting greift um sich, der vielbeschäftigte Neffe Francis Ford Coppolas darf seine Figur endlich einmal ohne Scham überzeichnen, was zwischendurch aber leider ins Lachhafte kippt. Abgesehen davon, dass Cage locker als Schuspielprofi durchgeht, sofern er entsprechend gefordert wird: zu seinen Nieten zählt ein Auftritt wie dieser hier – was der unheilvollen und bizarren Wirkung der wüsten Science-Fiction aber keinen Abbruch tut.

Die Farbe aus dem All wäre das Ergebnis, wenn man John Carpenters The Thing mit Jeff VanderMeers Annihilation (kongenial verfilmt von Alex Garland) kreuzt. Fans von beidem kämen auf ihre Rechnung, der Bodyhorror trägt dabei pink, der Verstand nichts zur Lösung eines verheerenden Problems bei, welches eine Familie in den Abgrund stürzt und wir dabei zusehen sollen. Lovecraft ist schließlich nie einer, der will, dass das mystische wie mythische Verderben dank der Praktizierung menschlicher Werte gebannt wird. Der Mensch bleibt das Opfer und völlig machtlos. Und reicht nicht die Resignation, regiert der Wahnsinn. Der einzige Zustand, um sich mit dem Unerklärlichen zu arrangieren.

So gesehen ist Die Farbe aus dem All von Richard Stanley geradezu erquickend, ich will nicht sagen erfrischend, aber in seiner ausufernden psychedelischen und metaphysischen Bildgewalt ein launiger Horror mit staunenswerten Seltsamkeiten, stets immer nahe zur Groteske, die den Schrecken fast schon verballhornt – wäre da nicht der Erzähler aus dem Off, der wiederum an Poe erinnert und wie ein Gruselgeschichtenerzähler am Lagerfeuer dann doch noch die richtige Stimmung macht.

Die Farbe aus dem All (2019)

Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt (2023)

SKLAVENTREIBEN IN BUKAREST

5,5/10


erwartenichtzuviel© 2023 Mubi


LAND / JAHR: RUMÄNIEN, KROATIEN, FRANKREICH, LUXEMBURG 2023

REGIE / DREHBUCH: RADU JUDE

CAST: ILINCA MANOLACHE, NINA HOSS, KATIA PASCARIU, SOFIA NICOLAESCU, UWE BOLL, LÁSZLÓ MISKE, OVIDIU PÎRSAN, DORINA LAZAR, ALEX M. DASCALU U. A.

LÄNGE: 2 STD 43 MIN


Immer wieder ruft die Europäische Union bei ihr an, Beethovens Ode an die Freude tönt als elektronische Quietschtonleiter aus dem Smartphone von Angela, die als völlig übermüdete Produktionsassistentin und eierlegende Wollmilchsau eines österreichischen „Schlampenvereins“ von Pontius zu Pilatus fährt, um ihre Tagesagenda zu erledigen. Um kurz vor sieben aus dem Bett zu steigen, klingt zwar nicht nach gottlos früh, doch Angela kommt wie Landvermesser K. aus Kafkas Das Schloss nicht zur Ruhe. Obszöne Akkordarbeit bringt sie dazu, in ähnlich obszöner Weise auf Social-Media alles und jeden in den Dreck zu ziehen, vorwiegend in vulgärem Gossenton und von Fellatio bis zum Cunnilingus sexuelle Verdorbenheit nicht nur den neuen britischen König angedeihen lässt, sondern auch diverse Mütter, Väter und sowieso der ganze Rest. Als rumänischer Borat mit Gesichtsfilter macht sie ihrer wütenden Ohnmacht freien Lauf. Hätte sie dieses Ventil nicht, wäre sie womöglich längst Amok gelaufen.

Stattdessen beweist sie zumindest so viel Zähigkeit und Durchhaltevermögen, um die Opfer diverser Arbeitsunfälle abzuklappern und diese für einen Werbefilm als Testimonials für mehr Sicherheit am Arbeitsplatz zu gewinnen. Dass dabei unbezahlte Überstunden, Übermüdung, mangelnde Infrastruktur und Missstände in der Arbeitssicherheit im eigentlichen dafür schuld sind, dass manche von denen nicht mehr aufrecht stehen können, ist ein Umstand, den der westeuropäische Konzern unter den Teppich kehren will. Schnell wird klar: Radu Jude kritisiert in seinem neuen, massiv überlangen Streifen Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt jene Mitgliedstaaten der EU, die genug Einfluss, Macht und Geld besitzen, um den ehemaligen Ostblock nach Strich und Faden auf den Kopf zu scheißen.

Das Outsourcing in Billigländer ist leistbar und ungefährlich, für jene, die anschaffen, denn Kontrolle gibt es keine, Beschwerdestellen ebenso wenig und die Lust an der Ausbeutung einfach zu groß, um sich ihr nicht hinzugeben. Das ist harter Stoff, wenn Radu Jude auch gewillt gewesen wäre, nicht nur Ilinca Manolache als Mädchen für Alles beim Autofahren zuzusehen, während sie Kaugummi kaut und die Welt beschimpft. Der Tag im Leben dieser Angela, die eine Seelenverwandte aus den Achtzigern zu haben scheint, die ebenfalls Angela heisst und auf naiver Retro-Schiene in ihrem Taxi herumkurvt, um konservative Sexisten zu kutschieren, ist fast schon als Roadmovie zu verfolgen, während die Kamera unbeirrt und in grobkörnigem Schwarzweiß dem rechten Profil der Ausgepowerten folgt. Viel passiert nicht dabei, selbst die Schimpftiraden sind lediglich ein trivialer Ausdruck für allerlei Missstände, die es überall auf der Welt genauso gibt, die nicht unbedingt typisch rumänisch sind, sondern alle Länder betreffen, die vom Kapitalkolonialismus unterwandert und kaputtgemacht worden sind. Sudabeh Mortezai lässt in ihrem Film Europa Ähnliches an die Oberfläche sickern. Konventioneller zwar, doch weniger ausufernd.

Früher war alles besser, so scheint uns Radu Jude sagen zu wollen, früher war Bukarest noch das Märchen einer Taxi Driver-Romanze, frei von Feminismus und sonstigem woken Zeugs, überladen mit billigem Schlagerscore und irritierend nostalgisch. Dass Radu seine Sequenzen dann plötzlich ausbremst, als wäre der Vorführapparat defekt, gäbe es noch analoge Filmspulen, mag verwundern und sich auch im Kontext zum restlichen Film zumindest für mich nicht erklären. Die abrupte Schnitttechnik ist Radus Stil, das disharmonische Timing seiner Szenen ganz bewusst angewandt. Wenn dieser dann der gefährlichsten Straße Rumäniens seinen Respekt zollt und sein Publikum aus dem Flow reißt, ist auch das eine bewusste Disharmonie, die allerdings nirgendwo offensichtlich hinführen soll. Am Ende lässt Jude die Kamera in einer gefühlt ewigen Plansequenz laufen, Dialoge der Schauspieler aus dem Off sind das bisschen Salz in der Suppe, während alles andere handzahm bleibt, wenig Biss hat, einfach nicht ans Eingemachte gehen will, wie bei seinem Vorgänger Bad Luck Banging or Loony Porn. Als garstige Satire auf die Scheinheiligkeit rumänischer Biedermänner- und frauen kann die wild fabulierende und nicht weniger avantgardistische Groteske überzeugen – der Sarkasmus zur Arbeitslage der Nation hingegen kokettiert kaum mit Kuriositäten und bringt lediglich Widersprüche aufs Tapet, die im Kapitalismus nicht nur in Rumänien gang und gäbe sind.

Warum so kleinlaut, Radu Jude? Dass sich Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt mehr zum Experiment als zum treffsicheren Statement mausert, tut der Faszination für völlig unorthodoxes Anarcho-Kino, das keinem Regelwerk mehr folgt, keinen Abbruch. Trotz der satten Laufzeit von über 160 Minuten sind Radus Tagesbetrachtungen zwar schwachbrüstig, aber niemals langweilig. Vielleicht, weil das Überrumpeln von Sehgewohnheiten in diesem Werk letztlich alles ist. Der Rest nur Allerwelts-Ambition.

Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt (2023)

Poor Things (2023)

KINDLICHE NEUGIER AUF DIE FREIE WELT

7/10


poorthings© 2023 Searchlight Pictures All Rights Reserved.


LAND / JAHR: VEREINIGTES KÖNIGREICH 2023

REGIE: YORGOS LANTHIMOS

DREHBUCH: TONY MCNAMARA

CAST: EMMA STONE, WILLEM DAFOE, MARK RUFFALO, RAMY YOUSSEF, CHRISTOPHER ABBOTT, MARGARET QUALLEY, HANNA SCHYGULLA, SUZY BEMBA, JERROD CARMICHAEL, KATHRYN HUNTER U. A. 

LÄNGE: 2 STD 21 MIN


Ob ein Film gefällt oder nicht, ist stets das Resultat aus momentaner Befindlichkeit, Geschmack und Interesse. Manchmal stört an einem Film auch nur eine Kleinigkeit, und schon kann man sich nur noch schwerlich am Gesehenen erfreuen. Manchmal aber entspricht eine Emotion genau der eigenen und das Werk wird liebgewonnen, ungeachtet unzähliger Unkenrufe aus der breiten Masse. Wie steht es aber um mediale Beeinflussung und Vorschusslorbeeren für ein Werk, das im Mainstream einhellig über den grünen Klee gelobt, von den Medien hofiert und laut allen nur erdenklichen Pressestimmen als phänomenal befunden wird – lässt sich da selbst noch eine eigene Meinung bilden oder ist diese dann, sollte sie nicht in den Tenor einfallen, das Resultat eines künstlerischen Unverständnisses; ein nicht ernstzunehmendes Urteil, da ein Film wie Poor Things sowieso nur gut, wenn nicht gar sehr gut – nein, lieber nur ausgezeichnet sein kann, weil es eben alle sagen. Unbeeinflusst lässt sich Yorgos Lanthimos neuer Film einfach nicht konsumieren. Was Großes wird über die Leinwand flirren, ein feministisches Meisterwerk allererster Güte, ein Bildersturm, dem man sich nicht entziehen kann, mit einer fabelhaften Emma Stone, die alle Stücke spielt und so weiter und so fort.

Ist Poor Things alles andere als gut? Oder doch genauso sensationell? Letzteres käme gelegen, dann wäre man kein nonkonformer Außenseiter, der das anders empfindet. Was bin ich froh, nicht gegen den Strom schwimmen und mit der Möglichkeit umgehen zu müssen, den Film nicht verstanden zu haben. Ihn nicht zu verstehen ist schließlich fast unmöglich, denn wirklich komplex ist weder der Plot noch die zu überbringende Botschaft des Ganzen. Poor Things gestaltet sich wie ein Pop-Up-Märchenbuch für Erwachsene, denn ganz viel Sex darf erwartet werden, der noch dazu vollzogen wird in prächtig ausgestatteten Hotelzimmern oder Kajüten – stehend, liegend, wild herumreitend. Emma Stone gibt sich einer ungenierten, erfrischend frechen Freizügigkeit hin und wirkt dabei niemals obszön oder vulgär. Als wohl eine der besten Schauspielerinnen des aktuellen Filmschaffens – und das kann ich getrost sagen, da bin ich unisono mit den Publikumsstimmen – erobert sie die Herzen, nicht zwingend aber die sexuelle Traumwelt. Vielleicht, weil es vorrangig gar nicht um Wollust geht, sondern einfach und allein um den paradiesischen, endlosen Blumengarten der Freiheit und Selbstbestimmung.

Poor Thing ist – und jetzt ist es draussen – tatsächlich ein guter Film. Neben all der erlesenen, bis ins kleinste Detail opulenten und auch bizarren Ausstattung, die an die frühen Werke Jean-Paul Jeunets oder Tim Burton erinnern (dazu gehört auch zumindest bei Jeunet extremer Weitwinkel oder eben Fischauge) liegt das goldglänzende Kernstück der Fabel in seiner Prämisse, die mit den Stereotypen der Wissenschaft jongliert und dabei manchmal einen der Bälle verliert, denn das ist Absicht. Anfangs ist Yorgos Lanthimos Guckkasten-Operette ohne Gesang noch in Schwarzweiß, denn Bella Baxter – so nennt sich die künstlich geschaffene Figur – kennt die Welt da draußen, jenseits der Räumlichkeiten ihres Ziehvaters Godwin Baxter, überhaupt noch nicht. Wie denn auch – noch bewegt sich Emma Stone wie Pinocchio in seinen ersten Minuten, bringt kaum Wörter über die Lippen, muss alles erst erlernen. Warum das so ist? Als schwangere Wasserleiche aus der Themse gefischt, hat der alte Baxter sie wiederbelebt, indem er der Unbekannten das Gehirn ihres Fötus einsetzt. So hampelt das Kind im Frauenkörper anfangs noch durch die Welt, bis sie von Szene zu Szene immer selbstbestimmter werden, alles entdecken und erleben will. Poor Things ist eine Ode an die Neugier am Leben, auf das Lebenswerte, das sich nur leben und erfahren lässt, wenn man frei ist von Zwängen, Unterdrückung und Besitzergreifung – kurz: frei eben. Nicht mehr, nicht weniger. Lanthimos hat im Grunde eine Coming of Age-Parabel ersonnen, die mit den Klischees einer Mann-Frau-Koexistenz ähnlich umspringt wie Greta Gerwig in Barbie. Während beim zuckerlrosa Geschlechterkrieg-Musical der Mann dazu angehalten wird, sich selbst zu überdenken, will das Frausein hier einfach nur nicht in einem Patriarchat stattfinden müssen. Der Mann – in seiner unzulänglichen Romantik, seiner Eifersucht und seinem absurden Drang zu Besitz und Macht – bekommt die kalte Schulter, an der einer wie Macho Mark Ruffalo immer mehr verzweifelt. Ein schadenfroher Spaß, ihm dabei zuzusehen.

So wirklich traurig ist Willem Dafoe als von seinem eigenen Vater zu Erkenntniszwecken entstellter Mann des Wissens – ein „Almöhi“ des pseudoviktorianischen Englands, gutmütig und unbeholfen nüchtern. Zwischen ihm und Emma Stone entfaltet sich die stärkste Bindung. Hier findet statt, was sonst nur so scheint, als wäre sie da: Das Miteinander, das Geben und Nehmen. Baxter ist sich letztlich selbst genug, und wie geschmeidig und kaum merkbar, wobei letzten Endes aber doch, entwickelt sich das ungebändigte Kind zur selbstbewussten Frau. Es stimmt, Poor Things ist lebens- und wertebejahend, räumt mit dem gebrandmarkten Gewerbe der Prostitution auf und ist vor allem auch, neben all der Gleichnisse, ein Augenschmaus im Arthouse-Kitsch zwischen Steampunk, Pluderärmel und monströsem Kinderbuch. Das Artifizielle allerdings lässt große Gefühle nicht zu. Poor Things gefällt, berührt aber nicht. Bella Baxter und all ihre Männer bleiben in ihrer Blase, und wir in der unseren. Was Poor Things zu sagen hat, ist nicht neu, dafür aber neu bebildert. Wie viel Wirkung hätte der Film noch entfalten können, hätte Lanthimos sein Werk in einer uns bekannten Realität verortet – authentisch, vielleicht naturalistisch und weniger gekünstelt? Er wäre uns damit nähergekommen, Emma Stone hätte den Draht zwischen ihr und uns zum Knistern gebracht. Letzten Endes ist das Blättern in einem prunkvoll ausgestatteten, ledergebundenen Leinwandportfolio ein Genuss, jedoch einer, der sich, genau wie Bella Baxter, einfach selbst genügt.

Poor Things (2023)

There’s Something in the Barn (2023)

ZORN DER WICHTEL

5/10


TheresSomethingInTheBarn© 2023 capelight pictures


LAND / JAHR: NORWEGEN 2023

REGIE: MAGNUS MARTENS

DREHBUCH: ALEKSANDER KIRKWOOD BROWN

CAST: MARTIN STARR, AMRITA ACHARIA, KIRAN SHAH, ZOE WINTHER-HANSEN, TOWNES BRUNNER, CALLE HELLEVANG LARSEN, HENRIETTE STEENSTRUP, PAUL MONAGHAN U. A.

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


Kurz vor Weihnachten ein neues Leben zu beginnen ist kein gut gewählter Zeitpunkt. Zu Weihnachten ist das Vertraute gerade recht, da will man’s gemütlich haben, will sich besinnen, und nicht die Zeit mit Unerwartetem verbringen, das plötzlich ins geerbte Haus schneit. Diese Unterkunft besaß einst der Onkel des nach Amerika ausgewanderten Bill (Martin Starr), der einem Brand in seiner Scheune zum Opfer fiel. Am Anfang des Films wird uns Zusehern sofort klar: Was da in dieser Bretterbude bereits den Oheim zur Weißglut trieb, soll auch der nächsten Generation zum Verhängnis werden. Irgendetwas ist da in der Scheune, so der übersetzte Titel dieser Horrorcomedy, die sich auf ganz gemütliche Weise den Mythen und Legenden Skandinaviens widmet und diese mit einem Home Invasion-Szenario in Verbindung bringt, welches wir alle aus den Gremlins-, Critters– und Zombie-Franchise kennen. Ob There’s Something in the Barn auf irgendeine Weise Althergebrachtes auf neue Wege bringt? Mitnichten.

Dieses neu erworbene Domizil samt Scheune liegt inmitten einer verschneiten Mutter Natur – etwas Schöneres kann man sich rund um Weihnachten gar nicht wünschen. So meinen es zumindest Mama und Papa – die pubertierende Teenager-Tochter sehnt sich nach dem urbanen Jet-Set und verbarrikadiert sich todunglücklich in ihrem Zimmer, der jüngere Sohn aber hat ein Händchen fürs Paranormale – und knüpft Kontakt mit einem wichtelartigen Elf, der in besagter Scheune haust. Mit etwas Geschick und Einfühlungsvermögen lassen sich Wesen wie diese leicht manipulieren und zu gutmütigen Heinzelmännchen abrichten – wenn man darauf achtet, gewisse Parameter einzuhalten. Natürlich geht das schief. Gerade zu Heiligabend, wenn Papa aufgrund eines misslungeneren Festtagsmenüs die vom Sohn vorbereitete Hafergrütze verputzt, die eigentlich für den Elf bestimmt war, setzt es statt Süßem eben Saures. Wie wütend Wichtel dabei werden können, ist bereits aus dem Märchen Schneeweißchen und Rosenrot bekannt, wenn der Bart einer ganz ähnlichen, zwergenähnlichen Gestalt im Stamm eines gefällten Baumes festhängt. So richtig rabiat wird auch dieser kleine Knilch hier, und wenn schon der Hass auf die undankbare Menschheit groß genug ist, lässt sich dieser auch mit anderen teilen. Es dauert nicht lange und mordlüstern schnaufende Zipfelmützenträger stürmen das traute Heim.

Bei den Gremlins wäre es ein leichtes gewesen, die kleine grüne Apokalypse aus schabernaktreibenden Langohren zu vermeiden. Auch in Magnus Martens alles anderen als stillen Nacht ist der Zorn der Wichtel nur der Quotient aus fehlendem Respekt und mangelnder Anpassungsfähigkeit in einem Land, in welchem manche Dinge eben anders laufen als in Übersee.

Exzentrische Fantasy, die mit dem Horror kokettiert und sich in das streng saisonale Genre des Weihnachtsfilms einschleicht, sind ein gefundenes Fressen für Leute, die der schönsten Zeit des Jahres gerne auch noch eine metaphysische Ebene abgewinnen wollen, die weniger mit Nächstenliebe und Familiensinn zu tun hat. Hier mag das nicht ganz ungerechte Finstere, das sich allerdings dazu bekennt, ohne Licht nicht zu existieren, mangelnde Tugend bestrafen, wie Knecht Ruprecht oder der gute alte Krampus. Des Menschen Gier, des Menschen Unachtsamkeit – sie sind die Beweggründe für manch Monströses aus missachteten Legenden, das die uns bekannte Realität heimsucht. Krampus zum Beispiel wird zum schneestöbernden Mindfuck, die skandinavische Weihnachtsgeschichte Rare Exports – einer meiner Lieblinge – lässt den Ur-Weihnachtsmann auf lakonische und schwarzhumorige Art und Weise von der Leine. Viel mehr gibt’s da eigentlich nicht, alles weitere gerät zu profaner Action. There’s Something in the Barn ergänzt zwar das Subgenre der sinistren Weihnachtsfantasy auf unmissverständliche Weise, bleibt aber hinter den Erwartungen zurück. Wichtel wüten zu lassen ist eine Sache – wie der Mensch darauf reagiert eine andere. So ist der Konflikt zwischen magischer und realer Welt zwar anfangs mit reichlich Suspense ausgestattet, meidet später aber die feine Klinge. In grobem Hickhack werden die Wichtel übers Feld geschickt, zähes Schauspiel und banale Drehbuchseiten lassen das gewisse Etwas vermissen. Als schales Wintergemetzel vielleicht brauchbar, die geliebten Deko-Elfen im eigenen Heim haben letztendlich aber mehr Seele als jene, die zum Hammer greifen.

There’s Something in the Barn (2023)

Mad God (2021)

DES HANDWERKERS INFERNO

9/10


madgod© 2021 Tippett Sudios Inc.


LAND / JAHR: USA 2021

REGIE / DREHBUCH / PRODUKTION: PHIL TIPPETT

MUSIK: DAN WOOL

LIVE ACT CAST: ALEX COX, NIKETA ROMAN, SATISH RATAKONDA, HARPER & BRYNN TAYLOR U. A.

LÄNGE: 1 STD 23 MIN


Hier bracht es keinen Ring, um sie zu knechten, um sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden. Es reicht ein über Leichen gehender Fortschritt, die gnadenlose Industrialisierung und technologische Übermannung arg- und ahnungsloser Seelen, die manipuliert und gehirngewaschen werden für die Gier der Wenigen. In dieser ungebändigten Geister- und Grottenbahnfahrt in die Tiefe des Menschenverstands ist ein sogenannter Sauron – wenn wir schon bei Tolkien bleiben wollen – die Summe vieler Teile, eine intrinsisch entstandene, gestaltlose Aura, die als Deus ex Machina eine Maschinenwelt antreibt, die die Gekechteten vor sich hertreibt. Es wird düster, in Phil Tippetts Opus Magnum, an dem er rund 30 Jahre lang, natürlich mit Pausen, gearbeitet hat. Immer wieder kamen andere Projekte dazwischen, darunter auch Steven Spielbergs Jurassic Park. Doch vor 30 Jahren, da waren die goldenen Jahre für den Gott der Stop-Motion schon vorbei. Vor 30 Jahren, da kam eben genannter Dino-Blockbuster ins Kino und läutete das Zeitalter der computeranimierten Special Effects ein – die größte Niederlage für einen Analogkünstler wie Tippett, einem akribischen und von seiner Leidenschaft fürs Kreative besessenen Meisterklassler, der seine liebevoll geformten Dinosauriermodelle nun anderswo aufstellen durfte, nur nicht vor der Kamera. Phil Tippett – er ist schließlich ein Begriff für all jene, die mit der Originaltrilogie von Star Wars groß geworden sind. Für all jene, die niemals vergessen können, wie es sich angefühlt hat, als Luke Skywalker auf seinem Tauntaun über die Eiswüste von Hoth galoppiert war, die vierbeinigen AT-ATs angegriffen haben oder das Rancor-Monster in Jabbas Grube zum Angriff überging. Tippett und das Team von Industrial Light & Magic waren es auch, welche die Effekte für Polstergeist oder Ghostbusters kreierten – im Grunde so gut wie alles, was damals an Phantastischem auf die Leinwand kommen sollte. Bis heute hat Tippett die Freude am Reiz der Stop-Motion nicht verloren. Aus Liebe zu seiner Arbeit, als devotes Geständnis und hingebungsvolle Verbeugung vor dem, was ohne CGI alles möglich ist; aus Liebe zu allem Monströsen in unseren Köpfen entstand das hier: Mad God – ein elektrisierendes Unikum, ein bizarres Denkmal, ein so wunderschönes wie erschreckendes filmisches Evangelium über den Albtraum der Neuzeit.

Es reicht nicht, Mad God einfach nur zu sehen und dabei vielleicht völlig unsinnigerweise darauf zu achten, Distanz zu wahren. Mad God muss man erfahren, man muss sich ihm hingeben und vor allen Dingen: sich darauf einlassen, ohne groß mitzudenken oder während des Erfahrens herausfinden zu wollen, was uns diese finstere Oper eigentlich sagen will. Dass es etwas zu vermitteln gibt, scheint immer wieder mal klar, doch dann auch wieder nicht. Dann stößt uns Tippett noch viel tiefer in Dantes technologisierte Hölle, es geht nach unten, immer nur nach unten.

Einer, der sich The Assassin nennt – ein Krieger mit Atemmaske, Stahlhelm und einem Koffer – steckt in einer Kapsel, die an den Schichten der Erdzeitalter vorbeikommt, durch eine riesige Kaverne aus allen möglichen, von Menschen erdachten Gottheiten, an gequälten und quälenden Ungeheuern und eigentümlichen Wesen, die, in ihrem Tun gefangen, ihre Ausweglosigkeit grunzend, schreiend oder in unverständlichem Gebrabbel in die Düsternis zetern. Dieser Krieger hat eine Mission. Doch er beobachtet erstmal nur, wartet auf den richtigen Zeitpunkt. Kann vielleicht selbst nicht fassen, was er sieht oder sehen muss. Gigantische Kreaturen unter Strom gebären die Masse, aus der wie von Prometheus aus Lehm geformte Humanoide entstehen, die als schuftende Sklaven meist mit grausamen Toden bestraft werden oder Unfällen zum Opfer fallen, wenn kubrick’sche Monolithen in Kopfhöhe dahinrasen.

Leicht könnte man sich einen von Pink Floyd ersonnenen Score dazu vorstellen, eingestreut deren Klassiker We don’t need no Education. Symbolsprache und Zitate aus Klassikern fantastischer Literatur häufen sich. Später erinnert so manches ans abgründig Surreale eines Michael Ende (Der Spiegel im Siegel), wenn ein entstellter Zwerg das kreischende Monsterbaby aus David Lynch’s Eraserhead entgegennimmt, um dieses seiner Bestimmung zuzuführen. Nebenher prügeln sich zwei Oger und vernachlässigen dabei ihre Arbeit, denn sie müssen schaufeln, schuften, arbeiten, werden mit Elektroschocks gequält, um dann wieder aufeinander einzudreschen, weil Triebe immer noch stärker sind als der Gehorsam. Michael Ende hätte diese surreale Welt wohl gemocht, er hätte sich und seine Kreaturen darin wiedergefunden. Doch auch das ist nicht alles. Mad God bricht all die verrückten Götter, die der Mensch seit dem Holozän errichtet hat, auf eine entfesselte Phantasmagorie herunter, ausgestattet mit enormem Detailreichtum und einer Soundkulisse, die den Wahnsinn aus unzähligen Miniaturen und Modellen so richtig zum Leben erweckt. Sogar Live-Act als ergänzendes Tool findet in diesem Experimentalfilm seine Notwendigkeit, wenn ein klauenbewährter Magier, erinnernd an Terry Gilliams Visionen, seine Krieger ausschickt, um den Kreislauf der immerwährenden Knechtschaft zu durchbrechen.

Mal ist Mad God psychedelischer Experimentalfilm, mal blutrünstiger Horror aus der Puppenstube, dann wieder Steampunk mit Schlachtenszenarien aus dem ersten Weltkrieg, Schläuchen und Sekreten, Flüssigkeiten und organischem, undefinierbaren Leben, das sich irgendwo und irgendwie räkelt, dabei aus vielerlei Augen beobachtet wird, als Symbole des Erkennens und Wahrnehmens prekärer Umstände. Dann ist Mad God wieder wunderschön und berauschend, und ganz plötzlich nachdenklich, philosophisch, an Terrence Malicks Tree of Life und seinen Darstellungen von den Anfängen des Lebens erinnernd. Tippett taucht dann ein ins Universum, distanziert sich von dem Wahnsinn aus Monstern, Mutanten und grimmigen Gutenachtgeschichten mit Trauma-Garantie. Mad God erklärt mehr, als man vermuten würde. Krallt sich den auseinanderdriftenden roten Faden eines Fiebertraums und biegt ihn, nicht mit Gewalt, aber mit dem Willen, seine Komposition einer Conclusio zuzuführen, zu einer Endfrage über Leben und Sterben, über Anfang, Ende und Bestimmung zusammen.

Phil Tippetts dreißig Jahre Arbeit haben sich ausgezahlt. Sowas entsteht, wenn man machen kann, was man will. Dieses Werk ist ein Erlebnis, ein wilder Ritt für die Mutigen, für alle Freunde des Phantastischen, die überrascht und überwältigt werden wollen. Die Stop-Motion lieben und neben Aardman, Laika und dem tschechischen Trickfilm-Virtuosen Jan Svankmajer (u. a. Little Otik) noch einen anderen Weg out of the box finden wollen. Dieser führt eben durch die Finsternis, womöglich aber ans Licht.

Mad God (2021)

Meg 2: Die Tiefe (2023)

FUSSTRITTE FÜR DIE FRESSMASCHINE

6/10


meg2© 2023 Warner Bros. Entertainment Inc. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA, CHINA 2023

REGIE: BEN WHEATLEY

DREHBUCH: JON & ERICH HOEBER, DEAN GEORGARIS, NACH DEM ROMAN VON STEVE ALTEN

CAST: JASON STATHAM, CLIFF CURTIS, WU JING, SHUYA SOPHIA CAI, PAGE KENNEDY, SKYLER SAMUELS, SIENNA GUILLORY, SERGIO PERIS-MENCHETA U. A. 

LÄNGE: 1 STD 56 MIN


Bevor man in einen Film wie diesen geht, sollte gewiss sein, dass so gut wie alles, was in den nächsten zwei Stunden zu sehen sein wird, eigentlich absolut unmöglich ist. Nein, ein Mensch kann nicht in einer Tiefe von 25.000 Fuß eine beträchtliche Strecke ohne Schutzanzug zurücklegen. Und das auch nicht, wenn er seine Nebenhöhlen entlüftet, wie Jason Statham es tut. Nein, ein Megalodon rudert nicht bis ins seichte Gewässer, um kreidezeitliche Amphibienwesen zu jagen, während diese dann kurze Zeit später in besagter Tiefe von 25.000 Fuß auf menschliche Beute spitzen. In Meg 2: Die Tiefe stimmt so einiges nicht, ist die Physik nur eine Frage künstlerischer Freiheit und Ben Wheatley einer, der eine diebische Freude daran hat, endlich machen zu dürfen, was ohnehin kaum jemand anpacken würde. Vielleicht, weil das Skript so sehr das Mögliche verbiegt, dass es andere beschämen könnte, zu einem Tierterror-Reißer wie diesen Journalisten Rede und Antwort stehen zu müssen.

Die Welt des Films aber bietet genau solche Freiheiten und die Möglichkeit für ausreichend Chuzpe, mit der niemand auch nur im Traum daran denkt, sich für so viel unwahrscheinlichen Murks zu rechtfertigen. Im Film ist alles möglich. Und je unmöglicher und unlogischer, umso neugieriger wird man auch als prinzipieller Monster-Action-Fan, der die französische Comicbuchreihe Carthago von Christophe Bec verschlungen und Megalodons seit jeher bewundert hat. Auch in Carthago erblicken Riesenhaie das Licht der Gegenwart, und nicht nur diese. Allerdings versuchen in dieser Geschichte, deren Heldinnen und Helden den Naturgesetzen zu folgen, auch wenn so einiges im Reich der Fantasie zu verorten ist. Ernsthafter als Meg 2 ist es allemal. Und Meg 2 – den sollte man ohnehin keine Sekunde lang ernst nehmen. Obwohl es niemals so hanebüchen wird wie zum Beispiel im Asylum-Kultstreifen Sharknado – ein Guilty Pleasure mit Fangemeinde und für alle, die mit permanenter Hai-Angst leben.

Es ist kurios genug, dass Ben Wheatley, Autorenfilmer und Kino-Exzentriker (u. a. High-Rise, Rebecca), einen Film wie diesen wählt. Der Grund dafür ist verständlich: Warum denn nicht mal dürfen, was man sonst nie darf. Übertreiben, wo andere die Augen verdrehen. Reuelos einfach draufklotzen und Jason Statham zum neuen Chuck Norris ausrufen, unter dessen Füßen sich die Erde womöglich wegdreht und der Haie zum Frühstück verspeist. Der auch unter gnadenlosem Druck und eisiger Kälte immer noch geistesgegenwärtig potenzielle Prädatoren abwehren kann und gar keine Dekompression braucht, um sekundenschnell wieder auf die Beine zu kommen. Statham ist momentan die coolste Socke des Actionkinos, da fehlt einem wie Chris Hemsworth noch einiges an Gelassenheit. Und da Statham in seinem Kampf gegen Ungetüme ganz bewusst und rotzfrech über die Stränge schlägt, um ein parodistisches Jurassic Park unter Wasser abzufeiern, ist Meg 2: Die Tiefe unter diesen Konditionen erstens besser als das relativ handzahme Original Meg, und zweitens tatsächlich (un)freiwillig spaßig.

Inhaltlich gibt’s kaum etwas zu berichten. Kenner des Originals wissen: es gibt dieses isolierte Ökosystem irgendwo nahe den Philippinen, dort kreucht und fleucht es wie vor 65 Millionen Jahren. Klar bleibt dieser ökologische Schatz nicht unbemerkt, und während Jason Statham als Jonas Taylor samt seinem Team auf Erkundung geht, stoßen diese auf eine illegale Bergbaustation, die wertvolle Erze schürft. Zwischen beiden Parteien gibt’s bald Clinch, und zum fröhlichen Hickhack gesellen sich bald eine Handvoll Haie, die als lachende Dritte aufs Frühstück spechteln. Das ganze bizarre Szenario verlagert sich aus der Tiefe bald an die Oberfläche, und das Chaos ist perfekt. Humoristische Einlagen wechseln mit brachialer Monster-Action, Kreischalarm ist garantiert. Da es diesmal nicht nur Haie sind, die den Menschen das Leben schwer machen, darf man sich auf allerlei gefräßiges Zeugs freuen. Der Trash-Platte ist serviert, samt offensichtlich ignorierten Continuity-Fehlern, die trotz oder wegen ihrer Auffälligkeit gleich im Film behalten wurden, denn auch das macht einen trivialen Reißer wie diesen noch trivialer. Spätestens wenn Statham den Monsterhai mit seinen Füßen abwehrt, gibt’s kein Halten mehr.

Natürlich ist, wenn man das Meg-Franchise in dieser Genre-Nische auch weiterhin verorten will, noch Luft nach oben vorhanden. Will heißen: da lässt sich noch einiges draufsetzen an kuriosen Eskapaden, die gerne noch grotesker ausfallen könnten, frei nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert: Vielleicht erreicht Meg 3 dann jene Sphäre, in der sich satirische Kasperein wie Iron Sky sichten lassen. Wichtig dabei wäre aber nach wie vor, eine gewisse dramaturgische Spannung zu garantieren. Denn die sitzt im Schlauchboot ohne Ruder, den spitzen Zahnreihen der Knorpler widerstandslos ausgesetzt. Spannung entsteht dann, wenn dem Film inhärente Naturgesetze den Plan durchkreuzen. Bei Meg 2: Die Tiefe gibt’s diese fast gar nicht mehr, dafür aber den Spaß an der Freude, prähistorisch baden zu gehen.

Meg 2: Die Tiefe (2023)

Willy’s Wonderland (2021)

AUFWISCHEN UND AUFMISCHEN

5,5/10


willys-wonderland© 2021 Splendid Film


LAND / JAHR: USA 2021

REGIE: KEVIN LEWIS

BUCH: G. O. PARSONS

CAST: NICOLAS CAGE, EMILY TOSTA, BETH GRANT, RIC REITZ, CHRIS WARNER U. A.

LÄNGE: 1 STD 28 MIN


Wer ist wohl die coolste Socke auf Gottes Erde? Na, wer? Natürlich Nicolas „Nic“ Cage, der sich gar nicht mal bemüßigt fühlen muss, irgendetwas von dem, was er tut, argumentativ zu untermauern. Cage muss gar nichts sagen. Es versteht ihn auch so ein jeder. Und wer nicht hinhören will, muss eben fühlen. Erst seit Kurzem overactet der Neffe Francis Ford Coppolas als die Ikone des Phantastischen schlechthin über die Leinwand – als Graf Dracula in Renfield, mit spitzen Zähnen und einer Blutgier, die ihresgleichen sucht. Eine Zeit lang war der Mann verliebt in Dutzendware, deren Produzenten ihn als Aushängeschild geliehen hatten. Macht nichts, gutes Geld war das allemal. Und dann gab’s so einiges an der künstlerischen Independent-Front, was ihm dazu verhalf, wieder ganz oben mitzumischen. Wobei: Weg war er nie. Und gottergebener Trashfilm-Veredler, der sich dem Schicksal eines ausrangierten Schauspielers hingeben muss, auch nicht. Weil es vielleicht nur ihn geben kann, um Filme wie Willy’s Wonderland herauszubringen.

Ganz ehrlich: Wer hätte diesen Mann ohne Worte, der sich nicht zu gut dafür ist, die Hände schmutzig zu machen, sonst noch spielen können? Frank Grillo? Dolph Lundgren? Vielleicht „Sisu“ Jorma Tommila, der in seinem Nazi-Actioner auch keine großen Reden schwang. Aber Cage, der ist exaltiert und verrückt genug, um sich auch nicht zu gut dafür zu sein, mit den Puppen zu tanzen, die als mechatronisches Aushängeschild und reif für den Requisiten-Flohmarkt im längst geschlossenen Vergnügungspark namens Willy’s Wonderland vor sich hindämmern. Wer noch keine fünf Nächte bei Freddy’s war, kann für einmal Overnight zumindest hier vorbeischauen – und Cage beim Aufräumen zusehen. Mit welcher ehrgeizigen Konsequenz er das durchzieht, ist beeindruckend. Und die ganze, knapp 90minütige Fieberträumerei wäre eine Ode an den Putzmann geworden, gäbe es da eben nicht diese mordlüsternen, menschengroßen Fabelwesen, die dem wortlosen Mr. Saubermann ans Leder wollen. Der muss nämlich die Nacht hier verbringen, um die Reparatur seines Wagens zu finanzieren. Was er nicht weiß: Niemand rechnet damit, dass Cage hier noch lebend rauskommt. Und als dann noch eine Gruppe Jugendlicher die Bude abfackeln will, weil sie weiß, was da abgeht, wird’s so richtig haarig. Und man wundert sich, wie unfähig sich Young Adults anstellen können, wenn sie in einem Horrorfilm mitspielen, der nur dazu geeignet ist, einen Schlachtplatten-Countdown einzuläuten, bei dem weniger das Blut, sondern viel mehr das streng riechende Maschinenöl spritzt.

Warum Nicolas Cage immer zu einer gewissen Zeit seinen Energydrink hinunterkippen muss und ganz versessen darauf ist, den von ihm blankpolierten Flipper-Automaten zu besiegen, während ringsherum schreiend die Next Generation zu Boden geht, wissen wir nicht. Umso kurioser mutet das ganze Szenario an, welches aber, so sehr es auch zu seiner Mission steht, sinnbefreites Grunge-Entertainment zu sein, mit seiner beizeiten vorgetragenen Background-Story für Verwunderung sorgt. Im Laufe des Films „entpuppen“ sich die acht Roboter nämlich als gar nicht mal so widerstandsfähig. In Anbetracht dieser Tatsache erscheint die Prämisse des Plots nicht mal, wenn man beide Augen zudrückt, als haltbar. Kippt diese weg, gemeinsam mit der konstruierten Unterlegenheit der Opfer, bleibt nur ein sich selbst parodierender Nicolas Cage mit Understatement, der all dieses Drumherum gar nicht gebraucht hätte. Ob er schon mal überlegt hat, in einer Reality-Soap mitzuwirken, in welcher er einfach nur anderen hinterherräumt? Könnte was werden.

Willy’s Wonderland (2021)