DIE ZUVERSICHT LIEGT IM SAFE SPACE
7/10
© 2025 Constantin Film
LAND / JAHR: DEUTSCHLAND 2025
REGIE: MIA MAARIEL MEYER
DREHBUCH: ELENA HELL, CAROLINE WAHL
KAMERA: TIM KUHN
CAST: LUNA WEDLER, ZOË BAIER, LAURA TONKE, JANNIS NIEWÖHNER, SABRINA SCHIEDER, LUIS PINTSCH, ERCAN KARACAYLI, BERKE CETIN, EDITH KONRATH U. A.
LÄNGE: 1 STD 42 MIN
Der deutsche Film kann mit Genrekino nur bedingt etwas anfangen. Ausreißer gibt es immer, natürlich, doch meist ist es die lebensweise Tragikomödie mit viel Problemewälzen und dem Suchen nach einem Sinn im Leben. Die Schicksalsschläge sind meist erschütternd, es bleibt keine Auge trocken. Bestes Beispiel aus der jüngsten Filmgeschichte: Zikaden von Ina Weisse. Nina Hoss und Saskia Rosendahl übertrumpfen sich dabei gegenseitig, wer hier nicht das schwerere Los gezogen hat. Beide zusammen nehmen die gesamte bedrückende Schwere des deutschen Gegenwartkinos mit sich, auch wenn die Sommersonne hell vom Himmel brennt. Zu viel der Bedeutung, zuviel der Lebensberatung, zu nah an der Realität. Aber schön, dass die Deutsche Filmförderung gerade bei solchen Filmen ordentlich Budget springen lässt, andererseits lässt sich der Hang zum ewig ähnlichen Betroffenheitskino gar nicht erklären.
Mit geordneten Bahnen gegen das Chaos
Wie gerufen kommt da natürlich Caroline Wahl und ihr geschmeidiger Sozialrealismus, der sich mit Sicherheit ausgesucht und gleichermaßen gefällig liest. Bestseller sind das, die funktionieren auf der Leinwand natürlich genauso, ganz besonders mit Publikumslieblingen, die erst vor Kurzem schon auf der Leinwand zu sehen waren, um gelernte Gesichter nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Eines muss ich dabei zugeben: Luna Wedler ist ein Gesicht, das vergisst man ohnehin nicht, auch wenn sie im Kino länger abstinent war, was letztlich nicht der Fall ist. Letztes Jahr noch im Marianengraben unterwegs, wird ihr das nasse Element schon noch vertraut sein, wenn diesjährig alles in geordneten Bahnen laufen soll. Es sind dieser nämlich 22, die ihre Filmfigur Tilda wenn möglich täglich schwimmen möchte – im sommerlichen Freibad, zu einer Uhrzeit, zu welcher noch nicht die halbe Schule das Planschen zelebriert, denn schließlich stehen die Ferien an, was dazu führt, das die um einiges jüngere Schwester Ida deutlich viel mehr Zeit im Dunstkreis der ewig besoffenen Mutter verbringen muss. Diese ist schließlich wie einst Harald Juhnke schwere Alkoholikerin, was sie selbst natürlich nicht so sieht. Männer wechselt sie wie Unterwäschen, die mütterliche Aufsicht wird tunlichst ignoriert und wenn es mal soweit kommt, und Mama schürt das Feuer am Dach, folgt das Entschuldigungsfrühstück auf dem Fuß. Tilda und Ida glauben längst nicht mehr dran, dass die Erwachsene in ihrem Haus noch irgendwann die Kurve kriegt. Also müssen sie sich zusammentun, sind gemeinsam das Ganze, und jede die Hälfte. Schöne Worte, die man gleich zu Beginn des Filmes hört. Und man folgt den Gedankengängen von Luna Wedler noch weiter, was beruhigend wirkt, einnehmend und sympathisch.
Das Problem dominiert nicht die Person
Sicherlich packt Regisseurin Mia Maariel Meyer auch hier eine ganze Bandbreite an Problemen aus, von Trauer und Verlust über Alkoholismus bis zum Fall für die Jugendfürsorge. Ganz schön belastend all das, und in Wahrheit will diese schweren Umstände niemand wirklich sehen, sind sie doch zu real, allgegenwärtig und alles andere als eskapistisch. Die andere Seite ist allerdings: Wahls Roman hat zwar all diese Schwierigkeiten zu bewältigen, beschäftigt sich aber viel lieber um ganze Charakterstudien als um das Hinbiegen von Missständen und Traumata. Vergleichbar ist 22 Bahnen mit dem intensiven Psychodrama Wenn das Licht zerbricht von Rúnar Rúnarsson, in welchem eine junge Frau den Tod ihres geliebten Menschen auf ungewöhnliche Weise verarbeiten muss. Dort liegt der Reiz des Films in der psychologischen Betrachtung einer ganzen Persönlichkeit, die sich in der Bewältigung eines Schicksals festigt. Wunderschön daher auch die zart skizzierte Beziehung zwischen einer atemberaubend authentischen und unprätentiösen Luna Wedler und Jannis Niewöhner.
Dass Wedler heuer in Venedig den Marcello Mastroianni-Preis als beste Nachwuchsdarstellerin für Stille Freundin mitnehmen konnte, ist mehr als verdient, gilt der doch auch irgendwie stellvertretend für ihr bisheriges Schaffen. Nicht zu übersehen in dieser Selbstfindung, die vom Safe Space eines jeden Menschen erzählt und davon, Veantwortung zu reflektieren, ist Jungstar Zoë Baier. Alle vier, einschließlich Laura Tonke, schaffen stimmungsvolles Schauspielkino mit Sinn für Menschenkenntnis.








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