Stars at Noon (2022)

NACKT IN NICARAGUA

5/10


starsatnoon© 2022 Ad Vitam Distribution


LAND / JAHR: FRANKREICH 2022

REGIE: CLAIRE DENIS

DREHBUCH: CLAIRE DENIS, ANDREW LITVACK, LÉA MYSIUS

CAST: MARGARET QUALLEY, JOE ALWYN, DANNY RAMIREZ, BENNY SAFDIE, JOHN C. REILLY, NICK ROMANO U. A.

LÄNGE: 2 STD 18 MIN


Reden wir nicht über Politik. Reden wir über die Liebe. Oder die Leidenschaft. Die Sexuelle Begierde, die in zerknüllten feuchten Laken und dampfenden Körpern – mein Gott, ist das schwülstig formuliert – ihren Ausdruck findet. Doch ob schwülstig hin oder her: in letzter Zeit ist mir kein anderer Film untergekommen, der die Definition von romantischem Abenteuer so sehr in eine Groschenroman-Ästhetik verpackt wie Stars at Noon. Die französische, sich quer durch alle Genres durchkostende Vielfilmerin Claire Denis hat sich eines Romans aus den Achtzigern angenommen, der in den Wirren des Nicaragua-Krieges spielt und sehr viel mit CIA, waghalsigem Journalismus und zwielichtigen Nutznießern aus der Wirtschaft zu tun hat. Alles Faktoren, die großes internationales Kino versprechen, so episch, als wären Catherine Hepburn und Spencer Tracy oder Lauren Bacall und Humphrey Bogart traumwandelnde Gestalten inmitten politischer Umbrüche und derlei gesellschaftlicher Spannungen, die damit einhergehen.

Traumwandlerisch ist wohl das Adjektiv, das am besten zu Stars at Noon passt. Ins Zentrum setzt Claire Denis Margaret Qualley, die Tochter Andie McDowells und seit Tarantinos Once Upon a Time… in Hollywood einem breiteren Publikum wohlbekannt. Sie gibt eine amerikanische Journalistin, die unangenehme Fragen gestellt und einen Artikel veröffentlicht hat, den allerlei mächtige Leute als bedenklich einstufen. Das hat zur Folge, dass die junge, durchaus promiskuitive Dame ohne Geld und ohne Pass in Nicaragua festsitzt und darauf hofft, durch Sex in die Gunst mancher Männer zu gelangen, die Beziehungen haben. Nicht selten lässt sie sich dafür auszahlen, darunter auch von Geschäftsmann Daniel (Joe Alwyn), der den Reizen der zugegeben hocherotischen Trish naturgemäß erliegt. Dieser Geschäftsmann aber hat sich mit den falschen Leuten eingelassen, und zwar mit jenen der costa-ricanischen Polizei und natürlich auch mit der CIA, und allesamt sind sie hinter ihm her, während Trish, immer noch darauf aus, ihre Papiere zurückzuerlangen, Daniel zur romantischen Zweisamkeit nötigt, wann immer sich dazu die Gelegenheit bietet. Letztendlich beschließen sie, sich gemeinsam Richtung Costa Rica abzusetzen. Auch ohne Pass und Geld.

Was an Stars at Noon am meisten fasziniert, ist das Gesicht von Margaret Qualley. Claire Denis kann sich daran nicht sattsehen. Wenn das liebreizende Konterfei nicht reicht, gibt’s Qualley auch im Evakostüm vor dem Fenster, vor dem Spiegel, auf dem Bett oder im Badezimmer. Es ist, als hätte Richard Hamilton lediglich seinen Weichzeichner vergessen, doch die eingefangene, schweißtreibende Schwüle tut ihr Übriges, um Konturen aufzuweichen. Stars at Noon ist schön anzusehen, keine Frage. Diese stellt sich aber umso mehr, betrachtet man den offensichtlichen Anachronismus des Films. Denis liegt weder daran, eine komplexe politische Geschichte zu erzählen noch daran, all die Umstände, die Trish und Daniel dorthin gebracht haben, wo sie sind, näher zu erläutern. Nicht mal die Zeit scheint von Bedeutung, Referenzstücke, um ein bestimmtes Jahrzehnt zu eruieren, fehlen gänzlich. Also vermischt sie Versatzstücke der modernen Gegenwart wie Smartphones und Chipkarten mit den politischen Unruhen der Reagan-Ära. Indizien, die nicht zusammenpassen.

Überhaupt nutzt Stars at Noon seinen fadenscheinigen Plot lediglich als abstrahiertes Konstrukt, als simplifizierte Verzerrung eines relevanten Politikums. Wie ein hohles Gefäß, in das Claire Denis ihre Zeit totschlagende Romanze bettet, eine Art Kulisse ohne Tiefe, eine austauschbare Variable für Thrillerdramen aller Art. In diesem kafkaesken Mysterium stört Margaret Qualley rein gar nichts, ihr breites Lächeln entschädigt für vieles, jedoch nicht für das langweilige Spiel von Joe Alwyn, zwischen beiden sprüht kein Funke. All die übrigen Figuren sind Staffage rund um Qualleys einnehmender Entrücktheit, der man die Rolle der investigativen Journalistin keine Sekunde abnimmt. Wer sind sie dann, diese beiden? Kolportierte Antihelden einer Stil-Hommage an den amerikanischen Film Noir, deren Plots manchmal so undurchschaubar waren, dass man sich am liebsten gar nicht damit auseinandersetzen, sondern nur mit den schmachtenden Momenten der Liebenden Vorlieb nehmen wollte. Diese Diffusion gelingt Claire Denis dann doch. Ob schwülstige Tropennächte das Soll erfüllen? Wie bei so vielen anderen Filmen bleiben bei diesem hier ohnehin nur Fragmente in Erinnerung. Es sollen die richtigen sein.

Stars at Noon (2022)

Human Flowers of Flesh (2022)

IM UND AM UND UMS MEER HERUM

6,5/10


humanflowersofflesh© 2022 Grandfilm


LAND / JAHR: DEUTSCHLAND, FRANKREICH 2022

REGIE / DREHBUCH: HELENA WITTMANN

CAST: ANGELIKI PAPOULIA, VLADIMIR VULEVIĆ, MAURO SOARES, GUSTAVO DE MATTOS, FERHAT MOUHALI, STEFFEN DANEK, DENIS LAVANT U. A.

LÄNGE: 1 STD 46 MIN


Darauf muss man sich einlassen, darin muss man eintauchen wollen, denn fast ist es so, als ob einen selbst während der Sichtung dieses Films die Gewissheit ereilt, nicht schwimmen zu können. Haltlos geht man unter, denn Halt bietet das Kunstwerk hier keinen. Worum sich die Schiffreise genau dreht, was Ida (Angeliki Papoulia) eigentlich will und in welchem Verhältnis sie zu den fünf auf ihrem Schiff befindlichen Männern steht, die von überall aus der Welt herangereist sind: Helena Wittmann wird uns darüber wohl niemals aufklären. Wie also einen Film sehen, der ganz bewusst ins Meer hinaustreibt, als wäre die Strömung der einzige rote Faden in dieser kryptischen Geschichte, die nicht mal eine sein will. Viel lieber starrt Wittmann aufs Meer hinaus, auf die Gezeitenzone hin, wenn sich Schaumkronen bilden, darunter verschiedenfarbiges Blau bis hin zu Aquamarin oder gar Hellgrün. Das Wasser hat in Human Flowers of Flesh eine hypnotische Wirkung und scheinbar minutenlang wendet sich die Kamera nicht davon ab. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als in dieses unbezwingbare Element so lange hineinzusehen wie in Nietzsches Abgrund, der sich folglich im Betrachter selbst verliert.

Schließlich muss auch mal klar sein, worauf man sich einlassen will. Doch wie erkennen, ob ein Film wie dieser, der allen gängigen Erzählweisen entgegenläuft und all die Lehrbücher, in denen geschrieben steht, wie sich Filme dramaturgisch aufbauen müssen, über Bord wirft, die ganze aufgebrachte Geduld überhaupt lohnt. Human Flowers of Flesh ist am Ende des Sommers ein Werk, das mit seinen ersten Sequenzen zumindest nochmal an die mediterrane Küste einlädt – zu Sonne, Zikadenzirpen und eben an das wunderbar (be)rauschende Meer. Doch schnell kann’s gehen und nach der langsamen Einführung ins Geschehen, auf welche wiederum kein Geschehen in klassischem Sinne folgt, möge die Einsicht dämmern, einer künstlerischen, aber unerhört langweiligen Reise beizuwohnen, deren zentrale Figur, nämlich Ida, im ganzen Film nicht mehr spricht als vielleicht, wenn’s hochkommt, drei Sätze. Wortlos bleiben auch die meisten hier, all die fünf Männer, die man anfangs schwer auseinanderhalten kann, weil sie sich eben durch nichts, was sie tun, voneinander unterscheiden. Später steht der eine am Steuerrad, während der andere die Halterung fürs Tau putzt. Wieder ein anderer starrt so wie wir stoisch aufs Meer, während ihm später im Beisein des Publikums die Augen zufallen vor lauter Monotonie an Bord eines Seglers, der nicht mal einen Namen trägt – zumindest wir erfahren ihn nicht.

Angeblich soll die Reise bis nach Algerien gehen, mit Zwischenstopp auf Korsika. Erfahren lässt sich dies nur, wenn man ganz genau aufpasst, alles andere bleibt ein Geheimnis. Irgendwie hat die Reise auch mit der Fremdenlegion zu tun, mit Sidi Bel Abbès, dem Zentrum für jene, die bei glühender Hitze und besungen von Freddy Quinn durch ihre zwangsläufig heißgeliebte Wüste stolpern. Die Ferne, die Weite – beides Metaphern in Helena Wittmanns Biotop der Eindrücke. Je länger die Reise andauert, umso mehr verliert sie sich in Tagträumen, thalassophobischen Reizbildern, gluckernden Klanginstallationen und dem mikroskopischen Treiben von Plankton. Dann wieder der lange Blick auf ruhelose Seelen, die blicken. Die sich nichts zu sagen haben, die Briefe schreiben mit Gedichten anderer.

So ungehörig abstrakt und jenseits jeglicher Normen sind unter anderem auch die Werke des Thailänders Apichatpong Weerasethakul. Doch dieser hat für seine metaphysischen Tableaus immerhin noch eine lose, aber durchaus zusammenhängende Geschichte, deren Elemente verändert und kryptisch, aber dennoch wiederkehren. Human Flowers of Flesh verzichtet fast gänzlich auf ein Narrativ und lockt ausschließlich Assoziationen aus des Zusehers Reserve. Leicht kann es passieren, dass man sich Wittmanns Idee vom Reisen übers Meer nicht hingeben will, doch dann passieren seltsame Dinge – genau so, als würde man sich wegdenken, auf einer Fahrt der Sonne entgegen, wo Zeit und Raum keine Rolle mehr spielen, und der Mensch durchs Reisen viel näher an seinen Ursprung gelangt als auf andere Art.

Human Flowers of Flesh (2022)

Falcon Lake (2022)

DIE SCHRECKEN EINES SOMMERS

8/10


falconlake© 2023 Filmladen Filmverleih


LAND / JAHR: FRANKREICH, KANADA 2022

REGIE: CHARLOTTE LE BON

DREHBUCH: CHARLOTTE LE BON, FRANÇOIS CHOQUET, NACH DER GRAPHIC NOVEL VON BASTIEN VIVÈS

CAST: JOSEPH ENGEL, SARA MONTPETIT, MONIA CHOKRI, ARTHUR IGUAL, KARINE GONTHIER-HYNDMAN, THOMAS LAPERRIERE, ANTHONY THERRIEN U. A.

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


Es ist ein Sommer wie damals. Zumindest fühlt es sich so an, auch wenn Smartphones oder andere mobile Endgeräte der Zerstreuung dienen. Es fällt nicht schwer, diese Dinge zu übersehen. Man will sie in dieser anregenden Zeitkapsel gar nicht als inhärent wissen – man will nur den beiden jungen Menschen zusehen, die sich anscheinend gefunden haben und sich gegenseitig faszinierend finden. Da gibt es Bastien, gerade mal Teenager, der bald seinen 14. Geburtstag feiert und mit Eltern und jüngerem Bruder irgendwo in Kanada an einem See Urlaub macht. Da gibt es Chloe, ein 16jähriges Mädchen mit langem dunklem Haar und gern auf Partys. Die Eltern der beiden sind befreundet, beide Familien teilen sich eine Hütte, und bald teilen die beiden Teenies auch die meiste Zeit des Tages miteinander, indem sie um den See strawanzen, sich Geschichten erzählen und Fotos machen, die den Geist eines ertrunkenen Jungen abbilden, der an den Ufern und verhüllt in weißes Laken immer wieder erscheint, da er selbst noch nichts davon weiß, eigentlich gestorben zu sein. Diese Idee beruht auf keinen wahren Begebenheiten, Chloe hat sich das einfach ausgedacht. Und dennoch verlässt einen nicht das Gefühl, dass der Ort ein Geheimnis birgt, welches, von der Zeit losgelöst, irgendwann in Erscheinung treten könnte. Wie das nun mal so ist bei jungen Menschen, erlebt der junge Bastien seine erste Romanze, seine ersten sexuellen Erfahrungen und erste Eifersucht. Probiert Verbotenes, fühlt noch nie Dagewesenes. Lässt die Nähe zu einem Menschen zu, der sie sucht.

Charlotte Le Bon, die man bislang nur als Schauspielerin zu schätzen gelernt hat, wagt sich mit dieser bittersüßen Ballade über die Gefühle junger Menschen an die Verfilmung einer Graphic Novel von Bastien Vivès heran. Dabei gelingt ihr das Kunststück einer stimmungsvollen Romanze, die sich niemals mit oberflächlichen Klischees abgeben will, sondern durch die greifbaren Bedürfnisse der Protagonisten hindurch bis auf ihre verborgenen Ängste stößt. Da ist viel Sorge, alleingelassen zu werden oder nirgendwo dazuzugehören. Da ist viel Angst vor Peinlichkeiten oder dem Umstand, dem anderen nicht zu genügen. Wie Joseph Engel als Bastien es meistert, so unverkrampft und wahrhaftig diesen Sommer so zu erfahren, als wäre er tatsächlich Teil seiner Biografie, bildet das Herzstück des Films, gemeinsam mit der inspirierenden Chemie zwischen ihm und Sara Montpetit, die an Ali McGraw erinnert und einen ungestümen Lebens- und Leidensdrang mit sich bringt.

Es passiert nicht viel am Falcon Lake. Es passieren Dinge, die wir alle auf eine ähnliche Weise selbst schon erlebt haben, die auch einfach so passieren, weil es eben Sommer ist, und der Tag lang genug für Müßiggang, Philosophieren und kindlichen Wagemut. Und dennoch ist der letztes Jahr in Cannes erstmals gezeigte Geheimtipp mehr als nur Stimmungsbild und Beobachtung. Hier liegt etwas Metaphysisches zugrunde – eine Dimension, die keiner so recht greifen kann, die Bastien und Chloe aber umgeben, als wären sie Teil einer höheren Bestimmung. Diese geheimnisvolle, impressionistische Welt lässt den See als Tor in eine andere Welt erscheinen, den Wald drumherum als Ereignishorizont. Hier ist vieles im Gange, dass zwischen den gesprochenen Zeilen liegt und sich meist nur in der Haltung der Figuren oder im malerischen Naturalismus eines Ortes so richtig andeutet. In seiner von Licht und Wärme, Regen und Gewitter durchdrungenen Weise erinnert Falcon Lake dabei an das intensive Erwachen Timothée Chalamets aus Call Me By Your Name.

Die Schrecken eines Sommers sind alles andere als banaler Horror – sie sind die unerwarteten Gefühle, die man zulassen muss, sich ihnen aber nicht gänzlich hingeben darf. Sie sind der Glaube an Dinge, die man nicht sehen kann. Wie die eigene Zukunft.

Falcon Lake (2022)

Sparta (2022)

LASSET DIE KINDER ZU MIR KOMMEN

7,5/10


sparta© 2022 Stadtkino Filmverleih


LAND / JAHR: ÖSTERREICH, FRANKREICH, DEUTSCHLAND 2022

REGIE: ULRICH SEIDL

BUCH: ULRICH SEIDL, VERONIKA FRANZ

CAST: GEORG FRIEDRICH, FLORENTINA ELENA POP, HANS-MICHAEL REHBERG, MARIUS IGNAT, OCTAVIAN-NICOLAE COCIS U. A.

LÄNGE: 1 STD 41 MIN


Es wundert mich nicht, dass Ulrich Seidl mit dem Thema seines neuen Films und dessen Umsetzung in Rumänien auf Entrüstung stieß. Es ist schon gewaltig schwierig, sich mit Pädophilie in einem Film auseinanderzusetzen – wie schwierig kann es dann sein, all den Erziehungsberechtigten der für den Film gecasteten Kinder die höchst heiklen Umstände entsprechend zu verklickern. Es kann aber auch sein, dass Seidl wirklich etwas zu viel wollte. Zu viel Reality, zu viel Konfrontation. Zu viele echte Emotionen. Ich frage mich, wie Adrian Goiginger den jungen Jeremy Miliker dazu gebracht hat, so dermaßen die Klaviatur verzweifelter Gefühle zu bedienen, die sich in seinem Familiendrama Die beste aller Welten nicht nur mit Tränen, aber auch, Bahn brachen. Der Unterschied liegt darin, dass Miliker eben kein Laiendarsteller war, der einfach so von der Straße weg engagiert wurde. Bei Seidl dürfte das anders gewesen sein. Doch so genau weiß man das nicht. Der Spiegel veröffentlichte das eine, Profil das andere, der Falter behauptete wiederum das Gegenteil.

Es stimmt schon – es gibt die eine oder andere Szene, die eventuell – ohne den nötigen Kontext – durchaus verstörend wirken könnte auf Kinder, die einfach nur gerne vor der Kamera stehen wollen. Schlimmer als so manche Szenen in vielen anderen Filmen, in denen Kinder (mitunter im Horror-Genre) ihre Rollen spielen, sind sie aber nicht, wobei es immer darauf ankommt, wie gut Minderjährige gecoacht werden. Meine Einschätzung: Kann sein, dass so mancher Vormund wirklich nicht so genau gewusst hat (oder wissen wollte), was da abgeht. Letztendlich zeigt Sparta nichts, was kompromittierend sein könnte. Es sei denn, man will sich mit Pädophilie, dieser destruktiven sexuellen Störung, einfach nicht auseinandersetzen. Im Grunde wollte ich das auch nicht. Allein schon, weil in Bezug auf die Entstehung dieses Films Aussage gegen Aussage steht. Da ich aber kein Interesse daran hatte, jemanden vorzuverurteilen, dachte ich mir, mache ich mir selbst ein Bild. 

Seidls Film ist der zweite Teil eines Diptychons, das unter dem Titel Böse Spiele an manchen Festivals im Doppelpack gezeigt wurde, gemeinsam mit der Tragikomödie Rimini, welche von der Zeit nach dem Ruhm eines Schlagersängers namens Richie Bravo erzählt, dargestellt von Michael Thomas, der einen Bruder hat – nämlich Ewald. Dieser Ewald, gespielt von Georg Friedrich, ist der Protagonist von Sparta. Beide haben den in einem geriatrischen Pflegeheim dahindämmernden Vater gemeinsam (Hans-Michael Rehberg in seiner letzten Rolle, dessen Aufnahmen bereits 2017, kurz vor seinem Ableben, entstanden sind). Dieser Alte, ein ewiger Nazi, tritt in haargenau dieselben Szenen in beiden Filmen auf – sie sind das Bindeglied und die entsprechenden Intermezzi, die beide Werke in zeitlich auseinanderliegende Kapitel unterteilen.

Die Bedeutung des gebrechlichen Altnazis mit Rollator mag sich mit Ausnahme dessen, eben der Vater der beiden zu sein, nicht so richtig erschließen und wirkt mitunter etwas willkürlich eingesetzt. Abgesehen davon aber gelingt Seidl etwas, was ich ihm gar nicht zugetraut hätte: die behutsame, fast schon zärtliche Betrachtung eines Dilemmas. Sein langsam erzähltes, konzentriertes Psychogramm in wie immer akkurat arrangierten Bildern überzeugt durch eine gesellschaftskritische Meta-Ebene, die den psychischen Schaden eines Mannes einem anscheinend „gesunden“ patriarchalischen Menschen- und Erziehungsverstand gegenüberstellt. Letzterer ist praktisch nicht vorhanden. Was bleibt, ist die ambivalente Grauzone eines Kompromisses – oder die Chance, mit einer verhassten Veranlagung leben zu lernen und das Bestmögliche daraus zu lukrieren, zum Vorteil für die Kleinen.

Georg Friedrich ist für diese Rolle phänomenal gut geeignet. Sein Markenzeichen ist schließlich jenes des breiten Wiener Slangs, das so klingt, als wäre der alte Hase des österreichischen Films immer noch lieber ein Laiendarsteller, der tatsächlich erlebt, was er spielt und nicht spielt, was er erlebt. Anfangs mag das unfreiwillig komisch wirken, doch Friedrich ist eben Friedrich – und liefert im Laufe des Films eine fast nur in brüchigem Rumänisch gehaltene Performance ab, die durch Seidls fokussierte Regie vorurteilsfrei und glaubhaft bleibt. Sein innerer Kampf ist großes Schauspielkino, die Interaktion mit den Kindern voller Zuneigung, stets respektvoll und nie einen Schritt zu weit. Sparta ist ein Balanceakt, und er hält sich bis zuletzt in beeindruckendem Gleichgewicht, ohne Friedrich zum Täter und die Kinder zu Opfern werden zu lassen. Wenngleich sie von vornherein schon welche sind – nämlich die ihres eigenen sozialen Umfelds.

Sparta (2022)

Eismayer (2022)

ROMANZE IM KASERNENTON

7/10


eismayer© 2022 Filmladen Filmverleih


LAND / JAHR: ÖSTERREICH 2022

BUCH / REGIE: DAVID WAGNER

CAST: GERHARD LIEBMANN, LUKA DIMIĆ, JULIA KOSCHITZ, ANTON NOORI, KARL FISCHER, CHRISTOPHER SCHÄRF, LION TATZBER, THOMAS OTROK, STAN STEINBICHLER U. A.

LÄNGE: 1 STD 27 MIN


Ich bin heilfroh, dass es hier in Österreich den Zivildienst gibt und ich nach meiner Schulausbildung darauf zurückgreifen konnte. Es hätte ja alles anders sein können, in manchen Ländern wird man als Mann automatisch zum Exerzieren verpflichtet. Nur um nichts in der Welt hätte ich mich systematischer Erniedrigung aussetzen wollen, die sich unter anderem gerne als keifender Kasernenton manifestiert und die weniger abgebrühten oder sensibleren Gemüter an den Rand psychischer Resignation bringt. Militärdienst ist nur was für harte Männer – wie obsolet das klingt.

Man setzt den Drill da an, wo er greift. Stanley Kubrick hat diese Methode in Full Metal Jacket, seinem Antikriegs-Schlag in die Magengrube, auf die Spitze des Wahnsinns getrieben. Mit der Figur des von R. Lee Ermey dargestellten Drill Instructors Sergeant Hartman hat der Meister eine Figur des Schreckens erschaffen, die angehende Kadetten wohl nochmals in sich gehen ließ, um ihre Wahl für den Staatsdienst nochmal zu überdenken. Und tatsächlich ist diese Figur gar nicht so weit hergeholt. In Österreich gab und gibt es Charles Eismayer: Hast du ihn als Ausbilder, kommst du entweder psychisch gebrochen aus dem Grundwehrdienst oder hast dir eine derart harte Haut zugelegt, die dich für alles weitere Entsetzliche im Leben abstumpfen lässt. Eismayer war in seinen besten Zeiten wohl einer der gefürchtetsten Hof-Dirigenten im Österreichischen Bundesheer. Horror- und Einzelfallgeschichten machten die Runde, der Angstschweiß stand den Jungen auf der Stirn. Dabei ist Eismayer gar nicht mal so eine bedrohliche Erscheinung. Die Tyrannei, die für den absoluten Gehorsam wohl notwendig scheint, legt dieser in sein Organ. Also schreit und brüllt er wie seinerzeit Sergeant Hartman vor dem Vietnamkrieg seine Greenhorns nieder, macht sie zur Sau und sägt sie ab. Hat das gefaltete Hemd einen Knick – alles nochmal raus aus dem Spind. Schmerzt der Arm beim Exerzieren, fällt der Begriff Muttersöhnchen. Hat aber jemand die Widerrede auf den Lippen – ab auf den Boden und Push Ups, bis es Stopp heißt.

Einer dieser gehorsamen Ungehorsamen ist Grundwehrdiener Mario Falak (Luka Dimić), ein junger Mann mit Migrationshintergrund und gar nicht auf den Mund gefallen. Eismayer ist irritiert, erbost und erzürnt zugleich – andererseits fasziniert von so viel Chuzpe und sowieso angetan von diesem Feschak, da der harte Hund des Militärs tunlichst geheim hält, dass er schwul ist. Und nicht nur er: auch Falak ist vom anderen Ufer, und Homosexuelle unter sich scheinen den anderen zu erkennen, auch wenn dieser sich nicht outet. Falak macht aus seiner Orientierung keinen Hehl; es scheint Zeit, frischen Wind durch die Habt-Acht stehenden Reihen verkrusteter Stereotype wehen zu lassen. Ein Bussi für den Leutnant sollte niemanden verwundern. Und das ist dann der Anfang einer zartfühlend inszenierten Romanze, die so gar nicht mit Stereotypen arbeitet und die Positionen der an der Liebe Beteiligten völlig neu besetzt.

Eismayer ist eine wohltuende Überraschung im Betroffenheitsdschungel des österreichischen Films. Was zuerst den Anschein hat, als hätten wir es mit nüchternem Alltagsrealismus zu tun, entwickelt genug Farben, um das Olivgrün gewohnter Gesellschaftsordnungen am Exerzierplatz sehr bald zu ersetzen. Spätestens dann, wenn der von Gerhard Liebmann mit viel Aufmerksamkeit für seine Figur dargebotene Eismayer denn Hemmschuh der Geheimnisse ob seiner sexuellen Neigung ablegt. Spätestens dann fällt ihm ein Stein vom Herzen, und wie der verbitterte, mit allerlei Wut und Ohnmacht aufgestaute Mann seine Freiheit findet, ist erfrischendes Coming Out-Kino, ohne jemals beschämend zu wirken. Liebmann ist sensationell, und auch Luka Dimić ergänzt sein gegenüber auf Augenhöhe. Der Bruch mit der eigenen, als Hetero-Mann geführten Familie mag zwar traurig und schmerzhaft sein, doch ist sie auch gleichzeitig der Schlüssel zur Wende Richtung Zuversicht. Am Ende lässt David Wagner seine True-Story-Romanze wie Hollywood an der Donau wirken – liebevoll, auf gute Art etwas kitschig und wohltuend selbstverständlich.

Eismayer (2022)

An einem schönen Morgen (2022)

IM UMGANG MIT DENEN, DIE MAN LIEBT

7,5/10


aneinemschoenenmorgen© 2022 Les Films Pelléas


LAND / JAHR: FRANKREICH, DEUTSCHLAND 2022

BUCH / REGIE: MIA HANSEN-LØVE

CAST: LÉA SEYDOUX, PASCAL GREGGORY, MELVIL POUPAUD, NICOLE GARCIA, CAMILLE LEBAN MARTINS U. A.

LÄNGE: 1 STD 54 MIN


Dank Mia Hansen-Løve weiß ich nun, wo der große Ingmar Bergman gelebt und gearbeitet hat – dank eines kleinen, feinen, völlig unaufgeregten Autorenfilms, der sich 2021 als Bergman Island auf der Viennale eingeschlichen und vor allem damit beeindruckt hat, eine fast schon klassisch-romantische Liebesgeschichte mit der Kreativbeziehung eines Künstlerpaares zusammenzubringen. Dabei gelingen ihr zwei Ebenen, die fast schon metaphysisch miteinander verschmelzen. Ein Jahr später schickt Hanson-Løve statt Vicky Krieps und Tim Roth diesmal Lea Seydoux in ein fiktives Leben voller greifbarer, gelebter und wehmütiger Ereignisse, in welche abermals zwei Erzählebenen verflochten sind, die aber beide in ein Universum gehören, eng beieinander liegen und nur manchmal überlappen. Hinter An einem schönen Morgen steht ein klares Gespür für Timing; scheint es auf jede Minute, jede Sekunde anzukommen. All die Szenen scheinen klar definiert, Improvisation manchmal die doppelte Arbeit und daher vielleicht auch unerwünscht, denn Hanson-Løve kann der langen Rede kurzen Sinns nichts abgewinnen. Sie weiß genau, was sie erzählen muss und wie viel Kontext und wie viele Worte es maximal braucht, um niemals Gefahr zu laufen, ins Melodramatische zu kippen.

Dabei wären für das Genre des französischen Problem- und Liebesfilms alle Grundlagen gegeben, um sich in intellektuellen Streitgesprächen, philosophischen Off-Kommentaren oder einer verregneten Pariser Tristesse zu verlieren. Nichts dergleichen scheint die Filmemacherin auf irgendeine Weise zu beglücken. Daher nimmt sie ihre Affinität für kurze, knappe, doch niemals fragmentarisch wirkende Szenen zum Anlass, die Stationen einer späten Verliebtheit mit einem leisen Requiem auf das Alter, der Erinnerung und dem Vergessen zu verbinden.

Im Mittelpunkt steht die Tochter eines Philosophen, Sandra Kinsler, die ihrem Vater dabei zusehen muss, wie er einer neurodegenerativen Krankheit erliegt und immer tiefer in die Symptomatik des sogenannten Benson-Syndroms versinkt. Ähnlich wie Demenz, ist für den Erkrankten das Verarbeiten des Gesehenen gestört, und auch klar artikulieren, wie man gerne wollen würde, lässt sich längst nicht mehr. Daheim kann der Vater nicht mehr bleiben, er muss ins Pflegeheim. Das gestaltet sich als mühselige Odyssee, gleichzeitig muss Sandra damit klarkommen, das Vergangene als vergangen zu akzeptieren und lernen, von ihrem Vater langsam Lebewohl zu sagen. Obwohl Abschiede und Schlussstriche wie diese an Sandras Gemüt nagen, gibt es gleichermaßen auch einen erfrischenden Neuanfang: Ein alter Freund ist wieder in der Stadt, und was lange Jahre nie funktioniert hat, scheint diesmal von Amors Pfeilen getroffen: Beide verlieben sich ineinander. Das Problem nur: Liebhaber Clément ist verheiratet und hat einen Sohn. Wer muss also hier den Schlussstrich ziehen? Einer der beiden muss es tun.

An einem schönen Morgen erinnert in den Szenen mit Pascal Greggory als verwirrtem Vater an Florian Zellers Alters-Opus The Father. Wie unterschiedlich sowohl Hopkins als auch Greggory die Defizite des Altwerdens im Geiste darstellen können, ist verblüffend. Während Hopkins erst spät erkennt, wie hilflos er eigentlich ist, scheint Greggory diese Erkenntnis gar nie kommen zu müssen. Das Vergessen und das Entfernen aus der Realität verlaufen in ruhiger, murmelnder, schlurfender Ziellosigkeit – grandios und völlig unprätentiös gespielt. Die Qual, die man als Außenstehender dabei hat, vermittelt Lea Seydoux ebenfalls auf den Punkt genau. Und trotz dieser Schwere des Schicksals ist der Film auch dank Seydoux‘ völlig unverkrampftem Spiel und Hanson-Løves gelassener Inszenierung impressionistisches Erzählkino ohne plakative Schwere geworden, mit elegant eingeflochtenen, klassischen Versatzstücken des Kinos, die mit dem Rest harmonisieren. Viel passieren muss in Hanson-Løves Filmes eigentlich nie, doch dieses Dahinschweben zwischen den Wendepunkten eines Lebens, das sonst ein Außenstehender gar nicht bemerken muss, weil diese sich selbst genügen, ist schon eine große Eigenheit ihres Stils, und macht sie auch geradezu unverwechselbar in ihrer Art, Anspruch und Tagtraum bewusst ent- und dahingleiten zu lassen.

An einem schönen Morgen (2022)

EO

DEN MENSCHEN (ER)TRAGEN

5/10


EO© 2022 Rapid Eye Movies


LAND / JAHR: POLEN, ITALIEN 2022

REGIE: JERZY SKOLIMOWSKI

BUCH: JERZY SKOLIMOWSKI, EWA PIASKOWSKA

CAST: SECHS HAUSESEL, SANDRA DRZYMALSKA, LORENZO ZURZOLO, MATEUSZ KOŚCIUKIEWICZ, ISABELLE HUPPERT U. A.

LÄNGE: 1 STD 28 MIN


Die Sklaverei scheint abgeschafft? Nicht bei den Tieren. Alles, was auf vier Beinen steht, sich nutzen lässt und Mammon lukriert, dabei kein Wort zustande bringt, um sich mitzuteilen, sondern nur gutturale Laute von sich gibt, vom Grunzen bis zum Wiehern, ist uns Menschen gerade mal gut genug, um es auszunutzen. In so manchen Ländern mag die Achtsamkeit in Bezug auf tierisches Leben eine Reifung erlebt haben – an den meisten Orten dieser Welt bestehen dafür nach wie vor keinerlei Ressourcen. Und die Selbstreflexion, die stellt sich von selbst nicht ein, ist doch der eigene Vorteil des denkenden Individuums immer der, der einem am nächsten ist. Das Wohl der Tiere ist da nur noch Luxus, den sich keiner leisten will. Und wenn doch, dann ist diese Harmonie von viel zu kurzer Dauer. Bestes Beispiel für den Kreuzweg eines Nutztiers bietet dabei immer noch der Esel. Klein, stoisch, genügsam und scheinbar gleichmütig allen Höhen und Tiefen seiner Existenz gegenüber. Der Blick aus den großen, runden, schwarzen Augen ist immer derselbe, die egal, was sie sehen müssen, hinnehmen. Als wüsste der Esel, dass er seine Pflichten zu erfüllen hat, und für nichts anderes auf der Welt ist, als Wägen zu ziehen, sich reiten zu lassen oder als Eigentum von jemand anderem zum Symbol zu gereichen.

Dieser Esel, genannt EO (Das polnische „I-Ah“) lebt zu Beginn dieses Films als Zirkustier gemeinsam mit seiner Artistin Kassandra gar nicht mal so schlecht. Die junge Dompteurin weiß den Wert des Tieres zu schätzen, schenkt ihm sogar mütterliche Liebe, pflegt und streichelt es. Doch dann passiert das: Tierschützer steigen auf die Barrikaden, die örtliche Exekutive beschlagnahmt das gesamte animalische Inventar, EO wird verschachert und kommt bei einem Pferdegestüt unter, wo sein Kreuzweg erst so richtig beginnt. Von dort nämlich bricht er aus, womöglich sucht er seinen Bezugsmenschen aus dem Zirkus, wandert von Polen gar bis nach Italien, wird misshandelt, entwendet und wieder versklavt, wird dann illegal in einem LKW außer Landes gebracht und an irgendeiner Raststation von einem Glücksspieler entwendet, der das gezeichnete Wesen zu Isabelle Huppert bringt, einer gottesfürchtigen, seltsamen Person, deren Auftritt völlig zusammenhanglos und aus der Luft gegriffen scheint, und die daher auch niemals mit dem Esel interagiert, was dieser wiederum nutzt, um nochmal auszubrechen.

Und so wandert er durch rund 90 Minuten Film, dieser graue Stoiker mit den Wachelohren und der pelzigen Schnute, dargestellt von sechs verschiedenen Tieren seiner Art. Der polnische Künstler Jerzy Skolimowski, der längst nicht nur Regie führt, lässt sein niemals zur Ruhe kommendes Wesen die Welt der Menschen aus seinem Blickwinkel betrachten – was nicht heißt, dass wir wortwörtlich alles mit dessen Augen sehen. Was EO widerfährt, sind die Schattenseiten eines sich über allem stellenden Unterjochers, der als minder ansieht, was er nicht versteht. Der besitzt, was keinen Besitzanspruch hegt. Der Gewalt ausübt an dem, der nicht vorsätzlich Gewalt ausüben kann. So sind sie, die Menschen, scheint sich EO zu denken, und dann träumt er wieder – oder wir sehen Gedanken und Visionen des Tieres, die, in rotes Licht getaucht, aus Fetzen der Erinnerung und Sehnsüchten bestehen.

Smolikowski hält nicht viel davon, es dem Publikum leicht zu machen. Harte Schnitte, stroboskopische Lichteffekte und andauernd diese Düsternis aus künstlichem Licht, dann wieder weite Landschaften und Nutztierromantik, wenn Pferde auf einer Koppel in Zeitlupe dahingaloppieren. Davon aber gibt es herzlich wenig – und es scheint auch niemals zu passieren, dass EO auf seinem Weg in Situationen gerät, die nicht nur seinen tierischen Geist weiterbringen, sondern auch den des Menschen an sich. Wie schon Robert Bresson mit seinem existenzialistischen Drama Zum Beispiel Balthasar gleichnamigen Esel durch eine gequälte Existenz führt und ihn am Ende die Kugel gibt, hält auch Smolikowski an diesem Nihilismus fest. Und so lässt er den Esel zwar nicht immer tiefer in den dunklen Brunnen gleiten, holt ihn aber von dort auch nicht wieder herauf. Pure Tristesse trifft Experimentalfilm, der noch dazu mit einer akustischen Untermalung aufgeigt, die durch ihre tönende und wummernde Penetranz von den visuellen Feinheiten ablenkt.

EO mag in manchen Szenen zu einem tierischen Pinocchio werden wollen, doch dann begnügt sich das Mensch-Tier-Gleichnis mit zynischer Schwermut, die zum Teil sogar dem Fehlen einer narrativen Entwicklung geschuldet sind. Ein Film also wie ein Mühlrad, dessen Schlinge EO um den Hals hat – und immer weiter, immer weiter laufen muss, stetig im Kreis.

EO

The Menu

DIE DREIZEHNTE FEE

8/10


themenu© 20th Century Studios. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2022

REGIE: MARK MYLOD

BUCH: SETH REISS, WILL TRACY

CAST: RALPH FIENNES, ANYA TAYLOR-JOY, NICHOLAS HOULT, HONG CHAU, JOHN LEGUIZAMO, JANET MCTEER, PAUL ADELSTEIN, AIMEE CARRERO, JUDITH LIGHT, REED BIRNEY U. A.

LÄNGE: 1 STD 48 MIN


So oft sind Filme vorhersehbar geworden. Selten werden die Erwartungen des Publikums unterwandert, denn das wäre schließlich ein Risiko, welches Zuschauerzahlen kosten und das Box Office einbrechen lassen könnte, würde man routinierte Kinogänger vor den Kopf stoßen. Ein Versuch ist so etwas immer wert, doch bei großen Franchisen bekommen die Verantwortlichen kalte Füße – vor allem, wenn’s um Kino-Releases geht. Bei Independentfilmen ist das anders. Hier wagt man sich freudig aus Glatteis, auf die Gefahr hin, selbst zu straucheln, aber der Ritt über die Ebene war’s wert: The Menu ist so ein Film. Ein Schlittern übers Eis, und während man schlittert, weht der erfrischende Wind des Unerwartbaren ins Gesicht, denn man weiß nie, wann man stürzt oder ob man stürzt oder ob man es bis zur nächsten rutschfesten Gummimatte schafft. Dieser Freude am Probieren stellt sich Regisseur Mark Mylod mit reichlich Hunger für ein mehrgängiges kulinarisches Programm und auch jeder Menge Trinkgeld in der Tasche für die servierende Entourage, die in einem Nobelrestaurant auf einer abgelegenen Insel den Gästen nicht nur die Karte vorliest, sondern auch die Leviten.

Auf dieser Insel herrscht Küchenchef Julian Slowik über eine fanatisch aufkochende Gruppe auserlesener Köchinnen und Köche und kredenzt der gut betuchten Elite ausgefallene Kreationen der Gourmetkunst, verbunden mit theatralischen Elementen und Erzählungen aus den eigenen Biografien. Die Elite selbst ist wild zusammengewürfelt aus Bankern, Lokalkritikerinnen, Möchtegern-Gourmets, affektierten Filmstars oder einfach nur stinkreichen Bonzen, die gar nicht wissen, wofür sie hier ihr Geld ausgeben. Sie alle kommen eines Abends zusammen, und fast sieht es so aus, als eröffnete sich uns ein routinierter Whodunit im Stile eines Agatha Christie-Krimis. Doch wie schon eingangs erwähnt: Nichts ergibt sich so, wie es den Anschein hat. Dieses Spiel mit den Erwartungen torpediert auch die junge Margot (Anja Taylor-Joy), die eigentlich gar nicht hier sein dürfte, denn sie ist der Ersatz für die Begleitung von Nicholas Hoult, der versessen darauf ist, sein Wissen über Kochkunst unter Beweis zu stellen. Margot steht also nicht auf der Gästeliste, ganz so wie die dreizehnte Fee, die dem Gastgeber in die Suppe spuckt. Mit dieser unbekannten Variablen kommt auch der Küchenchef durcheinander, hat der doch den Abend und das mehrgängige Menü penibel geplant, bis auf den letzten Tropfen Emulsion auf dem Experimentierteller. Und was als schickes Erlebnisdinner beginnt, wird schon bald zu etwas ganz Anderem, Verstörendem, zu einem wüsten Happening, das vor nichts zurückschreckt. Außer vielleicht vor Anja Taylor-Joy, die, einmal mehr faszinierend, den ganzen Ist-Zustand hinterfragt.

Nichts wird so heiß gekocht, wie es serviert wird. Hier könnte man den Umkehrschluss ziehen: Nichts wird so heiß serviert, wie es gekocht wird. Denn Ralph Fiennes macht den Abend zur Sternstunde des Unvorhersehbaren, des Herumrätselns, wie es weitergehen könnte, des staunenden Zusehens, was nun als nächstes serviert werden könnte und ob sich die kuriose Wahl an Zutaten noch wilder zusammenmixen lässt. Was anfangs tatsächlich wie eine Satire auf die noblen Künste der Haute Cuisine verstanden werden will, könnte Minuten später ganz anderes Gedeck auf den Tisch drapieren: Vielleicht auch die gallige Kritik an der Heuchelei eines vorgeblich interessierten Establishments, das den Kern der Sache aber längst nicht mehr wertschätzen kann, genauso wenig wie jene, die das Establishment bedienen. Geben und Nehmen wird im selben Topf zu Tode gekocht. Zwischen denen, die eine oberflächliche Gesellschaft füttern, und denen, die den Fraß schlucken, weil sie meinen, die Dinge verstehen zu müssen, gibt es kaum mehr Differenz. Die Autoren Seth Reiss und Will Tracy kreieren einen Lokalbesuch, in welchem der Tischtuch-Trick auch nicht mehr funktioniert, da Tabula rasa gemacht werden muss: Mit der hohlen Existenz der Mächtigen und den verkauften Seelen derer, die diese Mächtigen erst zu dem gemacht haben, was sie sind. Meister und Diener wechseln am Drehtisch die Seiten, mal verleitet der Aberwitz skurriler Szenen zum Lachen, mal bleibt dieses einer Fischgräte gleich im Halse stecken. Mal wird man eingelullt vom jovialen Tonfall eines manisch guten Ralph Fiennes, mal schrickt man aus der Convenience-Blase, wenn dieser zum nächsten Gang klatscht. Zwischen Fiennes und Taylor Joy entspinnt sich ein Duell der erlesensten Sorte. Dieses Duell hält die ganzen 108 Minuten an, ohne durchzuhängen. Um dieses Duell herum bleibt die Spannung straff, und mit dieser Spannung schlägt das Duell als kurios-perfider Mix aus Thriller und Groteske, die längst schon unbequeme gesellschaftskritische Spitzen erreicht wie aus einem Film von Ruben Östlund, in konstanter Intensität in seinen Bann.

Mag sein, dass The Menu manchmal selbst nicht mehr ganz weiß, was es eigentlich ausdrücken will und wohin seine Kritik anbranden soll, doch der Film bleibt ein Faszinosum, mit Leichtigkeit und Spielfreude inszeniert und so unvorhersehbar gut wie ein Dinner in the Dark.

The Menu

Crimes of the Future (2022)

DAS ZEITALTER DER AUFSCHNEIDER

7/10


crimesofthefuture© Serendipity Point Films 2021


LAND / JAHR: KANADA, GRIECHENLAND 2022

BUCH / REGIE: DAVID CRONENBERG

CAST: VIGGO MORTENSEN, LÉA SEYDOUX, KRISTEN STEWART, SCOTT SPEEDMAN, DON MCKELLAR, NADIA LITZ, WELKET BUNGUÉ, TANAYA BEATTY U. A.

LÄNGE: 1 STD 48 MIN


Wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet und der letzte Fisch gefangen ist, werden wir feststellen, dass man Geld nicht essen kann – vielleicht aber unseren eigenen synthetischen Müll. In diese Richtung könnten wir uns vielleicht vorwärtsbewegen, wenn wir schon dahingehend die Spur verloren haben, wenn es heißt, Schmerz zu empfinden. In David Cronenbergs neuer Body-Prophezeiung finden wir uns in einer Zukunft wieder, deren Gesellschaft von einem Körperfetischismus unterwandert wurde, der zwischen Aktionskunst und römischen Orgien des Pudels Kern auf den Grund gehen will. Mit anderen Worten: Der Mensch der Zukunft wird zum Aufschneider seiner selbst. Operationen sind das neue Kaffeekränzchen oder gar der neue Sex. Sich ins eigene Fleisch schneiden ist nun längst kein Begriff dafür, sich in irgendeine ausweglose Situation hineingeritten zu haben, sondern für eine völlig neue Wahrnehmung, die einem Rausch gar nicht so fern scheint und wofür es keine Drogen braucht, sondern nur das Empfinden des Körpers, wenn dessen Physis Schaden erleidet und kein Gefühl des Schmerzes mehr alle anderen übertüncht.

Wie sehr muss der Mensch sich selbst abgestumpft haben, um dorthin zu gelangen, wo Cronenberg sie sehen will: In einer Welt, die, außer sich selbst zu sezieren, nichts mehr zuwege bringt. Star dieser grotesken Gesamtsituation ist Saul Tenser (Viggo Mortensen), ein Künstler, der unter eine Krankheit leidet, die man in diesen Zeiten als Beschleunigtes Evolutionssyndrom bezeichnet. Zur Folge hat dies das blitzartige Heranwachsen rätselhafter Organe, deren Funktionen nicht geklärt sind – und die Künstlerkollegin Caprice (Léa Seydoux) vor Publikum aus Tensers Körper schneidet. Schließlich empfindet dieser keinen Schmerz, und wenn doch, dann nur nachts. Hierfür bettet sich der Exzentriker in eine biomechanische, nach ein extraterrestrisches Spinnentier erinnernde Schlafkuhle, die den Schmerz ausgleichen soll. Wenig später trifft der stets Verhüllte auf einen trauernden Vater, der seinen verstorbenen Sohn zur künstlerischen Autopsie freigeben will, um damit der Menschheit ein Geheimnis zu verkünden, das die Welt für immer verändern wird.

David Cronenberg hat seine Berufung darin gefunden, unseren Organismus aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und Geist und Körper auf Konfrontationskurs zu schicken. Sei es nun Jeff Goldblum als Wissenschaftler, der sich die Gene einer Fliege einverleibt, sind es nun virtuelle Welten, die übers Rückenmark gespeist werden wie in eXistenZ oder der Kick als Crash Test Dummie: Immer will Cronenberg unsere Wahrnehmung auf die fleischliche Hülle nicht nur dem Lustprinzip opfern, sondern auch kritisch betrachten – Crimes of the Future ist hier keine Ausnahme. In dieser Dystopie hat Homo Sapiens jeglichen Bezug zu sich selbst verloren, die Sensorik liegt irgendwo jenseits. So, als würde man die eigene fleischliche Hülle nach einer Exkarnation von außen betrachten, als wäre man selbst nicht Teil davon. Diese gestörte Beziehung bringt Cronenberg auch dem Zuseher nahe, der keinerlei Probleme damit haben sollte, dabei zusehen zu müssen, wie Abdomen aufgeschnitten oder Mund und Augen im Zuge eines künstlerischen Akts vernäht werden. Körper ist Bühne und Leinwand, wie schon bei Greenaways Die Bettlekture. Körper ist aber auch etwas, das sich innerhalb der natürlichen Selektion weiterbewegt. Julia Decournau ist in Titane zwar weniger global gerichtete, aber ähnliche Wege gegangen. Ob Techno-Hybrid oder plastikverzehrende Mutanten: die Gedankengänge des Kanadiers sind es wert, beobachtet zu werden. Natürlich darf man nicht erwarten, dass Cronenberg einem entgegenkommt. Seine Filme sind bewusst auf wenige Schauplätze reduziert, seine Settings sind spartanisch und versprühen den Charme eines Heizungskellers, während sich obskure Registraturen in versifften Büroräumen im Anachronismus suhlen und die unruhigen Träume eines Franz Kafka visualisieren, die er vielleicht gehabt haben könnte, hätte er weniger dem System als vielmehr dem kreatürlichen Dasein mehr Zeit gewidmet als nur jene, die er für seine Erzählung Die Verwandlung genutzt hat.

Unvergessen bleibt aus Cronenbergs eXistenZ zum Beispiel jene Szene, in der Jude Law aus den Resten eines diffusen asiatischen Gerichts eine Pistole aus Knochen formt. Ähnliche Apparaturen, deren Funktionen kryptisch bleiben, gibt es auch hier, und mitunter schwingt hier die Fantasie eines H. R. Giger mit, wenn sich Mensch und Maschine vereinen. All diese Erscheinungsformen und Darstellungen existenzieller Verirrung fügen sich in diesem nachdenklichen und melancholischen Film zu einer somatologischen, zwangsläufig blutigen Nabelschau zusammen, die dank ihrer Ästhetik sehr artifiziell wirkt, dadurch auch selten verschreckt oder ihr Publikum mitunter nicht abholen wird. Für mich jedenfalls bleibt Crimes of the Future ein mysteriöses Zaudern vor der nächsten Stufe in der Entwicklung des Menschen, der sich mit seiner Zukunft ins eigene Fleisch geschnitten hat. Diesmal im übertragenen Sinn.

Crimes of the Future (2022)

Flux Gourmet

HEISSER GEKOCHT ALS GEGESSEN

3/10


flux-gourmet© 2022 Bankside Films, IFC Productions


LAND / JAHR: GROSSBRITANNIEN, USA, UNGARN 2022

BUCH / REGIE: PETER STRICKLAND

CAST: MAKIS PAPADIMITRIOU, FATMA MOHAMED, ARIANE LABED, GWENDOLINE CHRISTIE, ASA BUTTERFIELD, RICHARD BREMMER, LEO BILL U. A. 

LÄNGE: 1 STD 51 MIN


Was brutzelt, blubbert und zischt denn da? Grillt da der Henssler? Mitnichten. Hier kocht kein Haubenkoch das erlesene Menü für die Elite wie demnächst Ralph Fiennes im gleichnamigen Thriller und auch keine Madam Mim braut hier ihren Zaubertrank. Hier, in Peter Stricklands Künstlersatire, wird das Kochen und Zubereiten diffuser Gerichte, die nicht das Zeug dazu hätten, auf irgendeiner Speisekarte zu landen, zum Klangerlebnis für ein Grüppchen umherstehender Lustgenießer, die den Aktionismus wohl bereits lange vermisst hatten und nun endlich Zeuge davon werden können, wie es ist, nach einer Nacktperfomance in Tomatensoße gleich darauf einer Kolonoskopie beizuwohnen. Ein bisschen wie das Warten auf eine Darmspiegelung kommt mir Flux Gourmet des Autorenfilmers Strickland dann auch vor. Ich habe zwar keine Ahnung, wie stimmungsvoll sowas sein kann, doch die unbequeme Seitenlage und ziehende Schmerzen im Rektalbereich lassen sich angesichts der Fadesse beim Zerpflücken einer Künstlerkommune kaum vermeiden.

Und viel mehr außer exquisit fotografierter, aber viel heißer Luft, die nicht nur aufgrund des Kochdunstes entsteht, lässt sich aus Flux Gourmet auch nicht mit nachhause nehmen. Es ist, als würde man einer intellektuellen Late Night-Talkrunde beiwohnen, die mit umständlichen Satzkonstruktionen und sonderbaren Eitelkeiten jeden Zaungast dastehen lässt wie den reinsten Höhlenmenschen, da er den Mehrwert brodelnden Gepansches nicht erkennt oder das Schneiden einer Zucchini. Doch so sehr Peter Strickland auch das Konzept eines absurden Narrativs auf die begehbare Schaubühne geleiten will – es bleibt bei einer verschwommenen Idee, die sich nicht die Mühe macht, jene Werte, die aus so einer Performance vielleicht tatsächlich lukriert werden könnten, herauszuarbeiten. Wichtig scheint nicht, womit und was diese drei Künstler hier bewerkstelligen, sondern wer diese drei Künstler sind, die hinter ihrem Konzept stehen. Das ist, gelinde gesagt, zu viel Biografie von gänzlich Unbekannten, die es nicht wagen, einen Schritt aus ihrer Blase zu wagen. Und dadurch kaum Stellung zu ihrer Umwelt nehmen.

Diese drei Künstler ergeben das sogenannte kulinarische Kollektiv. Was sie tun? So dies und das, was mit den Klängen blubbernder Töpfe zu tun hat, mit räkelnden Damen und ärztlichen Untersuchungen. Sie gastieren für vier Wochen in einer Residenz namens Sonic Catering Institute, deren Managerin ist die stets festlich gekleidete und wie ein Fremdkörper wirkende Gwendoline Christie (allseits bekannt geworden als Brienne von Tarth im Knüller Game of Thrones). Diesmal versucht sie mit allen Mitteln, ihre eigenen künstlerischen Visionen ins Programm ihrer Schützlinge zu bringen, was aber auf Ablehnung stößt. Das eigenwillige Treiben beobachtet ein extra dafür angeheuerter griechischer Journalist, der unter Verstopfing und dauernden Blähungen leidet und sich einem bizarren Arzt anvertraut, der aus Jeunets Die Stadt der verlorenen Kinder entsprungen sein könnte, so vertrauenserweckend scheint sein saloppes Weintrinken während der Gastroskopie. Damit nicht genug: Diese schräge Partie ist obendrein noch seltsamen Anschlägen einer verschmähten anderen Künstlergruppe ausgesetzt, die mit Schildkröten um sich wirft. Ob Schildkröten oder Schwäne, die das Schicksal verändern – manchmal scheint es, als wäre man im neuen Werk des Theatermachers Peter Greenaway (A Zed & Two Noughts) angelangt, einem besonderen Mann fürs Opulente, der in den Achtzigern und Neunzigern die Art des Filmemachens auf ein noch nie zuvor dagewesenes, reichhaltiges Level hob: die des modernen, aber barocken Ausstattungskinos in strengen Tableaus, aber mit existenzialistischer Metaebene. Strickland lässt in ähnlicher Weise die Mäzenin in exaltierter Mode aufmarschieren, mit Kajal und süßlichem Gerede. Auch der Rest der Truppe gibt seine Sicht auf die Dinge preis, der Grieche sitzt derweil am Lokus und der Mixer mixt.

Flux Gourmet hat weder großes Interesse an der Kochkunst noch an der Frage, was Kunst noch so alles bedeuten kann. Eine Liebe zum Essen und dessen Zubereitung ist nirgendwo zu sehen. Eine Liebe zur Eitelkeit und zum Narzissmus allerdings schon. Flux Gourmet bewegt sich in diesen eng gezogenen Quadratmetern einer entrückten Welt weder vor noch zurück, das viele Geschwafel gibt nichts Erhellendes preis und Satirisches über Kunst gibt es in Filmen wie The Burnt Orange Heresy hundertmal besser. Die Enttarnung einer hohlen Kunstwelt ohne bekennender Ideale lässt die bemühte Provokation bröckeln, dahinter befindet sich nichts außer dünner Suppe, die, zwar heiß gekocht, letztlich kalt serviert wird.

Flux Gourmet