Bugonia (2025)

DIE BIENEN HABEN ES SCHON IMMER GEWUSST

7/10


© 2025 Atsushi Nishijima / Focus Features


LAND / JAHR: USA, SÜDKOREA, IRLAND 2025

REGIE: YORGOS LANTHIMOS

DREHBUCH: WILL TRACY, NACH DEM FILM VON JANG JOON-HWAN

KAMERA: ROBBIE RYAN

CAST: EMMA STONE, JESSE PLEMONS, AIDAN DELBIS, ALICIA SILVERSTONE, STAVROS HALKIAS U. A.

LÄNGE: 2 STD


Überall diese Muster

Wie schön es nicht ist, völlig belegfrei im Geflecht von Aktion und Reaktion, von Ursache und Wirkung auf diesem unseren Planeten Muster zu erkennen, wo keine sind. Besten Dank an dieser Stelle ans Gehirn! Einige unserer Mitmenschen sind wirklich gut darin und machen ihre Hausaufgaben, denn wenn man versuchen würde, manch gordischen Gehirnknoten zu lösen, dabei verzweifelt darum fleht, mit diesem Unfug aufzuhören, da Belegbares anscheinend nicht reicht – es würde nicht gelingen. Genauso wenig, wie sich die Existenz eines Gottes weder widerlegen noch beweisen lässt, lässt sich auch bei manch anderen Behauptungen nur schwer über den Tellerrand blicken. In diesem Vakuum aus Belegungsnotstand treibt die üppige Botanik gemeinsam mit unkurierter Paranoia herrliche Blüten, vom Ursprung der menschlichen Rasse, angetrieben durch die Intervention einer uns haushoch überlegenen außerirdischen Spezies über die Deep State-Bestrebungen, den Freimaurern, dem eigentlichen Zweck der Pyramiden (Danke, Roland Emmerich), der Qanon-Blutsaugern, natürlich den Chemtrails, der gefakten Mondlandung, der Biowaffe namens Covid bis zur aktuellen Streitfrage, ob Brigitte Macron nicht doch ein Mann ist – oder, viel schlimmer: vielleicht, wie Michael Jackson, ein Alien.

In Wahrheit ist Elch Emil auch nur ein als Elch getarntes biopositronisches russisches Vehikel, materialisiert in Polen, welches den Osten Österreichs ausgekundschaftet hat, Putin hat schließlich überall seine Augen, Ohren, Geweihe. Man kann bis zum Abwinken dahinschwurbeln, eine Systematik hinter immer wieder auftretenden Zahlen erkennen (die 23!) oder Beweise in der Schublade liegen haben, wonach die Erde in Wahrheit nämlich flach ist – wenn es dann tatsächlich Beweise geben sollte und die Schwurbler lägen richtig, wäre ihr Aufmerksamkeitsdefizit dann plötzlich nicht mehr so pflegebedürftig.

Wir sind nicht allein

In so einem irren Dunst der Wahnvorstellungen – und weil die Bienen es ohnehin schon immer gewusst haben und deswegen stiften gehen – reitet einer wie Jesse Plemons die aalglatte, toughe Geschäftsfrau Emma Stone in eine unangenehme Situation hinein: Schließlich soll sie wie Michael Jackson ein Alien sein, es gibt allerhand Indizien dafür, Wangenknochen, Vorbiss, et cetera. Die weite Reise vom Andromeda-Nebel auf sich genommen, soll sie mit einigen anderen ihrer Spezies die Menschheit längst infiltriert haben. Teddy, Plemons Figur, und der geistig etwas langsame Don haben alles von langer Hand geplant und bringen Michelle, so Emmas Figur, in ihre Gewalt. Eine Audienz beim Imperator will Teddy schließlich erzwingen, um sich der Schattenherrschaft der Aliens zu entledigen. Natürlich hat Michelle keine Ahnung, doch wie belegt man bei einem Verschwörungstheoretiker wie diesen denn die Fakten, ohne dass die Sache nach hinten losgeht? Richtig, nämlich gar nicht. Wie im Laufe dieser unglaublichen Entführung der verrückten Mrs. Stone ebenjene versucht, sich aus den Gehirnwindungen des Teddy herauszumogeln, beschert uns Zuseherinnen und Zusehern den wohl bekömmlichsten, weil geradlinigsten und gefälligsten Film des Exzentrikers Yorgos Lanthimos. Von seinen Anfangswerken wie Dogtooth oder The Lobster – exzentrische, verkopfte, strenge Werke – hat der Grieche Abstand genommen. Das könnte, so vermute ich – und das ist keine Verschwörungstheorie – mitunter daran liegen, dass das Skript gar nicht von Lanthimos stammt, basiert dieses doch auf einem bereits existierenden südkoreanischen Science-Fiction-Film mit dem Titel Save the Green Planet!.

Es wäre wegen den Bienen

Übertragen auf US-amerikanische Bedürfnisse und Ängste, versteht sich Bugonia als geradlinige, direkte und kaum doppelbödige Thrillersatire, die ein lustvolles Ensemble einfach machen lässt. Selbst ich hätte dabei meinen Spaß an der Freude, wenn ich jene Ohrfeige austeilen könnte, die am Ende des wenig zimperlichen Werks mit Schmackes ins Gesicht jedes Verschwörungsschwurblers knallt, der von sich behauptet, als einziger die Wahrheit zu kennen. Ein Fun Fact zum Titel gefällig? Bugonia – bitte nicht verwechseln mit der Begonie – kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet Ochensgeburt, was wiederum auf ein antikes Ritual zurückzuführen ist, in dem aus dem Kadaver einer toten Kuh (!) Bienen zu neuem Leben erwachen (nochmal !).

Opfer bringen für eine Zeitenwende, zur Tat schreiten auf kruden Wegen, die sonst niemand beschreitet: Ja, es mag Blut fließen und ganze Tiegel an antihistaminischer Körpercreme verschmiert werden – irgendwann sieht Emma Stone, und das schon relativ früh, tatsächlich aus wie nicht von dieser Welt: wie eine Version von Werner Herzogs Nosferatu wird sie selbst für uns zur zweifelhaften Geheimnisträgerin, die vielleicht doch nicht das ist, was sie vorgibt.

Selbsterfüllende Prophezeiungen

Bugonia macht Spaß, treibt den Teufel kruder Weltbilder durchs Dorf, bevor der Film diese Geißel an die Wand malt, um ihn dann vielleicht zu bannen. Der Stich in die Blase der Verschwörungen ist dann nur ein leises Plopp – wie Lanthimos diese Metapher in seine humorvolle Groteske im wahrsten Sinne des Wortes hineinstrickt, ist elegant, die Optik wie immer so akkurat wie sonderbar, und auch die Schmerzgrenze für quasselnde Alltagsweisen mag nach diesem Film etwas höher liegen – vielleicht deswegen, weil man sich dann wünscht, dass sie allesamt, von den Scheibenweltlern bis zu den Deep State-Enthusiasten – endlich bekommen sollen, was sie verlangen. Dann aber möchten sie alle selbst nicht mehr glauben, was sie denken.

Bugonia (2025)

Last Breath (2025)

ÜBERLEBEN UNTER DRUCK

7/10


© 2025 Focus Features


LAND / JAHR: VEREINIGTES KÖNIGREICH 2025

REGIE: ALEX PARKINSON

DREHBUCH: ALEX PARKINSON, MITCHELL LAFORTUNE, DAVID BROOKS

CAST: FINN COLE, WOODY HARRELSON, SIMU LIU, CLIFF CURTIS, CHRISTIAN SCICLUNA, DAITHÍ O’DONNELL, RIZ KHAN, CONNOR REED, NICK BIADON U. A.

LÄNGE: 1 STD 38 MIN


Verlernt man tauchen genauso wenig wie radfahren? Falls ich mich nochmal einem Buddy Check unterziehen sollte, müsste ich garantiert einiges an Praxis nachholen, nur um dann womöglich erst festzustellen, dass mich diese Art Sport wohl immer noch in Panik versetzt. An Riffkanten in tropischen Meeren entlangzutauchen ist eine Sache, die andere ist, in kalten österreichischen Gewässern, die wenig Sichtweite haben, so zu tun, als hätte dieses Nichts, in das man taucht, seinen Reiz. Hatte ich schon, brauche ich nicht mehr. Andere beunruhigt so ein Umstand gar nicht. Wie zum Beispiel den Industrietaucher Chris Lemons. Der würde sich wundern, wenn ich ihm erzähle, wie wenig mich ein Tauchgang im Trüben abholen kann. Andere lieben das, womöglich auch er, denn nach dieser heftigen True Story, die Lemons hier erlebt hat, wieder auf 300 Fuß in die Tiefe zu steigen, um weiter an den Pipelines herumzuschrauben, als wäre nichts gewesen, klingt nach Obsession. Hut ab vor so viel Leidenschaft, die in diesem Fall psychisches wie physisches Leiden geschaffen hat, aber Menschen wie er, das sind eben Grenzgänger, zu denen ich nicht gehöre.

Dieser einzigartige Vorfall, über welchen Dokufilmer Alex Parkinson hier in Spielfilmform berichtet, liegt seiner Dokumentation mit dem Titel Der letzte Atemzug: Gefangen am Meeresgrund zugrunde. Mag sein, dass es diese Form der Dramatisierung gar nicht gebraucht hätte, doch wenn man den Film aus 2019 nicht kennt, bietet diese True Story mit namhaften Schauspielern natürlich die geschmeidige Erzählweise dramatisierter Stoffe. In Last Breath wird auf unpathetische Weise ein Arbeitsunfall rekonstruiert, der so fern zu unserem eigenen Schaffensspektrum liegt, dass er alleine schon aufgrund seiner basisschaffenden Routinesituation eine gehörige Portion Respekt abverlangt. Parkinsons Film erzählt in klarer, schnörkelloser Chronologie eine menschliche Katastrophe und feiert zugleich das verblüffende Wunder sich gegenseitig bedingender physikalischer Gesetze. Anders als bei Balthasar Kormákurs Überlebensdrama The Deep über einen Fischer, der stundenlang im nur 5 Grad kalten Wasser vor Island überlebt hat, obwohl er nach einem Bootsunglück Kilometer um Kilometer an die Küste geschwommen war, lässt sich das, was in Last Breath passiert, zumindest nicht als Anomalie erklären.

Die Luft ist zwar draussen, aber nicht im Film

Dieser Taucher also, Chris Lemons, macht sich mit fünf Tagen Vorlaufzeit an die Arbeit, da er schließlich mitsamt seines Teams in eine Dekompressionskammer gesteckt wird, um sich überhaupt erst dem Druck von 300 Fuß anzupassen. Die Arbeit am Meeresboden selbst beträgt dann sechs Stunden, doch in dieser Zeit kann vieles passieren – wie zum Beispiel ein heftiges Unwetter, welches an der Oberfläche tobt und das Mutterschiff an seine Grenzen bringt. Wenn die Bordelektronik ausfällt, lässt sich der Kahn nicht mehr an seiner Position halten, an diesem hängt aber die Taucherglocke, an der wiederum hängen die Taucher – und schon passiert es. Die Luftzufuhr wird gekappt, Chris schleudert es ins Nichts.

Wie er es dennoch schafft, ohne Sauerstoff in dieser Finsternis und Kälte zu überleben, wie Woody Harrelson und Simu Liu (Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings) alles daransetzen, ihren Kollegen zu retten und was Cliff Curtis als Kapitän der Bibby Topaz oben inmitten des Sturms alles wagt, um niemanden zurückzulassen, beantworten knapp hundert Minuten fesselndes Survivalkino, die so packend erzählt sind wie jene des semidokumentarischen Bergsteigerdramas Sturz ins Leere von Kevin McDonald. Alleine schon die Parameter, die für so einen Tauchgang geschaffen werden müssen, sind erstaunlich. Eine Notfallaktion wie diese lässt dabei doppelt die Luft entweichen – bei Finn Cole als Taucher Chris und beim Publikum, das erstmal unweigerlich den Atem anhält.

Zwischen Weltraum und finsteren nautischen Tiefen gibt es kaum mehr einen Unterschied. Last Breath wird zu Gravity unter Wasser. Pragmatisch zwar, aber akkurat und aufregend allein durch seine Umstände. Alex Parkinsons Thriller entspricht der Summe seiner Teile, heruntergebrochen auf Fakten und menschliche Dramen, die diese begleiten.

Last Breath (2025)

Nosferatu – Der Untote (2024)

BEIM SCHNAUZER DES STRIGOI

4/10


nosferatu-untote2© 2024 Focus Features LLC


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE: ROBERT EGGERS

DREHBUCH: ROBERT EGGERS, NACH DEM SKRIPT VON HENRIK GALEEN UND DEM ROMAN VON BRAM STOKER

CAST: BILL SKARSGÅRD, LILY-ROSE DEPP, NICHOLAS HOULT, AARON TAYLOR-JOHNSON, EMMA CORRIN, WILLEM DAFOE, RALPH INESON, SIMON MCBURNEY U. A.

LÄNGE: 2 STD 12 MIN


Da Friedrich Wilhelm Murnau in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts beim Erlangen der Rechte für Bram Stokers Roman durch die Finger schauen musste, erdachte sich Henrik Galeen eine filmtaugliche Geschichte, die lose an die wohl kultigste Gothic Novel aller Zeiten erinnert: Nosferatu. Verfilmt hat dieses Skript Murnau mit einem Schauspieler, der selbst schon ein Mysterium für sich gewesen sein mag: Max Schreck, sein Name war Programm, das augenzwinkernde Gerücht um ihn herum, dass dieser wohl tatsächlich ein Vampir gewesen sein mag, ergab im Jahr 2000 den Film Shadow of the Vampire mit John Malkovich als Murnau und Willem Dafoe als Schreck oder auch Graf Orlok selbst, keiner wusste das so genau. Letzterer, nämlich Dafoe, findet sich auch in Robert Eggers ambitionierter Neuverfilmung des Stummfilmklassikers wieder, der bis heute zu den Sternstunden des expressionistischen und des Horrorkinos schlechthin gilt. Kein Vampir war jemals gruseliger und albtraumhafter. Kein Vampir ein solches bleiches Schreckgespenst wie nicht von dieser Welt, starrend und schmachtend und bizarr wie selten eine Kreatur aus dem Reich der Untoten.

Werner Herzog hat einige Jahrzehnte später die erste Neuverfilmung gewagt – er hat dafür natürlich Klaus Kinski besetzt, denn der war von einem Kaliber wie der damalige Max Schreck: Exzentrisch, gespenstisch, unberechenbar: Ein Enfant Terrible des deutschen Films, der von sich selbst behauptet hat, diese Rolle des Nosferatu spielen zu müssen, da dieser sowieso schon längste Zeit in ihm selbst gelebt haben musste. Herzogs Nosferatu – Phantom der Nacht ist ein somnambuler, ätherischer Filmtraum geworden. Langsam, träge, abgehoben und wie im Wachschlaf herumgeisternd. Kinski asthmatisch und ewig jammernd, furchtbar verloren und furchtbar perfide gleichermaßen. Und welch ein Glück: Isabelle Adjani, die im Film als Lucy Harker jene Rolle einnimmt, die jetzt Lily-Rose Depp verkörpert, nur mit andrem Namen, ist nicht minder gespenstisch als der bleiche Kahlkopf. Ihre schreckgeweiteten Augen und das dem Wahnsinn verfallene, ebenfalls totenbleiche Antlitz der Französin begegnet der Ikone des Vampirfilms auf Augenhöhe. Ein Kunststück, das in Robert Eggers Versuch einer Neuinterpretation keinem auch nur ansatzweise gelingen will.

In Nosferatu – Der Untote sind die Namen der Figuren wieder jene, die bis auf eine Ausnahme (nämlich Dafoe als Dr. von Franz) Murnau schon verwendet hat. Das Setting eines düsteren Deutschlands aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schreit richtiggehend danach, dass man es in einem Stummfilm verwenden möge. Liebevoll errichtete, knorrige Gebäude, die enge Straßen säumen, darin das Volk, bestehend aus unterschiedlichen Klassen, von der Magd bis zum Aristokraten mit Zylinder, alles sorgsam kostümiert und noch nicht ahnend, was alsbald auf sie zukommen möge. Denn er wird kommen, das weiß schon Lily-Rose Depp als Medium Ellen, die mit dem Grafen Orlok mental bereits im Bunde steht. Thomas Hutter (Nicholas Hoult, bereits in Renfield Teil des Stokerverse), der Ehemann, der für einen Häusermakler arbeitet, verspricht sich gutes Geld, wenn er den Auftrag annimmt, in die Karpaten zu reisen, um einem geheimnisvollen Grafen den Vertrag für einen Hauskauf in Wisborg zu unterbreiten.

Soweit ist in diesem gediegenen Historienhorror noch alles auf dem richtigen Weg. Bilder, die eine Hommage an Murnaus Werk sind, wechseln von blassen Erdfarben zu kontrastreichem, grobkörnigem Schwarzweiß. Überhaupt steckt jedes zweite Bild im welchem Dunst auch immer, ist es nun Regen, Nebel, Kerzenrauch in der Taverne oder das fahle Licht, das gerade mal vage das Antlitz des Blaublütigen beleuchtet, der mit Befehlsstimme den armen Jungen Mann zum Dableiben nötigt. Schon weicht im Kinositz die Lümmelposition einer aufrechten Haltung, da irgendetwas nicht stimmt. Ganz klar ist dieses Individuum, dieser Schlossbesitzer, keinesfalls verwandt mit Schreck oder Kinski, geschweige denn mit Orlok. Dieser Dämon trägt Fellmütze und einen dichten Schnauzer unter einer krummen Hakennase. Er sieht wohl eher aus wie die fahle Fotografie eines Kosaken, der mit Borat verwandt sein mag. Die grimmigen Augen sind nicht jene eines Vampirs, sondern die eines Zauberers wie Saruman. Untot mag der Geselle zwar sein, aber er ist alles andere als das, was zu erwarten ich mir erhofft hatte.

Weder wohnt dem bis zur Unkenntlichkeit überschminkten Bill Skarsgård das unterschätzbar  Mysteriöse inne, noch ein sehnsüchtiger, gieriger Schrecken. Der Charakter des Unnahbaren – diese unheimliche, bleiche, androgyne Entität, die sich gerne in Alpträume nistet, ist verschwunden. Das personifizierte Verhängnis zeigt sich als derber, bodenständiger Waldschrat mit Rotzbremse, der keine Emotionen auslöst. Der Reiz des Unheimlichen ist dahin, der Grusel sowieso, spätestens beim verbalen Schlagabtausch mit Opferbraut Ellen ist die Stimmung endgültig verflogen, denn mit Graf Orlok streitet man nicht. Apropos Ellen: Lily-Rose Depp sieht man an, wie sehr sie sich abmüht – gewachsen ist sie ihrer Rolle nicht, da hat Isabella Adjani mit traumtänzerischer Leichtigkeit die depressive Schwere eines Besessenen wie keine Zweite in den Film gewoben. Depp ist lediglich hysterisch, windet sich wie Linda Blair in Der Exorzist in ihrem Bett, hat aber harte Arbeit dabei. Der Wahnsinn enerviert, und Willem Dafoe hat alle Hände voll zu tun, die Verfilmung am Laufen zu halten, die sich ohnehin dabei schwertut, eine Entscheidung zu treffen: Will ich nun Hommage sein oder Neuinterpretation? Lieber Schwarzweiß oder Farbe? Lieber diffuses Schattentheater oder stocksteifer Kostümschinken? Steif sind nicht nur die Dialoge, von denen es jede Menge zu viel gibt.

Dadurch, dass Robert Eggers mit einer vampirgleichen Sehnsucht diesen Stoff auf die Leinwand bringen wollte, so sehr stolpert er auch über seine eigenen Ambitionen und seinen Vorsatz, um Gottes Willen nicht nur zu kopieren, sondern auch Eigenständiges zum Thema beizutragen. Leider tut er das an der falschen Stelle. An Orlok selbst Hand anzulegen und ihn als ungeschlachten, muskelbepackten Zombie-Magier auftreten zu lassen, der wie all die Vampire aus Twilight nicht mal die spitzen Beisserchen besitzt, grenzt fast schon an ein Sakrileg. Orlok ist eine Ikone des Schreckens, eine expressionistische Gestalt zwischen Edvard Munch und Alfred Kubin. Figuren wie diese sind schwer veränderbar. Und niemand sonst außer Eggers würde auf die Idee kommen, das Filetstück einer vollkommenen Vampirgestalt außer Acht zu lassen. Was er daraus gemacht hat, tut weh.

Nosferatu – Der Untote (2024)

Brian and Charles (2022)

MEIN FREUND, DIE WASCHMASCHINE

6/10


brian_and_charles© 2022 Focus Features


LAND / JAHR: GROSSBRITANNIEN, USA 2022

REGIE: JIM ARCHER

DREHBUCH: DAVID EARL, CHRIS HAYWARD, NACH DEM KURZFILM VON JIM ARCHER

CAST: DAVID EARL, CHRIS HAYWARD, LOUISE BREALEY, JAMIE MICHIE, NINA SOSANYA, LYNN HUNTER, COLIN BENNETT U. A.

LÄNGE: 1 STD 30 MIN


Mitarbeiter im Patentamt würden sich angesichts der tolldreisten Erfindungen, die der Sonderling Brian tagtäglich aus dem Fundus an alten Teilen zusammenkonstruiert, wohl kaum mehr wundern als sonst während ihres beruflichen Alltags. Mit Sicherheit wandern dort des Öfteren gelinde gesagt recht unnütze Verschlimmbesserungen in die Rundablage, ohne überhaupt genauer geprüft werden zu müssen. Handstaubsauger mit Flaschenhalter, eine Kurbelklobürste und allerhand seltsame Gerätschaften schmücken die Werkstatt des zurückgezogen lebenden Mannes, der sich nichts sehnlicher wünscht als einen Freund an seiner Seite – oder gar eine Freundin. Doch Brian ist ein kreativer Kopf, und solange die Ideen, so absurd sie auch sein mögen, aus seinem Denkapparat sprudeln, haben Depressionen keine Chance. Kreativität ist das Heilmittel für alles. Das Brainstorming vor dem großen Durchbruch ein spektakuläres Abenteuer.

Und dann das: Eines Tages kommt der Moment, den wohl auch der gute alte Gepetto erlebt haben muss, als eine Marionette aus Holz plötzlich stolz zum Morgengruß ansetzte. Etwas, das nicht leben kann, erfreut sich seiner Existenz. In diesem Fall ist es eben nicht Pinocchio, sondern Charles, eine Waschmaschine auf zwei Beinen, obendrauf der Kopf einer Schaufensterpuppe – dazu schütteres graues Haar und eine Brille. Wie durch ein Wunder scheint Brians Konzept für einen Roboter ins Schwarze getroffen zu haben. Wie er das gemacht hat, bleibt ein Rätsel. Nicht nur für ihn oder für sein überschaubares soziales Umfeld, sondern auch für uns Zuseher. Dass dieser Charles Petrescu, wie er sich nennt, also mehr ist als die Summe seiner Teile, mag einige Neider auf den Plan rufen – aber auch die schüchterne Hazel, die bei ihrer Mutter wohnt und für den kauzigen Erfinder mehr als nur Sympathie empfindet.

Jim Archers Underdog-Science-Fiction nach seinem eigenen Kurzfilm muss man eigentlich mögen, es geht gar nicht anders. Comedian David Earl als völlig in seiner Leidenschaft des Erfindens versunkener Außenseiter weckt zumindest in mir das verbrüdernde Verständnis für die in sich ruhende Glückseligkeit, die man bekommt, würde man im Tun dessen, was Freude bringt, sich selbst genügen. Das mag für alle anderen verrückt erscheinen, doch was die anderen meinen, schert niemanden mehr. Eine gute Einstellung, und doch geht es nicht ohne soziale Interaktion. Und die mag von mir aus ein ungelenker Roboter sein, dem sein eigenes Ich bewusst wird, der minütlich neu dazulernt und der trotz seiner unförmigen Physiognomie seltsamerweise in jedes Auto passt.

Mit nachvollziehbarer Logik lässt sich Brian und Charles gar nicht erklären. Collodis Pinocchio aber genauso wenig. Beide sind Märchen, beide sind Gleichnisse auf Selbstbestimmung und Originalität, auf Einzigartigkeit und das stete Streben nach neuen Ufern. Archers handgemachter Science-Fiction-Film verlässt dabei klassisches Erzählkino und bedient sich den Mechanismen einer Mockumentary – Brian durchbricht dabei die vierte Wand, wendet sich immer wieder einem ins Geschehen eingebundenen Betrachter zu, der vielleicht gar das eine oder andere Wort verliert.

Platziert in diese dörfliche Struktur völliger Abgeschiedenheit von der großen weiten Welt, die Charles aber unbedingt kennenlernen will, kommt auch Archers Film nicht über den Status einer Filmschrulle hinaus, die als Ständchen auf den verspielten Esprit des völlig Unnützen oder dem fehlkonstruierten Chaos verstanden werden will, aus dem irgendwann, ganz wie von selbst, Sinn entsteht. Mit Charles als dieses Wunder, diesem unförmigen Koloss, mag der Film so gemütlich wie absurd wirken, erzählerisch aber wagt er keine großen Sprünge. Man schmunzelt, man wundert sich. Mehr nicht. Doch vielleicht genügt das ohnehin.

Brian and Charles (2022)

Rache auf Texanisch (2022)

VERGELTUNG AUS ZWEITER HAND

5,5/10


vengeance© 2022 Focus Features, LLC.


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: B. J. NOVAK

CAST: B. J. NOVAK, BOYD HOLBROOK, ASHTON KUTCHER, DOVE CAMERON, ISABELLA AMARA, J. SMITH-CAMERON, LIO TIPTON, ISSA RAE, JOHN MAYER U. A. 

LÄNGE: 1 STD 47 MIN


Kein anderes Gefühl treibt den Menschen so sehr um wie die Rache. Fast jeder Thriller, jedes zweite Drama – immer wieder geht es darum, gleiches mit gleichem zu vergelten; das Bibelwort Auge um Auge, Zahn um Zahn so richtig, mit Pauken und Trompeten, auszuleben, ohne Rücksicht auf Konsequenzen und Verluste. Jemanden bezahlen zu lassen für erlittene Schmach – daran kann man sich schon ergötzen, das geht bis ins Herz. Vor allem im Action-Genre werden die Bösen am Ende ordentlich zur Kassa gebeten, nachdem wir sehen durften, was sie Unverzeihliches angerichtet haben. Man kann Rache aber auch aus zweiter Hand üben. Man braucht dabei nur lang genug im Dunstkreis begangener Verbrechen verweilen, um sich über so manches, was schiefläuft, im Klaren zu werden, ohne dass man unmittelbar daran beteiligt war. Beeinflussung nennt sich sowas. Oder Empathie für ein unbekanntes Opfer, das für mehr steht als nur für private Befindlichkeiten.

Um in Medias Res zu gehen, muss Macho und Frauenheld Ben an den Ort des Geschehens reisen – und zwar nach Texas. Es geht auf das Begräbnis einer flüchtigen sexuellen Bekanntschaft namens Abby, die an einer Überdosis starb, die aber ihre ganze Familie wissen hat lassen, dass das Verhältnis mit Ben mehr war als nur ein One-Night-Stand. Sowas wie eine richtige Beziehung. Ben will die trauernde Familie und auch ihren Bruder Ty (Boyd Holbrook) nicht vor den Kopf stoßen. So viel Nächstenliebe muss sein, auch wenn das mit der Partnerschaft nicht ganz so stimmt, aber das muss ja keiner erfahren. Die Fassade wird gewahrt, die Sache wäre erledigt, wäre Ty, nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte, fest davon überzeugt, dass Abbys Ableben nicht ganz freiwillig passiert ist. Ben, bekannter Podcaster dort, wo er herkommt, wittert nach einem kreativen Leerlauf endlich wieder die große Chance, einen Knüller zu landen. Mit eine True Crime-Story in Echtzeit, mit ganz viel Lokalkolorit und Suspense. Aus dem neuen Projekt wird sehr schnell mehr, nämlich der Blick hinter die Kulissen selbstgefälliger Moral und der eigenen falschen Definition von Verantwortung.

Anders als in der Kult-Soap Dallas kommt Texas als ein öder Landstrich daher, auf welchem ab und an Ölförderpumpen stehen und sonst nur kleine Nester inmitten karger Wüstenlandschaft. Texas als Santa Nirgendwo, das „Marchfeld“ Amerikas, nur weniger fruchtbar. Dieses Niemandslandes lässt Comedian und Schauspieler B.J. Novak, den meisten wohl bekannt durch seine Rolle in der US-Version von The Office, zum Schauplatz für eine sprachlich sehr eloquente, aber nicht ganz durchschaubare Tragikomödie werden, die manchmal Anleihen am Thriller-Genre nimmt, ohne einer sein zu wollen. Während der Kriminalfall in der Podcast-Krimiserie Only Murders in the Building den dramaturgischen Kern gibt, um welchen sich die Handlungsfäden der einzelnen Figuren ranken, ist in Rache auf Texanisch der mögliche Mord nur Auslöser für einen Lokalaugenschein quer durch eine Gesellschaft, die sich vieles, das längst im Argen liegt, schöngeredet oder unter den Teppich gekehrt hat. Ein Ort, ein Mikrokosmos, der in Verständnis seiner eigenen Moral stagniert. So gesehen ist Rache auf Texanisch ein kritischer Blick auf das neue Amerika – alles verpackt in einen Podcast-Beitrag der vielen Worte und Gleichnisse. Novak, der sich selbst die Hauptrolle gab, suhlt sich in seiner Selbsterkenntnis und mausert sich durch Interviews mit dem Bürgertum zum besseren Menschen. Das führt dazu, das im Film selbst nicht viel weitergeht, dass sehr viel geschwafelt wird und trotz überzeugenden Schauspiels die schwarze Komödie oder was auch immer der Film sein mag nirgendwo wirklich zupackt. Das ist Kino für Redenschwinger und weise Männer in der Midlife-Crisis, die dem Thema Rache und Gerechtigkeit aber zumindest einen anderen Blickwinkel abringen können als nur den, mit der Tür ins Haus zu fallen und alle niederzumachen. So gesehen hat der Film wieder das gewisse Etwas, andererseits ist der Weg dorthin aber zu selbstgefällig.

Rache auf Texanisch (2022)

Tár (2022)

AUS DEM TAKT GERATEN

5/10


tar© 2022 Focus Features, LLC.


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE / PRODUKTION: TODD FIELD

CAST: CATE BLANCHETT, NINA HOSS, NOÉMIE MERLANT, JULIAN GLOVER, MARK STRONG, SOPHIE KAUER, ALLAN CORDUNER, MILA BOGOJEVIC, ADAM GOPNIK U. A.

LÄNGE: 2 STD 38 MIN


Wann geht’s denn endlich los? Eine Frage, die sich nach einer gefühlten halben Stunde Podiumsdiskussion mit Cate Blanchett als Dirigentin Lydia Tár durchaus stellen lässt. Wir haben das nach Abspann aussehende Intro gesehen und folgen nun fachkundigen Fragen, die mit Sicherheit das musikaffine Publikum, insbesondere für Klassik, interessieren wird. Mahler hin, Mahler her, es fallen diverse Namen wie Claudio Abbado, Karajan, Bernstein und Furtwängler. Die Virtuosin zeigt sich gesprächsbereit und engagiert. Ist freundlich, aber bestimmt. Ein Star der Musikszene eben. Ganz oben am Zenit des Schaffens, inklusive Autobiographie und allen wichtigen Preisen, die man nur so abräumen kann – so jemand nennt sich EGOT. Tár ist ein Mensch, der sich dadurch definiert, für die Kunst zu leben und Teil der Kunst zu sein. Über eine halbe Existenz hinweg errichtet sie ihr eigenes strenges, prinzipientreues, fast schon dogmatisches Königreich. Genau so geht klassischer Ruhm.

Nach dem Abarbeiten von Társ künstlerischem Lebenslauf und Verweisen zu möglichen Vorbildern geht Todd Fields Beobachtung ihres Alltags weiter. Und langsam formt sich der Charakter einer selbstbewussten Größe, die ihrem streng durchgetakteten Terminkalender folgt, den ihre persönliche Assistentin Francesca (Noémie Merlant, grandios in Portrait einer jungen Frau in Flammen) schon im Schlaf herunterrasseln kann. Ohne Francesca wäre Tár selbstredend aufgeschmissen, doch im Idealfall soll sich ein Künstler nur auf seine Kunst konzentrieren. Vergessen darf er dabei nicht, auch sozial integer zu bleiben. Tár versucht es, was sich manchmal besser, manchmal schwieriger gestaltet. Es sind die Opfer, die eine Weltberühmtheit bringen muss – es ist der Fokus auf das Perfektionieren schwieriger Stücke vorzugsweise von Mahler oder Beethoven. Das Ensemble des Orchesters ist da nur Werkzeug. Ein liebgewonnenes Werkzeug. Und Tár tut, was sie kann. Vermeidet eklige Arroganz, vergisst manchmal, die ihr zu Diensten Stehenden entsprechend zu würdigen, hat nur das Ziel der Vollendung ihres Schaffens im Blick. Wer sich darauf einlässt, muss scheinbar wissen, wie so jemand tickt.

Und dann passiert das, was Promis manchmal passiert: Tár gerät in Misskredit. Zu Recht oder nicht, wen juckt das schon. Jedenfalls gerät ihre Welt aus den Fugen, nachdem Tár beschuldigt wird, mit dem Suizid einer ehemaligen Musikerin aus ihrem Mentoring-Programm Accordion Fellowships etwas zu tun zu haben. Sexuelle Ausbeutung? Machtmissbrauch? Alles nur Vermutungen, Andeutungen und vage What if-Konstrukte, denen sich Tár nun ausgesetzt sieht. Mit diesem Dilemma unterliegt bald auch ihre Wahrnehmung einer Verzerrung, die Wirklichkeit hat kaum mehr gute Erklärungen parat. Ihr soziales Umfeld zeigt ihr die kalte Schulter, Mentoren und Kollegen üben sich im Schuldspruch aufgrund eines Verdachts, der sich niemals erhärtet. Klar ist der Stern Társ daraufhin auf Sinkflug. Doch eine, die schon alles gehabt hat, muss sich nicht zwingend an einen Zustand klammern, der längst in einen Erfolgstrott verfallen ist.

Der für 6 Oscars nominierte Streifen und nach Little Children Todd Fields erste Regiearbeit nach 16 Jahren ist Arthouse-Kino, welches sich in seiner eigenen Themenwolke – nämlich in der Welt der Klassik und jener, die sie interpretieren – zu sehr bequem macht, um heraustreten zu wollen. Der Schritt in ein anderes Genre als das des Künstlerdramas ist zu zögerlich, um ihn letztendlich getan zu haben. Das Schauspiel von Cate Blanchett hätte es wohl nicht verändert, denn sie genügt sich und dem Publikum vollkommen. Es gelingt ihr, eine Figur mit Biografie zu erschaffen, und noch dazu eine, die man weder verurteilen noch anhimmeln kann – bewundern vielleicht schon, ob ihres Könnens und ihrer Tatkraft. Zu so einer Figur gehören Manierismen und Verhaltensweisen, die aber nichts Pathologisches an sich haben und später auch nicht haben werden. Nehmen wir mal Natalie Portman in Black Swan. Darren Aronofsky hat da viel energischer mit anderen Genres kokettiert, sein Ballettthriller wurde zum polanski’schen Horror, Portman zur Furie. Tár mag zwar auch manchmal austicken, doch richtig manisch wird sie nie. Insofern bleibt Todd mit seiner Halbgöttin im Hosenanzug auf dem Boden, schickt sie vielleicht manchmal durch entrische Gänge, die im Dunklen liegen, will sie aber letztendlich nirgendwo einordnen. Weder als Soziopathin noch als Opfer des Ruhms. Was zur Folge hat, dass bis auf Blanchetts Figur alle anderen Charaktere schemenhaft herumspuken. Genauso vage bleibt die mysteriöse Vergangenheit einer Dreiecksbeziehung und der Stein des Anstoßes, der Problemfall selbst, um welchen sich Társ Schicksal rankt. Reduziert auf Erwähnungen im Gespräch, die man leicht überhören kann, bleibt der Kern des Plots zu volatil, um jene Gewichtigkeit zu erlangen, die er hätte haben sollen. Tár als Film gefällt sich zu sehr in seiner Fachsimpelei und verlässt sich fast ausschließlich auf den Inhalt seiner Dialoge. Todd widersteht dem Versuch, Társ Charakter aus ihrer Reaktion auf die Umstände zu zeichnen, sondern formt sie bereits außerhalb der Geschichte, was dieser viel zu viel Zeit abringt. Das, was interessant ist, kommt als beiläufige Andeutung eines möglichen Skandals zu kurz. Obwohl überall hoch gelobt, empfinde ich Tár als ein Werk, das sich in seinen Prioritäten verpeilt.

Tár (2022)

Zeiten des Umbruchs

DIE EINSAMKEIT DER TRÄUMER

8/10


armageddontime© 2022 Focus Features, LLC.


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: JAMES GRAY

CAST: MICHAEL BANKS REPETA, JAYLIN WEBB, ANTHONY HOPKINS, ANNE HATHAWAY, JEREMY STRONG, TOVAH FELDSHUH, ANDREW POLK, JESSICA CHASTAIN U. A. 

LÄNGE: 1 STD 55 MIN


Egal, was du aus deinem Leben machen willst, was du tust und wofür du dich entscheidest: Bleibe Mensch! Wenn man sowas aus dem Munde von Anthony Hopkins hört, der sich mit hingebungsvoller Gewissenhaftigkeit und großväterlicher Liebe seinem Enkel widmet, erstarkt in einem selbst das Gefühl, die Weisung gelte nicht nur dem Jungen im Film, sondern auch einem selbst, der wie ich hier im dunklen Auditorium sitzt. Nichts anderes wollen wir tun: Uns selbst treu und Mensch bleiben.

Das erreicht man sicherlich nicht damit, indem man Nahrungsmittel auf wertvolle Kunstwerke wirft. Aber vielleicht damit, verrückte Ideen zu verfolgen, die einem an die Grenzen der eigenen Erfahrung bringen. Einem derartigen Reifungsprozess gibt sich der jüdische Junge Paul Graff hin, der im Geburtsjahr der 80er seine Schulstunden in Queens damit verbringt, in den Tag hineinzuträumen oder den unbequemen Lehrer Mr. Turkeltaub zu karikieren. Paul hat zeichnerisches Talent und denkt sich seinen eigenen Weg durch seine Kindheit, dabei schließt er Freundschaft mit einem schwarzen Jungen, der keinerlei Privilegien genießt, am Rande der Gesellschaft steht und diese Ohnmacht mit Bockigkeit kompensiert. Pauls Familie hadert derweil selbst mit ihrem Status als jüdische Einwanderer, die ihren Familiennamen ändern mussten, um als vollwertig zu gelten. Diese Zeit, in der Paul seine gesellschaftliche „Unschuld“ verliert, ist auch die Zeit, in der Ronald Reagan seine besten Karten dafür ausspielt, um Präsident zu werden. Das Viertel steht überdies unter der Obhut der Trumps. Donald, der spätere Präsident, wird Paul Graff genauso begegnen wie die damit einhergehende Unfairness der westlichen Welt, in der sich Chancengleichheit zum riesengroßen Fremdwort bläht.

Wenn Paul Graff – hinreißend dargeboten von Newcomer Michael Banks Repeta, der durch sein kindlich-knuffiges Erscheinungsbild leicht unterschätzt wird – lieber den Weg des Underdogs geht; des sozialen Outlaws, der das Herz am rechten Fleck hat, dabei aber seine Familie an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringt, wünscht man sich einerseits, den Jungen an den Schultern zu packen und ihm Vernunft einzubläuen, andererseits aber ist das Brechen der Konventionen der einzige Weg, um einen Weg in die Zukunft zu finden, den bislang sonst noch keiner niedergetrampelt hat. Dieser Zwiespalt bewegt und fasziniert. Die Rolle des schwarzen Jungen namens Johnny wird dabei zum traurigen Symbol einer demokratischen Schieflage. Regisseur James Gray (u. a. Ad Astra – Zu den Sternen) errichtet sein Coming of Age-Drama auf den Erinnerungen seiner eigenen Kindheit. Ein autobiographischer Film, sozusagen. Und da all diese Szenen für Gray mit sehr viel emotionalem Kontext verbunden sind, liegt ihm auch gar nichts daran, altbekannte Erzählformeln oder die üblichen nostalgischen Versatzstücke, welche die Achtziger stets so mit sich bringen, einzusetzen.

Zeiten des Umbruchs – oder viel besser: Armageddon Time – ist das nonkonformistische Zeitbild rund um einen Nonkonformisten, der einer privilegierten Elite nichts abgewinnen kann und sich abwendet, weg von einem Erfolg, den sich alle anderen verdienen. In diesem politischen wie gesellschaftlichen Paradigmenwechsel, der wie ein Vakuum wirkt, in welchem die eigenen Ideale schwerelos scheinen, begibt sich Gray auf Augenhöhe mit sich selbst und seiner Familie, verschmäht das Melodrama oder gar den Kitsch. Bleibt ehrlich und widersprüchlich im menschlichen Verhalten. Hopkins oder Anne Hathaway sowie allen voran der erstaunliche und ungefällig aufspielende Jeremy Strong ruhen in ihren Rollen zischen Fürsorge und eigenem Dilemma und lassen dem Jungschauspieler Platz, um seinen Idealen zu folgen, so lausbübisch sie auch sein mögen.

Selten war ein Film aus dem Coming of Age-Genre, in welchem immer wieder ähnliche Themen romantisiert werden, so sehr mit Zeitgeschichte und den Werten des Humanismus verbunden. In den meisten stehen die Protagonisten selbst im Zentrum und suchen ihre Identität. In Zeiten des Umbruchs richtet sich der konzentrierte Blick nach außen, auf die Umwelt. Was man sieht: Das stimmige, spürbare Portrait eines Anfangs von etwas, das bis heute nachwirkt.

Zeiten des Umbruchs

The Outfit – Verbrechen nach Maß

TOTE TRAGEN SCHICKE SAKKOS

5/10


theoutfit© 2022 Focus Features, LLC.


LAND / JAHR: USA 2022

BUCH / REGIE: GRAHAM MOORE

CAST: MARK RYLANCE, ZOEY DEUTCH, DYLAN O’BRIEN, JOHNNY FLYNN, SIMON RUSSELL BEALE, NIKKI AMUKA-BIRD U. A.

LÄNGE: 1 STD 46 MIN


Für Graham Moore ist der unsichtbare Faden wohl jener Handlungsstrang, der sich jenseits des Offensichtlichen durch die Minuten eines Films schlängelt, und nicht jener Zwirn, den Daniel Day Lewis in gleichnamigem Film von Paul Thomas Anderson seinen stofflichen Kunststücken zur Vollendung eingenäht hat. Für Graham Moore ist The Outfit – Verbrechen nach Maß sein Debüt in Sachen Regie, nach dem er recht erfolgreich das Drehbuch zu The Imitation Game von Morten Tyldum verfasst hat. Wir wissen: Benedict Cumberbatch hat hier dem Mathematiker Alan Turing ein Denkmal gesetzt. Jetzt borgt sich Moore aus Spielbergs Lieblingsensemble Mark Rylance, den ehemaligen Mastermind hinter Ready Player One oder dem Spion aus The Bridge of Spies. Rylance spielt gerne unterschätzbare Charaktere, die leise auftreten, sich vielleicht auch menschenscheu und eremitisch geben. Die den Kopf gesenkt halten und eine falsche oder wahre Bescheidenheit leben, so genau weiß man das nie. Rylance aber hat Charakter, ein distinguiertes Auftreten und fällt niemals mit der Tür ins Haus. Das war auch schon bei Yoda so: Deswegen war der mächtigste aller Jedi auch der kleinste und lernresistenteste, wenn es darum ging, ordentlich Basic zu beherrschen.

Rylance als Herrenschneider Leonard Burling spricht allerdings ein astreines und gewähltes Englisch. Konzentriert sich auf das, was er am besten kann, um die Perfektion mit Nadel und Faden zu gewährleisten. Betreibt einen kleinen Laden im tief verschneiten Chicago und tut so, als wüsste er nicht, dass hier tagein, tagaus finstere Handlanger nicht nur der irischen Mafia Burlings Werkstatt als Drehscheibe für geheime Informationen verwenden. Dort hängt in einer Ecke ein unscheinbarer Briefkasten, und die verbrechenswilligen Herren in Mantel und Fedora schneien hier schneeflockennass in die heiligen Hallen des Meisters, um ihr Geschäft am Laufen zu halten. Eines Tages landet ein Brief der geheimnisvollen und alles umspannenden Organisation The Outfit in besagtem Kästchen – mit brisanten Details. Später dann wird Richie, der Filius von Gangsterboss Boyle, angeschossen in die Schneiderei gebracht – ein Angriff der Gegenpartei, die wissen wollen, dass einer in diesem ganzen Gefüge der Unterwelt ein Verräter sein muss und dem FBI mithilfe von Tonbandaufzeichnungen allerlei Brisantes zukommen lassen will. Diese Aufnahmen dürfen nicht in falsche Hände geraten, denn geplaudert wird in diesen scheinbar tauben vier Wänden immerhin auch genug.

Wer jetzt schon anhand des recht konstruierten Plots das Interesse an dem piekfein ausgestatteten Kammerspiel verloren hat: vorzuwerfen wäre es ihm nicht. Die ebenfalls von Graham Moore ersonnene Geschichte, die sich auf Elemente eines True Story-Berichts beziehen, eifert etwas bemüht den Gangsterfilmen der Schwarzen Serie nach und transportiert seine Hommage in eine Zwei-Zimmer-Boutique, in welcher sich im Laufe von 106 Minuten die verschiedensten Gesellen – vom tumben, gewaltbereiten Handlanger bis zum Obermafiosi, der seinen Sohn sucht – einfinden werden. Das Kammerspiel dürfte Moore womöglich schon seit Sichtung des Hitchcock-Klassikers Cocktail für eine Leiche beeindruckt haben: so manchen Suspense entdeckt man auch in The Outfit – wenn man genau danach sucht. Also irgendwo zwischen angeschossenen Gangstern, verbotenen Liebschaften und gezogenen Pistolen, die auf was weiß ich auf wen gerichtet sind. Inmitten dieses Kommens und Gehens arbeitet sich Mark Rylance als argloses und scheinbar devotes Scheuklappen-Schneiderlein durch allerlei Schnittmuster zur zentralen Figur heran, die langmächtig über Schein und Sein philosophiert und maßgeschneiderte Herrenanzüge mit determiniertem Karma gleichsetzt.     

The Outfit – Verbrechen nach Maß will als opulenter Einakter auf engstem Raum funktionieren und seine Wendungen wie Stecktücher in Sakkos platzieren. Durch diese Ordnungsliebe verzichtet der Thriller aber auf das Plötzliche und Unerwartete.

The Outfit – Verbrechen nach Maß

Blue Bayou

PAPA KOMMT NICHT WIEDER

5,5/10


bluebayou© 2021 Focus Features


LAND / JAHR: USA 2021

BUCH / REGIE: JUSTIN CHON

CAST: JUSTIN CHON, ALICIA VIKANDER, SYDNEY KOWALSKE, MARK O’BRIEN, EMORY COHEN, LINH DAN PHAM, VONDIE CURTIS-HALL U. A. 

LÄNGE: 1 STD 58 MIN


In jeder zweiten (was heißt jeder zweiten: geradezu in jeder) altersübergreifenden Produktion feiern US-Entertainment-Konzerne wie Disney die Einheit, den Zusammenhalt und den Wert der Institution Familie. Wenn Mama, Papa und der Nachwuchs füreinander in die Bresche springen, dann ist das das höchste Gut, keine Frage. Kann ich auch so unterschreiben. Blickt man in den Vereinigten Staaten aber vom Bildschirmrand etwas weiter weg und dahinter, ist es aus mit diesem Wertebewusstsein. Da ist Familie nur noch in einer einzigen Ausgestaltung annähernd so, wie Disney es immer kolportiert: weiß, uramerikanisch und gefühlt seit Jahrtausenden schon dort geboren. Wir wissen, dass dem nicht so ist. Alle Nicht-Natives blicken zurück auf eingewanderte Ahnen, das kann man drehen und wenden wie man will. Die Politik der Integration war damals aber vielleicht nur ein Blatt im Wind, nicht von Bedeutung. Heutzutage ist Integration etwas für den Rechenschieber, ein seelenloses und unmenschliches Regelwerk, dass den hochgelobten Familiensinn mit Füßen tritt. Justin Chon, selbst gebürtiger Südkoreaner und wohnhaft in den USA, hatte wohl Menschen an seiner Seite, die sich rechtzeitig darum gekümmert haben, dass der Bub auch die amerikanische Staatsbürgerschaft erhält. Mittlerweile wird ihm wohl nicht jenes Schicksal widerfahren, dass sein alternatives Ich in Gestalt von Antonio zu spüren bekommt. Wobei mit etwas mehr Besonnenheit im Alltag ein Drama wie dieses wohl nicht entstanden wäre. Oder aber: es wäre sowieso so weit gekommen – wenn nicht früher, dann später.

Dieser Antonio lebt als herzensguter Stiefvater und Partner von Alicia Vikander (selbst Schwedin, hier spielt sie aber eine waschechte Amerikanerin) in New Orleans und verdingt sich für einen müden Gewinn als Tätowierer. In naher Zukunft werden die Einnahmen bald nicht mehr reichen, denn Nachwuchs bahnt sich an. Es wäre schon alles unangenehm und entbehrlich genug, steht der leibliche Vater der kleinen Jessie permanent auf der Matte, was unheimlich nervt. Allerdings ist das sein gutes Recht, und als der Streifenpolizist die Mutter seiner Tochter in einem Supermarkt zur Rede stellen will, eskaliert die Lage. Antonio wird verhaftet – und zum Fall für die Fremdenpolizei.

Gesetze sind eine Sache – sie zu befolgen eine andere. Gesetze sind ein Kind ihrer Zeit und führen sich selbst manchmal ad absurdum, wenn ihr Wechselwirken bis zur letzten Konsequenz exekutiert wird. Gesetze wie dieses, das Einwanderer, die bereits mehrere Dekaden im Land gelebt haben, als ein nicht vollwertiges Mitglied der Gesellschaft ausweisen, schreien aber danach, reflektiert zu werden. Was in einem Land wie diesen aber nicht passiert. Justin Chon lässt sich selbst gegen Windmühlen kämpfen, und darüber hinaus auch noch gegen seinen eigenen Anstand. Dabei verknüpft er die vagen, traumartigen Kindheitserinnerungen des Einzelkämpfers mit einer Sehnsucht nach einem stillen Ort der Geborgenheit inmitten des Louisiana Bayou (langsam fließende Gewässer inmitten einer Sumpflandschaft). Die impressionistischen Bildstile eines Kim Ki Duk oder Tran Anh Hung könnten dafür Pate gestanden haben – sonst aber verlässt sich Chon auf eine unruhige visuelle Erzählweise in grobkörnigen Bildern, die das wehmütig-nachmittägliche Sonnenlicht wie auf verblichenen Polaroidfotos aus den Siebzigern wirken lassen. Weh- und schwermütig ist auch der ganze Film, doch in erster Linie nur für Alicia Vikander (die eine herzzerreißende Version von Roy Orbisons Songklassiker schmettert), der kleinen Jessie und Justin Chon.

Vielleicht liegt es am impulsiven Handeln des Protagonisten, welches dem Unglück, das hier noch folgen wird, einen anderen und besseren Ausweg verbaut. Das Schicksal einer entbehrungsreichen Kindheit ohne Wurzeln gewährt in Blue Bayou unbedachtem Handeln die Legitimation. Seltsamerweise erscheint es aber, als hätte Antonio nur mit halbem Herzen das getan, was notwendig gewesen wäre, um das Debakel eines verqueren Gesetzes auszubügeln. Vielleicht liegt es ja daran, dass Antonio Zeit seines Lebens gar nicht so genau weiß, wohin er schließlich gehört. Und das Schicksal, wie es auch ausfällt, wohl annehmen wird. Ein schmerzlicher Pragmatismus, der aber Distanz zum Film schafft.

Blue Bayou

Abseits des Lebens

ÜBERLEBEN ALS THERAPIE

6,5/10


abseitsdeslebens© 2021 Focus Features, LLC.


LAND / JAHR: USA, KANADA, GROSSBRITANNIEN 2021

REGIE: ROBIN WRIGHT

CAST: ROBIN WRIGHT, DEMIÁN BICHIR, WARREN CHRISTIE, MIA MCDONALD, KIM DICKENS U. A.

LÄNGE: 1 STD 30 MIN


Rüdiger Nehberg oder heutzutage Bear Grylls wissen, wie es geht: in der Wildnis überleben. Sie machen das, weil sie es können. Andere machen das, weil sie es zwar nicht können, aber zumindest wollen. Weil sie den einzigen Weg darin sehen, mit sich selbst ins Reine zu kommen. So eine Challenge kann gefährlich werden, wenn man nicht genau weiß, worauf zu achten ist. Doch Edee ist das ziemlich egal. Sie hat alles verloren, was ihr jemals lieb und teuer war. Und das ist ein Schmerz, der durch nichts gelindert werden kann. Außer vielleicht durch das Wagnis, den Grundregeln des Lebens selbst so nahe zu kommen, damit dieses wieder einen Sinn hat. Bewusst ist das Edee allerdings nicht. Vielleicht kann die Wildnis einen anderen, neuen Menschen aus ihr machen, wer weiß. Der Blick nach vorne gelingt vielleicht nur unter der Bedingung, niemals mehr zurückzusehen.

Also bezieht Edee eine Hütte im Wald – mit Konserven, Klamotten – und sonst eigentlich nichts. Das Auto lässt sie abholen, Handy hat sie auch keins dabei. Läuft irgendwas schief, ist das ihr Ende. Und es dauert nicht lange, bis der nächste Winter kommt, und Edee bemerkt, dass sie weder ein Rüdiger Nehberg noch ein Bear Grylls ist und kurz davor steht, entweder zu erfrieren oder zu verhungern. Das Schicksal will es anders und schickt gerade zur rechten Zeit einen Jäger an ihrer Hütte vorbei.

Abseits des Lebens (im Original nur: Land) birgt ein Skript, um welches sich wohl eine Menge Schauspielerinnen gerissen hätten. So gut wie eine One-Woman-Show, erfährt hier die Protagonistin die gesamte Klaviatur des Lebens, vorzugsweise die tiefen, schweren Töne. Doch Robin Wright findet da gut hinein. Vor allem auch, weil sie sich selbst inszeniert hat. Da kann man Empfindungen in die Rolle legen, wie man es für richtig hält. Wright lässt sich dennoch nicht zum Melodramatischen hinreissen. Und die Trauer ist eine, die selten im Selbstmitleid versinkt. Wenn, dann sind das Momente, die wir beim Verlust eines geliebten Menschen sowieso alle kennen. Die Natur zeigt sich dabei unbeeindruckt. Zieht das durch, was sie in all den Äonen immer tut, vom Frühling bis zum Winter und wieder von vorne. Genau das ist das Tröstende an Wald, Wiese und Berg. Wright ist begeistert davon und bringt dies mit pittoresken Kalenderbildern sehr wildromantisch zum Ausdruck. Dieses Beständige, Erwartbare, Kompromisslose scheint ein Leitsystem, dem man in schwierigen Zeiten folgen kann.

Vergleichbar ist Wrights Film zumindest anfangs und auch dazwischen mit Julian Roman Pölslers Haushofer-Verfilmung Die Wand. Während dort die Isolation eine aufgezwungene ist, sucht sich die Figur der Edee selbige freiwillig aus. Letzten Endes aber birgt sowohl in Die Wand als auch in Abseits des Lebens der Umstand des Alleinseins in einer atemberaubend schönen, wilden Welt genau das nicht, was der Mensch zum Weiterleben braucht: andere Menschen.

Abseits des Lebens