Omukade (2025)

DAS GROSSE KRABBELN

7/10


© 2025 Fatcat Studios


LAND / JAHR: THAILAND 2025

REGIE: CHALIT KRILEADMONGKON, PAKPHUM WONGJINDA

DREHBUCH: PAKPHUM WONGJINDA, METHUS SIRINAWIN

KAMERA: MANEERAT SRINAKARIN

CAST: NARILYA GULMONGKOLPECH, DAUNG, JAMES LAVER, YASAKA CHAISORN, HIDEKI NAGAYAMA, RYOTA OMI U. A.

LÄNGE: 1 STD 33 MIN


Was kreucht und fleucht denn da? Sagen wir: Jede Menge wäre dabei noch untertrieben. Denn Omukade liefert genau das, was Liebhaber des astreinen Insektenhorrors bei anderen, vielleicht schaumgebremsten Vertretern ihrer Art noch vermissen möchten. Hier bedrängt das parallele Krabbel-Universum eine uns bekannten Welt, die allerdings dort schon endet, wo das zum Freiwild erklärte, gesinnungsmäßig durchmischte Ensemble ihren ersten Schritt in die Finsternis eines Höhlensystems wagt, in dem, wie kann es anders sein, Gesetze herrschen, die man lieber niemals hätte lernen wollen.

Kriegswirren unter Tage

Was Ōmukade bedeutet? Nichts anderes als Riesentausendfüßler. Und das ist in diesem Fall auch nicht irgendeines dieser schmucken, sich schlängelnden Beinchenklopfer, sondern ein mythologisches Wesen, ein Terrorgeschöpf ersten Ranges, eine japanische Legende, auch genannt Yōkai, die sich aber warum auch immer in den Bergen Thailands eingenistet hat – vielleicht, weil es den Umtrieben der Japaner folgt, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs ganz Thailand überrannt haben. Seit David Leans Klassiker Die Brücke am Kwai wissen Filminteressierte schon längst, dass Japan zu dieser Zeit drauf und dran war, ein ganzes Bahnnetz in die Landschaft zu stampfen, eben auch von Bangkok nach Burma. Es finden sich Szenen in dem Film, die tatsächlich an den Klassiker mit Alec Guinness erinnern, doch diese sind spärlich gesät, denn es dauert nicht lange, da geht es in die Tiefen kalksteinerner Kavernen, Gänge und Stollen, sprich: in eine Mine des Grauens.

Warum alle dort hinein flüchten, ist schnell erklärt, denn das Regieduo Chalit Krileadmongkon und Pakphum Wongjinda (die Namen muss man sich zum Glück nicht auswendig merken, es reicht, wenn man es irgendwann geschafft hat, zumindest Apichatpong Weerasethakul im Gedächtnis zu verankern) hält sich nicht lange mit narrativem Schnickschnack auf. Dafür, dass beide danach streben, so schnell als möglich ihr Creature-Feuerwerk zu zünden, gelingt ihnen trotz einer ganzen Menge an Figuren das inszenatorische Kunststück, relativ zügig für klare Verhältnisse zu sorgen. Es gibt die Japaner, es gibt die Zwangsarbeiter, es gibt die Rebellen, alles kleine Grüppchen, die sich alsbald und dank eines Bombenangriffs der Briten in einer ausweglosen Situation unter Tage befinden. Wir haben also Jäger und Gejagte in diesem spärlich erhellten Universum aus Stein, in dem es schon bald in allen dunklen Ecken und Nischen anfängt, geräuschvoll zu knacken, zu schmatzen, zu trippeln, wie es eben so trippelt, wenn zum Beispiel Kakerlaken in nicht ganz stubenreinen Etablissements irgendwo in den Tropen unter dem Bett fröhliche Urständ feiern. Diese Geräuschkulisse alleine erzeugt schon Unbehagen – und dann sind sie auch schon da, diese zarten Geschöpfe der Gattung Scolopender, die aber um einiges größer sind als gewohnt. Nun gut, sagt man sich, Anomalien wie diese können schon sein, noch ist alles im Bereich des Möglichen, doch auch das Unmögliche bedrängt sehr bald auf tricktechnisch ausgesuchte Weise die Physis gänzlich unvorbereiteter Zweibeiner. Es geht sogar so weit, dass die tierische Übergiffigkeit einen Effekt erzeugt, der John Carpenters Horrorschocker Das Ding aus einer anderen Welt alle Ehre macht.

Creature Horror ohne Reue

Doch während Kurt Russel im Schneetreiben der Antarktis Freund von Feind unterscheiden hat müssen, bleiben hier nur Taschenlampen, Fackeln und Feuer, um zu erkennen, zu welch monströsen Ausmaßen der Alptraum hier mutiert. Dabei wird wieder mal deutlich, wie sehr und wie gerne sämtliche Filmemacher Thailands ostasiatischen Mythen den roten Teppich ausrollen, wie sehr das Subgenre des Monsterslashers, gepaart mit genüsslichem Bodyhorror, das Publikum wohl stets erfreut. The Lake war 2022 die smarte Süßwasser-Version von Godzilla. Orang Ikan zum Beispiel verbeugte sich 2024 vor den Arbeiten eines Jack Arnold, der sein Fischwesen bekannterweise in den südamerikanischen Regenwald abtauchen hat lassen. Mit Creepy Crawly hat das eingangs erwähnte Regieduo bereits einen kuriosen Kreaturenwahnsinn vorgelegt, Omukade soll in diesem Fall als Prequel dieses Filmes herhalten, was aber nicht zwingend so gesehen werden muss, denn dieser hier funktioniert und steht ganz für sich alleine.

Erstaunlich sind vor allem die Effekte zwischen praktisch-analogem Design und wenigen digitalen Kniffen. Zusammengenommen und vermengt mit dem geschickt beleuchteten Setting gelingt der Eindruck eines niemals billig wirkenden Szenarios voller surrealer Schreckensmomente, die den oft überzeichnet aufspielenden Helden auf augenzwinkernde Weise so einiges abverlangen. Ein Spaß ist das, ohne Reue, ohne Hemmungen – ein richtiges Guilty Pleasure. Dabei ist das Abenteuer so schmissig erzählt, dass die Story hinter dem Wahnsinn geifernder Insekten-Zombies niemals auf der Strecke bleibt. Spannend bleibt es bis zum Schluss, vielleicht auch, weil myriaphobische Anwandlungen sogar jene heimsuchen, die bislang nie ein Problem damit hatten, einen Scolopender über ihre Hand laufen zu lassen. Igitt, wie eklig.

Omukade (2025)

Kazakh Scary Tales (2025)

KRABBELSPUREN IM STEPPENSAND

5/10


© 2025 Short Brothers


LAND / JAHR: KASACHSTAN 2025

REGIE / DREHBUCH: ADILKHAN YERZHANOV

KAMERA: YERKINBEK PTYRALIYEV

CAST: KUANTAI ABDIMADI, ANNA STARCHENKO, DINARA BAKTYBAYEVA, AZIZ BEISHENALIEV, SHAKH MURAT ORDABAYEV U. A.

LÄNGE: 1 STD 54 MIN


Man könnte ja meinen, man stehe in der kasachischen Steppenlandschaft, weit und breit kein Berg, und würde, sofern man den Rundumblick innehält, nichts auch nur annähernd übersehen, was vielleicht auf einen zukommen oder das monotone Landschaftsbild stören könnte. In dieser Steppe, in der mangelnder Regen das Gras verdorren lässt und der graue Staub zwischen den Zähnen knirscht, auch dann, wenn kein Wind weht; in dieser Steppe fühlt sich Filmemacher Adilkhan Yerzhanov wie zuhause. Schließlich ist es sein Land und es sind seine Bedingungen. Als Verfasser eines Manifests zum kasachischen Partisanenkino liegt dem Künstler wohl sehr daran, dem gängigen staatlichen Mainstreamfernsehen und auch dem ähnlich gelagerten, unverfänglichen und einlullenden Themenkino zu entsagen und stattdessen lieber, ohne jegliche staatliche Förderung, seine eigenen Visionen umzusetzen. Das mögen welche sein, die nicht allen schmecken, doch noch ist es nicht so weit wie im Iran, in dem Filmemacher eben längst nicht mehr mitteilen können, was auf deren Zunge brennt.

Dale Cooper und der Schamanismus

Yerzhanov, längst in der Branche bekannt, kann sich’s leisten. Er pfeift aufs Geld und auf den Einfluss von Behörden, die ausschließlich politisch, aber nicht künstlerisch und schon gar nicht progressiv denken. Er macht Filme wie zum Beispiel Steppenwolf – einen knallharten, dystopischen Actionthriller über eine Mutter auf der Suche nach ihrem Sohn. Begleitet wird sie dabei von einem Ex-Polizisten, der keine halben Sachen macht und gerne den Hammer schwingt. Yerzhanov macht aber auch Fernsehen, und dabei ist der Entwurf einer mehrteiligen, paranormalen Kriminalgeschichte entstanden, deren erste drei Folgen zu einem spielfilmlangen Triple-Feature zusammenmontiert wurden. Verschmolzen und neu geschnitten für die Leinwand, trägt das Konstrukt nun den Titel Kazakh Scary Tales – was ein bisschen nach Arbeitstitel klingt, allerdings aber auch ein gewisses Versprechen für Grusel und Horror gibt. Vor allem dann, wenn man weiß, womit der fantastische Reigen eigentlich beginnt. Denn dem Erscheinen des abgehalfterten Klischee-Kommissars aus der Stadt, der wie eine Mischung als FBI-Agent Dale Cooper aus Twin Peaks und Inspektor Columbo wirkt, gehen schockierende Todesfälle in einer Geburtsklinik voraus. Birzhan, so der Name des Polizisten, der samt Familie in die öde Provinz Kataras versetzt wurde, muss sich mit den lokalen Ordnungshütern herumschlagen, die überhaupt nicht bereit sind, dem übereifrigen Fremden unter die Arme zu greifen. Ganz im Gegenteil – die Fälle seltsamer Kindstode sollen lieber nicht weiter verfolgt werden, schließlich sind hier, und das weiß die unmotivierte Gruppe streitsüchtiger Polizisten, ganz andere Mächte im Spiel. Mächte, die nicht von dieser Welt sind. Zum Glück stößt Birzhan auf eine Hellseherin, einem Medium, das sich in der Mythologie des Ortes auskennt, und bald den Verdacht hegt, es könnte alles mit einem Fluch zu tun haben – dem Fluch von Albasty.

Fernsehen ist nicht gleich Kino

Zugegeben, das klingt alles sehr schön rätselhaft, auch skurril, man lernt Neues über Mythen aus einem Teil der Welt kennen, der sich in den Nachrichten rar macht. Der Einblick in die zentralasiatische Twilight-Zone beschert neuen Input für Liebhaber des Übernatürlichen, und mit Yerzhanovs Ambition, sowohl Kino als auch Fernsehen zu bedienen, mag das staubgeborene Wunderding eines horrorhaften, bizarren Thrillers eine sichere Bank sein. Letztlich aber entwickelt sich Kazakh Scary Tales zu einem nicht unanstrengenden, weil angestrengten Unterfangen. Dem Werk ist deutlich anzusehen, dass der narrative Aufbau deutlich den Regeln einer Fernsehserie folgt. Und wir wissen längst: Geschichten im Kino oder eben im Fernsehen zu erzählen – das sind zwei Paar Schuhe. Yerzhanov will alle zwei Paar anprobieren, letztlich passt nur jenes Paar für das Kleinformat daheim. Bei einer Serie kann sich die Geschichte Zeit lassen – vor allem dann, wenn nach drei Episoden noch längst nicht das Ende kommt. In Kazakh Scary Tales ist irgendwann des Rätsels Lösung zwar gefunden, öffnet aber weitere Türen in die Zwischenwelt, und ja, es wird klar, da kommt noch was.

So gesehen mag der Film eine gestreckte Pilotfolge sein, alleine, um Charaktere einzuführen und die Parameter erst einmal zu setzen, bevor man tiefer vordringt in das Unheilvolle dieser Provinz. Dabei entstehen, am Stück genossen, vertrödelte Nebensächlichkeiten, Entschleunigung dort, wo Yerzhanov dringender hätte vorwärtskommen sollen. Der absurde Witz, der an den im deutschen Sprachraum wohlbekannten österreichischen Ermittler Kottan von Peter Patzak erinnert, hat zwar sein eigenes Kolorit und verträgt sich gut mit dem Aberglauben und der Verschrobenheit der lokalen Bevölkerung, doch der Spannung tut das keinen Gefallen. Als Thriller plätschert Kazakh Scary Tales vor sich hin, bleibt selten am Punkt, verstrickt sich in kausalen Zusammenhängen, die den morbiden, wenig kinderfreundlichen Spuk nur noch mehr ausbremsen. Kompliziert erzählt ist also halb verloren, so reizvoll sich die Synopsis auch anhört, so eintönig zieht sie sich hin, passend zum grasbewachsenen Nirgendwo, in das man starren kann. Und vielleicht spielen die Sinne dabei ja Streiche. Doch das setzt nur bedingt versprochene Reize.

Kazakh Scary Tales (2025)

Nightbitch (2024)

EIN JAMMER MIT DER MAMA

4,5/10


nightbitch© 2024 Searchlight Pictures. All Rights Reserved.


LAND / JAHR: USA 2024

REGIE / DREHBUCH: MARIELLE HELLER

CAST: AMY ADAMS, SCOOT MCNAIRY, MARY HOLLAND, JESSICA HARPER, KERRY O’MALLEY, ZOE CHAO U. A.

LÄNGE: 1 STD 38 MIN


Das alles ist schneller vorbei als uns Eltern lieb ist: Kaum sind unsere Schützlinge auf der Welt, steuern sie der Abnabelung zu. Die Phase des Kleinkindalters fühlt sich zwar wie eine Ewigkeit an, doch rückblickend war es nur ein Moment voller Entbehrungen für einen guten Zweck, nämlich das, was man über alles liebt, für ein ungeschriebenes Leben vorzubereiten. Wenn es hochkommt, sind es nur ein paar Jahre, dann kann sich der kleine Knopf schon selbst orientieren. Es geht schließlich ums Gesamtpaket einer werdenden Persönlichkeit, da sind schlaflose Nächte und kaum eigene Freizeit nur etwas, das man fürs große Ganze opfert. In dieser Zeit – und gegen alle Bemühungen, die Rollen neu zu verteilen – ist nach wie vor das „Muttertier“ aus dem gesellschaftlichen wie wirtschaftlichen Leben vorübergehend ausgeschlossen, schließlich geht es rein biologisch betrachtet um die Arterhaltung der Spezies Mensch. Als solcher will man schließlich alles haben – Karriere, Freunde, Freizeit, und nebenbei ein Kind. Geht doch. Betreuungen sind ohnehin buchbar, wenn es das Budget erlaubt. Wozu hat man dann aber Kinder? Aus Prestigegründen? Um sich selbst zu beweisen, alles hinzubekommen? Oder, um sich dem natürlichen zweck des Daseins zu besinnen?

In einer immer noch und leider Gottes patriarchalen Gesellschaft, die mit Trumps Wahlsieg wohl wieder mal erstarken wird, ist die Frau immer noch jene, die ungefragt zuhause bleibt. Schließlich ist sie Mutter, und daher wichtiger fürs Kind? Eine falsche Prämisse, die Amy Adams als wochentags alleinerziehendes Paradebeispiel einer Frau am Rande der Selbstaufgabe langsam erkennt. Der in sich zerrissenen, ehemaligen Künstlerin wird auch klar, dass Selbstverwirklichung kein Thema mehr sein darf, dass Ich-AG, Selbstfürsorge und Interessenspflege erst dann zum Zug kommen, wenn die Familie mal durch ist. Das jedoch findet nie statt. Unzufriedenheit macht sich breit, trotz Liebe zum Nachwuchs. Mama muss sich neu orientieren, neu justieren. Dem Ehemann in seinen veralteten Ansichten zur Ressourcenverteilung mal ordentlich die Leviten lesen. Und das innere, urtümliche Muttertier entdecken, die Wahrheit hinter dem ganzen Dilemma, ein Kind großzuziehen.

Dass die Amis auch Filme machen können, die der deutschen Wohlstandskomödien-Kinowelt entsprungen sein könnten, beweist Marielle Heller (Can You Ever Forgive Me?) mit dem Mutterschafts-Lamento Nightbitch – dem letzten Film aus meiner persönlichen Viennale-Auswahl. Amy Adams tut dabei alles, um an den Rand der Erschöpfung zu gelangen. Natürlich ist es anstrengend, entbehrungsreich, eine Grenzerfahrung – und obendrein nicht neu. Nightbitch liefert Erkenntnisse, die an einen Werbefilm für elterliche Gleichberechtigung erinnern. Es darf auch mal Papa zuhause bleiben, wie wäre es mit Väterkarenz? Und so weiter und so fort. Inspirierend ist das nicht, inspirierend ist vielleicht in Ansätzen jene fantastische Ebene, die womöglich nur in den Vorstellungen von Amy Adams Figur existiert. Der Werwolf-Mythos stellt sich ein, ein dick aufgetragener, eher plumper Symbolismus für ein animalisches Gefühl, das Schwangerschaft, Entbindung und die ersten Jahre eines neuen Lebens umspannen, und das Frau nicht verdrängen sollte. Ist es also mütterliche Pflicht, sich selbst aufzugeben, um zum Muttertier zu werden? Was genau will Heller mit ihrer satirischen Komödie uns normalsterblichen Eltern mit auf den Weg geben?

Dass die Gebärende lediglich gebärt, während der Rest des ganzen Projekts auch auf das Vatertier übertragen werden kann? Die Zugänge zu gleich mehreren Ansätzen sind schulmeisterlich bis banal. Binsenweisheiten und eine missglückte Metaebene, die gleichzeitig Freiheit vor den Konventionen und Rückbesinnung auf die Urtümlichkeit bedeuten. Nightbitch kann als archaisches, aber haareraufend unschlüssiges Familienabenteuer mit herkömmlicher Problemstereotypie betrachtet werden. Der radikale Rundumschlag, die mutige Avantgarde, sie bleiben verwehrt. Vielleicht auch, weil der Film unbedingt will, dass das Publikum sich wiederfindet. Mehr als Themenkabarett ist das manchmal aber nicht.

Nightbitch (2024)

Exhuma (2024)

HEITE GROB MA TOTE AUS

5,5/10


Exhuma© 2024 Splendid Film


LAND / JAHR: SÜDKOREA 2024

REGIE / DREHBUCH: JANG JAE-HYUN

CAST: KIM GO-EUN, CHOI MIN-SIK, LEE DO-HYUN, YOO HAE-JIN, JEON JIN-KI U. A.

LÄNGE: 2 STD 14 MIN


Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass kein einziger koreanischer Film jemals kürzer sein darf als zwei abendfüllende Stunden. Am liebsten sind Filme wie diese noch länger, am liebsten hängen sie noch eine halbe Stunde dran. Das bedeutet Sitzfleisch – und einen wachen Geist. Denn die Koreaner, die geben sich nicht damit ab, nur einen singulären Erzählstrang abzuarbeiten – mit anderen Worten: banales, simples Kino, das von Alpha bis Omega schön stringent seine Geschichte erzählt. Geradlinig darf sie sein, jedoch niemals nur eine Dimension besitzen. Da gibt es Meta-Ebenen und Stile, die sich gegenseitig übertrumpfen. Da gibt es Wendungen, Twists und kuriose Begebenheiten, kurzum: womöglich bleibt alles da, wo es drehbuchtechnisch sein soll. Andernorts hätte man schon das Publikum unterfordert und den Rotstift angesetzt, Passagen gestrichen und all die knackige Originalität eingekürzt. Eine Methode, wie es in der US-Filmbranche, zum Leidwesen eines unterschätzten und gähnend gelangweilten Publikums, immer wieder geschieht. Das stets geforderte koreanische Publikum indes ist schon von Kindesbeinen an mit Filmen großgeworden, die stets für Überraschung sorgen und keinen Publikumsparametern folgen wollen. Koreanisches Kino bleibt stets erfrischend. Bleibt immer anders. Und kann sich eben auch Filme wie Exhuma erlauben, die viel zu lange geraten, weil sie viel zu viel erzählen wollen.

Wenn man glaubt, bereits am Ende angelangt zu sein, ist schließlich erst eine Stunde verstrichen, was bedeutet, dass der vollgestopfte Schamanen-Thriller nicht mal noch Halbzeit erreicht hat. Dabei ist die Story schon erzählt, der Geist entfesselt, der Fluch getilgt. Nichts da – Regisseur Jang Jae-hyun weckt die Totenruhe nicht nur einmal, stört die metaphysische Ordnung im magischen Wäldchen auf ein neues. Bringt Unfrieden und will vom Bösen durchsetzte Grabstätten umbetten. Exhuma erzählt eine Menge, lässt beschwören, bekämpfen und besessen sein. Die zweieinhalb Stunden hängen sich rein.

Dabei ist es faszinierend, dabei zuzusehen, wie so ein schamanistisches Ritual abläuft, wenn tote Schweine aufgebahrt und eine bunt gewandete Spiritistin die Messer schwingt. Schließlich geht es darum, böse Mächte abzulenken, damit der schmuck verzierte Sarg des Ur-Patriarchen einer wohlhabenden koreanischen Familie, die längst in die Vereinigten Staaten ausgewandert ist, ausgehoben werden kann. Denn deren Opa, der spukt schließlich herum und belegt den jüngsten Spross seiner Dynastie mit Flüchen, quält die Lebendigen mit Alpträumen und stänkert so richtig auf paranormaler Existenzebene durch die Gegend. Feng-Shui-Meister Kim ist bei dieser Aktion alles andere als wohl bei der Sache, die beiden Schamanen Lee und Oh können den alten, erfahrenen Experten aber davon überzeugen, diesen Auftrag durchzuführen. Dass dabei noch ganz andere Mächte zurück ins Diesseits beordert werden, damit hätte wohl niemand gerechnet. Die Welt der Götter wird gestört, noch viel Älteres betritt die Bühne der Gegenwart, dessen Existenz bis in die Zeit der japanisch-koreanischen Kriege zurückreicht.

Das Ensemble der Spezialisten steht bald mit dem Rücken zur Wand, es geistert und spukt, das Phantastische ist Jang Jae-Hyun aber näher als der schreckgespenstische Horror. Hätte Neil Gaiman ein Austauschjahr in Südkorea verbracht und dort so manche seiner magischen Anderswelt-Geschichten geschrieben, er hätte Exhuma entwickeln können. Und obwohl hier kaum Leerlauf herrscht in diesem Abenteuer, es immer was zu tun gibt und niemand wirklich zum Durchatmen kommt – Exhuma ist ein anstrengendes, wie bereits erwähnt überlanges und unruhiges Werk, welches knapp vor Filmmitte seinen bisher so geschmeidigen Erzählfluss verliert. Was dann folgt, ist eine fast schon neu erzählte, ganz andere Geschichte, die mit der vorangegangenen nur noch wenig zu tun hat. Zwei Schamanen-Stories im Doppelpack? Nach einer Laufzeit von einer Stunde und fünf Minuten lässt sich der Rest des Films gut vertagen.

Exhuma (2024)

Wolfsnächte (2018)

SO FINSTER DIE WILDNIS

6,5/10


wolfsnaechte© 2018 A24 / Netflix


ORIGINALTITEL: HOLD THE DARK

LAND / JAHR: USA 2018

REGIE: JEREMY SAULNIER

DREHBUCH: MACON BLAIR, NACH DEM ROMAN VON WILLIAM GIRALDI

CAST: JEFFREY WRIGHT, RILEY KEOUGH, ALEXANDER SKARSGÅRD, JAMES BADGE DALE, MACON BLAIR, JONATHAN WHITESELL, JULIAN BLACK ANTELOPE, ERIC KEENLEYSIDE, SAVONNA SPRACLIN U. A.

LÄNGE: 2 STD 5 MIN


Dass in den Wäldern Nordamerikas längst finstere Mächte ihre Spiele spielen und den vulnerablen Geist der den Gesetzen der Natur unterworfenen Bewohnern ordentlich zusetzen, ist nicht erst seit dem Mystery-Serienjuwel Twin Peaks bekannt. Dass Homo sapiens in der Einschicht des Waldes und der Wildnis zu Entsetzlichem fähig ist, durfte Burt Reynolds am eigenen Leib erfahren, da er unter John Boormans Regie beim Sterben der erste war. Im Fahrwasser dieser finsteren Backwood-Ausgeburten ächzen mittlerweile jede Menge geistige wie körperliche Missgeburten seelenquälend durchs Gehölz, auch das Necronomicon findet sich in einer Hütte im Wald. Es zu lesen, entfesselt nichts Gutes. In dieser Finsternis aus allerlei Abgründen und bedrohlicher Waldesruh darf man als Wanderer durch den Tann natürlich nicht vergessen, dass auch die lokale Tierwelt gerne mal zu Eskapaden neigt. In diesem Fall sind es Wölfe, und ja, Isegrim ist auch in Österreich wieder auf dem Vormarsch, sehr zum Leidwesen diverser Viehhöfe, die gar nicht mehr damit nachkommen, ihre Schafe und Lämmer zu Grabe zu tragen. Der Wolf tut dabei nur das, was er tun muss. Ihn abzuschießen, ist längerfristig wohl keine gute Lösung – es wäre wegen dem Arterhalt. Wenn sich dann aber – wie in Jeremy Saulniers Horrorthriller Wolfsnächte – der Wolf an einem Menschen vergreift, ist es Schluss mit lustig. Ein kleiner Junge wird vermisst, der Spross der sonderbaren Medora Sloane, die den Wolf-Experten Russel Core (Jeffrey Wright) inständig darum bittet, der Sache nachzugehen und ihren Jungen wiederzufinden, wurde er doch zuletzt beim Spielen am Fluss gesehen, um kurz darauf vom Erdboden verschluckt zu werden. Für Core ein sonderbarer Umstand, doch er erklärt sich bereit, den „Maneater“ aufzuspüren und zur Strecke zu bringen. Was er dabei entfesselt, sind eingangs erwähnte archaische Mächte, das Öffnen eines Tores in eine metaphysische Welt, in der Mensch und Tier plötzlich gar nicht mehr so verschieden sind, in welcher der Instinkt und nicht der Verstand über Taten entscheidet. Die überdies erschreckend sind.

Im Gegensatz zu Wolfsnächte sind The Grey mit Liam Neeson oder Mörderischer Vorsprung mit dem legendären Sidney Poitier ja fast schon wie winterliche Pauschalabenteuer. Jeremy Saulniers Verfilmung des Thrillers von William Giraldi ist zwar längst nicht so verspielt albtraumartig wie das, was in David Lynchs Kleinstädtchen Twin Peaks passiert, dafür aber sind die Bandagen um einiges fester angelegt – und konkreter. Alexander Skarsgård will dabei ähnlichen Schrecken verbreiten wie sein Bruder Bill als Pennywise. Dieser Vernon Sloane ist zwar nicht das Böse höchstselbst, dafür aber besessen von archaischen Dämonen. Und nicht nur er: Riley Keough, Enkelin von Elvis und Priscilla Presley, begegnet der feuchtkalten Winterstimmung Alaskas mit unheilvollen Maskenmotiven aus uralten indianischen Mythologien. Vieles ist finster und bedrohlich in dieser vollmundigen, phantastisch angehauchten Mystery. Und dennoch lässt die manische Überlegenheit – wenn nicht gar Überheblichkeit – der mit den Schattenseiten der Natur im Bunde stehenden Figuren eine gewisse Unzufriedenheit hochkommen. Demgegenüber steht die bedauernswerte Ohnmacht einer desillusionierten, mit allen Mitteln eine gewisse Ordnung gewährleistenden Provinz-Gesellschaft, die dem verheerenden Zynismus krimineller Ausgeburten wenig entgegensetzen kann. Man selbst als Zuseher fände das eine oder andere Mal weitaus effizientere Lösungen mit weniger Kollateralschäden, und die Gewissheit, es letztlich besser gemacht haben zu können, und verbunden mit der Wut auf diese Arroganz der Bösen, die glauben, mehr zu wissen als der Rest der Welt, bleibt die Faszination für diesen durchaus nihilistischen Düsterthriller endenwollend. Man würde sich wünschen, die Finsternis eines besseren zu belehren. Eine Sehnsucht, die leider nicht gestillt wird.

Wolfsnächte (2018)

There’s Something in the Barn (2023)

ZORN DER WICHTEL

5/10


TheresSomethingInTheBarn© 2023 capelight pictures


LAND / JAHR: NORWEGEN 2023

REGIE: MAGNUS MARTENS

DREHBUCH: ALEKSANDER KIRKWOOD BROWN

CAST: MARTIN STARR, AMRITA ACHARIA, KIRAN SHAH, ZOE WINTHER-HANSEN, TOWNES BRUNNER, CALLE HELLEVANG LARSEN, HENRIETTE STEENSTRUP, PAUL MONAGHAN U. A.

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


Kurz vor Weihnachten ein neues Leben zu beginnen ist kein gut gewählter Zeitpunkt. Zu Weihnachten ist das Vertraute gerade recht, da will man’s gemütlich haben, will sich besinnen, und nicht die Zeit mit Unerwartetem verbringen, das plötzlich ins geerbte Haus schneit. Diese Unterkunft besaß einst der Onkel des nach Amerika ausgewanderten Bill (Martin Starr), der einem Brand in seiner Scheune zum Opfer fiel. Am Anfang des Films wird uns Zusehern sofort klar: Was da in dieser Bretterbude bereits den Oheim zur Weißglut trieb, soll auch der nächsten Generation zum Verhängnis werden. Irgendetwas ist da in der Scheune, so der übersetzte Titel dieser Horrorcomedy, die sich auf ganz gemütliche Weise den Mythen und Legenden Skandinaviens widmet und diese mit einem Home Invasion-Szenario in Verbindung bringt, welches wir alle aus den Gremlins-, Critters– und Zombie-Franchise kennen. Ob There’s Something in the Barn auf irgendeine Weise Althergebrachtes auf neue Wege bringt? Mitnichten.

Dieses neu erworbene Domizil samt Scheune liegt inmitten einer verschneiten Mutter Natur – etwas Schöneres kann man sich rund um Weihnachten gar nicht wünschen. So meinen es zumindest Mama und Papa – die pubertierende Teenager-Tochter sehnt sich nach dem urbanen Jet-Set und verbarrikadiert sich todunglücklich in ihrem Zimmer, der jüngere Sohn aber hat ein Händchen fürs Paranormale – und knüpft Kontakt mit einem wichtelartigen Elf, der in besagter Scheune haust. Mit etwas Geschick und Einfühlungsvermögen lassen sich Wesen wie diese leicht manipulieren und zu gutmütigen Heinzelmännchen abrichten – wenn man darauf achtet, gewisse Parameter einzuhalten. Natürlich geht das schief. Gerade zu Heiligabend, wenn Papa aufgrund eines misslungeneren Festtagsmenüs die vom Sohn vorbereitete Hafergrütze verputzt, die eigentlich für den Elf bestimmt war, setzt es statt Süßem eben Saures. Wie wütend Wichtel dabei werden können, ist bereits aus dem Märchen Schneeweißchen und Rosenrot bekannt, wenn der Bart einer ganz ähnlichen, zwergenähnlichen Gestalt im Stamm eines gefällten Baumes festhängt. So richtig rabiat wird auch dieser kleine Knilch hier, und wenn schon der Hass auf die undankbare Menschheit groß genug ist, lässt sich dieser auch mit anderen teilen. Es dauert nicht lange und mordlüstern schnaufende Zipfelmützenträger stürmen das traute Heim.

Bei den Gremlins wäre es ein leichtes gewesen, die kleine grüne Apokalypse aus schabernaktreibenden Langohren zu vermeiden. Auch in Magnus Martens alles anderen als stillen Nacht ist der Zorn der Wichtel nur der Quotient aus fehlendem Respekt und mangelnder Anpassungsfähigkeit in einem Land, in welchem manche Dinge eben anders laufen als in Übersee.

Exzentrische Fantasy, die mit dem Horror kokettiert und sich in das streng saisonale Genre des Weihnachtsfilms einschleicht, sind ein gefundenes Fressen für Leute, die der schönsten Zeit des Jahres gerne auch noch eine metaphysische Ebene abgewinnen wollen, die weniger mit Nächstenliebe und Familiensinn zu tun hat. Hier mag das nicht ganz ungerechte Finstere, das sich allerdings dazu bekennt, ohne Licht nicht zu existieren, mangelnde Tugend bestrafen, wie Knecht Ruprecht oder der gute alte Krampus. Des Menschen Gier, des Menschen Unachtsamkeit – sie sind die Beweggründe für manch Monströses aus missachteten Legenden, das die uns bekannte Realität heimsucht. Krampus zum Beispiel wird zum schneestöbernden Mindfuck, die skandinavische Weihnachtsgeschichte Rare Exports – einer meiner Lieblinge – lässt den Ur-Weihnachtsmann auf lakonische und schwarzhumorige Art und Weise von der Leine. Viel mehr gibt’s da eigentlich nicht, alles weitere gerät zu profaner Action. There’s Something in the Barn ergänzt zwar das Subgenre der sinistren Weihnachtsfantasy auf unmissverständliche Weise, bleibt aber hinter den Erwartungen zurück. Wichtel wüten zu lassen ist eine Sache – wie der Mensch darauf reagiert eine andere. So ist der Konflikt zwischen magischer und realer Welt zwar anfangs mit reichlich Suspense ausgestattet, meidet später aber die feine Klinge. In grobem Hickhack werden die Wichtel übers Feld geschickt, zähes Schauspiel und banale Drehbuchseiten lassen das gewisse Etwas vermissen. Als schales Wintergemetzel vielleicht brauchbar, die geliebten Deko-Elfen im eigenen Heim haben letztendlich aber mehr Seele als jene, die zum Hammer greifen.

There’s Something in the Barn (2023)

Irati (2022)

NICHT DIE GÖTTER, DIE MENSCHEN MÜSSEN VERRÜCKT SEIN

7,5/10


irati© 2022 Filmax


LAND / JAHR: SPANIEN 2022

BUCH / REGIE: PAUL URKIJO ALIJO

CAST: EDURNE AZKARATE, ENEKO SAGARDOY, ITZIAR ITUÑO, ELENA URIZ, KEPA ERRASTI, RAMÓN AGIRRE U. A.

LÄNGE: 1 STD 54 MIN


Lokale Mythen als großes Kino – eine Mission, die nun in die zweite Runde geht. Wie es Paul Urkijo Alijo abermals geschafft hat, mit wenigen Mitteln die Legenden seines Landes lebendig werden zu lassen, ist erstaunlich. Dabei ist schon sein Erstling eine Wucht. Und Netflix-Abonnenten können sich glücklich schätzen, denn dieser ist fürs Streaming abrufbar: Errementari: Der Schmied und der Teufel. Was so aussieht, als hätte Guillermo del Toro nach Pans Labyrinth abermals kreative Opulenz auf spanischem Boden zum Sprießen gebracht, ist die Saat eines ganz anderen. Eines Autorenfilmers, dessen Namen wohl die wenigsten kennen, dessen Filmschaffen aber eine große Zukunft hat und gegenwärtig längst schon viel mehr Aufmerksamkeit verdient als es bisher der Fall scheint. In Errementari lässt Alijo einen Boten des Teufels in einen Käfig sperren, der die Seele des Schmieds einfordern will, ist dieser doch im Krieg einen Deal mit dem Leibhaftigen eingegangen. Was ein kleines Mädchen mit dieser ganzen verzwickten Situation zu tun hat, lohnt sich in dieser prächtigen Gothic-Fantasy, die auch irgendwie an Neil Gaiman erinnert, herauszufinden.

War schon dieser so hintersinnige wie düstere Streifen die filmische Interpretation folklorer Mythen, ist es Irati ebenso. Kenner des Baskenlandes wissen: Irati ist die Bezeichnung eines Waldes im Norden der Provinz Navarra an der Grenze zu Frankreich und inmitten der Pyrenäen. Wie dieser zu seinem Namen kam, erzählt vorliegende Geschichte: Wir schreiben die letzten Jahrzehnte des 8. Jahrhunderts. Die Franken fallen in die nordspanischen Königreiche ein – auch in das des Herrschers Ximeno, der sich nicht mehr anders zu helfen weiß, als die Hilfe einer mythologischen Gottheit namens Mari zu erbitten. Die ist bei den Basken die oberste Entität, die Urmutter aller Nebengötter – der weibliche Odin, wenn man so will. Sie ist liiert mit ihrem eigenen Sohn, einem monströsen Schlangenwesen. König Ximeno dringt also in die heiligen Hallen der mächtigen Dame ein und verspricht ihr sein eigenes Leben, sollte sie die wilden Horden Karls des Großen vernichten. Gesagt, getan – Blut für Blut: Mari lässt es hageln und Felsen regnen – in archaischen Schlachtenszenen und im tosenden Unwetter lassen beiden Parteien die Schwerter klirren, bevor der König sich selbst opfert, um den Deal zu erfüllen. Eineinhalb Jahrzehnte später kehrt dessen Sohn Eneko nach seinen Lehrjahren ins Königreich zurück, um die Gebeine seines Vaters zurückzuholen und die Gegend von heidnischem Glauben zu befreien. Er macht sich mit der im Wald lebenden Irati, Enkelin einer Magierin, auf den Weg, weiß sie doch genau, wo Mari am Spinnrad des Lebens spinnt. Mit dieser Mission entfesselt die Saga ein Abenteuer aus Verrat, Liebe und mächtigen Gegnern aus unsichtbaren Welten sowie mit ganz viel Know-How, was traditionelle, überlieferte Legenden betrifft.

Dabei ist der vom Filmportal Cineuropa getätigte Vergleich mit Herr der Ringe einer, der deutlich hinkt. Damit hat das ganze nichts zu tun. Nicht jede High Fantasy holt sich Inspiration von Tolkiens erdachten Welten. Irati ist etwas ganz und gar Selbstständiges, maximal vielleicht noch mit den deutschen Heldensagen rund um Siegfried vergleichbar, obwohl es in diesem Märchen weder Drachen noch Zwerge gibt – dafür aber einen Schatz, der an das Nibelungengold erinnert. Allein schon der Zugang zu all diesen Gottheiten hebt Irati auf ein gänzlich anderes inhaltliches Niveau, die mit den griechischen oder nordischen Sagen viel mehr verwandt ist.

In satten Bildern, pittoresken Waldlandschaften und stattlichen Kriegern erfüllt diese Queste alle möglichen Anforderungen, die geschmeidige Fantasy ausmachen. Weder erlaubt sich Alijo irgendwelchen Leerlauf, noch läuft er Gefahr, dem aus klassischen Elementen errichtete Abenteuer unfreiwillige Komik zu verleihen. Eneko Sardagoy als der seiner Bestimmung folgende Held mag zwar gewöhnungsbedürftig sein, sein Konterpart Edurne Azkarate als Irati hingegen ist eine Naturgewalt, die die Welt der Götter mit jener des Menschen souverän verbindet. Der Einsatz von Licht und Farbe, die Bedeutung der Natur und akzentuiert eingesetzte Spezialeffekte, die einen gewissen Retro-Charme versprühen, ohne aber kurios zu wirken, beweisen Alijos aufrichtiges Interesse für den Stoff, aus dem die alten Helden sind.

Irati (2022)

Antlers (2021)

WENN MYTHEN WÜTEN

6/10


antlers© 2021 The Walt Disney Company


LAND / JAHR: USA, MEXIKO, KANADA 2021

REGIE: SCOTT COOPER

BUCH: HENRY CHAISSON, NICK ANTOSCA, SCOTT COOPER

CAST: KERI RUSSELL, JESSE PLEMONS, JEREMY T. THOMAS, SCOTT HAZE, GRAHAM GREENE, RORY COCHRANE, AMY MADIGAN, SAWYER JONES U. A.

LÄNGE: 1 STD 40 MIN


Wenn schon Oberösterreichs Kindergärten keine Ausflüge mehr in den Wald wagen, aus Angst, Meister Isegrim zu begegnen (siehe derstandard.at, 30. März 2023) – was sollen dann Nordamerikas Ureinwohner sagen, insbesondere jene vom Stamm der Cree? Für sie lauert im finsteren Tann, von welchem es dort schließlich reichlich gibt, ein unguter mythischer Zeitgenosse, genannt der Wendigo. Dieser Naturgeist ist niemand, den man beschwört oder für seine Sache einsetzen kann. Dieser hier ist abgrundtief böse und gierig. Furchtbar gierig. Gierig nach Menschenfleisch. Und er schafft es auch, andere, ganz unbescholtene Leute in den Wahnsinn zu treiben. Interessanterweise aber sieht der Wendigo in so mancher Beschreibung gar nicht so aus wie in Scott Coopers 2021 inszeniertem Creature-Horror. Welche Gestalt er letztendlich annimmt, mag an dieser Stelle nicht erwähnt werden. Jedenfalls benötigt er zumindest eine menschliche Hülle, um zu mutieren. Und das, ja, das mag unter Umständen eine ordentliche Sauerei ergeben. Die auch bleibt, denn niemand will nachher aufwischen.

Da wir aber in einer rationalen Welt leben, in welcher nur sein kann, was wissenschaftlich bewiesen wurde, sind Filmemacher brennend daran interessiert, diese arrogante Ansicht vorallem auch in Bezug auf Legenden zu unterwandern. Es entstehen daraufhin Filme wie Moloch oder Midsommar. Oder eben Antlers, auf deutsch: Geweih. Man kann sich also schon denken, woran man das Monster erkennen wird. Bis es aber so weit kommt, quält sich der stark introvertierte Lokalpolizist Paul Meadows mit bestialischen Todesfällen mitten im Forst herum, die nur ein tollwütiger Beutegreifer verschuldet haben könnte. Was aber zerlegt sein Opfer so genussvoll in seine Einzelteile? Neben dieses kniffligen Falles macht sich auch Pauls Schwester und Lehrerin Julia Gedanken um einen ihrer Schützlinge, ein so verwahrlostes wie verstört wirkendes Kind, das langsam vom Fleisch fällt und verschmutzte, löchrige Kleidung trägt. Es wäre mal ratsam, im Zuhause des kleinen Lucas vorbei- und nach dem Rechten zu sehen. Wie sich bald herausstellen wird: Ein grober Fehler, ganz allein und ohne Rückendeckung dort anzutanzen.

Spätestens hier, nach Einführung der Charaktere und einer Sightseeingtour durch ein trostloses Kaff, das unter wolkenverhangenem, grauem Himmel vor sich hindämmert, wird die Katze langsam, aber doch, aus dem Sack gelassen. Die Finsternis macht sich breit, das metaphysische Grauen ist entfesselt. Und auch wenn man von dieser folgenden Hatz nach dem Wendigo absieht, liegt über Antlers eine bleischwere Tristesse, die niemand lange aushalten kann. Dagegen ist Twin Peaks das reinste Elysium, während hier ein jeder seinem tröstlichen Ableben entgegendämmert. Ein bisschen zu borstig pinselt Scott Cooper (u. a. Der denkwürdige Fall des Mr Poe) seine Dark Fantasy, sodass diese an manchen Stellen dick aufgetragen und daher träge wirkt. Jesse Plemons wacht nie wirklich aus seiner Lethargie auf – Keri Russel dafür schon eher. Und dass Kinderdarsteller wie Jeremy T. Thomas keine nachhaltigen psychischen Schäden davontragen, wenn sie in Horrorfilmen mitspielen, ist mit immer wieder ein Rätsel.

Cooper aber schafft die Kurve und sammelt all seine Energie, die er anfangs nicht genutzt hat, um ein spektakuläres Finale abzuliefern, in welchem ganz normale Sterbliche über ihren Schatten springen, um sich dem Bösen zu stellen. Das ist der klassische Clinch des Diesseits gegen eine Anderswelt, die glaubt, Macht ausüben zu können, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Letztlich ist das genauso eine Art Arroganz, als würde man glauben, all das Seltsame zwischen Himmel und Erde wäre nur Humbug. Geister wie der Wendigo werden das schon sein – nur was wäre, wenn nicht? Der Glaube an des Menschen Mission, für das Gute zu kämpfen, stirbt zuletzt.

Antlers (2021)

Under the Shadow (2016)

DER ERRUNGENE MUT ZUM AUFBRUCH

7,5/10


undertheshadow© 2016 Netflix Österreich 


LAND / JAHR: GROSSBRITANNIEN, JORDANIEN, KATAR 2016

BUCH / REGIE: BABAK ANVARI

CAST: NARGES RASHIDI, AVIN MANSHADI, BOBBY NADERI, ARASH MARANDI, RAY HARATIAN, ARAM GHASEMY, HAMID DJAVADAN, SOUSSAN FARROKHNIA, KARAM RASHAYDA U. A.

LÄNGE: 1 STD 24 MIN


Wir alle kennen diese Träume, oder besser gesagt: Albträume, in denen wir weit von zuhause weg sind, womöglich auf Reisen, und dann haben wir das Wichtigste vergessen, was immer das auch sein mag, aber es ist etwas Unverzichtbares. Es gibt auch Träume, in denen wir versuchen, von irgendwo wegzukommen, meist aus dunklen Räumen, und jeder Schritt fühlt sich so an, als hätte man kiloweise Blei um die Knöchel. So schleppt man sich zum Licht, kommt aber niemals wirklich voran. Etwas hält uns zurück, in der Finsternis. Ein Trauma, eine Gestalt, eine Geschichte. Etwas Erlebtes. Und dann ist da Babak Anvaris Film. Eine Allegorie auf die Angst, Wichtiges zurücklassen zu müssen. Die Heimat zurücklassen zu müssen, das Zuhause oder das, was mehr ideellen als materiellen Wert hat, denn wir leben nun mal in einer Welt voller Dinge, mit denen wir manchmal unsere Seele teilen.

Für die Flucht weg aus dem eigenen Ursprung braucht es Kraft, Mut und Zähigkeit. Die Flucht ist meist die Reaktion auf den Totalzerfall des Systems – sprich: Krieg. In Under The Shadow lebt Shideh (Narges Rashidi) mit ihrer kleinen Tochter und ihrem Mann zur Zeit des Iran-Irak-Konflikts in Teheran. Die Lage spitzt sich täglich zu, im Nachbarland Irak werden die Raketen Richtung iranischer Hauptstadt in Stellung gebracht. Immer wieder jault die Sirene, um die Bewohner in die Luftschutzkeller zu befehlen. Shidehs Ehemann, ein Arzt, wird eines Tages einberufen – er muss an die Front. Zurück bleiben Mutter und Kind, und doch steht ihnen die Möglichkeit offen, du den Großeltern zu flüchten, außerhalb der Stadt, wo die beiden sicherer wären als hier in diesem kleinen Wohnhaus, wo all die anderen Parteien bereits darüber nachdenken, alles stehen und liegen zu lassen – oder zumindest das meiste. Shideh zögert, doch als eine Rakete das Haus trifft, scheint die Gefahr akuter denn je. So weit, so sehr Kriegsdrama aus der Sicht der Zivilbevölkerung. Wo ist nun der Horror?

Tochter Dorsa ist fest davon überzeugt, dass mit dem ersten Luftangriff und mit den Stürmen, die plötzlich toben, ein Djinn sich ihrer angenommen hat. Und zwar keiner, der, blauhäutig und dauergrinsend, drei Wünsche erfüllt. Sondern etwas Böses, Hinterlistiges. Etwas, das Mutter und Tochter daran hindert, fortzugehen. Das fängt damit an, dass der Djinn die heißgeliebte Puppe von Dorsa versteckt. Ohne dieses Spielzeug ist an Aufbruch nicht zu denken. Und sehr bald schon bleibt es nicht nur bei diesem Schabernack – der Dämon treibt sein Verwirrspiel bis zum Äußersten.

Auf Babak Anvari wurde ich erstmals aufmerksam, als sein perfider und daher auch unberechenbarer Psychothriller I Came By letztes Jahr auf Netflix erschien. George McCay wird da zum Opfer eines sinistren Hugh Bonneville. Einige Jahre zuvor gelingt ihm auch mit diesem subtilen und gewieften Escape Home-Thriller ein regelrechter Geheimtipp, der mit Leichtigkeit Elemente des Horrors mit jenen des Psychodramas aus dem Antikriegs-Genre verschachtelt. Die Metaebene offenbart sich wie der schwarzweiß gemusterte Dschilbab des paranormalen Eindringlings, das erzwungene Verharren am Ort der Gefahr wird zum Sinnbild für Verlust, Abschied und der Furcht davor, selbst zurückgelassen zu werden. So wie der Djinn die Möglichkeiten der Mutter aussetzt, ihren fürsorglichen Pflichten nachzukommen, so wird die Suche nach der Puppe zum innerfamiliären Nervenkrieg. Anfangs offenbart sich Under the Shadow in so pragmatischem Stil, wie ihn Asghar Farhadi gerne anwendet, um dann das Metaphysische im wahrsten Sinne des Wortes durchbrechen zu lassen und einige Jumpscares aufzufahren, die unerwartet passieren und nie zum Selbstzweck verkommen. Sie sind Teil dieses Halbwach-Zustandes, in welchem sich der ganze Film befindet – weil man eben nicht glauben und nur schwer annehmen kann, dass das Leben, wenn Krieg herrscht, in den eigenen vier Wänden nicht mehr sicher ist. All die Ängste, die dazugehören, mutieren dabei zum mythischen Quälgeist.

Under the Shadow (2016)

Family Dinner (2022)

SCHAUDERHAFTES MAGENKNURREN

5,5/10


familydinner© 2022 Panda Lichtspiele


LAND / JAHR: ÖSTERREICH 2022

BUCH / REGIE: PETER HENGL

CAST: PIA HIERZEGGER, NINA KATLEIN, MICHAEL PINK, ALEXANDER SLADEK U. A.

LÄNGE: 1 STD 37 MIN


Das Genre des Weihnachtsfilms ist bekanntlich breit gefächert. Von Zombie-Apokalypse bis zur honigsüßen Weihnachtszeit mit Winnie The Pooh ist hier wirklich alles vertreten. Von politisch unkorrekt bis haus- und keksebacken. Mit dem stiefmütterlich behandelten Genre des Osterfilms sieht es aber ganz anders aus. Warum ist das so? Vielleicht, weil die frohe Botschaft der Wiederauferstehung nicht einfach so durch das Feiern geballter Frühlingspower ersetzt werden kann? Weihnachten geht da schon längst als heidnisches Liebesfest durch. Zu Ostern fächert sich die Vielzahl der Filmgattungen von der Passion Christi, dem Blut- und Wundenwerk von Mel Gibson, auf bis zum großen Eierklau für die ganz Kleinen. Doch mehr oder weniger: Ohne Jesus und Hasen nichts gewesen. Jetzt gibt es frisches Osterfeuer aus dem morbiden Alpenland, sprich meiner Heimat Österreich. Hier hat weder Jesus groß das Sagen, noch kommen Hasen dazu, ihre Eier zu verstecken, weil sie vielleicht vorzeitig ihre Löffel abgeben. Hier hat das Genrekino des Osterfilms eine neue Nische entdeckt. Und zwar die des Horrors.

Wie so was geht, lässt sich eigentlich leicht bewerkstelligen. Man muss nur in der lokalen Volkskunde wühlen und auf folklore Riten stoßen, wie dies zum Beispiel Ari Aster zu Midsommars Zeiten getan hat. Blickt man also in die Abgründe mythologischer Wahnvorstellungen, kann einem schon anders werden und das Osterlamm würgt sich hoch. Mit so viel Hokuspokus will niemand was zu tun haben – das Teenagermädchen Simi allerdings schon. Die schlägt nämlich zeitgerecht zu Beginn der Karwoche bei ihrer Tante Claudia auf, die schließlich nicht irgendwer ist, sondern eine recht prominente Starköchin, die schon das eine oder andere Buch veröffentlicht hat, wie damals zu früheren ATV-Zeiten Sasha Walleczek, die uns überdeutlich erklärt hat, wieviel Zucker in ein Gläschen Coca-Cola passt. Simi, muss man dazusagen, ist übergewichtig, und da packt sie die kombinierte Gelegenheit von Schulferien und Verwandtschaft am Schopf und bittet die überaus freundliche Tante um fachgerechte Unterstützung beim Verlieren ihrer Kilos. Als krasser Gegenpol zu ihrer Zero Carb-Diät darf Cousin Filipp selbst in der strengsten Fastenwoche des Jahres ordentlich reinhauen. Und zugegeben: Claudias Gerichte, die ordentlich prominent in Szene gesetzt sind, lassen einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Von Tagliatelle mit Schafkäse bis zum Hasenbraten mit Rosmarin ist hier alles dabei. Pfannkuchen mit Apfelscheiben zum Frühstück, frisch gebackenes Brot am Morgen, medium gegartes Rind – Gourmet, was willst du mehr. Doch so verlockend diese herzhafte Schlemmerei auch sein mag: niemand sonst wird sich daran vergreifen, zumindest bis Ostersonntag nicht. Denn da soll ein Ritual stattfinden, dass Claudia sehr, sehr wichtig ist. Überdies ist es für Simi als Privileg zu verstehen, Teil dieser kernfamiliären Festivitäten zu werden.

Österreichische Filme sind tatsächlich meist trist. Auch Family Dinner. Zumindest vom Wetter her. Wolkenverhangen und deutlich zu frisch für diese Jahreszeit. Inmitten des niederösterreichischen Waldviertels steht ein Bauernhof, fern jeglicher Zivilisation. Man ahnt schon: Hier könnte Schlimmes am Werk sein. Fast scheint es, als bediene sich Hengl am guten alten Hänsel & Gretel-Mythos, wobei er diesen aber von innen entsprechend aushöhlt, um das Magenknurren als akustisches Gestaltungselement wie das unheilvolle Jaulen eines Geistes erklingen zu lassen. Pia Hierzegger weiß diese unguten Ahnungen aber stets zu zerstreuen. Wie sie das macht? Als alternative Esoterik-Intellektuelle mit hochgeschnürter Haushose, betulicher Liebenswürdigkeit und ordnungsliebender Hausfrauenstrenge wickelt sie Simi (Nina Katlein in ihrer ersten Filmrolle) um den Finger. Oder ist doch alles nur ehrlich gemeint? Hierzegger entdeckt hier eine neue Spielwiese für Suspense, Psychothrill und gediegenem Horror. Die sonst meist recht stoisch agierende Schauspielerin weiß mit links, wie sie gute Miene zum bösen Spiel macht. Und peppt den sonst eher träge dahinplätschernden Thriller ordentlich auf. Peter Hengl (u. a. Curling für Eisenstadt) lässt mit seinem ersten, selbst verfassten Kinofilm die Karwoche als entbehrungsreichen Katharsis-Parcour vonstatten gehen, in der Andeutungen und manch überzogene Gemütslage die einzigen prickelnden Highlights sind – bis endlich die wortwörtliche Erlösung von der Qual der Enthaltsamkeit auch gleich eine ganze Portion familiären Albtraum mit sich bringt. Bis es aber so weit kommt, gerät Family Dinner oft ins Stocken und entwickelt selten einen Dialogfluss, der nicht selten so danach klingt, als hätten die Beteiligten ihr Drehbuch schön brav auswendig gelernt.

Auch vergibt Hengl leider so einige Chancen, die leider sehr frühen Erahnungen zukünftiger Geschehnisse im Zickzackkurs zu zerstreuen. Es gibt da eine Stelle im Film, da ist nicht ganz klar, wer nun die Verrückten sind und wer nicht. Anhand dieser kurz aufblitzenden, erfrischenden Kehrtwende hätte Hengl noch mehr Zweifel bei seinem Publikum säen können, was Family Dinner auch noch perfider gemacht hätte. Der etwas holprige Erzählfluss wäre dadurch auch etwas weicher gegart geraten.

Die Zähne ausbeißen muss man sich bei Family Dinner aber nicht. Die Story mag zwar nicht das Gelbe vom Osterei sein und zu zaghaft aus sich herauskommen – Hierzeggers gefälliges Betüddeln allerdings schafft schon so einige feine Momente, in denen man das Spiel um Fasten und Mästen durchaus genießen kann.

Family Dinner (2022)